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NEWS AROUND PRISON AND LAW  /  GERMANY




29 June 2006
Keine eigenen Töpfe für Vegetarier im Knast

Berliner Sozialgericht weist Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und Klage ab: Sozialamt muss keine privaten Kochtöpfe für Insassen des Maßregelvollzugs bezahlen - Sauber gespülte Anstalts-Töpfe sind auch für strengen Vegetarier ausreichend Ein Insasse des Berliner Maßregelvollzugs hat zwei Prozesse gegen das Sozialamt verloren. Sein Ziel: „Die Gewährung einer einmaligen Beihilfe zur Anschaffung eines Kochgeschirrs und -bestecks.“ Seine Begründung: Er sei strenger Vegetarier. Daher sei es ihm nicht zuzumuten, die normalen Kochtöpfe im der Gemeinschaftsküche des Maßregelvollzugs zu verwenden. Diese Kochtöpfe würden von den übrigen Insassen benutzt, um darin auch fleischhaltige Mahlzeiten zuzubereiten.

Der Mann erhob Klage und beantragte vorab den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Berliner Sozialgericht hat Eil-Antrag und Klage abgewiesen. In der knappen Begründung heißt es: Der Mann besitze keinen besonderen „Hilfebedarf“ im Sinne des Sozialgesetzbuchs. Ihm sei es zuzumuten, das Geschirr der Gemeinschaftsküche zu benutzen. „Fleischrückstände auf dem Kochgeschirr können erfahrungsgemäß durch die übliche Reinigung mit Wasser und Reinigungsmittel wirkungsvoll beseitigt werden“, so das Berliner Sozialgericht.

Aktenzeichen: S 18 SO 3512/05
Die Entscheidung ist rechtskräftig.

[  meat-n-more.info





23 June 2006
Persönlichkeitsrecht
Verfassungsgericht betont ärztliche Schweigepflicht

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht bei der Behandlung psychisch kranker Straftäter betont. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze "grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter" von Patienten, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Es gebe "gegenwärtig keine gesetzliche Grundlage" dafür, dass ein unter der Führungsaufsicht eines Bewährungshelfers stehender psychisch Kranker verpflichtet werden könnte, seinen Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden.

Die Karlsruher Richter gaben der Verfassungsbeschwerde eines aus der Psychiatrie entlassenen Mannes aus Oberbayern statt, der im Rahmen der weiteren ambulanten Behandlung seinen Arzt teilweise von der Schweigepflicht entbinden sollte. Das Oberlandesgericht (OLG) München hatte dies für den Fall angeordnet, dass der Patient nicht genügend mitarbeiten oder die Therapie abbrechen würde. Der Mann war zuvor sieben Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Er hatte aufgrund einer Psychose einen versuchten Totschlag, eine Körperverletzung mit Todesfolge und eine versuchte schwere räuberische Erpressung begangen. Nach der Entlassung aus der Psychiatrie wurde er unter die Führungsaufsicht eines Bewährungshelfers gestellt und begab sich in die ambulante psychotherapeutische Behandlung.

Durch eine Verpflichtung zur Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht werde der Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, rügte das Verfassungsgericht. Es bestehe die Gefahr, dass staatlichen Stellen Befunde über seinen psychischen Zustand bekannt würden. Wer sich in ärztliche Behandlung begebe, dürfe erwarten, "dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung über seine gesundheitliche Verfassung erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt". Das Verfassungsgericht wies jedoch auf ein geplantes Gesetzesvorhaben der Bundesregierung hin. Der Gesetzentwurf zur Reform der Führungsaufsicht vom 7. April 2006 sehe vor, dass sich zum Beispiel Ärzte gegenüber dem zuständigen Gericht, der Führungsaufsichtsstelle und dem Bewährungshelfer offenbaren müssen, "soweit dies für deren Aufgabenerfüllung erforderlich ist". (AZ: 2 BvR 1349/05 - Beschluss vom 6. Juni 2006)

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June 2006
Die Niederlage des Gefängnisses - Teil I
Von Hubertus Becker - vorgestellt von Christiane Ensslin

Es gibt eine sogenannte Gefängnis-Literatur, es gibt Biografien von langjährigen Gefangenen, zumeist mit einer lebenslänglichen Strafe, es wird in Deutschland sogar ein Preis verliehen für die besten Texte aus den Gefängnissen, der Ingeborg-Drewitz-Literatur-Preis. Die besten Beiträge werden regelmäßig in Anthologien veröffentlicht.Hubertus Becker weicht von dieser Gefängnisliteratur insofern ab, da er weder persönliche Begebenheiten, kriminelle Aktivitäten oder Stories aus dem Milieu erzählt, sondern er hat 2003 auf insgesamt 117 Seiten eine Bestandsaufnahme des Gefängnissystems erarbeitet. Er ist kein Wissenschaftler, er schreibt nicht über andere, sondern von ihnen. In seiner Einleitung heißt es:

Angesichts der daraus resultierenden Datenunsicherheit habe ich mich entschlossen, eigene Beobachtungen aus 19 Jahren Gefangenschaft zur Grundlage meiner Untersuchung zu machen. Wenn hier und da Zahlen genannt werden, so entstammen diese meist der Tagespresse und erscheinen mir nachvollziehbar. Eine verläßliche Angabe stammt aus „Le Monde diplomatique“ vom 22.06.2003: Im Jahre 2002 waren in deutschen Gefängnissen knapp 75.000 Menschen inhaftiert, (darunter ca. 3.000 Frauen und 2.000 Lebenslängliche), was einer Überbelegung von ca. 25 Prozent entspricht. Bundesweit soll zu Beginn dieses Jahrzehnts das Gefängnissystem um 10.000 Haftplätze (Baukosten pro Platz geschätzte 110.000 Euro) erweitert werden. Daß dieses gigantische, von den Bundesländern in Gang gesetzte Investitionsprogramm langfristig betrachtet mehr Schaden als Nutzen für die Gesellschaft bringt, wird im Laufe der vorliegenden Untersuchung ebenso deutlich wie die These Michel Foucaults, daß das Gefängnissystem eine „Ablenkungsanlage für die illegalen Machenschaften der herrschenden Klassen“ ist, wie die Affären um Leuna und Parteispenden nahelegen.[...]

[  Die Niederlage des Gefängnisses / full article





21 June 2006
Überlastung der Gerichte? Karlsruhe stärkt Anspruch Gefangener auf raschen Rechtsschutz

Das Bundesverfassungsgericht hat den Anspruch Strafgefangener auf raschen Rechtsschutz bei Disziplinarmaßnahmen betont. Die Karlsruher Richter gaben in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss der Verfassungsbeschwerde eines Gefangenen aus Nordrhein-Westfalen statt. Sein Eilantrag gegen eine Disziplinarmaßnahme sei vom Landgericht Bielefeld äußerst zögerlich behandelt worden. Die Maßnahme - Fernsehverbot und Freizeitsperre für je eine Woche - war bereits vollzogen, bevor über den Eilantrag entschieden wurde. Die neue Generalbundesanwältin Monika Harms hatte kürzlich auf "wegbrechende Ressourcen" beim Personal und auf eine Überlastung an den unteren Gerichten hingewiesen.

Das Bundesverfassungsgericht betonte, dass gerichtlicher Rechtsschutz "so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvor kommen" müsse. Die Regelung des Strafvollzugsgesetzes, wonach Disziplinarmaßnahmen in der Regel sofort vollstreckt werden, ändere daran nichts. Ein Eilantrag führe zwar nicht ohne weiteres zur Aussetzung einer Disziplinarmaßnahme. Das angerufene Gericht müsse aber "ohne weiteres Zögern in der jeweils situationsgerechten Weise tätig werden".

Im vorliegenden Fall hätte das Landgericht wesentlich schneller vorgehen müssen, als es den Antrag des Gefangenen an die Justizvollzugsanstalt (JVA) für eine Stellungnahme übersandte. Statt den Eilantrag mit regulärer Post an die JVA zu schicken und eine zweiwöchige Stellungnahmefrist einzuräumen, hätte das Landgericht eine telefonische Nachfrage bei der JVA starten, den Antrag per Fax übersenden und die Frist zur Stellungnahme "kurz" bemessen müssen. Das zögerliche Vorgehen habe den Gefangenen in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 GG) eingeschränkt. (AZ: 2 BvR 1675/05 - Beschluss vom 27. Mai 2006)

Harms: Überlastung der unteren Gerichte

Die neue Generalbundesanwältin Monika Harms hatte kürzlich an das Bundesverfassungsgericht appelliert, die sich verschlechternden personellen Bedingungen in der Justiz mit in seine Entscheidungen einzubeziehen. Es wäre "wünschenswert, wenn bei der jeweiligen Sachentscheidung ebenso wie bei der Wortwahl bedacht würde, dass der Alltag in deutschen Gerichtssälen in Strafsachen gelegentlich anders" aussehe als im Bundesverfassungsgericht. Bei "wegbrechenden Ressourcen in sachlicher und personeller Hinsicht" sei "nicht alles machbar", was unter Bedacht auf die Freiheitsrechte von Angeklagten erstrebenswert und wünschenswert erscheine, sagte Harms. Für eine Personalaufstockung an den unteren Gerichten hatte sich Harms allerdings nicht eingesetzt.Das Verfassungsgericht hatte bereits in den vergangenen Jahren mehrere Entscheidungen unterer Gerichte wegen Verletzung der Freiheitsgrundrechte von Angeklagten aufgehoben, weil Verfahren zu lange dauerten.

[  ngo-online.de





18 June 2006
Justizministerium im Ruch der Zensur

Die Vorfälle liegen schon eine Weile zurück, der Streit darüber ist aktuell: Für ihre Fernsehbeiträge über Missstände in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/ Havel erhielt die rbb-Journalistin Gabriele Probst vor einem Jahr den Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins. Sie bekam aber auch eine Anzeige wegen Urkundenfälschung, weil sie ein Pseu-donym verwendete, als sie den Absender auf einem Brief an einen Häftling notierte.

War das eine Retourkutsche aus dem Justizministerium? Der Landtagsabgeordnete Stefan Sarrach (Linkspartei) möchte das genau wissen und verlangt in dieser Frage Akteneinsicht. Im entsprechenden Antrag schreibt der Politiker, nunmehr bitte er um Auskunft, wer konkret, die Gefängnisleitung oder das Ministerium, bei der Staatsanwaltschaft Potsdam Anzeige gegen Frau Probst erstattete. Sarrach möchte auch wissen, welche Kenntnis die Ressortspitzen von dem Vorgang hatten und »wie sie ihn bewerteten«. Die Berichte zu den Vorgängen in der JVA sind noch vor der Landtagswahl im Herbst 2004 gesendet worden. Damals amtierte als Justizministerin noch Barbara Richstein (CDU). Nach der Wahl bekam Beate Blechinger (CDU) den Posten.

Für Aufregung sorgte in den letzten Tagen schon der Eindruck, das Justizministerium habe Probst nachspioniert. Sarrach hatte zumindest einen Vermerk gefunden, der sich als eine Art Personeneinschätzung zu der Frage liest, ob Sarrach oder Probst mit Informationen, die sie beim Gespräch mit einem Gefangenen erhalten, an die Öffentlichkeit gehen. Dabei ging es um eine Besuchserlaubnis. In diesem Zusammenhang steht laut Sarrach geschrieben, Probst strebe schon von Berufs wegen eine »möglichst sensationsträchtige Medienberichterstattung« an. Diesen Anwurf, den Justizministerin Blechinger in einer Nachrichtensendung mit einer gleichlautenden Formulierung wiederholt habe, weist der rbb zurück. »Der rbb ist besorgt darüber, dass hier der Eindruck entstehen könnte, eine rbb-Journalistin solle für kritische Berichterstattung abgestraft werden.«

Für Grünen-Landeschef Axel Vogel sieht es so aus, als ob das Justizministerium mit dem Vermerk gegen das Landespressegesetz verstieß. Dem Gesetz nach darf es keine Zensur geben. Der Ablehnung einer Besuchsgenehmigung hafte aber der »Ruch der Vorzensur« an. Nach Ansicht von Vogel sollte eine unabhängige Stelle, etwa der Deutsche Presserat, dies überprüfen. Auch der Deutsche Journalisten-Verband sprach von einem Eingriff in die Pressefreiheit. Bewertungen über Journalisten gehören nicht in Ministeriumsvermerke, betonte man.

Die Landespressekonferenz protestierte gegen den Umgang. In einem offenen Brief an Blechinger ist von Verärgerung und Sorge über eine mögliche Zensur die Rede. Die Konferenz forderte Blechinger auf, sich von dem Vorgehen zu distanzieren und solche Praktiken künftig zu unterbinden. Auch wenn es sich um die »Einzelleistung« eines Mitarbeiters handeln sollte, so zeige der Vorgang, dass der Umgang mit unabhängigen und kritischen Medien »in Brandenburg offenbar noch immer nicht als Selbstverständlichkeit empfunden wird«. Inzwischen versuchte Blechinger zu beschwichtigen. Sie schrieb dem Sender, es habe sich ja nur um einen einzigen Fall gehandelt, wo Probst einen Gefangenen nicht besuchen durfte. Für eine vorurteilsfreie Pressearbeit des Ministeriums spreche, dass die Berichterstattung von Probst in keinem anderen Fall zur Ablehnung eines Häftlingsbesuchs geführt habe. Der rbb konterte Donnerstagabend, von sieben Besuchswünschen in den Anstalten Brandenburg und Cottbus im Jahr 2005 seien fünf bis heute nicht genehmigt.

[  nd-online.de


Ministerin Blechinger in der Kritik
Sie soll eine Journalistin verunglimpft haben

(10.06.2006)

Potsdam - Der Deutsche Journalistenverband hat Brandenburgs Justizministerin Beate Blechinger (CDU) einen „Eingriff in die Pressefreiheit“ und „Behinderung von Journalisten“ vorgeworfen. „Bewertungen über Journalisten gehören nicht in Ministeriumsvermerke“, kritisierte DJV-Bundessprecher Henrik Zörner am Freitag. Der PDS-Oppositionspolitiker Stephan Sarrach sprach vom „ersten handfesten Skandal Blechingers“. Kritik übte auch der Koalitionspartner. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Ralf Holzschuher legte der Ministerin nahe, sich bei der RBB-Journalistin Gabi Probst zu entschuldigen, weil diese in öffentlichen Äußerungen Blechingers und einem Vermerk des Justizministeriums verunglimpft worden sei.

Hintergrund der Vorwürfe: Probst, die 2004 schwere Missstände in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel um prügelnde und korrupte Beamte aufgedeckt hatte, war vom Justizministerium 2005 der Besuch eines Insassen der JVA verwehrt worden. Begründung: Dies schade dem Vollzugsziel. Dagegen nährt jetzt ein vom PDS-Landtagsabgeordneten Stefan Sarrach publik gemachter Vermerk des Justizministeriums den Verdacht, dass kritische Berichterstattung verhindert werden sollte: In dem Vermerk vom 5.Juli 2005 wird der Besuch von PDS-Abgeordneten in der JVA mit einer aufschlussreichen Begründung genehmigt. Dieser sei, so heißt es wörtlich, „anders zu beurteilen als jener der Redakteurin Probst, die schon von Berufs wegen und nach ihrem eigenen Selbstverständnis die möglichst sensationsträchtige Medienberichterstattung anstrebt.“ Blechinger kannte das Papier mit der brisanten Passage über die Journalistin, die für ihre Aufdeckung der Missstände in Brandenburger Haftanstalten 2005 den Medienpreis des Deutschen Anwaltsvereins erhielt. Zitat: „Der Vermerk hat am 8.Juli 2005 dem Staatssekretär und am 10.Juli 2005 der Ministerin vorgelegen.“ Im RBB-Fernsehen verteidigte die Ministerin am Donnerstagabend das Vorgehen: „Es geht hier um eine bestimmte Journalistin und nicht um die allgemeine Pressefreiheit“, sagte Blechinger.

„Es steht einer Justizministerin nicht an, öffentliches Journalisten-Ranking vorzunehmen“, sagte DJV-Sprecher Zörner. „Das grenzt an Verleumdung“, meinte der SPD-Abgeordnete Ralf Holzschuher. Der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des Rechtsausschusses Sven Petke hielt entgegen: „Rein rechtlich ist die Praxis in Ordnung.“ Das Justizministerium versucht mittlerweile die Wogen zu glätten: Einige Formulierungen im Vermerk und im Interview der Ministerin seien „unglücklich“, so ein Sprecher. Das Ministerium wolle in keiner Weise Berichterstattung zensieren. So würden in der Regel keine Besuche von Journalisten bei Gefangenen verwehrt. Dieser Fall sei eine Ausnahme gewesen, weil der Gefangene als schwierig gilt. Brandenburgs Justiz war bereits Anfang 2006 wegen Eingriffen in die Pressefreiheit mit der „Cicero-Affäre“ - der Durchsuchung von Redaktionsräumen des Magazins in Potsdam - bundesweit in die Schlagzeilen geraten. thm

[  tagesspiegel.de





18 June 2006
Von der ewig missachteten Gerichtsentscheidung
Interview mit Carsten Schäfer, Autor der Max-Planck Studie über Cannabiskonsum und Strafverfolgung in der Bundesrepublik

Vor zwölf Jahren gab ein Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe den Anschub zu einer politischen Diskussion und gesellschaftlichen Entwicklung, die bis heute anhält. In ihrer "Cannabis-Entscheidung" legten die Richter fest, dass ein gelegentlicher Eigenkonsum von Haschisch oder Marihuana straflos bleiben soll. In einem zweiten Schritt verpflichtete das Gericht die Bundesländer dazu, die Strafverfolgung von Haschisch- und Marihuana-Konsumenten anzugleichen. Es könne nicht sein, so die Richter, dass in Bayern der Konsum viel härter als in Schleswig-Holstein verfolgt würde.

Seither herrscht Verwirrung in der Republik. Die Entscheidung fiel in die Ära von Love-Parade, Neo-Hippies und Spaßkultur, viele interpretierten den Richterspruch als Quasi-Legalisierung von Cannabis. Kiffen war cool, alle wollten dabei sein, die Konsumenten wurden immer jünger. Von den Bundesländern wurde der Auftrag eine im wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung zu garantieren und ihre Vorschriften zu harmonisieren tapfer ignoriert.

Jetzt scheint Bewegung in die festgefahrene Situation zu kommen: Das Bundesgesundheitsministerium hatte beim [extern] Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg eine Studie in Auftrag gegeben, die die gegenwärtigen Rechtspraxis untersuchen sollte. Zusammen mit Letizia Paoli analysierte Carsten Schäfer über 2000 Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft und befragte Experten zur Lage der "Kiffernation". Im Interview spricht Schäfer, der heute als Staatsanwalt in Baden-Baden tätig ist, über erwachsene Ersttäter, den umstrittenen Begriff der "geringen Menge" und den Unterschied zwischen juristisch und politisch zu klärenden Fragen.[...]

[  Von der ewig missachteten Gerichtsentscheidung / full article


[  unterschiedliche Rechtspraxis zum Drogenbesitz in der Brd





16 June 2006
Stadt bekommt Frauengefängnis
Land steckt mehr als 100 Millionen Euro in Modernisierung der JVA

Mehr als 100 Millionen Euro wird das Land in den kommenden acht Jahren in die Modernisierung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg stecken. Die Bauarbeiten sollen in Kürze beginnen und bis 2014/15 andauern, sagte Rolf Hellmert, Leiter des Baureferats im Justizministerium. Bei den Kosten handele es sich aber noch um Planzahlen.

Allein acht Millionen Euro fließen in die Errichtung eines Frauengefängnisses an der Stelle, wo heute ein großer Mitarbeiterplatz ist (links der Pforte). Der Neubau soll bis zu 65 weibliche Inhaftierte aufnehmen. 32 Bedienstete werden dort Dienst tun. Derzeit sind die Frauen in der neuen Haftanstalt Luckau-Duben (Dahme Spreewald) untergebracht. Von dort sollen sie dann abgezogen werden. Das Justizministerium dringt auf den Umzug, da die Unterbringung der meist zu niedrigen Freiheitsstrafen verurteilten Frauen im Hochsicherheitsgefängnis Guben kostspielig ist. Frauen und Männer bleiben auch in Brandenburg streng voneinander getrennt. Der Frauen-Knast wird eine der letzten Baumaßnahmen sein.

Komplett modernisiert werden die alten Hafthäuser und der Trakt mit den Untersuchungshäftlingen. Dort sind die Insassen teilweise noch in Mehrbettzimmern untergebracht. Höchstrichterliche Urteile mahnen die Justiverwaltung dazu, diesen Zustand zu beenden. Aus diesem Grund muss das Land alle Trakte möglichst zügig so umbauen, dass für jeden Häftling ein Einzelplatz zur Verfügung steht.

Der Abrissbirne werden das Verwaltungsgebäude und das siebenstöckige Hochhaus rechts der Pforte fallen. Die Verwaltung zieht zunächst in einen Containerbau, in den vor Jahre das Haftkrankenhaus ausgelagert worden war, nachdem die Abteilung ausgebrannt war. Nach Vollendung der Bauarbeiten soll die Verwaltung in das Hauptgebäude aus Backstein umgesiedelt werden, das früher bereits die Verwaltung beherbergte. Abgetragen wird das noch verbliebene Stück der alten Mauer. Eine neue Bewehrung mit nur einer Zufahrt ins Innere entsteht - derzeit gibt es neben der Hauptschleuse noch einen Wirtschaftseingang. Die moderne Anlage soll helfen, Personalkosten zu sparen. So müssen derzeit noch die Wachtürme besetzt werden. Die neue Mauer hat keine Türme. Laut Justizministerium soll die Bewehrung als erstes in Angriff genommen werden.

Die neue Pforte wird ein Stück in Richtung Anton-Saefkow-Allee versetzt, weil der alte Haupteingang unter Denkmalschutz steht und erhalten bleiben muss. Justizministerin Beate Blechinger (CDU) hatte darauf gedrungen, die Baumaßnahmen in der ältesten JVA des Landes nicht erst 2018 abzuschließen, wie ursprünglich vorgesehen. (Brandenburg/Havel)

[  maerkischeallgemeine.de





15 June 2006
Innenminister peilt die Handy-Ortung an

Schönbohms Entwurf für ein neues Polizeigesetz sieht mehr Überwachung vor - und stößt auf Kritik

Potsdam - Ein Vorstoß von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zur Erweiterung der Befugnisse der Polizei hat in Brandenburg eine heftige politische Kontroverse ausgelöst. Nach dem jetzt im Entwurf vorliegenden neuen Polizeigesetz soll die Polizei künftig zum Beispiel Handys mit Peilgeräten orten und Gespräche unterbrechen dürfen. Sie soll auch berechtigt werden, Autokennzeichen elektronisch zu erfassen und eine DNA-Datenbank vermisster Personen anzulegen. Außerdem soll die umstrittene Videoüberwachung, die bislang probeweise an vier Orten im Land erfolgt, legalisiert werden. Brandenburgs Polizeigesetz gilt im Vergleich zu Berlin schon jetzt als rigide. Die verschärfte Novelle soll im Sommer das Kabinett passieren und im Herbst vom Landtag beschlossen werden.

Ob der Zeitplan eingehalten werden kann, scheint offen. Die SPD fühlt sich überrumpelt: Man habe sich in der Koalition nur über die Legalisierung der Videoüberwachung „abgestimmt“, erklärte gestern die innenpolitische Sprecherin Britta Stark. Aber auch sie soll laut SPD nur „an eindeutig definierten Kriminalitätsschwerpunkten möglich sein“. Die vier Test-Orte im Land, darunter der Potsdamer Hauptbahnhof, gehörten nicht dazu, erklärte Stark. Die SPD-Innenpolitikerin warnte, dass die weitgehenden Pläne Schönbohms in die Grundrechte der Bürger eingriffen, mit denen sehr sensibel umgegangen werden müsse. Deshalb sei eine intensive Debatte erforderlich. Mit der SPD werde es keine Totalüberwachung geben.

Die oppositionelle Linkspartei/PDS sieht bereits die Gefahr, dass sich Brandenburg zu einem Polizeistaat entwickelt. Schon die Videoüberwachung habe sich als relativ erfolglos erwiesen, da es in Brandenburg keine Kriminalitätsschwerpunkte gebe, so der Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg. Auch der 1996 eingeführte „große Lauschangriff“ (das Abhören von Wohnungen) sei in zehn Jahren genau einmal zur Anwendung gekommen. Brandenburg brauche nicht das schärftste, sondern das wirksamste Polizeigesetz. Auch die Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge äußerte sich skeptisch: Der Gesetzentwurf enthalte eine „brisante Mischung neuer Technologien“, man müsse klären, ob Brandenburg sie wirklich brauche. Genau geprüft werden müsse, was bei der Überwachung von Gesprächen passiere. Nach ihren Angaben ist die Handyüberwachung auch in anderen Bundesländern geplant. „Brandenburg schwimmt da mit.“

Rückendeckung bekam Schönbohm von der Polizeigewerkschaft. GdP-Chef Andreas Schuster sagte, die Ausweitung der Befugnisse sei nötig: Bei der Schwer- und Schwerstkriminalität gebe es keine Entwarnung, außerdem müsse das Land für terroristische Herausforderungen gerüstet sein. Schuster regt deshalb auch eine Anpassung des Berliner an das Brandenburger Polizeigesetz an. Ein Problem sieht er bei der geplanten Handyüberwachung, weil man bestimmte „geschützte“ Gruppen wie Journalisten technisch nicht ausnehmen könne: Der Computer nehme alle Daten auf.

[  tagesspiegel.de





12 June 2006
Ein Knast allein für Senioren

Kritiker bezeichnen die Einrichtung im baden-württembergischen Singen als Vollzug light“. Die Anstalt selbst sieht das anders.

Singen / Konstanz - Seine Opfer fand Otto Gärtner im Thermalbad. Stunden, manchmal ganze Nachmittage streifte der 69-Jährige durch die Saunalandschaft. Er hielt Ausschau nach Kurgästen in Bademänteln. Kaum waren die ahnungslosen Besucher im Schwimmbecken verschwunden, griff Gärtner (Name geändert) in die Tasche ihrer Mäntel, zog den Schlüssel für den Spind heraus und durchwühlte im Umkleidebereich die fremden Habseligkeiten. „Manchmal habe ich 20 Euro gefunden, manchmal tausend, manchmal auch eine EC-Karte samt Geheimnummer.“ Zigmal ging die Masche gut. Irgendwann aber wurde Gärtner die Überwachungskamera an einem Bankautomaten zum Verhängnis. Sie filmte ihn, als er mit einer gestohlenen Kreditkarte Geld abheben wollte. Auf den Bildern wurde Gärtner wiedererkannt, die Polizei nahm ihn fest. Jetzt sitzt der pensionierte Familienvater im Gefängnis in Singen am Bodensee, in einer Haftanstalt für männliche Straftäter über 62 Jahre. Es ist der einzige Seniorenknast Deutschlands.

Im Gefängnishof plätschert Wasser aus einem Springbrunnen in einen Fischteich. Hölzerne Bänke und Tische stehen auf einem Rasenstück zwischen Rosen und Sträuchern. Die Boule-Bahn neben dem Federballfeld ist noch im Bau. Wäre da nicht die Mauer - man wähnte sich auf einem Picknickplatz im Wald. Auf der Mauer liegt kein Stacheldraht, so wie es in anderen Haftanstalten üblich ist. Gerade mal drei Meter ist sie hoch, dahinter liegen Gärten und Innenhöfe von Mehrfamilienhäusern. An Flucht denkt hier aber ohnehin kaum jemand. Die Gefangenen sind ja nicht mehr die Fittesten. Der durchschnittliche Häftling in Singen ist 67 Jahre alt, der älteste feiert demnächst 79. Geburtstag. Anstaltsleiter Peter Rennhak deutet auf ein Fenster im vierten Stock. „Da oben ist mal einer ausgebüxt, der einzige in 30 Jahren. Der hatte die Gitterstäbe angesägt und ist übers Dach rausgeklettert, wurde aber rasch wieder eingefangen.

1970 hat das Land Baden-Württemberg die Justizvollzugsanstalt in Singen eingerichtet, sie liegt mitten in der Stadt, zehn Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Der Knast verfügt über 50 Haftplätze. Etwa die Hälfte der Insassen wurde wegen eines Sexualdeliktes verurteilt, meistens waren Kinder die Opfer. Je ein Viertel verbüßt eine Strafe wegen einer Gewalttat oder wegen Betrügereien. Zweck der Einrichtung ist es, älteren Strafgefangenen „ein altersgerechtes Umfeld“ zu bieten, sagt Peter Rennhak. „In normalen Gefängnissen werden sie von jüngeren, mitunter gewalttätigen Gefangenen häufig drangsaliert. Vor allem die Sexualtäter. Hier teilen die Gefangenen alle die gleiche Lebensphase, haben gemeinsame Gesprächsthemen und Probleme.“ Kindesmissbraucher stehen zwar auch in Singen unter den Häftlingen am Ende der Hierarchie, doch werden sie höchstens gemieden. „Gewalt spielt bei uns kaum eine Rolle, hin und wieder gibt es vielleicht mal einen kleinen Schubser“, sagt Abteilungsleiter Thomas Maus.

Ex-Unternehmer Otto Gärtner, den seine Sucht nach Roulette zum Dieb werden ließ, steht im Werksraum hinter einer Maschine, die Verpackungen für Dübel verschweißt. 1,50 Euro verdient der Ex-Unternehmer pro Stunde. In besseren Zeiten hat Gärtner eine eigene Fabrik geführt. Vier Siebtel seines Lohns muss er nun ansparen für den Tag der Entlassung. Für den Rest kann Gärtner im Kaufladen im Keller einkaufen. Ein bisschen muffig, wie in einem Supermarkt auf dem Camping-Platz riecht es dort. Zwischen Kaffee, Rasierzeug und Zigaretten stehen Brillen-Putztücher, Raucher-Zahnweiß und Gebissreiniger. „Wir sind die einzige Haftanstalt, in der die Gefangenen mit Bargeld bezahlen können“, sagt Thomas Maus. „Viele haben hier drin zum ersten Mal mit Euro bezahlt.“ Ein paar Schritte den Gang hinauf sitzt Manfred Friedrich in seiner Einzelzelle. Wegen Geldwäsche wurde der Bankkaufmann (64) zu 34 Monaten Knast verurteilt. Auf einem kleinen Tisch neben dem Bett steht ein Teller mit Obst. Draußen singen Vögel. „Du hörst hier drin eine Stecknadel fallen“, meint Friedrich. Vier Monate hat er im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim gesessen, bevor er nach Singen kam. „Da war ständig Highlife, irgendwer hat sich immer geprügelt. Da hattest du nie deine Ruhe.“

Vier der 18 Vollzugsbeamten in Singen haben eine Zusatzausbildung als Krankenpfleger. Blutdruck messen, Blutzucker kontrollieren,Tabletten ausgeben - das ist die tägliche Beschäftigung von Sanitäter Hans Hagg. „Viele kommen auch nur mal zum Plaudern vorbei“, sagt Hagg. Anders als in Haftanstalten üblich, müssen die Inhaftierten in Singen keine Anträge ausfüllen, keine langen Wartezeiten in Kauf nehmen. Die Tür zu Haggs Raum im Keller steht ihnen jederzeit offen. Und die Seniorengefangenen genießen weitere Hafterleichterungen: Täglich dürfen sie duschen, so lange sie möchten. Statt der landesweit üblichen zwei Besuchsstunden dürfen die Alten sechs Stunden pro Monat Besuch empfangen. Ein besonderer Luxus: Im Zellentrakt steht für jeden ein Kühlschrank. Wer sich benimmt, darf zwischen 16 und 18 Uhr in Begleitung eines Beamten zum „Dämmerschoppen“ ins Lokal um die Ecke.

Auch wenn Kritiker den Altenknast als „Vollzug light“ bezeichnen - als „Haftparadies“ möchte die Anstaltsleitung den Knast keinesfalls verstanden wissen. „Wir sind immer noch ein Gefängnis“, betont Rennhak. Bei der Auswahl der Gefangenen achte man darauf, „dass sie friedlich, gemeinschaftstauglich und nicht fluchtgefährdet sind“. Für pflegebedürftige Häftlinge biete Singen auch keinen Platz. „Dafür sind die Justizkrankenhäuser vorgesehen“, so Rennhak. Und wer die Hafterleichterungen missbrauche, „der wird in ein normales Gefängnis verlegt und kommt nicht zurück“.Kürzlich hat sich eine Delegation von Vollzugsbeamten aus England in seiner Anstalt umgesehen. In Zeiten, in denen analog zum demographischen Wandel auch die Straftäter immer älter werden, könnte Singen zum Modell für Nachahmer werden. Frank Blumenkamp vom Landesjustizvollzugsamt Nordrhein-Westfalen aber winkt ab. „In NRW wird es kein Seniorengefängnis geben. Der Vollzug soll das Leben draußen so realistisch wie möglich abbilden. Da ist es nicht gut, wenn die Seniorengefangenen nur unter sich sind. Das erschwert später die Resozialisation.“ Außerdem gebe es bereits in Bochum und Hövelhof Abteilungen für pflegebedürftige Gefangene, die meisten von ihnen seien Senioren.Wenn es gut läuft für Otto Gärtner, dann ist der 69-Jährige in wenigen Wochen wieder ein freier Mann. „Mein größter Traum ist es, einmal mit der transsibirischen Eisenbahn zu fahren“, schwärmt er. Von der russischen Botschaft hat Gärtner sich kürzlich schon mal Reiseprospekte in den Knast schicken lassen.

[  ksta.de





8 June 2006
Schwitzen statt sitzen
Immer mehr Verurteilte arbeiten ihre Geldstrafen ab, statt in Haft zu gehen

POTSDAM Bernhard Dreher (Name von der Redaktion geändert) geht in seiner Arbeit auf. Der 48-Jährige mäht auf einem Potsdamer Friedhof den Rasen, harkt Wege oder stutzt Hecken. "Das macht Spaß, da werde ich gebraucht", sagt Bernhard Dreher. Um ein Haar wäre er im Gefängnis gelandet. Unter anderem wegen Zigarettenschmuggels, alkoholisierter Fahrten im Straßenverkehr und Stromdiebstahls ist Dreher zu einer Geldstrafe von 290 Tagessätzen verurteilt worden. Ein Tagessatz entspricht einem Dreißigstel des Monatseinkommens. Da Dreher die Strafe nicht bezahlen konnte, hätte er 290 Tage absitzen müssen. Aber mit gemeinnütziger Arbeit können zahlungsunfähige Verurteilte ihre Geldstrafen abarbeiten.

Im Land Brandenburg heißt es immer öfter "Schwitzen statt sitzen". Im vergangenen Jahr haben sich 2863 zahlungsunfähige Verurteilte das Gefängnis erspart und gemeinnützige Arbeit geleistet. 2004 waren es noch 2481. Dem Land bleiben so die Kosten für die Haftunterbringung erspart. Allein 2005 wären es 115 852 Hafttage gewesen. Laut Justizministerium betragen die Kosten pro Tag in einer Justizvollzugsanstalt 25 Euro. Damit hat das Land im vergangenen Jahr fast drei Millionen Euro an Haftkosten gespart.

Neben den Einsparungen für das Land habe das Programm für alle Seiten Vorteile, sagt Thomas Melzer, Sprecher des Justizministeriums: "Die Verurteilten müssen nicht ins Gefängnis, die Familienangehörigen werden nicht durch eine Inhaftierung belastet und den Kommunen kommt die gemeinnützige Arbeit zu Gute."Pro Tagessatz müssen die Verurteilten sechs Stunden arbeiten. "Es darf aber nur gemeinnützige Arbeit sein", sagt Kerstin Rückriem von den sozialen Diensten in Potsdam, die sich um die Verurteilten kümmern. Kerstin Rückriem hakt etwa nach, wenn die Stundenabrechnungen fehlen oder ermahnt die Verurteilten, wenn sie unpünktlich zur Arbeit erschienen. Bei den Jobs soll es sich um zusätzliche Arbeiten handeln, damit keine regulären Arbeitsplätze gefährdet werden. Auftraggeber sind gemeinnützige Vereine oder Kommunen.

Bernhard Dreher hat auch beim Bau eines Jugendklubs geholfen. Aber der Job auf dem Friedhof gefällt ihm am besten. "Gartenarbeit war schon immer mein Ding", sagt er. Der trockene Alkoholiker habe sich endlich wieder an einen Rhythmus gewöhnt: "Pünktlich aufstehen und regelmäßig essen."Nun habe er wieder eine Aufgabe gefunden und sei "dankbar, dass das geklappt hat. Sonst hätten sie mich weggesperrt. Dann wäre ich eingegangen." Um seine Strafe schneller abzuarbeiten, hat Dreher sogar acht statt sechs Stunden täglich gearbeitet. Demnächst sind die 290 Tagessätze getilgt. Dreher würde gerne weiter auf dem Friedhof arbeiten. "Das ist das Beste, was mir passieren konnte."

[  maerkischeallgemeine.de





07 June 2006
Gedränge im Strafraum

Erst arm, dann kriminell: Ob jemand in Deutschland straffällig wird, hängt vor allem von seiner sozialen Stellung ab.

Nachdem kürzlich ein 16jähriger Amokläufer in Berlin 41 Menschen mit einem Messer angegriffen hatte, forderte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), man müsse jungen Menschen »mehr Stoppschilder setzen«. Der Fraktionsvorsitzende der Berliner FDP, Martin Lindner, verlangte eine drastische Verschär­fung des Jugendstrafrechts. Die Altersgrenze zur Strafmündigkeit sollte von 14 auf zwölf Jahre gesenkt werden. Zur Abschreckung müssten zudem neue Formen der Kurzhaft für Jugendliche eingeführt werden. Ein so genannter Warnschussarrest könnte Zwölfjährige dann »vor dem Abgleiten in eine Täterkarriere bewahren«. Der Ruf nach Gesetzesverschärfungen gehört als Reaktion auf gesellschaftliche Ängste zum politischen Alltag, egal ob es um Kampfhunde oder um Religionssatiren à la Popetown geht. Seit dem Beginn der neunziger Jahre war jede Änderung im deutschen Strafrecht eine Verschärfung. In den siebziger Jahren wurde noch abgemildert.

Der Forderung nach härteren Strafen liegt die Prämisse zugrunde, dass unerwünschtes Verhalten wie Kriminalität sich durch Gesetze steuern lasse. Untersuchungen zum Verhältnis von Strafe und Kriminalität deuten jedoch seit Jahren auf das Gegenteil hin. »Keine der deutsch­sprachigen Studien hat Anhaltspunkte für beachtlich abschreckende Wirkungen von Strafen gegeben, weder bezogen auf Schwere noch auf Wahrscheinlichkeit«, stellt der Freiburger Kriminologe Günther Kaiser fest. »Mit diesen Strafverschärfungen ist niemandem geholfen«, sagt Miriam Gruß, Strafrichterin am Land­gericht Marburg und Vorstandsmitglied der Neuen Richtervereinigung. Für die Innenpolitik hat es einen entscheidenden Vorzug, die Strafen zu erhöhen. Im Gegensatz zu wirksamen Präventionsmaßnahmen sind Gesetzesverschärfungen recht billig zu haben. Unbequeme Fragen nach ihren tatsächlichen Auswirkungen werden fast nie gestellt.

Als Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kürzlich die Kriminalstatistik des Bundes vorstellte, konnte man erfahren, was, abseits von spektakulären Einzelfällen, die alltägliche Arbeit der Strafverfolger ausmacht. Mehr als zwei Drittel der Delikte, denen die Polizei nachging, waren Straftaten gegen die Eigentumsordnung. In den deutschen Gefängnissen sitzen 30?142 Gefangene wegen Eigentums- und Ver­mögensdelikten, weit mehr als etwa wegen Sexualstraftaten (4?907 Gefangene) oder Kapitaldelikten (4?559 Gefangene). Ein Blick auf die sozialen Verhältnisse, aus denen die Gefangenen stammen, lässt Zusammenhänge erahnen. 73 Prozent aller Gefangenen waren vor ihrer Inhaftierung arbeitslos, 62 Prozent lebten von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe, rund 46 Prozent hatten keinen Schul­abschluss. Es gibt keinen anderen Faktor, der so viele Angeklagte und Inhaftierte verbindet, wie die Armut.

Wer den Wertemaßstab des deut­schen Strafgesetzbuches kennt, der wird von der Zusammensetzung der Gefängnisbevölkerung kaum über­rascht sein. Der Schutz des Eigentums nimmt im Strafrecht seit langem eine besonders hervorgehobene Stellung ein. So beträgt etwa die gesetzliche Min­deststrafe für eine »normale« Körperverletzung fünf Tagessätze. Kommt zu der Körperverletzung jedoch die Absicht hinzu, sich fremdes Eigentum anzueignen, und sei es nur im Wert von fünf Euro, so wird aus der Tat juristisch ein Raub, und die Mindeststrafe erhöht sich schlagartig auf ein Jahr Haft, ungeachtet der Schwere der Gewalt. Diese Strafe ist dieselbe, die auch auf Entführung oder Vergewal­tigung aussteht. »Der Wertungswiderspruch ist frap­pierend«, bemerkt Richterin Miriam Gruß. »Diese Strafgesetze fallen ja nicht vom Himmel, sondern stellen politische Entscheidungen dar.« Noch in den frühen achtziger Jahren wurde unter dem Motto »Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik« für Prävention und Resozialisierung ge­worben. Mit der Einfüh­rung von neuen, repressiven Elementen in der Sozialpolitik geht die Entwicklung heute in die umgekehrte Richtung.

»Die Kriminalpolitik setzt immer nur hinten an, mit härteren Strafen«, sagt Wil­fried Hamm, Vorsitzender Richter am Land­gericht Potsdam und Sprecher der Neuen Richtervereinigung. »Und anstatt dass am Anfang, wo Armut und Perspektivlosigkeit stehen, etwas verbessert würde, kürzt man dort weiter die Grundsicherung.« Im deutschen Recht wiegen auch kleine Angriffe auf die Eigentumsordnung bereits relativ schwer. Schon das Massendelikt Dieb­­stahl wird ebenso hart bestraft wie die Körperverletzung. Stärker als die Gewalt selbst wirkt sich auf das Strafmaß bei Gewalttaten aus, ob Eigentum betroffen war. »Man könnte annehmen, dass die Gerichte damit die Gier als besonders verwerfliches Tatmotiv bestrafen«, schlussfolgert Wilfried Hamm.

Andere Motive führen vor Gericht jedoch keineswegs zu einer vergleichbar Straf­ver­schärfung. Rassistische Motive beispiels­wei­se wirken sich in Deutschland, anders als zum Beispiel in den USA, auf die juristische Beurteilung einer Tat überhaupt nicht aus. Eine im Jahr 2000 vom Land Brandenburg eingebrachte Gesetzesinitiative zur Ahndung so genannter Hassverbrechen wurde damals von allen Seiten abgelehnt. Stattdessen wurde im Jahr 2001 das Halten gefähr­licher Hunde als neuer Straftatbestand eingeführt.

Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der neuen Kriminalstatistik wollten die an­wesenden Journalisten vor allem über Aus­länder- und Jugendkriminalität reden. Schäub­le nahm das Thema gerne auf und nutzte die Gelegenheit, sich zur Ab­wechslung einmal großzügig zu zeigen. Die Gesetzestreue der Ausländer habe sich im vergangenen Jahr gering­fügig verbessert, bleibe freilich auf gewohnt niedrigem Niveau. Bei einem Bevölkerungsanteil von knapp neun Prozent seien die Migrantinnen und Migranten derzeit immer noch für 23 Prozent der Straftaten verantwortlich.

Der Vergleich dieser beiden Prozentzahlen ist, wie Schäuble wissen dürfte, alles andere als seriös. Das Bundeskriminalamt erklärt auf seiner Homepage: »Die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung im Durchschnitt jünger und häufiger männlichen Geschlechts. Sie leben häufiger in Großstädten, gehören zu einem größeren Anteil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger arbeitslos. Dies alles führt zu einem höheren Risiko, als Tatverdächtige polizeiauffällig zu werden.« Und nichts anderes als die »Polizei­­auffälligkeit« wird in der Kriminalstatis­tik gemessen.

Ausführungen über die vermeintlich gefährlichen Migranten lassen dies freilich gern vergessen. Wenn es um die Ethnisierung des sozialen Phänomens Kriminalität geht, spielen Tatsachen traditionell eine untergeordnete Rolle. Im Rahmen einer Plenardebatte über Zwangsverheiratungen im nordrhein-westfälischen Landtag sprach der Redner der CDU kürzlich unwidersprochen von 30?000 Fällen von Zwangsheirat in Deutschland. Dies entspricht beinahe der Anzahl sämtlicher in Deutschland geschlossenen Ehen zwischen Türken.

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07 June 2006
"Geheimgefängnisse"
Deutschland soll CIA bei illlegalen Gefangenentransporten geholfen haben

Im Zusammenhang mit den geheimen Gefangenentransportflügen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA sind neue Vorwürfe laut geworden. Nach dem am Mittwoch in Paris vorgestellten Abschlussbericht des Europarats-Sonderbeauftragten Dick Marty sollen 14 europäische Staaten, darunter Deutschland, mit der CIA kooperiert haben. Nach Angaben des Europarats haben die Vereinigten Staaten von Amerika "schrittweise ein heimliches Netz gesponnen, bei dem Personen verschwanden, geheime Inhaftierungen erfolgten und Gefangene illegal zwischen den Staaten transportiert wurden. Die Mitgliedsstaaten des Europarates waren ihnen dabei behilflich oder tolerierten es", so der Rechts-Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE). In einem bei seiner Sitzung in Paris verabschiedeten Entschließungsentwurf auf Grundlage des Berichts von Dick Marty (Schweiz, ALDE), erklärt der Ausschuss, hunderte Personen seien in diesem Netz gefangen worden - "in einige Fällen wurden sie lediglich verdächtigt, mit mutmaßlichen terroristischen Organisationen zu sympathisieren". Nach Darstellung der FDP belastet der Bericht insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Die Parlamentarier des Europarates erklärten, es gebe verschiedene Formen der "wissentlichen Zusammenarbeit" von Mitgliedsstaaten, darunter auch "die geheime Inhaftierung einer Person auf europäischem Gebiet, die Festnahme einer Person und deren Übergabe an die USA oder die Erlaubnis, Gefangenen durch den Luftraum oder das Staatsgebiet der Länder zu überführen". "Es wurde nun durch zahlreiche gut dokumentierte und stimmige Fakten eindeutig gezeigt, dass es Geheimgefängnisse und illegale Gefangenentransporte unter Beteiligung europäischer Staaten gab. Dies erfordert gründliche Ermittlungen und dringende Maßnahmen von Seiten der Exekutive und Legislative der betroffenen Länder", fordert der Europarats-Ausschuss.

In einem 67 Seiten umfassenden "erläuternden Memorandum" zu seinem Bericht, das bei einem Treffen des Rechts-Ausschusses der PACE am Mittwoch in Paris veröffentlicht wurde, sagte Marty, es gebe Fakten, die die Vermutung erhärten, dass Landeplätze in der Nähe von Geheimgefängnissen in Rumänien und Polen dazu benutzt wurden, Gefangene abzusetzen. "Auch wenn noch keine Beweise im klassischen Sinne des Begriffs verfügbar sind, weisen mehrere schlüssige Elemente darauf hin, dass es solche Geheimgefängnisse in Europa gab." Diese Elemente rechtfertigten weitere Ermittlungen, so Marty. Es sei nun klar, "dass die Behörden in einigen europäischen Ländern aktiv an diesen unrechtmäßigen Aktivitäten der CIA beteiligt waren. Andere Länder haben sie wissentlich ignoriert oder wollten nichts wissen", sagte der Ermittler.

Er nannte sieben Mitgliedsstaaten des Europarates, die in unterschiedlichem Maße, das zum Teil noch nicht genau feststehe, für die Verletzung der Rechte von Einzelpersonen verantwortlich gemacht werden könnten: Schweden, Bosnien und Herzegowina, das Vereinigte Königreich, Italien, die "ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien", Deutschland und die Türkei. Weitere Staaten seien aktiv oder passiv an der Inhaftierung oder dem Transport unbekannter Personen beteiligt, sagte Marty. Die Mitgliedsstaaten des Europarates sollten nun bilaterale Abkommen mit den Vereinigten Staaten überprüfen, "insbesondere Abkommen über den Status von in Europa stationierten US-Streitkräften, um sicherzustellen, dass diese vollständig den internationalen Menschenrechtsnormen entsprechen".

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates möchte am 27. Juni 2006 im Rahmen ihrer Plenarsitzung in Straßburg über den Bericht debattieren. Der Versammlung gehören 630 Abgeordnete aus den 46 Mitgliedsstaaten des Europarates an. Die Opposition im Deutschen Bundestag will Marty als Zeugen im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss vernehmen. Deutschland wird vorgeworfen, ebenso wie Spanien, Türkei und Zypern "Stützpunkte" für die Überstellungen zur Verfügung gestellt zu haben. Großbritannien, Portugal, Irland und Griechenland dienten demnach als Zwischenstopps der Transporte. Italien, Schweden, Mazedonien und Bosnien sollen gar die Entführung von Bewohnern ihres Landes gebilligt haben.

Der Schweizer Europaratsabgeordnete Marty begann seine Untersuchungen im vergangenen November, nachdem Medienberichte über die Existenz von CIA-Gefangenenlagern in Osteuropa für politischen Aufruhr gesorgt hatten. In einem Zwischenbericht im Januar hatte Marty bereits behauptet, dass europäische Regierungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von den CIA-Gefangenenflügen über ihre Flughäfen gewusst hätten. Nun sieht er die Vermutungen erhärtet. In dem 67-seitigen Bericht sagt Marty wörtlich: "Es ist nun klar, obwohl wir noch weit davon entfernt sind, die ganze Wahrheit zu kennen, dass die Behörden in mehreren europäischen Ländern die CIA aktiv bei deren rechtswidrigen Aktivitäten unterstützt haben." Neue Analysen enthüllten einen regelrechten Kreislauf von Überführungen. Marty berief sich auf Quellen in Flugsicherungsbehörden und Geheimdiensten.

FDP und Grüne wollen Marty nun schnell vor den Untersuchungsausschuss laden. Der innenpolitische Sprecher der Liberalen im Europaparlament, Alexander Alvaro, sagte: "Heute ist in Paris ein schwarzes Kapitel in der Geschichte des modernen Europa aufgeschlagen worden". Die große Koalition habe keinerlei Hilfe bei der Aufklärung der Vorwürfe geleistet, kritisierte Alvaro und fügte hinzu, die Indizien verdichteten sich, "dass auch der jetzige Außenminister und frühere Kanzleramtschef Steinmeier nicht ahnungslos gewesen sein kann." Sollte dies der Fall sein, sei Steinmeier "nicht mehr haltbar". Die Bundesregierung wollte den Bericht vorerst nicht kommentieren. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die Regierung werde sich den Bericht zunächst in allen Einzelheiten ansehen. Er verwies darauf, dass wegen der CIA-Flüge mehrere Ermittlungsverfahren bei Staatsanwaltschaften anhängig seien. Zu laufenden Verfahren äußere sich die Regierung generell nicht.

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6 June 2006
Polizei darf "unverdächtige Fußballfans" nackt ausziehen

Das deutsche Gericht sieht dadurch keine unverhältnismäßige Verletzung der Persönlichkeitsrechte.

Fußballfans - auch weibliche -, die "unscheinbar und unverdächtig" sind, dürfen von der Polizei zwecks Durchsuchung nackt ausgezogen werden. Dies geht aus einem Urteil des saarländischen Verwaltungsgerichts hervor, das am 29. Mai veröffentlich wurde.Die Klage angestrengt hatte eine 16-jährige Dresdnerin, welche im März 2005 bei einem Stadionbesuch in Saarbrücken von den Einsatzkräften gezwungen worden war, sich auszuziehen. Unter "unscheinbaren und unverdächtigen Fans" werden männliche und weibliche Stadionbesucher verstanden, die auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht offensichtlich als gewalttätig identifiziert werden können.

Die Landespolizeidirektion des Saarlandes hatte während des Prozesses darauf hingewiesen, dass solche Personen bereits Waffen, Rauchpulver und Signalmunition in ihrer Unterwäsche in Stadien transportiert hätten. Gemäß Polizeidefinition fallen bei Fußballspielen gerade weibliche Zuschauer besonders in die Kategorie der unverdächtigen Fans.Bei der 19-jährigen Dresdnerin wurden keine gefährlichen Gegenstände gefunden. Dennoch sah es das Gericht nicht als erwiesen an, dass die Persönlichkeitsrechte der Dresdnerin auf unverhältnismäßige Weise verletzt worden seien.Stattdessen stellte es fest, dass die Polizeiaktion "vom Umfang her" rechtmäßig gewesen sei. Die Klägerin will nach Angaben ihrer Anwälte Berufung einlegen.

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06 June 2006
Vernetzung der Strafregister
Internationaler Datenaustausch über Vorstrafen

Die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien und der Tschechischen Republik können sich künftig auf elektronischem Weg über die Vorstrafen von Kriminellen austauschen. Durch die Vernetzung der Strafregister wird nach Auffassung der deutschen Bundesregierung "grenzüberschreitende Kriminalität wirkungsvoller und schneller bekämpft" werden. Kern des Projekts zur Strafregistervernetzung sei die elektronische Kommunikation zwischen den nationalen Strafregistern.

Bisher müssten die Staatsanwaltschaften, die eine Auskunft aus einem ausländischen Strafregister brauchten, ein Rechtshilfeersuchen in der Sprache des ersuchten Landes stellen. Weil die Auskunftsersuchen jetzt elektronisch übermittelt und beantwortet werden könnten, erfolge die Erteilung der Auskunft in wenigen Stunden.Bundesjustizministerin Brigitte Zypries stellte das Projekt am 6. Juni in Bonn in Anwesenheit der Justizministerinnen und Justizminister Frankreichs, Spaniens, Belgiens, der Tschechischen Republik und Luxemburgs sowie des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission vor.

Die neue Regelung sei gerade angesichts der bevorstehenden Fußball-WM von großem Nutzen, sagte Zypries. Auch andere europäische Staaten seien aufgerufen, dem Strafregister beizutreten und sich mit ihm zu vernetzen. Eine solche Kooperation sei mehr denn je erforderlich: "Ein schneller und effizienter Informationsaustausch zwischen den nationalen Strafregistern in Europa ist Voraussetzung dafür, grenzüberschreitende Kriminalität wirkungsvoll verfolgen zu können."Erstmals gebe es eine technische Zusammenarbeit in Europa im Justizsektor, so Zypries. Grundlage des Austauschs seien die nationalen Register. Sie reichten für den elektronischen Austausch aus. Ein neues zentrales Register auf europäischer Ebene sei nicht erforderlich.

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Justizminister präsentieren internationale Strafregistervernetzung

Berlin/Bonn, 6. Juni 2006

Heute haben die Justizministerinnen und Justizminister Deutschlands, Frankreichs, Spaniens, Belgiens, der Tschechischen Republik und Luxemburgs sowie der Vizepräsident der Europäischen Kommission in Bonn der Öffentlichkeit das Projekt zur europäischen Strafregistervernetzung vorgestellt.

„Ein schneller und effizienter Informationsaustausch zwischen den nationalen Strafregistern in Europa ist die Voraussetzung dafür, grenzüberschreitende Kriminalität wirkungsvoll verfolgen zu können. Ich freue mich, dass die Arbeit unserer nationalen Experten erfolgreich war und wir Ihnen heute die Aufnahme des Echtbetriebs für Auskunftsersuchen demonstrieren können. Dadurch wird die internationale Rechtshilfe in Strafsachen erheblich beschleunigt und erleichtert“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Das Projekt zur Vernetzung der nationalen Strafregister begann im Frühjahr 2003 als deutsch-französische Initiative. Im November 2003 kam Spanien, im November 2004 Belgien und im April 2006 die Tschechische Republik dazu. Nach einer erfolgreichen Pilotierungsphase konnte kürzlich der Echtbetrieb aufgenommen werden. Der Beitritt Luxemburgs zu diesem Projekt steht kurz bevor, luxemburgische Experten nehmen bereits seit einiger Zeit als Beobachter an den Arbeitssitzungen der Projektpartner teil. „Wir haben stets betont, dass unser Projekt für alle europäischen Staaten offen ist. Besonders begrüße ich, dass wir mit der Tschechischen Republik erstmals eines der neuen Mitglieder der Europäischen Union als Partner des Projekts aufnehmen konnten. Ich bin zuversichtlich, dass die Tschechische Republik bald die Voraussetzungen dafür schaffen wird, am elektronischen Datenaustausch teilzunehmen“, so Zypries weiter.

Kern des Strafregistervernetzungsprojekts ist es, eine sichere elektronische Kommunikation zwischen den nationalen Strafregistern zu schaffen. Bisher müssen die Staatsanwaltschaften, die eine Auskunft aus einem ausländischen Strafregister brauchen, ein förmliches Rechtshilfeersuchen (in Papierform) in der Sprache des ersuchten Landes stellen. Weil die Auskunftsersuchen jetzt elektronisch übermittelt und beantwortet werden können, wird die Erteilung der Auskunft ganz erheblich beschleunigt: Die durchschnittliche Dauer von der Anfrage einer Staatsanwaltschaft bis zum Eingang der Antwort betrug seit Aufnahme des Echtbetriebs wenige Stunden. Die Verständlichkeit der ausländischen Auskünfte wird zudem durch den Einsatz einer automatischen Verständnishilfe erleichtert. Der Nutzer erhält neben der Angabe der Strafvorschriften eine Erklärung in seiner Sprache, um welche Art von Straftat es sich handelt, etwa eine Verurteilung wegen Betrugs oder wegen eines Straßenverkehrsdelikts.

So läuft das Verfahren praktisch ab:

* Eine deutsche Strafverfolgungsbehörde benötigt eine Information über einen französischen Staatsangehörigen.

* Sie richtet dazu eine entsprechende Anfrage an das deutsche Zentralregister.

* Das deutsche Register leitet die Anfrage auf vereinbarten einheitlichen Dateiformaten elektronisch über ein europäisches Datennetz an das französische Zentralregister weiter.

* In dem französischen Register befinden sich grundsätzlich alle Daten zu Verurteilungen von französischen Staatsangehörigen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, also auch z. B. Verurteilungen des französischen Staatsangehörigen in Spanien und Belgien.

* Das französische Strafregister bearbeitet die Anfrage und leitet die Auskunft über das europäische Datennetz an das deutsche Zentralregister unmittelbar weiter.

* Das deutsche Register informiert die deutsche Strafverfolgungsbehörde, die angefragt hatte.

Die Partner des Projekts werden künftig auch die so genannten Strafnachrichten ausschließlich automatisch und elektronisch austauschen. Beim Strafnachrichtenaustausch teilt ein ausländisches Strafregister dem Strafregister des Heimatstaats mit, welche Staatsangehörigen aus dem Heimatstaat in diesem fremden Land rechtkräftig verurteilt wurden. Bislang geschah das in der Regel vierteljährlich in Papierform. Künftig leitet das Strafregister des Urteilsstaats die Verurteilungen von Ausländern unmittelbar nach der Eintragung an das Strafregister des Heimatstaats des Verurteilten weiter. Die Tests für den elektronischen Strafnachrichtenaustausch begannen im April 2006, die Arbeiten stehen kurz vor dem Abschluss. Auch hier wird durch die Strafregistervernetzung eine erhebliche Vereinfachung und Beschleunigung eintreten.

Am Rande der Veranstaltung traf Zypries zu einem bilateralen Gespräch mit ihrem französischen Amtkollegen Clément zusammen, an dem auch die Justizministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Müller-Piepenkötter, und Richter des Oberlandesgerichts Köln teilnahmen. Der französische Justizminister informierte sich über das bewährte System der Untersuchungshaft in Deutschland, das die Verhängung von Untersuchungshaft nur unter genau bestimmten Voraussetzungen ermöglicht und eine engmaschige Kontrolle durch die Gerichte vorsieht.

[  Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz





24 May 2006
Ab in den Knast

Die Zahl der Verbrechen sinkt, doch das Strafrecht wird systematisch verschärft. Und immer mehr Menschen werden zu immer längeren Gefängnisstrafen verurteilt Von Sabine Rückert

Warum tut sich der Mann das an? Er stapft durch den nächtlichen Winterwald und führt das Team von Focus TV an die Stelle, an der seine Tochter vor einem halben Jahr ermordet worden ist. »Hier hat er sie vergewaltigt«, sagt er und deutet, mit den Tränen kämpfend, zu Boden. »Und dann ist Carolin in diese Richtung geflüchtet, nach anderthalb Stunden Folter«, der Vater zeigt durch die Bäume und schreitet - beleuchtet von der Kameralampe - weiter durch den Schnee: »Ihre letzten 21 Meter.«[...]

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23 May 2006
"Konkrete Gefahr" statt fiktive "Schläfer"
Bundesverfassungsgericht setzt der Rasterfahndung gewisse Grenzen

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat der nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeleiteten Rasterfahndung nach "islamistischen Terroristen" - damals war die Rede von angeblich vorhandenen "Schläfern" - Grenzen gesetzt. Eine "präventive polizeiliche Rasterfahndung" ist der Entscheidung zufolge mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur vereinbar, wenn zumindest eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. "Als bloße Vorfeldmaßnahme entspricht eine solche Rasterfahndung verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht", entschieden die Richter. "Daher reichen eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie in Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus." Vorausgesetzt ist vielmehr das Vorliegen weiterer Tatsachen, aus denen sich eine "konkrete Gefahr", etwa für die Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge, ergibt.

Die Rasterfahndung sei eine besondere polizeiliche Fahndungsmethode unter Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung. Die Polizeibehörde lasse sich von anderen öffentlichen oder privaten Stellen "personenbezogene Daten übermitteln, um einen automatisierten Abgleich mit anderen Daten vorzunehmen". Durch den Abgleich solle diejenige Schnittmenge von Personen ermittelt werden, auf welche bestimmte, vorab festgelegte und für die weiteren Ermittlungen als bedeutsam angesehene Merkmale zutreffen.

Die Rasterfahndung habe vor allem bei der Bekämpfung des RAF-Terrorismus in den 1970er Jahren in Deutschland eine Rolle gespielt. Auch nach den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 haben nach Angaben des Gerichts die Landespolizeibehörden unter Mitwirkung des Bundeskriminalamtes eine bundesweit koordinierte Rasterfahndung nach islamistischen Terroristen durchgeführt. Ziel sei insbesondere die Erfassung so genannter "Schläfer" gewesen. "Die Landesämter erhoben Daten unter anderem bei Universitäten, Einwohnermeldeämtern und dem Ausländerzentralregister und rasterten die Datenbestände nach den folgenden Kriterien: männlich, Alter 18 bis 40 Jahre, (ehemaliger) Student, islamische Religionszugehörigkeit, Geburtsland", teilte das Bundesverfassungsgericht mit. Die gewonnenen Daten seien anschließend mit weiteren, durch das Bundeskriminalamt erhobenen Datenbeständen abgeglichen worden. Fazit: Die Rasterfahndung habe nicht dazu geführt, dass "Schläfer" aufgedeckt wurden.

An der Rasterfahndung habe sich auch das Land Nordrhein- Westfalen beteiligt. "Im Oktober 2001 ordnete das Amtsgericht Düsseldorf auf Antrag des Polizeipräsidiums die Rasterfahndung an. Die Anordnung stützte sich auf Paragraph 31 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein- Westfalen in der Fassung vom 24. Februar 1990 (PolG NW 1990)." Nach dieser Vorschrift könne die Polizei von öffentlichen Stellen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des automatisierten Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, "soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist". Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine präventive polizeiliche Rasterfahndung angeordnet werden könne, seien in den Bundesländern unterschiedlich geregelt "und in den letzten Jahren in vielen Ländern gemildert worden". Nach mehreren Landesgesetzen sei die Rasterfahndung seither "auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gefahr" zulässig. "Die Ermächtigung zur Rasterfahndung ist also zu einer polizeilichen 'Vorfeldbefugnis' umgestaltet worden", kritisiert das Bundesverfassungsgericht.

Beschwerdeführer: Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt

Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erwirkte ein marokkanischer Staatsangehöriger islamischen Glaubens. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Rasterfahndung sei er Student gewesen. "Seine gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegten Rechtsmittel waren vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erfolglos." Auf seine Verfassungsbeschwerde hin habe aber der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts "festgestellt, dass die angegriffenen Beschlüsse den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen". Das Verfahren sei an das Landgericht zu erneuter Entscheidung zurückverwiesen worden. Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass Paragraph 31 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - "der das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung beschränkt" - nur dann verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, wenn er so interpretiert würde, dass eine "auf Tatsachen gegründete, konkrete Gefahr" vorliege.

Die in Paragraph 31 geregelte Rasterfahndung diene dem Schutz hochrangiger Verfassungsgüter: Mit dem Bestand und der Sicherheit des Bundes und eines Landes sowie Leib, Leben und Freiheit einer Person, die vor Gefahren geschützt werden sollen, seien Schutzgüter von hohem verfassungsrechtlichem Gewicht bezeichnet. Zum Schutz dieser Rechtsgüter seien Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich zulässig. Die Rasterfahndung berge allerdings für die betroffenen Personen "ein erhöhtes Risiko, Ziel weiterer behördlicher Ermittlungsmaßnahmen zu werden". Dies habe der Verlauf der nach dem 11. September 2001 durchgeführten Rasterfahndung auch tatsächlich gezeigt. Auch könne eine solche Rasterfahndung "Vorurteile reproduzieren" und die betroffenen Bevölkerungsgruppen wie Angehörige islamischen Glaubens "in der öffentlichen Wahrnehmung stigmatisieren".

Angesichts des Gewichts der mit der Durchführung einer Rasterfahndung einhergehenden Grundrechtseingriffe ist diese nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts "nur dann angemessen, wenn der Gesetzgeber rechtsstaatliche Anforderungen dadurch wahrt, dass er den Eingriff erst von der Schwelle einer hinreichend konkreten Gefahr für die bedrohten Rechtsgüter an vorsieht". Im Vorfeld einer konkreten Gefahr scheide eine Rasterfahndung aus. Selbst bei höchstem Gewicht der drohenden Rechtsgutbeeinträchtigung könne "auf das Erfordernis einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht verzichtet werden". Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete, dass der Gesetzgeber intensive Grundrechtseingriffe erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorsehen dürfe.

"Konkrete Gefahr" - "Gegenwärtige Gefahr" nicht erforderlich

Paragraph 31 des nordrhein-westfälischen des Polizeigesetzes nenne als Eingriffsschwelle "die gegenwärtige Gefahr". Diesen Maßstab hält das Bundesverfassungsgericht zwar für verfassungsgemäß, für die Praxis der Gefahrenverhütung dann aber wiederum für zu hoch: Denn unter dieser Voraussetzung würde die Rasterfahndung "regelmäßig zu spät kommen, um noch wirksam sein zu können". Verfassungsrechtlich ausreichend sei es daher, wenn der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Rasterfahndung an das Erfordernis einer "konkreten Gefahr" für die betroffenen hochrangigen Rechtsgüter knüpfe. Wann eine "konkrete Gefahr" konkret vorliegt, bleibt in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dann allerdings relativ unbestimmt: Voraussetzung sei eine Sachlage, bei der "im konkreten Fall" die "hinreichende Wahrscheinlichkeit" bestehe, dass "in absehbarer Zeit" ein Schaden für diese Rechtsgüter eintreten werde.

Eine konkrete Gefahr in diesem Sinne könne aber "auch eine Dauergefahr" sein. Für die Annahme einer etwa von so genannten terroristischen Schläfern ausgehenden "konkreten Dauergefahr" seien allerdings "hinreichend fundierte konkrete Tatsachen" erforderlich. Eine "allgemeine Bedrohungslage", wie sie in Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hätte, oder außenpolitische Spannungslagen "reichen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus". Die der Gefahrenfeststellung zugrunde gelegten Annahmen und Schlussfolgerungen müssten vielmehr "auf weiteren konkreten Tatsachen" beruhen, "etwa solchen, die auf die Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge hindeuten".

Rüge für Landgericht und Oberlandesgericht

Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts genügen nach Auffassung der Karlsruher Richter "den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht". Sie beruhten auf einer diesen Grundsätzen widersprechenden "ausweitenden Auslegung" des Polizeigesetzes. Sie ließen außer Acht, dass die Verfassungsmäßigkeit der Anordnung an das Vorliegen "zumindest einer konkreten Gefahr" gebunden sei und der "dafür geforderte Grad der Wahrscheinlichkeit" einer Rechtsgutverletzung "nicht nur mit Rücksicht auf die Größe eines möglichen Schadens, sondern auch im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs und die Eignung der Maßnahme zu seiner Abwehr zu bestimmen ist". Das Bundesverfassungsgericht rügte, dass das Landgericht es schon für hinreichend erachtet habe, dass "die Möglichkeit eines besonders gravierenden Schadenseintritts nicht ausgeschlossen" sei, und dass das Oberlandesgericht eine nur "entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts" ausreichen lassen wolle. Das Oberlandesgericht habe festgestellt, dass "konkrete Anzeichen für Terroranschläge in Deutschland nicht bekannt" waren, sondern die Zulässigkeit der Rasterfahndung allein die "Möglichkeit solcher Anschläge" gestützt.

Sondervotum: Rasterfahndung ist ein Eingriff von minderer Intensität

Zur Mehrheitsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts schrieb die Richterin Haas ein abweichendes "Sondervotum". Haas vertritt darin die Auffassung, dass der Staat "mit der Sicherheit zugleich auch die Freiheit des Einzelnen" gewährleiste, denn "Sicherheit sei Grundlage der Freiheit und deshalb Teil derselben". Demgegenüber seien die zur Stärkung der Freiheit durch die Rasterfahndung notwendigen Eingriffe in Grundrechte der Betroffenen, die wie alle anderen Personen auch von eben dieser Freiheitssicherung profitieren, von "nur geringem Gewicht". Die Maßnahme der Rasterfahndung sei ein "Eingriff von minderer Intensität" schon deshalb, weil nur solche Daten erfasst und abgeglichen würden, die bereits vom Betroffenen offenbart und in Dateien mit seiner Kenntnis gespeichert worden seien.

Anders als die Senatsmehrheit sieht Richterin Haas daher keinen Grund, die Auslegung und Anwendung des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes durch das Oberlandesgericht verfassungsrechtlich zu beanstanden. Das Oberlandesgericht sei zu Recht von einer "hinreichenden Tatsachengrundlage für eine terroristische Gefahr" ausgegangen. Nach Auffassung von Haas ist die Mehrheit der Verfassungsrichter mit ihrer Festlegung auf die konkrete Gefahr als Einschreitschwelle der Rasterfahndung über den vom Fall her gebotenen Prüfungsumfang hinausgegangen. Der Rechtsstaat erfahre durch diese Entscheidung keine Stärkung, sondern die von der Senatsmehrheit formulierten Voraussetzungen an die Rasterfahndung machten den Staat gegenüber drohenden Terrorangriffen wehrlos.

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22 May 2006
Bundesregierung befürwortet Handy-Störsender bei Großveranstaltungen

Die Bundesregierung[1] will in ihrem - wegen einer möglichen Regulierungspause für die Deutschen Telekom beim VDSL-Netz ohnehin umstrittenen[2] - Gesetzentwurf[3] für die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) auch eine rechtliche Grundlage für den Einsatz von Handy-Störsendern bei Großveranstaltungen schaffen.

Das Bundeskabinett greift damit einen Gesetzesentwurf des Bundesrats zur Unterbindung des Mobilfunkverkehrs in Justizvollzugsanstalten auf und weitet diesen noch deutlich aus. "Die durch den Bundesratsbeschluss vorgeschlagene gesetzliche Regelung deckt lediglich den Einsatz von Geräten in einer spezifischen Situation ab", schreibt die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme auf die Gesetzesinitiative der Länder (PDF-Datei[4]) und weist darauf hin, dass im Bundesratsentwurf die "Frage nach dem Einsatz solcher Geräte durch Behörden beispielsweise in Stadien oder bei anderen Großveranstaltungen" unbeantwortet bleibt. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es wichtig, die Verwendung der Mobilfunkblocker auch an solchen Orten zu ermöglichen.

Das Bundeskabinett verweist dabei auf ihre vergangene Woche verabschiedeten[5] Pläne zur TKG-Novelle. Darin werde durch eine "Öffnungsklausel" des Paragraphen 55 der grundsätzliche Einsatz von Handy-Störsendern geregelt. Dieser zufolge ist für den Einsatz der Mobilfunkblockierer künftig keine Frequenzzuteilung erforderlich, "sofern der Einsatz durch Behörden zur Ausübung gesetzlicher Befugnisse unter Einhaltung der von der Bundesnetzagentur festgelegten Frequenznutzungsbedingungen erfolgt". Die Regeln für die Inanspruchnahme der Funkwellen legt die Bundesnetzagentur für jeweils typische Einsatzszenarien im Einvernehmen mit den jeweiligen "Bedarfsträgern" wie der Polizei fest.

Sollte die Änderung vom Bundestag abgesegnet werden, ist es nach Ansicht der Bundesregierung lediglich eine Frage der Ermächtigung der jeweiligen Bedarfsträger, welcher Zweck durch den Einsatz der "Jammer" (Störsender) verfolgt werden darf. Insoweit müssten die Länder noch prüfen, ob ihre jeweiligen rechtlichen Vorschriften das Anliegen erlauben, konkret etwa in Gefängnissen derartige Geräte einzusetzen. Gegebenenfalls seien rechtliche Anpassungen im Bereich des Strafvollzugs notwendig. Der Bundesrat hält die Verwendung der Störsender vor allem für erforderlich, da "unerlaubte Mobilfunkgespräche Gefangener eine ganz erhebliche Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in Justizvollzugsanstalten darstellen". So würden Inhaftierte mit Hilfe eingeschmuggelter Handys beispielsweise versuchen, den Drogenhandel aus der Zelle heraus zu organisieren. Darüber hinaus würden sich auf diesem Weg Fluchthelfer anleiten lassen. Ein vollständiges Aufspüren eingeschleuster Mobiltelefone sei bei Versuchen in Baden-Württemberg auch mit so genannten "Mobi-Findern" nicht möglich gewesen, die aktuelle Telefonverbindungen erkennen können. Daher sei die Frequenzstörung unabdinglich.

Der Branchenverband Bitkom[6] hatte im März die Pläne des Bundesrats scharf kritisiert[7]. Der Einsatz von Handy-Störsendern in Gefängnissen sei "rechtlich und technisch nicht realisierbar". Generell warnt der Bitkom davor, dass ein Mobilfunkblocker zur Abdeckung einer kompletten Justizvollzugsanstalt und folglich auch etwa bei einem Stadion eine vergleichsweise hohe Sendeleistung erfordern würde. Die Auswirkungen könnten folglich nicht auf ein spezielles Gelände begrenzt werden. Vielmehr sei die Beeinträchtigung der Funkversorgung auch in der Umgebung zu befürchten. Völlig ungeklärt sei auch, welche Effekte Störsender auf die gesamte Netzstabilität und -qualität - selbst in weiter entfernten Funkzellen - hätten.

Während Straftäter per Handy Kommunikationsnetzwerke stricken und die Politik mit weit gehenden Mitteln dagegen vorgehen will, steht die Einführung eines abhörsicheren digitalen Funknetzes für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) weiter in den Sternen. Das Großprojekt verzögerte[8] sich bereits um Jahre wegen Auseinandersetzungen um den technischen Standard, um die Kompetenzverteilung im föderalen System und Finanzierungsfragen, bevor überhaupt ein Vergabeverfahren[9] in Gang kam. Nunmehr drohen unterlegene Anbieter damit, die Vergabeabsichten des Bundes gerichtlich anzufechten[10].

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.Bundesregierung.de/
[2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/73331/
[3] http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Service/gesetze,did=58232.html
[4] http://dip.bundestag.de/btd/16/015/1601519.pdf
[5] http://www.heise.de/newsticker/meldung/73250/
[6] http://www.bitkom.org/
[7] http://www.heise.de/newsticker/meldung/71478
[8] http://www.heise.de/newsticker/meldung/47771
[9] http://www.heise.de/newsticker/meldung/71438
[10] http://www.heise.de/newsticker/meldung/72037
[11] mailto:ssu@ct.heise.de

[  heise.de





19 May 2006
Erstmals gesetzliche Regelungen für Absprachen im Strafverfahren

Das Bundesjustizministerium hat heute den Referentenentwurf zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren an die Ressorts zur Stellungnahme versandt. Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten, umgangssprachlich auch Deals genannt, gehören seit Jahren zur strafprozessualen Praxis. Es fehlt jedoch bislang an einer gesetzlichen Regelung. Die vorgeschlagene Regelung soll Rechtssicherheit schaffen und zu mehr Transparenz und Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht führen.

„Verständigungen im Strafprozess gehören zur strafprozessualen Realität. Um sie auf eine sichere rechtsstaatliche Grundlage zu stellen, brauchen wir klare gesetzliche Rahmenbedingungen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Absprache zulässig ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. „Einen Handel mit der Gerechtigkeit wird es aber nicht geben. Es geht allein darum, beispielsweise in Fällen, in denen sonst eine umfangreiche Beweisaufnahme mit Zeugen aus dem Ausland notwendig wäre, das Verfahren abkürzen zu können - wenn ein glaubhaftes Geständnis vorliegt und das Gericht auch aufgrund seiner weiteren Erkenntnisse zu der Überzeugung kommen durfte, dass der Angeklagte schuldig ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Gleichzeitig wandte sich Zypries deutlich gegen Stimmen, die Verständigungen und gesetzliche Regelungen dazu ablehnen: „Der Referentenentwurf ist eine ausgewogene und an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Regelungen. Verständigungen können ein berechtigter alternativer Weg sein, der das Ziel des Strafprozesses, zu einer richtigen Entscheidung zu kommen, unverändert lässt. Die Kritiker sagen nur „Nein“, ohne ein eigenes Konzept vorzulegen“, stellte Zypries klar. Auch der Bundesgerichtshof akzeptiert Absprachen. Er hat in einer Vielzahl von Entscheidungen auch die Grenzen dieser Praxis aufgezeigt. In seiner Entscheidung vom 3. März 2005 hat der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofes maßgebliche Grundsätze der bisherigen Rechtssprechung bestätigt und fortentwickelt. Gleichzeitig appellierte er an den Gesetzgeber, die Zulässigkeit und die wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Begrenzungen von Urteilsabsprachen gesetzlich zu regeln.

Im Wesentlichen sieht der Entwurf folgende Regelungen vor:

* Die Verfahrensbeteiligten sollen, auch außerhalb einer Verständigung, zu offenerer Kommunikation und mehr Transparenz ermuntert werden.

* Das Gericht hat die Möglichkeit, schon frühzeitig seine Einschätzung des Verfahrensstandes mitzuteilen. Dies dient dem Interesse aller Verfahrensbeteiligten, ihr weiteres Prozessverhalten sachgerecht und effizient auszurichten. Solche Erörterungen können in geeigneten Fällen auch dazu genutzt werden, über den Ausgang des Strafverfahrens eine Verständigung zu suchen, die sich selbstverständlich im Rahmen der allgemeinen Prozessgrundsätze bewegen muss.

* Gegenstand einer Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, wie etwa das Strafmaß und nicht der Schuldspruch. Das Gericht hat also immer eigenverantwortlich zu beurteilen, ob der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat auch wirklich begangen hat. Dementsprechend darf das Gericht einem abgesprochenen Geständnis nicht blind vertrauen, sondern muss es auf seine Glaubhaftigkeit prüfen. Der Angeklagte darf ferner nicht durch Inaussichtstellen einer unangemessenen Strafe zur Absprache gedrängt werden. Die Angabe einer Strafober- und Untergrenze durch das Gericht muss sich innerhalb der allgemeinen Strafzumessungsregeln bewegen. Ausgeschlossen ist auch die Einbeziehung verfahrensfremder Zwecke.

* Im Zusammenhang mit einer Absprache darf sich das Gericht keinen Rechtsmittelverzicht versprechen lassen. Bei einem Rechtsmittelverzicht erklärt ein Prozessbeteiligter, nicht gegen die gerichtliche Entscheidung, zum Beispiel im Wege der Berufung oder Revision, vorzugehen. Auch Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein. Sofern dem Urteil eine Verständigung zu Grunde liegt, muss der Betroffene über seine Freiheit, Rechtsmittel einzulegen, informiert werden. Unterbleibt diese Belehrung, ist ein Rechtsmittelverzicht unwirksam, selbst wenn der Betroffene diesen unabhängig von der Verständigung abgegeben hat.

* Der Angeklagte ist über alle Rechtsfolgen, die im Rahmen einer Verständigung von Bedeutung sind, zu belehren. Dem Angeklagten ist daher mitzuteilen, dass das Gericht bei Änderungen der Rechts- oder Sachlage nicht an die Verständigung gebunden ist und dass ein abgegebenes Geständnis grundsätzlich verwertbar bleibt.

* Die Verständigung muss sich in der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung vollziehen. Die erforderliche Transparenz und Dokumentation des mit einer Verständigung verbundenen Geschehens wird - auch zum Zweck einer Nachprüfung in der Revision - durch umfassende Mitteilungs- und Protokollierungspflichten des Gerichtes sichergestellt.

[   Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz





19 May 2006
Prozesskostenhilfe soll begrenzt werden

BERLIN/HANNOVER. Die Niedersächsische Justizministerin Elisabeth Heister-Neumann bringt heute gemeinsam mit ihrem Amtskollegen Prof. Dr. Ulrich Goll aus Baden-Württemberg den Gesetzentwurf zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe (PKH) in den Bundesrat ein. Die in den letzten Jahren stark gestiegenen Aufwendungen der Länder für die PKH sollen eingedämmt werden. Allein in der ordentlichen Gerichtsbarkeit haben sich die Zahlungen an beigeordnete Rechtsanwälte in den letzten sieben Jahren von bundesweit 261 Mio. Euro auf 361 Mio. Euro erhöht. Dies ist für die Länder nicht mehr verkraftbar. Ziel des Entwurfs ist es, den besorgniserregenden Anstieg der Ausgaben der Länder für die PKH schnell und dauerhaft zu begrenzen. "Nicht jedem Bürger muss der Staat den Prozess finanzieren. Wir müssen den enormen Anstieg der Ausgaben stoppen, um das bewährte Institut der Prozesskostenhilfe für diejenigen zu erhalten, die darauf angewiesen sind", betonte Heister-Neumann heute in ihrer Rede im Bundesrat.

Prozesskostenhilfeempfänger sollen künftig stärker zur Zahlung der auf sie entfallenden Verfahrenskosten herangezogen werden. Diejenigen, deren Einkommen und Vermögen über das Existenzminimum hinausgeht, sollen PKH künftig nur noch als Darlehen erhalten, das vollständig zurückzuzahlen ist. Zudem werden den Gerichten wirksamere Mittel gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von PKH an die Hand gegeben. Den Text der vollständigen Rede finden Siehier (http://www.niedersachsen.de/master/C21098708_N8477920_L20_D0_I693).

[  Herausgeber: Nds. Justizministerium





17 May 2006
Kriminalstatistik 2005
Die polizeilich erfasste Kriminalität in Deutschland ist weiterhin rückläufig

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, der bayerische Innenminister Günther Beckstein, haben am Montag die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2005 vorgestellt. Sie erfasst die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten einschließlich der mit Strafe bedrohten Versuche. Ausgenommen sind einige Bereiche wie etwa die Staatsschutzdelikte, Verkehrsdelikte und Straftaten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen wurden, sowie Verstöße gegen strafrechtliche Landesgesetze. "Wir können für das Jahr 2005 einen deutlichen Rückgang der polizeilich registrierten Kriminalität verzeichnen", so Innenminister Wolfgang Schäuble. Gleichzeitig sei die Aufklärungsquote "noch einmal leicht angestiegen". Deutschland sei im internationalen Vergleich eines der sichersten Länder der Welt. "Dies wäre nicht möglich ohne die hervorragende Arbeit unserer Polizei", sagte der Innenminister.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein verwies auf einen "konstanten Anstieg der bundesweiten Aufklärungsquote seit 1998". Dies zeuge von dem hohen technischen Standard beziehungsweise Know-How der Polizeien der einzelnen Bundesländer in der Verbrechensbekämpfung. So habe sich "vor allem durch die DNA-Analyse" das Entdeckungsrisiko für Straftäter in den letzten Jahren "erheblich erhöht". "Es konnten auch einige bisher als ausgesprochen schwer lösbar geltende Kapitalverbrechen der letzten Jahrzehnte im Nachhinein aufgeklärt und die Täter einem förmlichen Strafverfahren zugeführt werden", so Beckstein. Der Polizeiliche Kriminalstatistik 2005 zufolge ist die polizeilich registrierte Kriminalität in Deutschland im Jahr 2005 mit insgesamt 6.391.715 Delikten um 3,6 Prozent zurückgegangen. Gegenüber 2004 wurden somit 241.441 Straftaten weniger gezählt. Die Aufklärungsquote ist den Angaben zufolge im Vergleich zu 2004 geringfügig von 54,2 Prozent um 0,8 Prozent angestiegen. Sie liege nunmehr bei 55 Prozent und habe den höchsten Wert seit Erstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik überhaupt erreicht.

1993, dem Basisjahr der Polizeilichen Kriminalstatistik, lag die Zahl der erfassten Straftaten noch um rund 360.000 Fälle höher, obwohl die Einwohnerzahl in Deutschland seither um fast 1,2 Millionen angestiegen ist. Die Aufklärungsquote lag 1993 mit 43,8 Prozent 11 Prozentpunkte unter dem heutigen Wert. Nach Auffassung von Bundesinnenminister Schäuble sind dies "unter Berücksichtigung der allgemein bekannten globalen Rahmenbedingungen, die ständig steigende Anforderungen an eine effektive Verbrechensbekämpfung stellen, beachtliche Erfolge".

"Überproportionaler Rückgang der nichtdeutschen Tatverdächtigen"

Nach einem leichten Anstieg im Vorjahr sei 2005 auch die Gesamtzahl der Tatverdächtigen zurückgegangen. Sie liege mit 2.313.136 Personen um 3,0 Prozent unter dem Wert des Vorjahres. "Der erfreuliche Trend eines überproportionalen Rückgang der nichtdeutschen Tatverdächtigen" setze sich fort. Ebenfalls fortgesetzt habe sich die Abnahme der Straßenkriminalität, wobei innerhalb dieser Deliktsgruppe der Handtaschenraub 2005 sogar um 16,4 Prozent zurückgegangen ist. Die unter "Straßenkriminalität" zusammengefassten Straftaten seien "für das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung" besonders wichtig.

Weiterhin rückläufig sei zudem die Gesamtzahl der Diebstahlsdelikte. Hier habe es 2005 - nach einem Minus von 2,3 Prozent im Vorjahr - nochmals einen deutlichen Rückgang um 7,9 Prozent gegeben. Überdurchschnittlich gesunken sei wiederum der Diebstahl von Kraftfahrzeugen. Auch beim Fahrraddiebstahl setze sich die positive Entwicklung fort. Auch die Zahl der Wohnungseinbrüche sei mit 11,6 Prozent weiter zurückgegangen und habe sich gegenüber 1993 nunmehr auf weniger als die Hälfte, nämlich 109.736 Fälle reduziert. Auch Raub, Rauschgiftdelikte sowie die Zahl der Drogentoten sind weiterhin rückläufig.

Wie bereits in den Vorjahren gebe es jedoch es eine Zunahme der Fallzahlen bei den Körperverletzungsdelikten mit einem Plus von 4 Prozent. Insbesondere hätten gefährliche und schwere Körperverletzungen um 5,3 Prozent zugenommen. "Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig eine tatsächliche Zunahme dieser Straftaten", schreibt das Innenministerium. Gewalttaten, vor allem soweit sie im unmittelbaren sozialen Umfeld der Betroffenen verübt werden, wiesen ein hohes Dunkelfeld auf. Mit der öffentlichen Diskussion über Gewalt in engen sozialen Beziehungen, die auch durch das im Jahr 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz ausgelöst worden sei, habe eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber Gewalt erreicht werden können. Gleichzeitig habe die Ermittlungstätigkeit der Polizei in diesem Deliktsbereich zugenommen.

Die Gesamtzahl der Betrugsdelikte habe sich nach einer deutlichen Zunahme im Vorjahr um 7,5 Prozent 2005 nur noch geringfügig um 0,9 Prozent erhöht. Weiterhin überproportional gestiegen seien hingegen Waren- und Warenkreditbetrug mit 11,5 Prozent sowie der Computerbetrug mit 11,9 Prozent. Diese Entwicklung sei in gewisser Weise die Kehrseite der rückläufigen Diebstahlszahlen, die auch für ein verändertes Einkaufs- und Konsumverhalten stehe. Waren würden zunehmend nicht mehr im Geschäft vor Ort ausgesucht, sondern anonym über das Internet bestellt.

[  ngo-online.de





17 May 2006
Initiative Knasttest: Mangelhaft

Kirchen und Flüchtlingsinitiativen haben den Abschiebeknast Grünau unter die Lupe genommen. Personal ist schlecht ausgebildet, Häftlinge sitzen länger ein und Räume werden schlecht genutzt

Berlins Abschiebepraxis bleibt eine Katastrophe. "Zwar ist sowohl bei der Vermeidung von Abschiebungshaft als auch bei den Haftbedingungen in den letzten Jahren eine positive Entwicklung in Gang gekommen", sagte Dieter Müller vom Jesuitenflüchtlingsdienst und katholischer Seelsorger im Abschiebegewahrsam Köpenick: "Dennoch bleibt die Situation von Abschiebungshäftlingen noch in vielen Punkten verbesserungswürdig." Dabei hatte die zuständige Innenverwaltung bereits in den Jahren 2001 und 2002 versprochen, die Bedingungen in der Abschiebehaft deutlich zu verbessern. Das hatte auch das Abgeordnetenhauses vor vier Jahren mehrheitlich gefordert. Der Aktionskreis Abschiebungshaft Berlin, ein Zusammenschluss von zwölf Flüchtlingsinitiativen, Kirchenorganisationen und Wohlfahrtsverbänden, hat die Abschiebepraxis in der Hauptstadt bewertet und die Ergebnisse gestern vorgestellt. Ihr Fazit: Es muss noch viel mehr getan werden.

Größtes Problem: die Verweildauer. Zwar hat sich die Zahl der Inhaftierungen im Vergleich zu 2001 mehr als halbiert und lag im vergangenen Jahr bei etwa 2.000. Unterbelegt blieb das trostlose und mit Stacheldraht umzäunte Plattenbauwerk in Grünau dennoch nicht. Denn gleichzeitig hat sich die durchschnittliche Haftdauer von 17 Tagen vor fünf Jahren auf 45 Tage im Januar 2006 verlängert. Obwohl ihre Abschiebung von vornherein aussichtslos ist, blieben nach wie vor viele der Flüchtlinge hinter Gittern, kritisiert die Studie. Dies gelte besonders bei geplanten Abschiebungen nach China, Kamerun, Elfenbeinküste, Liberia oder Sierra Leone. Derzeit sind 137 Flüchtlinge in Grünau inhaftiert.

Das Wachpersonal: 230 Polizisten sind derzeit in Grünau beschäftigt. Das ist selbst nach Ansicht des Aktionskreises Abschiebehaft sehr viel. Allerdings stehe die Quantität im Gegensatz zur Qualität des Personals. An sprachlicher, rechtlicher, sozialer und interkultureller Kompetenz lasse das Wachpersonal weiter zu wünschen übrig. Immerhin ist laut Aktionskreis die Zahl der polizeilichen Übergriffe in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Positiv auch, das in einigen Fällen Polizisten ihre Kollegen auch mal kritisieren und im Extremfall Anzeige erstatten.

Der bauliche und hygienische Zustand: Seit das Abgeordnetenhaus konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen gefordert hat, gibt es für die Inhaftierten tatsächlich einen längeren Hofgang pro Tag. Die strikte Trennung der Etagen wurde aufgehoben. Einmal pro Woche ist nun der Besuch auf einer anderen Etage möglich ist. Auch die Trennscheiben und Gitter im Besuchertrakt wurden weitgehend entfernt. Die Inhaftierten werden ihren Familien folglich nicht mehr wie Schwerverbrecher präsentiert. Seit der Reduzierung von 340 auf 220 Haftplätze könnten die Häftlinge auch über viel mehr Raum verfügen - zumindest theoretisch. Doch nun würden vorzugsweise die Etagen belegt, in denen noch alle Zellen mit Innengittern versehen sind und der hygienische Zustand der sanitären Anlagen besonders zu wünschen übrig lasse, so der Befund des Arbeitskreises.

Minderjährigenschutz: Im März 2003 hatte die Innenverwaltung entschieden, Jugendliche unter 16 Jahren überhaupt nicht mehr in Abschiebehaft zu nehmen. Auch das Kammergericht hatte im März vergangenen Jahres die Inhaftierung von Minderjährigen nur noch als "Ultima Ratio" erlaubt. Ungeregelt blieb jedoch die Frage der Altersfeststellung. Denn seit den Beschlüssen lege die Ausländerbehörde das Alter willkürlich fest, bemängelt der Arbeitskreis. Viele Jugendliche würden älter eingestuft, als sie tatsächlich sind.

Die Haftkosten: Aus Verzweiflung versuchte ein 63-jähriger Mann aus Mazedonien Mitte Februar sich selbst umzubringen. Der Grund: Er wurde gezwungen, sein geringes Vermögen in Höhe von 2.000 Euro herauszurücken - als Sicherheitsleistung zur Begleichung der Haft- und Abschiebungskosten. Mithäftlinge solidarisierten sich daraufhin mit ihm und verbarrikadierten sich aus Protest im Etagenflur. Die Polizei beendete die Meuterei mit Einsatz von Gewalt. Es klingt absurd. Aber diese Praxis ist tatsächlich legal: Laut Aufenthaltsgesetz hat ein Insasse alle Kosten seiner Abschiebung selbst zu tragen - schließlich sind sie ja offiziell nicht in einem Gefängnis untergebracht, sie haben ja keine Straftat begangen. Offiziell sind sie also "nur" in Gewahrsam. Der Tagessatz in Köpenick beträgt 62 Euro am Tag. Der Arbeitskreis fordert eine Überprüfung dieser Praxis. In anderen Bundesländern gebe es immerhin auch "humanitäre Lösungen".

Entlassungsquote: Sie betrug 2002 rund 40 Prozent. Das heißt: In einer beträchtlichen Zahl von Fällen musste die Haft beendet werden, weil sich die Abschiebung als undurchführbar erwies. Das hätte die Ausländerbehörde eigentlich schon prüfen müssen, bevor sie Unschuldige einsperrt. Der Aktionskreis geht davon aus, dass sich diese hohe Zahl von Fehleinschätzungen in den vergangenen Jahren nicht wesentlich geändert hat. Fazit: Bernhard Fricke, evangelischer Seelsorger in Grünau, weist daraufhin, dass bei all den behördlichen Verfahren eins nicht vergessen werden darf: dass es hier um Menschen geht. Wörtlich formuliert Fricke es so: "Sie lachen und weinen, spielen Fußball und sorgen sich um ihre Familien. Sie glauben und hoffen. Und manchmal sind sie einfach abgrundtief enttäuscht. Von Deutschland."

[  taz.de





16 May 2006
Zahl der Asylbewerber auf neuem Tiefststand, Zahl der Abschiebungen steigt

Die Politik der rot-grünen Bundesregierungen und der jetzigen Großen Koalition haben zu einem beispiellosen Rückgang der Asylbewerberzahlen in Deutschland geführt. 1998 hatten noch 98.644 Schutz suchende Menschen Asyl beantragt. 2005 waren es nur noch 28.914. Die rot-grüne Regierung hatte die Einschränkung des Asylrechts, die mit Unterstützung der SPD bereits von der Vorgängerregierung unter Helmut Kohl beschlossen worden war, bis zu dessen Unkenntlichkeit fortgesetzt. Im Einklang mit der Europäischen Union betrieb sie eine rücksichtslose, auf Abwehr und Ausgrenzung gerichtete Einwanderer- und Flüchtlingspolitik. Die jetzige Regierung setzt diesen Kurs fort.[...]

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[  wsws.org





13 May 2006
Folterszenen im Berliner Knast

Im September 2005 misshandelten vier Gefangene in Tegel einen Mithäftling. Gestern begann der Prozess vor dem Landgericht. Er offenbart auch unhaltbare Zustände in überfüllten Gefängnissen.

In der Nacht vom 8. zum 9. September 2005 teilen sich sechs Häftlinge eine Zelle in der JVA Tegel: ein Mazedonier, ein Libanese, ein Türke, ein Mongole und zwei Deutsche, Andreas R. und Thomas G. Sie verbringen nicht die erste Nacht zusammen. Nasser H., der Libanese, hat erfahren, dass Thomas G. wegen versuchten Mordes eines 14-Jährigen einsitzt. Aus Zeitungen meinen sie zu wissen, dass Thomas G. ein Sexualstraftäter sei. Obendrein war sein Opfer ein entfernter Bekannter von Andreas R. Der Libanese sagt zu dem Türken Mücahit C. "Wir müssen ihn bestrafen. Wir haben auch Kinder."

Nach Einschluss um 22 Uhr geht es los. Der Libanese fordert Thomas G. auf zu berichten, was er getan habe. Es ist der Auftakt einer fünfstündigen Quälerei, an der sich nur der 25-jährige Mongole nicht beteiligt - er holt aber auch keine Hilfe. Die vier treten ihr Opfer in die Nieren, zwingen ihn, seinen Urin zu trinken, halten seinen Kopf unter die Toilettenspülung, stülpen ihm einen Mülleimer über den Kopf und rammen ihm eine Flasche in den After. Gegen drei Uhr nachts gibt er beim Gefängnispersonal einen von Andreas R. diktierten Antrag ab: "Ich bin ein Kinderschänder und bitte um Verlegung in eine andere Zelle." Bei Zellenaufschluss um sechs Uhr zeigt er die Mitgefangenen an.

Mit der Verlesung dieser Anklage begann gestern am Landgericht der Prozess gegen die mutmaßlichen Täter. Zu Beginn äußerte sich nur der türkische Angeklagte. Erst wollte er das Geschehen nur gehört haben, dann räumte er ein, etwas gesehen zu haben. "Ich habe vergessen, was da alles los war", sagte Mücahit C. Schließlich bestätigte er alle Punkte außer der Misshandlung mit der Flasche, die aber durch ein DNA-Gutachten belegt ist.

Natürlich traf es keinen Unbescholtenen: Das Urteil gegen Thomas G., das der Richter gestern noch einmal vortrug, offenbart grausame Details der Misshandlung eines Heimjungen, allerdings ohne sexuellen Hintergrund. Die Schilderungen der Tat von Thomas G. übertreffen an Rohheit das, was ihm in Tegel angetan wurde, bei weitem. Doch Gewalt entschuldigt nicht Gewalt, sie offenbart nur die Mängel chronisch überfüllter Haftanstalten. 1.571 Häftlinge kann die JVA Tegel aufnehmen, rund 1.700 sitzen nach Angaben eines Sprechers ein. Die Möglichkeiten des offenen Vollzugs und der Strafaussetzung sind ausgeschöpft - nicht jeder eignet sich für diese Maßnahmen.

In den Neunzigerjahren wurden die Strafen für Betrug, Sexualdelikte, Körperverletzung und Terrorismus erheblich angehoben. Für die Haftanstalten bedeutete das Überbelegung: Seit zehn Jahren wächst in Berlin die Zahl der Häftlinge um jährlich 3 Prozent. An Sanierung der Altbauten in Tegel und Moabit ist bei konstanter Überbelegung auch nicht zu denken. Mindestens drei Gruppenräume, die eigentlich für Resozialisierungsmaßnahmen gebraucht würden, baute man in Tegel zu Gemeinschaftszellen um. Ein neuer Knast für 650 Häftlinge soll bis 2010 in Großbeeren entstehen, der Bau wird etwa 87 Millionen Euro, der Unterhalt 20 Millionen Euro kosten. Diese Problemlösung ist nicht sonderlich kreativ, das Geld wäre in der Prävention besser aufgehoben. Vorschläge der Grünen, etwa noch mehr der über 30 Prozent nichtdeutscher Straftäter ihre Strafe im Heimatland verbüßen zu lassen, wurden ebenfalls nicht weiterverfolgt.

[  taz.de


„Strafaktion“ in der Zelle: Häftlinge foltern Mitgefangenen

Der „Neue“ saß wegen versuchten Mordes an einem 14-Jährigen. Seine Zellengenossen in der Justizvollzugsanstalt Tegel meinten, er sei ein Kinderschänder und müsse erst einmal bestraft werden.Vier der Männer, die sich seit gestern vor dem Landgericht verantworten müssen, sollen den 36-Jährigen in einer Nacht im September vergangenen Jahres vergewaltigt, geschlagen und getreten haben. Einem fünften Angeklagten wird unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen.

Die fünf Männer stammen aus fünf verschiedenen Nationen und verbüßten damals Strafen wegen Totschlags, Körperverletzung, Bandendiebstahls und Geldfälschung. „Wir sitzen alle im Gefängnis, aber nicht wegen so etwas“, war man sich nach Aussage eines der Angeklagten einig. Der 41-Jährige erklärte weiter, dass er sich eigentlich nicht auf so etwas einlassen wollte. Er, der als Einziger der Angeklagten aussagte, will zudem aus Schläfrigkeit nicht viel mitbekommen haben.Der „Kinderschänder“ musste laut Anklage unter anderem wie ein Hund durch die Zelle kriechen und seinen Kopf in die Toilettenschüssel legen.Der Mann war vor einem Jahr wegen versuchten Mordes zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er war einer der Männer, die in Marzahn einen 14-Jährigen zwei Tage lang grausam gefoltert hatten. Am Freitag soll der misshandelte Häftling als Zeuge aussagen. K. G.

[  tagesspiegel.de


Aus Rache mißhandelt

Vier Häftlinge müssen sich seit gestern wegen Mißhandlung eines Mithäftlings vor dem Landgericht verantworten. Die Angeklagten im Alter von 37 bis 41 Jahren sollen ihr Opfer in ihrer gemeinsamen Zelle in der Justizvollzugsanstalt Tegel vergewaltigt, geschlagen und getreten haben. Ein 25jähriger ist wegen unterlassener Hilfe mitangeklagt. Bis auf einen Angeklagten verweigern die Männer die Aussage. Der mutmaßlich Mißhandelte war im Juni 2005 wegen versuchten Mordes an einem 14jährigen zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Jugendliche war von drei Männern und einem Schüler zwei Tage gefoltert worden, unter anderem mit Strom in einer Badewanne. Die Staatsanwaltschaft wirft den Häftlingen vor, den Mann als "Kinderschänder" vergewaltigt zu haben. dpa

[  morgenpost.berlin1.de





12 May 2006
BIG BROTHER

Die elektronische Fußfessel, Electronic Monitoring, wird in den USA, in England, den Niederlanden und Schweden eingesetzt. Sie wird am Knöchel oder am Handgelenk angebracht und sendet über eine ans Telefon angeschlossene Data-Box per Funk Anwesenheitssignale in eine Zentrale. Ein Zentralcomputer registriert die Frequenz und informiert die zuständigen Bewährungshelfer oder Kontrolleure bei Abwesenheit automatisch.

In Hessen startete 2000 ein Modellversuch. Angewendet werden die Geräte in Deutschland bisher nur zur Vermeidung von Untersuchungshaft und als Bewährungsauflage bei geringen Freiheits- oder Reststrafen. Der Modellversuch wurde vom Max-Planck-Institut wissenschaftlich begleitet. Mittlerweile feiern ihn Politiker als Erfolg. Richter und Staatsanwälte sind zufrieden, Bewährungshelfer weniger begeistert. Die niedrige Rückfallquote der Täter führen sie darauf zurück, dass die wenigen, handverlesenen Probanden mit festem Wohnsitz und Telefon sehr viel mehr Betreuung bekämen als andere Verurteilte. Das Fazit des hessischen Justizministerium fiel äußerst positiv aus: Die Fußfessel habe bei den meisten der bisher 244 Straftäter Eigeninitiative und Selbstdisziplin befördert.

Die Debatte um die Fußfessel treibt seltsame Blüten. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) schlug sie vor einem halben Jahr zur Überwachung der "3.000 gewaltbereiten Islamisten in Deutschland" vor, die wegen ihnen in ihren Heimatländern drohender Folter nicht abgeschoben werden könnten, am besten gleich mit GPS. Der ehemalige hessische Justizminister Christean Wagner (CDU) hatte laut darüber nachgedacht, ob sich EM nicht auch als Disziplinarmaßnahme für Langzeitarbeitslose und Suchtkranke eigne. Er musste dann schleunigst einräumen, damit nur langzeitarbeitslose Straftäter gemeint zu haben. Andere Befürworter können sich die lückenlose Überwachung zum Opferschutz, bei chronisch Kranken oder bei der Überwachung spielender Kinder vorstellen. Bürgerrechtsbewegungen warnen vor einem solchen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger.

[  taz.de


[  mehr über die fußfessel





10 May 2006
Psychologe kritisiert Therapiemöglichkeiten in JVA

Schwerin/MVr Ein als Sachverständiger geladener Psychologe hat heute vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Therapiemöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bützow kritisiert.

Der Therapiebedarf der Insassen habe in der JVA nicht abgedeckt werden können, sagte der Psychologe, der von 1997 bis 2001 als Externer auf Honorarbasis dort tätig war. Seiner Einschätzung nach habe es zu wenige Psychologen in der JVA gegeben. Während seiner Zeit sei es zudem zu organisatorischen Schwierigkeiten gekommen. Es sei vorgekommen, dass seine Patienten zu spät oder gar nicht zu den Sitzungen gebracht worden seien. Aufgrund einer Absenkung seines Stundensatzes um 100 Mark habe er seine Tätigkeit in der JVA 2001 aufgegeben.

Der spätere Mörder von Carolin saß von 1998 bis Ende 2004 in der JVA Bützow ein und wurde anschließend in die JVA Waldeck verlegt. Der Psychologe sagte, dass der Mann während seiner Zeit in Bützow nicht zu seinen Patienten gehörte. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll klären, ob die Behörden den einschlägig vorbestraften Täter, der nur wenige Tage vor dem Mord aus dem Gefängnis entlassen wurde, überhaupt auf freien Fuß setzen durften. Die 16-jährige Schülerin war am 15. Juli 2005 vergewaltigt und ermordet worden. Der vom Landgericht Rostock zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilte Täter hatte bereits 1996 eine junge Frau vergewaltigt und verletzt. Dafür saß er eine siebenjährige Haftstrafe ab.

[  mvregio.de





10 May 2006

Erschwerter Weg zum offenen Strafvollzug
Führungswechsel im Eberstädter Gefängnis - Umdenken bei Resozialisierung leer

Mit Lockerungen im Strafvollzug soll im Gefängnis in Eberstadt künftig restriktiver umgegangen werden. Das kündigte der neue Leiter Wigbert Baulig bei seiner Amtseinführung am Dienstag an. Die Aktivitäten, die letztlich die Wiedereingliederung von Häftlingen in die Gesellschaft unterstützen sollen, sollten verstärkt „nach innen“ in den Bereich der Justizvollzugsanstalt Darmstadt verlagert werden, sagte Baulig. Der Übergang in den offenen Vollzug könne erst am Ende einer Entwicklung stehen, wenn andere Fördermaßnahmen erfolgreich gewesen seien. „Wer andere fördern will, darf von ihnen auch Anstrengungen erwarten“, sagte der Sechzigjährige, „vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt“.

Baulig, seit 2002 stellvertretender Leiter des Gefängnisses, ist seit 43 Jahren im hessischen Strafvollzug tätig. In dieser Zeit sei die „Gefangenenpopulation“ schwieriger geworden, sagte er gestern; das liege an der deutschen Vereinigung, der EU-Osterweiterung, aber auch am Aufkommen neuer Arten von Drogen. In Eberstadt verfolge man den Weg der „Binnendifferenzierung“: Häftlinge werden je nach persönlicher Entwicklung und Eignung für den offenen Strafvollzug gebäudeweise zusammengelegt. Die Ergebnisse seien ermutigend.

„Wir müssen in Zukunft noch stärker darüber nachdenken, was man bei den Menschen in Haft anlegen kann für die Zeit danach“, sagte Hessens Justizminister Jürgen Banzer, der zum Führungswechsel nach Eberstadt gekommen war. Man müsse die Haftzeit nutzen, um die Gefangenen in die Lage zu versetzen, das Leben nach der Entlassung erfolgreich zu bewältigen. Es habe sich gezeigt, dass die bisherigen Ansätze zur Resozialisierung „nicht sehr viel bewirken“. Der Minister schilderte die Anstrengungen der Landesregierung für Weiterbildung hinter Gittern, räumte aber ein, dass „gegenwärtig erst 48 Prozent aller hessischen Häftlinge in Arbeit sind - damit können wir nicht zufrieden sein“. Die Gefängnisinsassen hätten vielfach keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung, sie müssten an Arbeit erst gewöhnt werden.

Ausdrücklich lobte der Minister die Verdienste von Bauligs scheidendem Vorgänger Joachim Saar. Das 1969 in Betrieb gegangene Gefängnis in Eberstadt ist für männliche Erwachsene vorgesehen, die bis zu zweijährige Haftstrafen verbüßen; inzwischen werden dort aber vermehrt auch längere Strafen abgesessen. Derzeit kümmern sich 230 Mitarbeiter um rund 480 Häftlinge im geschlossenen und 65 im offenen Vollzug.

[  echo-online.de





09 May 2006

Sachse in Bayern von Verlobten abgeschieden
Häftlinge dürfen Strafe in der Nähe ihrer Lieben absitzen

Häftlinge dürfen ihre Strafe nach Möglichkeit in der Nähe von Verwandten absitzen. Das hat Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden.

HB KARLSRUHE. Wenn Strafgefangene Kontakt zu ihren Angehörigen halten wollen, dann sollen sie nach Möglichkeit in ein Gefängnis in deren Nähe verlegt werden, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Familiäre Beziehungen haben nach den Worten der Karlsruher Richter wesentliche Bedeutung für das Ziel, Straftäter wieder in die Gesellschaft einzugliedern. (Az: 2 BvR 818/05 - Beschluss vom 19. April 2006) Damit gab eine Kammer des Zweiten Senats einem in der DDR aufgewachsenen Mann Recht, der eine lebenslange Haftstrafe in der bayerischen Vollzugsanstalt Straubing verbüßt und frühestens 2009 vorzeitig entlassen werden kann. Er will nach Sachsen verlegt werden, weil alle Verwandten in den neuen Ländern wohnen und er sich nach der Entlassung dort niederlassen will.

Seine Verlobte könne ihn in Straubing nicht besuchen, weil der Arzt ihr lange Reisen untersagt habe. Seine Schwester - die ihm nach der Entlassung helfen wolle - könne den 450 Kilometer langen Weg aus beruflichen Gründen nicht auf sich nehmen, begründete der Mann sein Begehren. Anderen Angehörigen sei die Reise zu teuer. Nach den Worten des Gerichts müssen die Vollzugsbehörden auf die Förderung des Kontakts zu Angehörigen die „verfassungsrechtlich gebotene Rücksicht“ nehmen. In diesem Fall sei die Ablehnung „offensichtlich unhaltbar“, zumal der Kontakt zwischen Häftling und Verwandten aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen erschwert sei. Die Richter verwiesen den Fall an das Landgericht Regensburg zurück.

[  handelsblatt.com


Bundesverfassungsgericht erleichtert Verlegung von Gefangenen in eine heimatnahe Justizvollzugsanstalt
BSBD befürchtet zahlreiche Verlegungsanträge

9.5.2006

Nach einer heute veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe haben Strafgefangene das Recht, in eine heimatnahe JVA verlegt zu werden. In der Begründung der Kammer heißt es, für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft hätten die familiären Beziehungen eines Strafgefangenen wesentliche Bedeutung (Az. 2 BvR 818/05 - Beschluss vom 19. April 2006).

Im konkreten Fall hatte ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilter und in der JVA Straubing einsitzender Gefangener seine Verlegung in eine JVA des Landes Sachsen beantragt. Als Begründung gab der Gefangene an, dass insbesondere seine Verlobte, aber auch seine sonstigen Verwandten in Sachsen leben würden und er in Bayern keine Kontakte habe. Teils aus finanziellen oder beruflichen und teils aus gesundheitlichen Gründen sei es seinen Verwandten nicht möglich, ihn in der JVA Straubing zu besuchen. Unter Hinweis auf ärztliche Atteste gab u. a. die Verlobte an, dass ihr lange Reisen untersagt seien.

Die JVA Straubing hatte einen Verlegungsantrag des Gefangenen abgelehnt und darauf hingewiesen, dass eine Verlegung zahlreiche weitere Verlegungsanträge zur Folge hätte und ein geordneter Strafvollzug dann nicht mehr möglich sei. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Gefangenen hatte nun Erfolg. Das Landgericht Regensburg muss nun den Fall erneut entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht weist allerdings auch darauf hin, dass die Erfordernisse eines geordneten Strafvollzuges bei Verlegungen zu beachten seien. Es gehöre aber auch zur Ordnung des Strafvollzuges, dass »auf die Förderung des Kontakts zu Angehörigen die verfassungsrechtlich gebotene Rücksicht genommen wird.«

In einer ersten Stellungsnahme gegenüber der Presse wies der BSBD-NRW-Landesvorsitzende Klaus Jäkel darauf hin, dass bei einer evtl. durch die Föderalismuskommission zu erwartenden Verlagerung der Zuständigkeiten für das Strafvollzugsgesetz auf die Länder ein »Gefangenentourismus« innerhalb Deutschlands nicht auszuschließen sei. So bestehe die Gefahr, dass sich Gefangene sodann den »besten Resozialisierungsvollzug« in den jeweiligen Ländern aussuchen werden und eine Verlegung unter Hinweis auf die dort wohnenden »Verlobten« erzwingen können. Für einzelne finanzschwache Länder könnte diese Entwicklung auch eine willkommene Entlastung für ihren Strafvollzugsbereich bedeuten. Hier gelte es, seitens der Justizministerkonferenz frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die solchen Fehlentwicklungen begegnen können.

[  bsbd-nrw.de


Verfassungsrichter erleichtern Verlegung von Strafgefangenen Nähe zu Angehörigen muss bei Verlegungs
09.05.2006

Karlsruhe (AP) Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat das Recht von Strafgefangenen gestärkt, in ein heimatnahes Gefängnis verlegt zu werden. In der Begründung des am Dienstag veröffentlichten Kammerbeschlusses heißt es, für die Wiedereingliederung in die Gesellschaft hätten die familiären Beziehungen eines Strafgefangenen wesentliche Bedeutung. Im konkreten Fall ging es um einen aus Brandenburg stammenden Strafgefangenen, der eine lebenslange Freiheitsstrafe im bayerischen Straubing verbüßt. Eine Aussetzung der Reststrafe ist im Jahr 2009 möglich. Da seine Verlobte und alle Verwandten in Brandenburg und Sachsen wohnen, ist ein regelmäßiger Besuch auch aus finanziellen Gründen stark eingeschränkt.

Ein Antrag des Strafgefangenen auf Verlegung in ein heimatnäheres Gefängnis wurde jedoch von der Gefängnisverwaltung und von den Gerichten abgelehnt. Die Justizvollzugsanstalt verwies unter anderem darauf, dass eine Verlegung des Strafgefangenen zahlreiche Verlegungsanträge zur Folge hätte und ein geordneter Strafvollzug dann nicht mehr möglich sei. Im Übrigen würden die Erschwernisse des Strafgefangenen nicht vom Durchschnitt abweichen.

Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das Landgericht Regensburg muss erneut über den Fall entscheiden. In dem einstimmig ergangenen Kammerbeschluss heißt es, die Erfordernisse eines geordneten Strafvollzugs seien bei Verlegungen zu beachten. Es gehöre aber auch zur Ordnung des Strafvollzugs, dass «auf die Förderung des Kontakts zu Angehörigen die verfassungsrechtlich gebotene Rücksicht genommen wird.» Die Schwierigkeiten des Straubinger Strafgefangenen sollten deshalb gerade nicht den «Durchschnittsfall» bilden. Im Übrigen müssten auch die finanziellen und durch Arztatteste belegten gesundheitlichen Erschwernisse der Angehörigen berücksichtigt werden.

(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 818/05)

[  finanzen.de





4 May 2006
Saarland Spitze - bei der Überwachung

CDU-Landesregierung schockt Datenschützer: Die Polizei soll mehr Befugnisse bekommen, Autofahrer ohne Anlass registrieren, mehr Telefongespräche abhören und mehr Videokameras installieren. SPD sieht Saarland auf "Weg zum Überwachungsstaat"

Ein Referentenentwurf für ein neues saarländisches Polizeigesetz sorgt schon vor seiner Einbringung in das Kabinett von Ministerpräsident Peter Müller (CDU) für Proteste. Die Oppositionsparteien SPD und FDP signalisieren Widerstand: Das Saarland, schimpfte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Pauluhn, befinde sich "auf dem Weg zum Überwachungsstaat". Der Entwurf aus dem Haus von Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sieht eine Ausweitung der Befugnisse der Polizei bei der Überwachung mit Videokameras und beim Abhören von Telefongesprächen vor. Zudem sollen die Daten von Autokennzeichen ohne Anlass gespeichert werden können.

Der Landesdatenschutzbeauftragte Roland Lorenz kritisierte insbesondere das Vorhaben, die Videoüberwachung nicht mehr nur an Kriminalitätsschwerpunkten zu ermöglichen, sondern immer und überall dann, wenn es der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit dienlich sein könnte, wie es im Entwurf heißt. Damit werde die Überwachung schon bei sehr geringen Verdachtsmomenten legalisiert - auch ohne klare Indizien für eine tatsächliche Gefahrenlage. Das bewege sich "in Richtung Verfassungswidrigkeit", sagte Lorenz der Saarbrücker Zeitung. Zusätzlich "befremdet" ihn, dass die Landesregierung offenbar einen vom Bundesverfassungsgericht aus dem niedersächsischen Polizeigesetz gekippten Passus zur Telefonüberwachung im Saarland durch die Hintertür wieder einführen will. Demnach soll die vorbeugende Telekommunikationsüberwachung schon bei konkreten Vorbereitungshandlungen für eine Straftat möglich sein. Eine solche Regelung habe im Polizeigesetz nichts zu suchen, erklärte Lorenz. Denn die Vorbereitung einer Straftat sei bereits eine Straftat. Und deren Verfolgung sei schon in der Strafprozessordung klar geregelt.

Die Jugendorganisation der FDP kündigte eine Kampagne gegen die geplanten "massiven Einschränkungen von Bürgerrechten" an. Der Entwurf sei ein "Angriff auf den liberalen Rechtsstaat" und gehöre "in den Papierkorb". Die Jungen Liberalen wollen vor allem Schüler mobilisieren - gegen die geplante Videoüberwachung von Schulhöfen.

Datenschützer und Opposition monieren auch die geplante "anlassfreie elektronische Erfassung" von Kfz-Kennzeichen, die dann bei Vorliegen einer Gefahr mit anderen Polizeidaten abgeglichen werden sollen. In ihrer großen Mehrheit gesetzestreue Bürger würden so polizeilich erfasst, registriert und in Polizeicomputern gespeichert. Gegen Missbrauch dieser Daten, etwa die Erstellung von Bewegungsprofilen, gebe es noch keinen wirksamen Schutz, so Lorenz. Oppositionsführer Heiko Maas (SPD) fordert die "schnellstmögliche Einstampfung" des Gesetzentwurfs. "Die Bürger so massiv überwachen und beobachten zu wollen ist reine Effekthascherei und hat mit effektiver Verbrechensbekämpfung nichts zu tun", sagte Maas der taz.

Auf die Regierung, die mit dem neuen Polizeigesetz "technisch nachrüsten" und der Polizei "mehr Befugnisse" einräumen will, machte die Kritik bislang keinen Eindruck. Die CDU hat im Landtag eine absolute Mehrheit. Ministerpräsident Müller äußerte sich noch nicht. Sein Vize, Finanzminister Peter Jacoby, sagte der taz, dass der Referentenentwurf zunächst dem Kabinett vorgelegt werden müsse. Danach werde sich die Regierung "erklären". Jacoby dürfte eine Schlüsselrolle bei der Entscheidungsfindung spielen. Geld für die avisierte umfassende technische Aufrüstung der Polizei hat das bettelarme Saarland nämlich eigentlich nicht übrig.

[  taz.de





03 May 2006
Abgleich mit Fahndungscomputer
Polizei fahndet mit Automatiksystem nach Autokennzeichen

Bayerns Polizei fahndet künftig landesweit mit einem System zur automatischen Erkennung von Kennzeichen nach Fahrzeugen. Wie das Innenministerium am Mittwoch in München mitteilte, stehen den Ermittlern nach einer Testphase 25 Anlagen zur Verfügung, von denen ein Teil fest installiert wird und der Rest an wechselnden Standorten zum Einsatz kommen soll.Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums kann das System Fahrzeugkennzeichen lesen und mit einem Fahndungscomputer abgleichen. Im Trefferfall melde es die erkannten Kennzeichen an eine Einsatzzentrale. Autokennzeichen, die nicht zur Fahndung ausgeschrieben seien, werden nach Angaben des Ministeriums sofort und automatisch wieder gelöscht.

[  ngo-online.de


[  Pressemitteilung Nr. 150/06 bayerisches staatsministerium für inneres





29 April 2006
NEUER MAMMUT-KNAST Ulmer Höh’: Abrissbirne für 2007 bestellt

Nach jahrelangem Hickhack um Abriss und Neubau des 113 Jahre alten Knastes Ulmer Höh‘ hat das Land endlich doch noch eine Entscheidung getroffen: Der marode Altbau soll durch einen modernen Mammut-Knast für 845 Häftlinge ersetzt werden, und zwar doch auf Ratinger Gebiet.

Justizministerin Roswitha Piepenkötter war sich bei der Bekanntgabe ihres Planes sehr wohl über zwei Dinge im Klaren: Düsseldorfs OB Joachim Erwin freut sich, den alten Knast mitten in „seiner“ Stadt los zu sein. Er hat damit endlich freie Hand, den Stadtteil Derendorf zwischen Schlachthof und Knast großflächig zu sanieren.Sein Ratinger Kollege Harald Birkenkamp hingegen dürfte sich ärgern und jetzt nach rechtlichen Möglichkeiten suchen, die Landespläne doch noch zu durchkreuzen. Denn Ratingen plant auf dem Gelände der alten britischen Kaserne ein neues Gewerbegebiet. Ein Groß-Knast wäre da für Investoren eher abschreckend.

Aber Landesrecht geht nun mal vor Gemeinderecht. Und der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes hat bereits beim Regierungspräsidenten eine Bauvoranfrage gestellt.Scheitern die Ratinger jetzt mit ihrem Widerspruch, können die Bagger bereits im nächsten Jahr anrollen. Ende 2009 könnten dann die Knackis aus der Ulm umziehen. Mit ihnen auch die Insassen ähnlich alter Knäste in Duisburg und Oberhausen.Und auch die Kostenfrage scheint geklärt zu sein. Denn die neue Landesregierung hat, anders als die alte, die Baukosten bereits im Haushalt sichergestellt.

[  express.de





29 April 2006
Beamte schlagen zu
Bundespolizisten sollen einen Angolaner misshandelt haben. Grund: Er wehrte sich gegen seine Abschiebung

Schwere Vorwürfe erhebt ein Angolaner gegen mehrere Beamte der Bundespolizei Berlin. Antonio Prospeiro Manuel gibt an, in der Nacht zum Donnerstag misshandelt worden zu sein, nachdem er sich gegen seine Abschiebung zur Wehr gesetzt hatte. Zurzeit befindet sich der 39-Jährige im Abschiebegefängnis Köpenick. Das Landeskriminalamt ermittelt.

Manuel sollte vom Schönefelder Flughafen in die angolanische Hauptstadt Luanda gebracht werden. An Bord sei er von drei Beamten gefesselt worden, berichtete Manuel gegenüber seinem Rechtsanwalt Ibi Amuru. Er habe sich zur Wehr gesetzt und laut geschrien. Dabei sei er von einem Beamten gewürgt, auf den Rücken und in die Nierengegend geschlagen worden. Der Pilot weigerte sich auf Initiative anderer Passagiere daraufhin, die Maschine zu starten. Nach der Rückkehr ins Flughafengebäude sei Manuel von einem weiteren Beamten im Dienstraum der Bundespolizei gegen eine Bank geworfen worden.

Nach Aussagen von Irène Kissasse und Roland Prejawa vom Verein "Pro Afrika" befand sich der Angolaner nach den Ereignissen in einem desolaten psychischen und physischen Zustand. Auch Amuru hatte den seit 14 Jahren in Deutschland lebenden Angolaner gestern in der Haft besucht: "Es sind eine Schürfwunde auf der Stirn, eine Beule unter dem linken Auge und großflächige Hämatome auf dem Rücken zu erkennen", berichtete er gegenüber der taz.

Dem Angolaner drohen nach Aussage seines Anwalts in seiner Heimat Haft und Folter, weil er Mitglied der oppositionellen Gruppe Befreiungsfront für Cabinda (FLEC) ist. Trotzdem erfolgte die Abschiebung, da der Asylantrag des Angolaners nicht anerkannt wurde. "Vier Folgeanträge wurden ebenfalls nicht akzeptiert", sagte Amuru. Trotz einer positiven Entscheidung der Härtefallkommission sei Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nicht bereit gewesen, dem Flüchtling einen Aufenthalt in Berlin zu erlauben, kritisierte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen in Berlin, Jasenka Villbrandt. "Körting will sich um jeden Preis im Vorfeld der Wahlen als Hardliner präsentieren", erklärte sie weiter.

Die Bundespolizei nimmt den Fall nach eigenen Angaben sehr ernst. "Wir werden alles für die Aufklärung tun", erklärte Jörg Kunzendorf, Pressesprecher der Bundespolizei Berlin. Aufgrund des laufenden Verfahrens war er jedoch zu keinen weiteren Aussagen bereit. KAYS AL-KHANAK

[  taz.de





27 April 2006
Telekommunikationsüberwachung steigt weiter stark an

Der so genannte Kleine Lauschangriff wird nach wie vor immer größer. Laut der jetzt von der Bundesnetzagentur[1] veröffentlichten Jahresstatistik der strafprozessualen Überwachungsmaßnahmen im Telekommunikationsbereich für 2005 (PDF-Datei[2]) kletterte die Zahl der gerichtlich erlassenen Anordnungen auf 42.508. Im Vorjahr lag sie noch[3] bei 34.374. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 24 Prozent. Die Zahl der Anordnungen umfasst alle Überwachungsmaßnahmen von Telefon-, Internet- und E-Mail-Anschlüssen gemäß der Paragraphen 100a[4] und 100b[5] der Strafprozessordnung (StPO[6]). Dabei geht es um die Inhaltsüberwachung, also klassische Abhörmaßnahmen beziehungsweise Einblicke in die vollständigen Kommunikationsdaten im Online-Bereich.

Neu erlassen haben Gerichte im vergangenen Jahr 35.015 Anordnungen zur Überwachung der Telekommunikation im Vergleich zu 29.017 Anordnungen in 2004. Bei den restlichen 7493 handelt es sich um Verlängerungen bereits einmal ausgehändigter Abhörbefugnisse. Den größten Anstieg hat erneut der Mobilfunkbereich zu verzeichnen (JPEG-Grafik[7]): die Anordnungen betrafen 34.855 Rufnummern von Mobilfunkanschlüssen. Kennungen von Festnetzanschlüssen waren 5398 betroffen, was einem nur geringfügigen Wachstum entspricht.

Prozentual deutlich zugelegt hat die E-Mail-Überwachung: Sie stieg von 78 Anordnungen im Jahr 2004 auf 365 im vergangenen Jahr und hat sich damit fast vervierfacht. Mehr als verdoppelt hat sich zudem die Überwachung ganzer Internetzugänge etwa bei DSL- oder Kabelnetzverbindungen; hier ist die Zahl der Anordnungen von 92 auf 193 nach oben geschossen. Ob die im Vergleich zum klassischen Telefonsektor noch überschaubare Anzahl der Gesamtmaßnahmen allerdings den kostspieligen Aufwand[8] gemäß der umstrittenen Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV)[9] rechtfertigt, wird eine Frage sein, welche insbesondere die Provider weiter beschäftigen dürfte.

Der Trend zu einer rasanten Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung und Abhörmaßnahmen ist damit seit Jahren ungebrochen. Im Jahr 2003 waren es 24.501, 2002 21.874 und 2001 19.896 Anordnungen. Im Verhältnis zum Jahr 1995 mit damals lediglich 4.674 Anordnungen bedeutet dies eine Zunahme von mehr als 500 Prozent in weniger als einem Jahrzehnt. Datenschützer kritisieren[10] daher schon seit längerem die Tendenz, dass die tief in die Grundrechte einschneidenden Abhörmaßnahmen von einer Ultima Ratio zur Standardermittlungsmethode werden. So sprach sich etwa der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bereits wiederholt dafür aus, die richterliche Kontrolle zu stärken[11]. Der Richter solle nicht wie bisher nur die Anordnung erteilen, sondern auch den Verlauf der Telefonüberwachung kontrollieren.

Der Datenschutzbeauftragte hofft, dass dadurch das Abhören von Telefonen erheblich verringert wird. Auch müsse die Benachrichtigung der Abgehörten verbessert werden. Datenschutzexperten haben sich ferner dafür stark gemacht, die Hauptelemente des Urteils des Bundesverfassungsgerichts[12] zum Schutz des "Kernbereichs privater Lebensgestaltung" beim Großen Lauschangriff auf den Kleinen Lauschangriff zu übertragen[13]. Schaar beklagt zudem seit langem, dass aus einem Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts[14] für ausländisches und internationales Strafrecht vom Mai 2003 zur stetigen Ausweitung der TK-Überwachung bislang noch keine Konsequenzen gezogen worden sind. In dem Gutachten gaben die Rechtswissenschaftler auch Empfehlungen für eine bessere Ausgestaltung der Abhörpraxis.

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bundesnetzagentur.de/
[2] http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/5815.pdf
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/58104
[4] http://bundesrecht.juris.de/stpo/__100a.html
[5] http://bundesrecht.juris.de/stpo/__100b.html
[6] http://bundesrecht.juris.de/stpo/index.html
[7] http://www.bundesnetzagentur.de/media/archive/5806.jpg
[8] http://www.heise.de/newsticker/meldung/64897
[9] http://www.heise.de/newsticker/meldung/54957
[10] http://www.heise.de/newsticker/meldung/50801
[11] http://www.heise.de/newsticker/meldung/45205
[12] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/45223
[13] http://www.heise.de/newsticker/meldung/53050
[14] http://www.heise.de/newsticker/meldung/36882

[  heise.de





27 April 2006
Offizielle Statistik
Staat im Abhörwahn

Deutsche Fahnder beantragen immer häufiger eine Genehmigung zum Abhören von Telefonen, zur Überwachung von E-Mail und Internetkonten - und bekommen sie auch genehmigt. Besonders betroffen seien der Bundesnetzagentur zufolge Mobiltelefone.Demnach stieg die Zahl der genehmigten Abhöraktionen von 34.374 im Jahre 2004 auf 42.508 im letzten Jahr. Besonders betroffen sind dabei Mobiltelefone, die in derartigen Abhöraktionen so gut wie immer einbezogen werden: Deutsche Richter gaben im letzten Jahr 42.011 entsprechende Genehmigungen.

Kein Wunder: Im Handy treffen sich die Bedürfnisse von Fahndern und Verfolgten. Das Handy bietet mit Prepaid-Karten und der Möglichkeit parallel gehaltener Verträge die Möglichkeit häufiger Nummernwechsel und damit scheinbaren Schutz. Für die Fahnder hat die "mobile Wanze" dagegen das Abhören enorm vereinfacht und ermöglicht unter anderem sogar das Erstellen von Bewegungsprofilen der Abgehörten - Fahnders Traum. Prinzipiell lassen sich Handys sogar zum aktiven Abhören eines Raumes nutzen, ohne dass der Abgehörte von sich aus eine Verbindung aktiviert hätte.

Vergleichsweise selten werden dagegen nach wie vor E-Mail- und Internetverbindungen überwacht. Allerdings sind in diesem Bereich auch die höchsten Steigerungsraten zu beobachten. Überwachten deutsche Fahnder 2004 gerade einmal 78 E-Mail-Accounts, waren es im letzten Jahr schon 365. Die Zahl der überwachten Internetanschlüsse stieg von 92 auf 193. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht in jährlichem Rhythmus die offiziellen Statistiken über genehmigte "strafprozessuale Überwachungsmaßnahmen der Telekommunikation gemäß § 110 Abs. 8 TKG", die auf entsprechenden Meldungen der Telekommunikationsunternehmen an die Netzagentur beruhen, zu denen die Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind. "Nach der Strafprozessordnung dürfen Überwachungsmaßnahmen der Telekommunikation nur in Fällen besonders schwerer Kriminalität angewendet werden", heißt es dazu in einer aktuellen Mitteilung der Bundesnetzagentur. Dazu bedürfe es einer richterlichen Anordnung.

Gemeldet und erfasst werden von der Bundesnetzagentur also nur "erfolgreiche" Anträge der Fahnder, die zu einer entsprechenden richterlichen Anordnung führten. Die Gesamtzahl der Anträge auf Überwachung wird dagegen mit dieser Statistik nicht erfasst.

[  Statitik/Schautafel


[  Statistik


[  Pressemitteilung Bundesnetzagentur


[  spiegel.de





26 April 2006
Ärztlicher Alltag hinter Gefängnismauern

Zwei Ärzte betreuen die Insassen der JVA Bremen-Oslebshausen / Behandlung von Aids-Patienten und Drogenabhängigen gehört zum Alltag

BREMEN. Wenn man nicht genau hinsieht und die Stacheldrahtspiralen auf den Mauern und die Gitter vor den Fenstern ignoriert, hält man das Ensemble auf den ersten Blick für ein schlecht ausgebautes Kloster. Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremen-Oslebshausen ist ein neugotischer Bau des späten 19. Jahrhunderts mit kleinen Türmchen, großen Mosaikscheiben und Betonklötzen in der Mitte. Es ist der Arbeitsplatz der beiden Ärzte Klaus Fritsch und Eberhard Kraft.

Ein junger Mann sitzt auf der Behandlungsliege der Anstaltspraxis. "Bronx" steht auf dem Rücken der Bomberjacke. "Und das da auf der Brust - das albanische Wappen?" Eberhard Kraft ist fast zwei Meter groß und muß sich ziemlich weit zu dem Häftling runterbeugen, der jetzt mit freiem Oberkörper vor ihm sitzt. Auf dem kräftigen Brustmuskel des Patienten prangt ein handtellergroßes Tattoo. "Genau - Albanien". Kraft ballt die Faust und schlägt ein paar Mal satt auf den Rücken des jungen Mannes. "Nee, nee - das kommt nicht vom Herzen. Wenn’s beim Einatmen wehtut, dann kommt es oft vom Rücken. Verstehen Sie?" Sein Patient nickt. Er war über seine Herzstiche besorgt. Aber eigentlich wollte er, wie viele hier, nur eines: Nachschub.

Über 30 Prozent kommen als Drogenabhängige in den Knast

Ungefähr 40 Prozent der 750 Gefangenen sind gesund, so Fritsch. Aber mehr als 33 Prozent kommen drogenabhängig hierher. Sie nehmen Opiate und Benzodiazepan und sind das Hauptklientel der JVA-Ärzte. Die Hälfte der Süchtigen leidet auch an Hepatitis B, C oder HIV oder an beiden Erkrankungen. Die dauerhafte Behandlung der HIV-Patienten ist oft schwierig, weil die Medikamente regelmäßig und eigenverantwortlich eingenommen werden müssen. Bestenfalls klappt das in der Haft, danach oft nicht mehr.

Graue Flure, schwere Türen, Praxisausstattung aus den 70er Jahren, krächzende Walkie-talkies, ein Alarmknopf im Behandlungszimmer, das Rasseln der Schlüsselbunde, der Lärm in der Wartezelle hinter der Stahltür - eine passende Kulisse für Knastgeschichten à la Alcatraz. "Kommt gut", meint Fritsch sarkastisch, "aber ich behandle hier keine Monster, sondern Menschen, die Probleme haben." Die Häftlinge nennt er "Mitbürger". So wie er es sagt, könnte es ironisch klingen, so ist es aber keineswegs gemeint. "Manche Mitbürger schimpfen mich "Mengele", andere wissen genau, daß ich ihnen das Leben gerettet habe." Zuerst können die Neuzugänge baden, einmal, zweimal oder dreimal bis der Schmutz und die Spuren der Verwahrlosung abgewaschen sind. Vernünftiges Essen, Gebiß-Sanierung, Arztbesuche, saubere Kleidung und eine warme Zelle - "etwas Besseres kann den Gefangenen gar nicht passieren", meint der Arzt.

Medizin als Maßnahme, um die Haftfähigkeit zu erhalten

Die Anstaltsleitung sieht das Ganze in der Regel nüchterner. Sie versteht die ärztliche Arbeit in erster Linie als Maßnahme zur Erhaltung der Haftfähigkeit. "Für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen ist zu sorgen", heißt es im Paragraph 56 des Strafvollzugsgesetzes.

Aber was heißt das? Zahnbehandlung und Vorsorgeuntersuchungen sind im Gesetz geregelt. Von Drogentherapie oder Psychotherapie ist da nicht die Rede, wenn auch Letzteres in kleinem Rahmen möglich ist, sagt Fritsch.

Opiatabhängige werden zunächst auf Entzug gesetzt und erhalten dann eine Methadonsubstitution. Manchmal werden sie in eine externe Drogentherapie geschickt, vorausgesetzt die Kostenübernahme ist geklärt. Zugleich beschaffen Häftlinge sich ihre Drogen weiter. Die Gefängnismauer ist offenbar kein wirksames Hindernis. Der Entzug von Medikamenten ist wesentlich schwieriger. Schritt für Schritt reduzieren Fritsch und Kraft den Pillenkonsum ihrer Patienten und bekämpfen die Nebenwirkungen. Wie bei den Drogen blüht auch hier Mißbrauch und Handel. "Viele Inhaftierte probieren praktisch, sich jedes Medikament als Droge zu spritzen", sagt Fritsch.

Schwierig ist es Simulanten von Kranken zu unterscheiden

Auch um Rohypnol oder Haldol zu erhalten, kommen die Gefangenen dann zur Sprechstunde und spielen mitunter die große Oper. Zum Beispiel der 17jährige mit HIV, der Bilder sieht, Stimmen hört und von Krämpfen in der Zunge erzählt. Simuliert der Junge? Oder hört er wirklich seine Mutter hinter sich flüstern? Kraft muß entscheiden und sieht sich nicht nur einem fordernden Häftling gegenüber. Der Beamte, der den Jungen vorgeführt hat, drängt ebenfalls und tippt mit der Antenne seines Funkgerätes auf den Tisch: "Wenn der ausflippt, verletzt er mich und steckt mich an!" Eberhard Kraft legt den Kopf in die Hand und denkt nach. Später sagt er: "Manche Patienten können Nebenwirkungen, etwa von Haldol täuschend echt vorspielen. Gegen die Nebenwirkungen gibt es Akineton, was auch gerne als Suchtmittel genommen wird." Kraft hat den Teenager vor allem durch ein Gespräch beruhigt und durch die Medikamente, die ohnehin verschrieben waren.

Die meisten Inhaftierten bräuchten eine Psychotherapie

Bevor Klaus Fritsch eine der Krankenzellen im ersten Stock aufschließt, klopft er mit dem Zellenschlüssel an - Gucklöcher in den Türen sind längst verboten - lehnt sich gegen die Tür und dreht den Schlüssel ganz vorsichtig im Schloß herum. Fritsch ist eigentlich Hausarzt und würde gerne mehr Zeit haben, um mit den Häftlingen zu sprechen.

"Die meisten brauchen eine Psychotherapie", meint Fritsch. Seit 18 Jahren arbeitet er hier und hat während dieser Zeit eine Zusatzausbildung zum Psychotherapeuten gemacht. Doch für therapeutische Konzepte gibt es in der JVA Bremen-Oslebshausen kein Geld.In der Krankenzelle liegt ein magerer 51jähriger Mann. Auf einen Unterarm hat er einen Rosengarten tätowiert, auf den anderen ein Gräberfeld mit schiefen Kreuzen. Er redet von seiner Drogenkarriere, seinen Krankheiten und auch von seinen Läuterungen. Wer 14 Stunden am Tag an die Decke oder in den Fernseher starrt, hat ein großes Mitteilungsbedürfnis. Bald wird er entlassen, berichtet er, seine HIV-Therapie habe er im Griff. Das meiste andere in seinem Leben nicht. Er will nach Kiel. "Und dann?" fragt Fritsch.

Patient und Arzt im Strafvollzug

Etwa 64 000 Menschen waren nach Angaben des statistischen Bundesamtes 2004 in Deutschland inhaftiert, etwa 53 000 davon im geschlossenen Vollzug. Deutschlandweit sind etwa 18 000 Gefangene drogen- und/oder medikamentenabhängig. 9000 haben HIV und/oder Hepatitis.Wie viele Ärzte diese Patienten versorgen, erfaßt das statistische Bundesamt nicht. Der Hannoveraner Strafrechtler und Kriminologe Bernd Dieter Meier hat für das Jahr 2004 im Strafvollzug etwa 306 Arztstellen ermittelt.Die Arzt-Häftling-Relation ist in jedem Bundesland anders. Im Saarland gibt es beispielsweise einen Arzt für 931 Gefangene, in Berlin einen für 159 Gefangene. (cben)

Medizinische Häftlings-Versorgung

Im Fall einer Inhaftierung ruhen alle Ansprüche der Inhaftierten an die gesetzliche Krankenversicherung. Dafür stellt die Justizverwaltung Ärzte, Hilfspersonal, Arzneimittel, Verbandsstoffe, Hilfsmittel, medizinische Geräte und Räume zur Verfügung. Wird eine zusätzliche Behandlung notwendig, etwa die eines Augenarztes werden in Bremen die Gefangenen konsiliarisch behandelt.Die Finanzierung der Konsiliar-Ärzte erfolgt über einen eigenen Vertrag mit den Justizbehörden. Niedergelassene, die Insassen im Gefängnis oder in ihren Praxen behandeln, erhalten den einfachen Satz der GOÄ. Der medizinische Dienst stellt die Gesundheitsfürsorge der Inhaftierten nach Paragraph 56 ff. des Strafvollzugsgesetzes sicher. Zusätzlich nimmt der Gefängnisarzt eine Haftfähigkeitsprüfung vor. Er muß bei einem Häftling, der unter Zwang eingesperrt wurde prüfen, ob er Schaden genommen hat.

Die Inhaftierten sollen entsprechend der Versorgung in Freiheit auch im Gefängnis behandelt werden (Äquivalenzprinzip). Da der Justiz in Bremen - ebenso wie in anderen Städten - Geld fehlt, wird manche Therapie jedoch aufgeschoben, wenn der Patient dabei keinen Schaden nimmt. Sollte ein Bremer Gefangener nicht im Gefängnis oder in den beiden Justizvollzugskrankenhäusern in Lingen oder Hamburg behandelt werden können, wird er unter Bewachung zu Fachärzten oder ins Krankenhaus gebracht.Das wird allerdings nach Möglichkeit vermieden, da Personal im Gefängnis knapp ist und die Häftlinge in Kliniken Tag und Nacht streng bewacht werden müssen. (cben)

Äquivalenzprinzip

Der Gesetzgeber hat sich für ein eigenes Gesundheitssystem in Haftanstalten, orientierend am GKV-System, entschieden - das Äquivalenzprinzip. Es besagt, daß ein Patient in der JVA eine ebenso gute medizinische Behandlung erhalten soll wie in Freiheit. Das Prinzip dient als Leitlinie. Unklar ist, ob und wie es umgesetzt wird.So stehen etwa in den Anstalten weniger medizinische Geräte zur Verfügung und die JVA haben Positivlisten für Medikamente erstellt. Diese Einschränkungen können zu Problemen führen. So müssen sich in Bremen Anstaltsärzte häufig mit Anwälten auseinandersetzen, die auf der Grundlage des Äquivalenzprinzips Forderungen der Häftlinge, etwa nach anderen Medikamenten durchsetzen wollen. (cben)

[  aerztezeitung.de





24 April 2006
Sprayer demonstrierten in Berlin
Protest gegen bevorstehenden Anti-Graffiti-Kongreß

Rund 300 Jugendliche haben am Sonnabend in Berlin gegen den bevorstehenden Anti-Graffiti-Kongreß am 26. und 27. April demonstriert. »Graffiti ist kein Verbrechen« war auf dem Fronttransparent zu lesen, in dicken Graffitibuchstaben natürlich.

Bei dem Kongreß der Initiative »Noffiti e.V.« werden Reinigungsfirmen, Polizisten und Bürgermeister über härtere Strafen und »Null Toleranz« gegen die Graffiti-Szene diskutieren. Die Demonstranten dagegen forderten andere Lösungen: Statt Millionen in Videoüberwachung, Hubschraubereinsätze und Haftanstalten zu investieren, sollte das Geld sinnvoller für neue Jugendeinrichtungen eingesetzt werden. »Graffiti sind ein Ausdruck der Perspektivlosigkeit der Jugendlichen«, sagte Adrian Wendel vom Bündnis »Pro-Graffiti« gegenüber einem ZDF-Kamerateam.

Daß Berliner Sprayer nun auch Flußsäure einsetzten, sei Resultat des »Aufrüstungswettbewerbs« zwischen Sprayern und Polizei. Diese Spirale könne nur durchbrochen werden, indem man sich »mit den Kids an einem Tisch setzt«. Zufälligerweise zog die Demo auch am Landesparteitag der Berliner WASG vorbei. Viele Delegierte begrüßten die Demonstration, einige schlossen sich spontan an.Die Polizei hatte die Auflage erteilt, daß wegen der Anmeldung als politische Veranstaltung nur 50 Prozent der Zeit Musik gespielt werden durfte. Weil es angeblich während der Demonstration schon zuviel Musik gegeben hatte, durften bei der Abschlußkundgebung auf dem Mariannenplatz nur noch Redebeiträge gehalten werden.Am Mittwoch beginnt der Anti-Graffiti-Kongreß im Berliner Roten Rathaus. 14 Uhr gibt es am Neptunbrunnen eine Kundgebung mit Musik und Graffiti-Wettbewerb.

[  jungewelt.de


[  * MehrTermine auf www.pro-graffiti.tk


»Graffiti-Sprayer werden immer mehr kriminalisiert«

22.04.2006

Linker Jugendverband macht Front gegen einen Kongreß zur Sprayer-Bekämpfung. Ein Gespräch mit Arian Wendel Arian Wendel ist Mitglied von [`solid]36 - des der Linkspartei nahestehenden Jugendverbandes in Berlin-Kreuzberg. Er engagiert sich in der Initative »Pro-Graffiti«.

F: Der Verein nofitti e.V. lädt zum 2. internationalen Anti-Graffiti-Kongreß ein. Worum geht es da?

Dort wollen sich angeblich 300 »Anti-Graffiti-Aktivisten« aus der ganzen Welt treffen. Es werden vor allem Vertreter von Reinigungsfirmen sein, aber auch konservative Bürgermeister und Polizisten. Sie tagen am 26. und 27. April im Berliner Roten Rathaus auf Einladung der Initiative nofitti e.V.

F: Vor dem Anti-Graffiti-Kongreß im vergangenen Jahr hatte die damalige Bundesregierung Hubschraubereinsätze gegen Sprayer befohlen. Sind dieses Jahr auch solche Aktionen zu erwarten?

Im vorigen Jahr haben die Medien heftig gegen Graffiti und Sprayer gehetzt. Dem Hartz-IV-Empfänger wurde versucht einzureden, »Vandalen und Chaoten« seien an steigenden Mieten und Fahrpreiserhöhungen schuld. Mit Horrorgeschichten über bewaffnete Sprüherhorden wurde bei Teilen der Bevölkerung das »Feindbild Sprayer« etabliert. Nicht Armut und Perspektivlosigkeit der Jugendlichen werden für Kriminalität und Gewalt verantwortlich gemacht, sondern die Graffiti-Szene. Einen so blinden Aktionismus wie unter dem damaligen Innenminister Otto Schily haben wir in diesem Jahr nicht zu erwarten. Das war eine Verbeugung der SPD-Grünen-Regierung vor den Konservativen, eine ihrer letzten Amtshandlungen war dann auch die Verschärfung des Graffiti-Gesetzes.

F: Was hat sich im letzten Jahr geändert?

Die Kriminalisierung von Graffiti-Sprühern hat enorm zugenommen. In Italien z.B. hat eine Anti-Graffiti-Einheit der Polizei einen Sprayer in den Kopf geschossen. In Deutschland drohen nicht nur hohe Geldstrafen, seit der Gesetzesänderung vom letzten Sommer droht auch der Knast. Widerstand dagegen ist bitter nötig.

F: Wie verhält sich die Linkspartei.PDS zur Kampagne gegen Graffiti?

Die Linkspartei.PDS stellt sich in vielen Fällen gegen solche Gesetzesverschärfungen, denn je stärker Graffiti mit Repression begegnet wird, um so gewalttätiger werden die Jugendlichen darauf reagieren. Das Problem ist allerdings, daß die Parteibasis zum großen Teil aus Rentnern besteht, die ein traditionelles Ordnungsgefühl haben. Für sie sind Graffiti nur »Geschmiere«, das ihr Wohnumfeld besudelt.

F: So mancher Linker fragt sich, was daran unterstützenswert ist, wenn Antifa-Denkmäler besprüht werden - man denke nur an das Ernst-Thälmann-Denkmal in Berlin-Prenzlauer Berg. Warum sollten Linke eine Szene unterstützen, die vor so etwas nicht zurückschreckt?

Die Linke muß die Graffiti-Szene keineswegs vorbehaltslos unterstützen. Wir sollten allerdings erkennen, daß unter dem Banner der Graffiti-Bekämpfung Grundrechte abgebaut werden. Graffiti sind eine Art unregulierter, unzensierter Kommunikation im öffentlichen Raum. Auch wenn sie nicht per se politisch sind, stehen sie doch in einer Traditionslinie mit illegalen Plakaten, Wandzeitungen und Wandparolen der Arbeiterbewegung. Es ist eine der Möglichkeiten von Leuten, denen in der kapitalistischen Gesellschaft keine Stimme gegeben wird, sich mitzuteilen.

F: Welche Aktionen gegen den Kongreß sind geplant?

Ein Bündnis aus Jugendeinrichtungen, linken Gruppen und Einzelpersonen ruft vom 22. bis 30. April zu Aktionstagen gegen den Kongreß auf. Höhepunkte sind eine überregionale Demonstration an diesem Sonnabend um 16 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte und eine Kundgebung am Donnerstag um 14 Uhr vor dem Roten Rathaus. Des weiteren wird es Graffiti-Workshops, Filmvorführungen, Partys und vieles mehr geben. Unser Anliegen ist es, die Akzeptanz von Graffiti in der Bevölkerung zu steigern und dem medialen Zerrbild des gewalttätigen Vandalen die Realität entgegenzusetzen.

[  jungewelt.de





21 April 2006
»Betroffene machen selten von ihren Rechten Gebrauch«

Wohnungslose haben gegenüber Ordnungshütern schlechte Karten. Gespräch mit Klaus Riekenbrauck Professor Klaus Riekenbrauck lehrt an der Fachhochschule Düsseldorf Strafrecht, Jugendstrafrecht sowie Jugendhilferecht und ist Mitinitiator des 1. Düsseldorfer Berbersymposiums

F: Am 4. Mai findet das »1. Düsseldorfer Berbersymposium« statt. Worum geht es dort?

Wir wollen Bilanz ziehen. Vor etwa zehn Jahren wurde in Düsseldorf, wie in vielen anderen Städten auch, eine Straßenordnung geschaffen, die Belästigungen zum Beispiel durch sogenanntes aggressives Betteln oder das Lagern in Gruppen zu Ordnungswidrigkeiten erklärte. Damit sollte die Attraktivität der Innenstadt als Shopping- und Flanierzone gesteigert werden. Bettler, Punks und andere »herumlungernde Gestalten« wurden und werden als störende und unerwünschte Elemente angesehen. Auf dem Berbersymposium wollen wir eine kritische Bilanz der Umsetzung der Straßenordnung und deren Auswirkungen auf die Betroffenen ziehen. Aktuell wird es auch um neue Forderungen nach einem generellen Alkoholverbot im öffentlichen Raum oder sogenannten bettelfreien Zonen im Innenstadtbereich gehen.

F: Wer beteiligt sich an dem Symposium?

Die Konferenz wird von der Altstadt-Armenküche, der Straßenzeitung fiftyfifty und dem Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Fachhochschule Düsseldorf organisiert. Beteiligen und wahrscheinlich auch streiten werden sich Sozialarbeiter, Wissenschaftler, Politiker, Geschäftsleute und Betroffene. Das Ganze findet auf der Straße und zwar auf der Königsallee, der bekannten Düsseldorfer Prachtmeile Kö, statt, wo der Gegensatz von Arm und Reich besonders deutlich ist.

F: Sie beschäftigen sich als Jurist mit Fragen des Rechts auf der Straße. Welche Möglichkeiten gibt es denn für Wohnungslose und andere Betroffene, sich gegen Maßnahmen der Ordnungshüter zu wehren?

Die rechtliche Gegenwehr ist schwierig. Sie setzt eine gewisse intellektuelle und soziale Kompetenz voraus, die bei Wohnungslosen, Drogengebrauchern und anderen Personen, die auf der Straße leben oder sich aufhalten, oft nicht angenommen werden kann. Grundsätzlich kann aber gegen Anordnungen des Ordnungsamtes Widerspruch eingelegt werden. Wird der zurückgewiesen, kann Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden. Darüberhinaus kann gegen einzelne Ordnungshüter Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt, in Fällen von Straftaten auch Anzeige erstattet werden. In jedem Fall sollten Rechtsanwälte hinzugezogen werden, die im Rahmen von Beratungs- bzw. Prozeßkostenhilfe kostenlos tätig werden können.

F: Das sind Hürden, die von vielen nicht bewältigt werden können, oder?

Das stimmt, die Betroffenen machen nur in den seltensten Fällen von ihren Rechten Gebrauch. Und es kommt ein weiteres Problem hinzu. Die Formulierungen der Verhaltensgebote bzw. -verbote der Straßenordnung sind meist sehr unscharf. Was heißt denn zum Beispiel »aggressives Betteln«? Mit Hilfe eines Klammerzusatzes wird häufig versucht, diesen völlig unklaren Begriff zu konkretisieren. Da heißt es dann »unmittelbares Einwirken auf Passanten durch In-den-Weg-Stellen«, »Einsatz von Hunden als Druckmittel«, »Verfolgen« oder »Anfassen«. Für den Betroffenen wird aber nicht klar erkennbar, wo die Grenze zwischen erlaubtem und verbotenem Betteln liegt. Diese unklaren Begrifflichkeiten verstoßen aus meiner Sicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot.

F: Sie arbeiten zur Zeit an einem Buch, das Streetworkern und Sozialarbeitern juristische Hilfestellung bei diesen Problemen geben soll. Was erhoffen Sie sich davon?

In Gesprächen mit Praktikern der sozialen Arbeit und Streetworkern stoße ich häufig auf große Unsicherheiten in Fragen des »Rechts auf der Straße«. Was Mitarbeiter des Ordnungsamtes oder Polizeibeamte im Einsatz gegen Wohnungslose oder sogenannte Randgruppen dürfen oder nicht dürfen, ist zumeist unbekannt. Meine Publikation soll praktisch anwendbares Rechtswissen und damit größere Rechtssicherheit im Umgang mit den Klientinnen und Klienten auf der Straße einerseits und den Ordnungshütern andererseits geben. Ich will außerdem dazu beitragen, die Straße als einen Ort zu begreifen, wo sich Menschen unabhängig von ihrem Äußeren und ihrer Kaufkraft aufhalten dürfen, wo immer wieder von neuem tolerantes Miteinander eingeübt werden kann und wo auch Menschen für notwendige Hilfs- und Überlebensangebote erreichbar sind.Dazu gehört aus meiner Sicht auch das Eingreifen von Passanten bei unzulässigen Übergriffen oder unverhältnismäßigem Vorgehen durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Da sollte man sich einmischen und versuchen, die Namen der Behördenmitarbeiter in Erfahrung zu bringen. So kann man den Betroffenen bei der Inanspruchnahme von Rechtsmitteln als Zeuge behilflich sein.

[  jungewelt.de


[  "1. Düsseldorfer Berbersymposium" auf der Kö


Initiativkreis Armut in Düsseldorf

Im Herbst '96 entstand der Initiativkreis "Armut in Düsseldorf" als Runde von Menschen, die sich beruflich oder ehrenamtlich mit dem Thema "Armut" auseinandersetzen. Der Initiativkreis Armut beschäftigt sich unter anderem mit den Themen Armut(sberichterstattung), Obdachlosigkeit, Wohnungsnot, Vertreibung von "Randgruppen" (Obdachlose, DrogenkonsumentInnen,...) aus der Innenstadt, verbilligtes VRR-Ticket für SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitslose sowie der Problematik der 18-21jährigen Obdachlosen (KJHG - BSHG).

Ziel der Treffen ist die gegenseitige Information, die Erarbeitung gemeinsamer Positionen und - wo möglich - das Abstimmen der Tätigkeiten. Der Initiativkreis analysiert und kritisiert die Armutsentwicklung in Düsseldorf und beteiligt sich an der Suche nach Lösungen. Dies geschieht in Form von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, der Organisation von "Runden Tischen" und Fachgesprächen im Kulturzentrum zakk sowie der Mitarbeit in Gremien wie der Fachbereichsrunde nach §§ 95/72 BSHG (Stadtverwaltung, freie Träger der Wohlfahrtspflege und Initiativkreis). Als Lobby für die von Armut Betroffenen ist der Initiativkreis ein parteiischer Kritiker der gesellschaftlichen Entwicklung.

[  ik-armut.de





20 April 2006
Knüppel aus dem Sack des Tages: Berliner DNA-Analyse

Die kommende Fußball-WM treibt den bundesdeutschen Sicherheitswahn in nie geahnte Höhen. Die Berliner Polizei darf mittlerweile vorbestraften Hooligans den genetischen Fingerabdruck abverlangen. Mit einem richterlichem Beschluß in der Tasche, kann sie nun jedem Dorfschläger eine DNA-Analyse spendieren. Damit die bei möglicher Fußball-Randale nicht unerkannt entkommen können, so wird jedenfalls behauptet.

Ich verlange einen Aufschrei im Lager der Fußballfans! Laßt euch diese Vorgehensweise, die an südamerikanische Militärdiktaturen erinnert, nicht einfach so überbrezeln. Ich fordere den Generalstreik! Denn sonst wird der Schutzmann weiter kräftig an der Sicherheitsschraube drehen. Erst wird das Volk verrückt gemacht, dann kommen stille Sicherheitsvisagen und schaffen die hundertprozentige Sicherheit.

Binnen kurzem wird vorm Stadionbesuch jedem Besucher pauschal ein Gentest verabreicht. Man weiß ja nie, ob Vati nicht mit seinem Sitzkissen den Dicken macht. Außerdem wird es langsam Zeit, die komplette Videoüberwachung in den Fußballstadien zu gestalten. Nicht zu vergessen die Überwachung der Anfahrtswege. Und die Überwachung der Fan-Treffpunkte vor und nach dem Spiel. Das erfordert Organisationstalent, Spürsinn, Kreativität! Am besten, man stattet alle Fußballfans mit einem Mini-chip aus. So lassen sich gleichzeitig Kosten sparen und Arbeitsplätze schaffen. So viele Mitbürger könnten bei den Sicherheitsorganen beschäftigt werden, um das Leben der Anderen im Auge zu behalten. Damit denen nichts passiert, sie keinen Unfug anstellen oder verletzt werden. Wenn sich Anzeichen von Gewalt erahnen lassen, schließt sich die automatische Fußfessel, die ab 2008 jedem Bürger zwischen 12 und 62 angepaßt wird. Nach dreimaligem Fesseleinschluß gibt’s die Halskrause mit eingebautem Elektroschocker. Alles satellitengesteuert, versteht sich. Deutsches Know-how, you know?

Und wenn gar nichts hilft, wenn der Einzelne renitent bleibt, kommt ein nettes Kommando Kavaliere in dunkler Kleidung. Bevor der böse Fan drei Wochen Guantanamo abfasst, heißt es:Knüppel, Knüppel, bumm bumm!

[  jungewelt.de





20 April 2006
Gegenseitige Hospitanzen
BKA und deutsche Großkonzerne kooperieren offenbar im Antiterrorkampf

Das Bundeskriminalamt (BKA) will nach Darstellung der Wochenzeitung "Zeit" bei der Terrorbekämpfung auf die Informationen der Sicherheitsabteilungen deutscher Konzerne zurückgreifen. BKA-Chef Jörg Ziercke habe Ende März in einem vertraulichen Gespräch mit den Sicherheitschefs von 18 Konzernen wie BASF, DaimlerChrysler und Lufthansa eine künftige Kooperation besprochen, berichtete die "Zeit" am Mittwoch in einer Vorabmeldung.

Das BKA hoffe auf Informationen, die die Konzerne weltweit zusammentragen, sowie auf Einblicke in die neueste Forschung. Den Unternehmen hingegen gehe es um "ein Frühwarnsystem für die Gefährdung von Anlagen und Mitarbeitern".Sorgen, die Unternehmen könnten durch die Zusammenarbeit mit dem BKA zum verlängerten Arm der Behörden werden, wies Ziercke zurück: "Es kann überhaupt nicht die Rede davon sein, dass die beteiligten Unternehmen Informationen über ihre Mitarbeiter an das BKA weiterleiten sollen." Geplant seien gegenseitige Hospitanzen sowie eine jährliche Konferenz. Das nächste Treffen soll Ende September stattfinden.

[  ngo-online.de


Gestatten, BKA & Co. KG

Das Bundeskriminalamt will einen Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die Organisierte Kriminalität - die Wirtschaft

Die Medien müssen draußen bleiben. Rund 70 Wirtschaftsvertreter treffen sich an diesem Donnerstag in Berlin mit Beamten des Bundeskriminalamts. Auf ihrer Tagesordnung stehen heikle Themen: der internationale Terrorismus, Geldwäsche, Wirtschaftskriminalität. BKA-Chef Jörg Ziercke und die Sicherheitsexperten der Wirtschaft wollen offen miteinander reden - die Öffentlichkeit stört da nur. Über die Zusammenkunft wurde sie denn auch gar nicht erst informiert.

Es ist eine Tagung, wie es sie in dieser Form und Größenordnung noch nicht gegeben hat. Sie ist Teil einer Offensive, mit der das BKA die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft intensivieren will. »Wir müssen dem Netzwerk des Terrorismus und dem Netzwerk der Organisierten Kriminalität ein Netzwerk der Information entgegensetzen«, lautet das Credo von Behördenchef Ziercke. Und so sucht er nicht nur eine engere Kooperation mit dem Zoll oder der Bundeswehr, sondern auch mit den Sicherheitsapparaten deutscher Unternehmen. Auf der Herbsttagung des BKA im vergangenen November war eine Kooperation, die systematisch statt wie bisher oft nur vereinzelt erfolgt, noch als Ziel formuliert worden. Jetzt bekommt sie hinter den Kulissen Konturen.[...]

[  Gestatten, BKA & Co. KG.pdf





19 April 2006
Studieren im Knast
Häftlinge im Land profitieren von Resozialisierungshilfen

STUTTGART. Um entlassenen Gefangenen einen Neuanfang zu ermöglichen, hat das Land im vergangenen Jahr eine halbe Million Euro ausgegeben. Mit Hilfe der Darlehen seien auf dem Vergleichsweg die Forderungen von 555 Gläubigern der Straffälligen in einer Höhe von rund 3,28 Millionen Euro reguliert worden, teilte Justizminister Ulrich Goll (FDP) gestern in Stuttgart mit.

Aus dem „Resozialisierungsfonds Dr. Traugott Bender“ sind im vergangenen Jahr 106 ehemaligen Straftätern zinslose Darlehen gewährt worden. „Damit erhalten die Gläubiger einen Teil des Geldes zurück, von dem sie ohne die Darlehen der Stiftung wohl keinen Cent mehr gesehen hätten.

Von den Darlehen profitieren alle“, sagte der Minister. Die Darlehen sollen den ehemaligen Häftlingen einen schuldenfreien Neuanfang in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen ermöglichen. Seit den 70er Jahren, als das Strafvollzugsgesetz in Kraft trat, wird großer Wert darauf gelegt, dass die Gefangenen einen Bildungs- und Ausbildungsabschluss hinter Gittern erreichen. Rund 550 Häftlinge nutzten dies im vergangenen Jahr. Die ganze Palette vom Hauptschulabschluss bis zum Hochschulstudium sei während der Haft möglich.

[  pz-news.de





April 2006
Umsetzung eines landesweit einheitlichen Vollzugskonzepts rechtfertigt die Änderung bestehender Regelungen in einer Justizvollzugsanstalt

OLG Celle, Beschluss vom 17.03.2006, Az. 1 Ws 42/06 (StrVollz)

Ein Häftling kann nicht darauf vertrauen, dass sämtliche einmal gewährten Lockerungen und bestehenden Regelungen innerhalb des Justizvollzugs dauerhaft unabänderlich sind. Sowohl § 14 Abs. 2 StVollzG als auch § 49 VwVfG sehen die Möglichkeit der Rücknahme begünstigender Regelungen vor, soweit das Vorliegen neuer Umstände hierzu berechtigt. Derartige neue Umstände müssen nicht in der Person des Häftlings begründet sein, sondern können auch außerhalb seiner Einflussmöglichkeiten, wie z.B. in der Umsetzung eines landesweit einheitlichen Vollzugskonzepts, liegen.

GG Art. 6, StVollzG § 14 Abs. 2, StVollzG § 109 Abs. 1, VwVfG § 49

[  jurion.de





18 April 2006
P R E S S E M I T T E I L U N G
Polizeigesetzentwurf bleibt verfassungswidrig

Anfang März brachte die Landesregierung von Schleswig-Holstein ihren trotz zahlreicher Mängel nur geringfügig überarbeiteten Gesetzesentwurf zum Polizeirecht in den Landtag ein. Dessen Innen- und Rechtsausschuss führt nun eine öffentliche Anhörung durch. Neben anderen Einrichtungen ist das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben. Die Analyse des aktuellen Entwurfes durch das ULD zeigt weiterhin deutliche Defizite auf. Der Leiter des ULD, Dr. Thilo Weichert:

„Bildaufzeichnungen im öffentlichen Raum, Kfz-Kennzeichenüberwachung, Schleierfahndung und Erweiterungen bei der Identitätsfeststellung blieben trotz anhaltender öffentlicher Kritik im Gesetzesentwurf unverändert. Auch an der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung hat sich nichts geändert. Nach dem Willen des Innenministers und seiner Landesregierung soll die Polizei künftig unbescholtene Bürgerinnen und Bürger des Landes stärker überwachen können.

Eine Verbesserung gegenüber den Vorentwürfen liegt in dem vom ULD geforderten Verzicht auf die Tonüberwachung des öffentlichen Raums. Der „Lauschangriff in der Fußgängerzone“ wurde fallengelassen. Dem stehen aber einige Verschärfungen und Verschlechterungen gegenüber. Gravierend ist dabei die Zulassung einer praktisch zügellosen Datenverarbeitung in polizeilichen „Vorgangsbearbeitungssystemen“. Im gleichen Atemzug soll die Beteiligung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz - die bisher zwecks frühzeitiger Überprüfung solcher Systeme erfolgt - eingeschränkt werden.

Am Gesamturteil hat sich nichts geändert: Der Entwurf ist verfassungswidrig. Es darf aber nicht nur darum gehen, ein verfassungskonformes Polizeirecht zu schaffen. Darüber hinausgehend sollte das Gesetz auch sinnvoll und wirksam sein und der Polizei und der Bevölkerung eine normenklare anwendungsfreundliche Grundlage geben, um im Land für Sicherheit sorgen zu können. Hiervon bleibt der Entwurf weit entfernt. Die Hoffnungen liegen nun auf dem Parlament.

[  Die aktuelle Stellungnahme des ULD finden Sie hier


[  Eine Sammlung bisheriger Reaktionen hierauf finden Sie hier


[  datenschutzzentrum.de





19 April 2006
Junge Liberale fordern Schülergerichte
FDP-Nachwuchs: Gerade bei Jugendlichen zählt Meinung von Altersgenossen besonders

Magdeburg/dpa. Die Jungen Liberalen haben die Einführung von so genannten Schülergerichten in Sachsen-Anhalt gefordert. Mit solchen Gerichten, bei denen sich Schüler nach leichten Delikten vor Altersgenossen verantworten müssen, könne die Rückfallquote gesenkt werden, erklärte der FDP-Nachwuchs am Mittwoch in Magdeburg. «Gerade im jugendlichen Alter zählt die Meinung von Altersgenossen besonders viel», hieß es. Reaktionen Gleichaltriger könnten jugendliche Straftäter deshalb in besonderem Maße beeinflussen.

Dagegen verwies die Linkspartei darauf, dass im Jugendstrafrecht informelle und außergerichtliche Verfahren wie der Täter-Opfer-Ausgleich zählten. «Statt Forderungen nach Gerichten in Klassenzimmern aufzumachen, sollten die laufenden Mediatorenprogramme an Schulen ausgebaut und die Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt endlich wieder eingeführt werden», forderte die jugendpolitische Fraktionssprecherin Eva von Angern.

Positive Erfahrungen mit Schülergerichten gibt es bereits in anderen Bundesländern wie Bayern, Niedersachsen oder Hessen. Im benachbarten Sachsen sollen sie demnächst starten. Zu den Delikten, die vor solchen Gerichten behandelt werden könnten, zählen Fahren ohne Führerschein, Schwarzfahren in Bus oder Bahn, kleine Sachbeschädigungen oder leichter Diebstahl. Zu den verhängten Sanktionen gehören eine Entschuldigung beim Opfer, die Wiedergutmachung des Schadens oder die Führerschein-Abgabe.

[  mz-web.de


Schülergerichte
Schüler in Sachsen sollen über jugendliche Straftäter richten

18. April 2006

Jugendliche Straftäter in Sachsen sollen künftig von so genannten Schülergerichten "verurteilt" werden. Entsprechende Pilotprojekte starten zunächst in Leipzig und Bautzen, wo in Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften die ersten dieser Schülergremien entstehen. Mit Beginn des neuen Schuljahrs sollen dann landesweit entsprechende Schülergruppen über Gleichaltrige zu Gericht sitzen, wie Sachsens Justizminister Geert Mackenroth am Dienstag bei der Vorstellung des Projektes in Dresden sagte.

Hintergrund sei die Erkenntnis, dass bei straffälligen Jugendlichen eine missbilligende Reaktion von Gleichaltrigen eher zur Besserung des Verhaltens führe als Sanktionen durch Erwachsene, betonte Mackenroth. Vergleichbare Modelle hätten sich bereits in Bayern und Niedersachsen bewährt. Mackenroth betonte, das Ermittlungsverfahren bleibe in der Zuständigkeit der Staatsanwälte. Sie beurteilten, wann ein Schülergericht aktiv werden könne. Voraussetzung sei, dass der kriminelle Jugendliche und dessen Eltern eine solche Lösung akzeptierten.

Die drei- bis vierköpfigen Schülergerichte haben keine richterliche Kompetenz, können aber in Verfahren zu leichten und mittelschweren Straftaten wie Sachbeschädigung, Diebstahl, Fahren ohne Führerschein und Körperverletzung Sanktionen aussprechen. Als solche gelten etwa eine vorübergehende Abgabe des Führerscheins oder des Handys, eine Entschuldigung beim Opfer sowie Arbeit für gemeinnützige Zwecke. Danach soll das Verfahren in der Regel eingestellt werden. Die jungendlichen Richter im Alter von 16 bis 18 Jahren werden vor ihrem Einsatz fachlich geschult und von einem Sozialpädagogen betreut.

[  ngo-online.de


[  Teen Court / Wikipedia


[  Schülergerichte sind auf dem Vormarsch
Länder setzen auf "Teen-Courts"


[  Wann kommen Teencourts in Berlin?
Mündliche Anfrage Nr. 13 des Abgeordneten Christoph Meyer (FDP)


[  "Teen Court"-Projekte in Bayern Schüler "urteilen" über Schüler - ein neuer Weg im Umgang mit Jugendkriminalität
Bayerisches Justizministerium





15 April 2006
Störsender gegen Handys im Knast
Bundesrat will Telekommunikationsgesetz ändern

Handys sind im Knast nicht erlaubt. Dennoch werden bei Gefangenen immer häufiger Handys gefunden, die aus der Zelle heraus für kriminelle Machenschaften genutzt werden. Dem soll nun auf Initiative von Baden-Würtembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) ein Riegel vorgeschoben werden: Nach einem Beschluss des Bundesrats sollen Störsender Handy-Gespräche in Gefängnissen verhindern. Dafür soll das Telekommunikationsgesetz geändert werden, denn Mobilfunkblocker sind in Deutschland nicht erlaubt.

Monatelang machte der wegen Drogenhandels verurteilte Axel T. hinter Gittern gemeinsame Sache mit einem Vollzugsbeamten: Mittels eines Handys, das der Beamte in die Zelle des 34-Jährigen geschmuggelt hatte, dirigierte der Gefangene 2004 seine kriminellen Geschäfte aus einem Gefängnis im Südwesten. Mit dem Handy wies er seine Helfershelfer draußen ein, an welcher Stelle die Drogen zu deponieren sind. Der Vollzugsbeamte schaffte die Drogen dann heimlich ins Gefängnis. Die Sache flog auf, der Beamte wurde verurteilt und aus dem Dienst entlassen. Dieser Vorfall aus Baden- Württemberg verdeutlicht ein zunehmendes Problem der Bundesländer. Mit Mobilfunkblockern soll das in Zukunft nicht mehr möglich sein.

Kritik an Störsendern

Kritiker bemängeln aber, dass der Störstrahl nicht an der Gefängnismauer endet: So könnte die Funkversorgung auch in der Umgebung lahm gelegt und die Absetzung von Notrufen behindert werden. "Der Eingriff lässt sich technisch nicht auf einen eng umgrenzten räumlichen Bereich beschränken", sagt der Rechtsexperte des IT- Branchenverbandes Bitkom (Berlin), Volker Kitz. Einige Gefangene planten nach Angaben von Goll in der Vergangenheit per Handy hinter den Gefängnismauern sogar ihre Flucht. Andere kontrollieren damit in der Zelle eifersüchtig jeden Schritt der Freundin in Freiheit. Entsprechend begehrt ist der mobile "heiße Draht" nach draußen bei vielen Gefangenen. Die Geräte werden oft auf abenteurlichen Wegen an den Kontrollen vorbei in die Zellen geschmuggelt.

Intime Schmuggelwege

In den Justizvollzugsanstalten ist der Betrieb von Handys jetzt schon grundsätzlich - auch den Bediensteten - verboten. "Leider lässt sich aber nicht zuverlässig verhindern, dass Handys immer wieder in die Anstalten geschmuggelt werden", sagte Goll. Die Mobiltelefone würden immer kleiner und passten beispielsweise auch in Körperöffnungen. Dort seien sie kaum zu entdecken, da die Kontrollmöglichkeiten bei Besuchern beschränkt seien. "Allerdings zählen wir eins und eins zusammen und wissen recht genau, dass hier eine Schwachstelle liegt", sagte ein Sprecher auf Anfrage weiter. So wurden 2003 in Baden-Württemberg in den 18 Anstalten 26 Handys gefunden, 2004 waren es 118, im vergangenen Jahr 96. Seit Anfang des Jahres wurden 46 landesweit gefunden. "Im Vollzug haben Handys nichts zu suchen. Sie sind dort eine erhebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung", betonte Goll. Außerdem bestehe die Gefahr von Verdunkelungshandlungen, wenn Untersuchungsgefangene unüberwacht telefonieren. Auch der Leiter des Gefängnisses Heilbronn, Ulrich Schlicher, bezeichnet die Handys im Knast als zunehmendes Problem. "Besucher bringen es im Intimbereich mit. Nur bei konkretem Verdacht kann man untersuchen." Sorgen machten auch so genannte Mauerwürfe. So komme es vor, dass sich jemand auf den Parkplatz vor das Gefängnis schleicht und ein Päckchen mit einem Handy in den Innenhof des Gefängnisses wirft.

Suchgeräte: Wenige Treffer

Bisher habe man in Baden-Württemberg versucht, unerlaubt in die Anstalt eingebrachte Mobiltelefone durch spezielle Handysuchgeräte aufzuspüren. Der Nachteil sei jedoch, dass die Geräte nur dann anschlagen, wenn mit dem gesuchten Handy gerade telefoniert werde. Auch der Versand einer SMS werde nicht erfasst. "Die Trefferquote ist hier gering. Um das Problem endgültig in den Griff zu bekommen, halte ich deshalb den Einsatz von Handystörsendern für das einzig effektive Mittel", erklärte Goll. Wo kein Empfang mehr möglich ist, verliere das Handy seinen Nutzen.

[  heute.de





April 2006
Bezeichnung eines Bereichsdienstleiters einer Justizvollzugsanstalt durch Inhaftierten als "selbstgefällig" keine Beleidigung

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.2006, Az. 1 Ss 123/05

Bezieht sich eine Äußerung auf ein tatsächliches Verhalten des Betroffenen, so stellt sie als Werturteil dann keine Beleidigung dar, wenn sie vom fraglichen Sachverhalt getragen wird und keine überschießende Abwertung zum Ausdruck bringt. Enthält ein Antrag an die Strafvollstreckungskammer eine herabsetzende Äußerung gegenüber einem Anstaltsbediensteten, so kommt eine Berufung des Strafgefangenen auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen nur in Betracht, wenn die Auseinandersetzung mit der Sache und nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

GG Art. 5 Abs. 1, StGB § 185, StGB § 193, StVollzG § 109

[  jurion.de





13 April 2006
Arrest für Strafgefangenen
Tätowieren im Knast nicht erlaubt

Karlsruhe - Tätowierungen von Mitgefangenen im Strafvollzug sind nicht zulässig. Dies entschied jetzt der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Ein Strafgefangener der Justizvollzugsanstalt Bruchsal hatte 2004 mehrfach Mitgefangene auf deren Wunsch tätowiert. Da dies ohne Genehmigung der Anstalt geschah, wurde gegen den Inhaftierten eine Disziplinarmaßnahme von vier Tagen Arrest verhängt. Der Strafgefangene wollte diese Entscheidung nicht so hinnehmen und richtete dagegen einen Antrag an das Karlsruher Landgericht.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts wies im April vergangenen Jahres diesen Antrag zurück. Dieser Entscheidung folgte jetzt auch das Oberlandesgericht. "Bei der ohne Genehmigung der Anstalt durchgeführten Tätowierung von Mitgefangenen handele es sich um eine schwere Verfehlung", heißt es in der Urteilsbegründung.

Arrest bleibt trotzdem erst einmal außer Kraft

Da der Inhaftierte kein ausgebildeter Tätowierer ist und anscheinend nicht sterile Tätowierungswerkzeuge gebraucht hat, bestehe "eine erhebliche Infektionsgefahr, die zu Krankheiten wie Hepatitis, Tetanus oder Aids führen könne", meinte der 1. Strafsenat weiter. Die Vollzugsanstalt sei verpflichtet, für die Gesundheit der Gefangenen zu sorgen und könne darum Disziplinarmaßnahmen verhängen.

Zwar waren die Mitgefangenen mit den Tätowierungen einverstanden, trotzdem rechtfertige dieser Umstand keine andere Beurteilung durch das Oberlandesgericht. Ob der Strafgefangene den Arrest nun verbüßen muss, ist aber allerdings noch nicht klar. Die Anstalt hat vor der Anordnung des Arrestes den Arzt nicht zum Gesundheitszustand des Inhaftierten angehört. Dies muss nun erst noch nachgeholt werden. Der 1. Strafsenat hat deshalb die getroffenen Entscheidungen aus formalen Gründen aufgehoben. (ps/tmr)

[  ka-news.de





13 April 2006
Freie Fahrt für Denunzianten
Bundesjustizministerin versucht sich erneut an einer Kronzeugenregelung

Von Ulla Jelpke

Auch mit der neuen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geplanten Kronzeugenregelung soll das Denunziantentum in Strafverfahren staatlich belohnt werden. Am Dienstag hat die Ministerin einen Entwurf für eine Neuregelung vorgelegt (siehe jW vom 12.4.), mit der »Strafrabatt« oder sogar völlige Straffreiheit auf alle Straftaten ausgeweitet werden soll, wenn sich ein Beschuldigter auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einläßt und sein (angebliches) »Wissen über geplante oder begangene Straftaten« offenbart. Die Kronzeugenregelung wurde 1989 von der damaligen CDU/CSU-FDP-Koalition erstmals eingeführt - mit der Begründung, man könne so die organisierte Kriminalität besser bekämpfen. Die Vorschriften betrafen speziell Straftaten im Zusammenhang mit der Bildung sogenannter krimineller oder terroristischer Vereinigungen. Diese Regelung war zeitlich befristet und wurde 1999 von der damaligen SPD-Grünen-Bundesregierung nicht verlängert.

Derzeit gelten im Strafrecht noch mehrere kleine Kronzeugenregelungen beispielsweise bezüglich Geldwäsche und Drogendelikten. Danach kann ein wegen Drogenhandels angeklagter Beschuldigter nur dann einen Strafnachlaß erhalten, wenn er den Behörden bei der Aufklärung oder Verhinderung einer Straftat ähnlicher oder gleicher Art hilft. Der neue Ansatz von Zypries besteht darin, zum einen solche »Vergünstigungen« künftig bei allen Straftaten auf dem Wege einer allgemeinen Strafzumessungsregel vorzusehen. Der Gesetzentwurf schränkt ihre Anwendung allerdings auch ein: Hat ein Kronzeuge einen Mord begangen, auf den eine lebenslange Freiheitsstrafe steht, darf das abgemilderte Urteil nicht unter fünf Jahren Haft liegen. Zugleich sollen diejenigen, die sich durch Falschaussagen Vergünstigungen erschleichen wollen, härter bestraft werden. Ausgeschlossen ist die Nutzung der Regelung, wenn der Kronzeuge sein Wissen erst nach der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn preisgibt.

Für die Praxis bedeutet dies: Beschuldigte können schon im polizeilichen Ermittlungsverfahren massiv unter Druck gesetzt werden, andere zu denunzieren. Die psychische Ausnahmesituation, in der sich jemand befindet, der vernommen oder gar verhaftet wird, soll vom Staat ausgenutzt werden. Er soll der Verlockung erliegen, für sich Strafmilderung herbeizuführen, indem er Aussagen über Dritte macht. Das ist ein klarer Eingriff in die Aussagefreiheit. Zudem weiß jeder Praktiker, daß gerade bei Drogendelikten viele so gewonnene Aussagen falsch sind. Verurteilungen Unschuldiger sind damit programmiert.

Auch im politischen Strafrecht, das immer auch dazu diente, Linke zu kriminalisieren, würde die neue Regelung Folgen haben. Schon der Paragraph 129 a des Strafgesetzbuches über die Bildung krimineller, terroristischer - oder ausländischer terroristischer Vereinigungen erfordert nicht, daß einem Beschuldigten konkrete Taten vorgeworfen werden. Allein die »Mitgliedschaft« und sogar die nicht genauer beschriebene »Unterstützung« einer solchen Vereinigung rechtfertigen laut Gesetz drakonische Strafen. Über die Kronzeugenregelung wird es noch leichter sein, die ohnehin niedrigen Anforderungen für Verurteilungen noch weiter zu senken.

Zudem könnte sich dieses Herangehen auch auf den Umgang mit Migranten auswirken. Die Behörden könnten verstärkt versuchen, Menschen, die um die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis fürchten, beispielsweise zu Aussagen über andere Migranten zu nötigen, um diesen etwa eine unerlaubte politische Betätigung anhängen und sie so leichter abschieben zu können.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) wendet sich generell gegen die Kronzeugenregelung. DAV-Präsident Hartmut Kilger warnte vor der Gefahr von Falschaussagen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, bezeichnete das Vorhaben als unnötig, weil ein »Strafrabatt« schon nach jetziger Gesetzeslage möglich sei. Seine Aussage macht indes deutlich, daß die Grünen eine Belohnung für das Kooperieren mit Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich für richtig halten.

[  jungewelt.de


"Ungleichbehandlung"
Richterbund bei neuer Kronzeugenregelung skeptisch

13. April 2006

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds, Wolfgang Arenhövel, hegt starke Bedenken gegen die geplante neue Kronzeugenregelung. Eine solcher Schritt müsse mit "ganz, ganz spitzen Fingern" angefasst werden, sagte Arenhövel am Donnerstag im Deutschlandfunk. So verwische die Strafmilderung für die so genannten Kronzeugen das Prinzip einer schuldangemessenen Bestrafung. Da die Regelung nur bei besonders schweren Straftaten gelten soll, entstehe eine Ungleichbehandlung, "die ohne weiteres nicht zu rechtfertigen ist".

Ferner monierte Arenhövel, dass die Kronzeugen eigentlich keine Zeugen, sondern Angeklagte seien, die aus einer besonderen Interessenlage heraus ihre Aussage machten. Dabei bestehe die Gefahr einer Falschaussage, die auch nach den jüngsten Vorschlägen von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nicht gebannt sei. Er regte an, für den Fall einer Falschaussage wenigstens die Aufnahme des ursprünglichen Verfahrens zu ermöglichen.

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11 April 2006
Mit Handy-Störsendern gegen illegale Geschäfte im Knast

Monatelang machte der wegen Drogenhandels verurteilte Axel T. hinter Gittern gemeinsame Sache mit einem Vollzugsbeamten: Mittels eines Handys, das der Beamte in die Zelle des 34-Jährigen geschmuggelt hatte, dirigierte der Gefangene 2004 seine kriminellen Geschäfte aus einem Gefängnis im Südwesten. Mit dem Handy wies er seine Helfershelfer draußen ein, an welcher Stelle die Drogen zu deponieren sind. Der Vollzugsbeamte schaffte die Drogen dann heimlich ins Gefängnis. Die Sache flog auf, der Beamte wurde verurteilt und aus dem Dienst entlassen. Dieser Vorfall aus Baden-Württemberg verdeutlicht ein zunehmendes Problem der Bundesländer: Bei Gefangenen werden immer häufiger Handys gefunden, obwohl diese im Knast nicht erlaubt sind.

Diesen Machenschaften soll nun auf Initiative von Baden-Württembergs Justizminister[1] Ulrich Goll (FDP) ein Riegel vorgeschoben werden: Nach einem Beschluss des Bundesrats (PDF-Datei[2]) sollen mit einer Änderung des Telekommunikationsgesetzes Handy-Gespräche in Gefängnissen mit Störsendern verhindert werden. Ansonsten sind Mobilfunkblocker in Deutschland nicht erlaubt.

Kritiker bemängeln[3], dass der Störstrahl nicht an der Gefängnismauer endet: So könnte die Funkversorgung auch in der Umgebung lahm gelegt und die Absetzung von Notrufen behindert werden. "Der Eingriff lässt sich technisch nicht auf einen eng umgrenzten räumlichen Bereich beschränken", sagt der Rechtsexperte des IT-Branchenverbandes Bitkom (Berlin), Volker Kitz. Einzelne Firmen bieten aber auch Handy-Detektoren in Verbindung mit Störsendern geringer Leistung an, die nur aktiv werden, wenn ein sendendes Handy erkannt wird; die EFE GmbH[4] beispielsweise kritisiert deshalb die Stellungnahmen des Bitkom: Einige Darstellungen entsprächen nicht dem technischen Stand und widersprächen den Interessen der Justizvollzugsbehörden. Zudem arbeitet etwa der TETRA-Digitalfunk für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in anderen Frequenzen als die öffentlichen Handy-Netze im Mobilfunk - die Kommunikation der Beamten bliebe damit ungestört; bislang jedoch ist die TETRA-Einführung noch einige Zeit entfernt.

Einige Gefangene planten nach Angaben von Goll in der Vergangenheit per Handy hinter den Gefängnismauern sogar ihre Flucht. Andere kontrollieren damit in der Zelle eifersüchtig jeden Schritt der Freundin in Freiheit. Entsprechend begehrt ist der mobile "heiße Draht" nach draußen bei vielen Gefangenen. Die Geräte werden oft auf abenteurlichen Wegen an den Kontrollen vorbei in die Zellen geschmuggelt. In den Justizvollzugsanstalten ist der Betrieb von Handys jetzt schon grundsätzlich - auch den Bediensteten - verboten. "Leider lässt sich aber nicht zuverlässig verhindern, dass Handys immer wieder in die Anstalten geschmuggelt werden", sagte Goll. Die Mobiltelefone würden immer kleiner und passten beispielsweise auch in Körperöffnungen. Dort seien sie kaum zu entdecken, da die Kontrollmöglichkeiten bei Besuchern beschränkt seien.

"Allerdings zählen wir eins und eins zusammen und wissen recht genau, dass hier eine Schwachstelle liegt", sagte ein Sprecher auf Anfrage weiter. So wurden 2003 in Baden-Württemberg in den 18 Anstalten 26 Handys gefunden, 2004 waren es 118, im vergangenen Jahr 96. Seit Anfang des Jahres wurden 46 landesweit gefunden. "Im Vollzug haben Handys nichts zu suchen. Sie sind dort eine erhebliche Gefahr für Sicherheit und Ordnung", betonte Goll. Außerdem bestehe die Gefahr von Verdunklungshandlungen, wenn Untersuchungsgefangene unüberwacht telefonieren.

Auch der Leiter des Gefängnisses Heilbronn, Ulrich Schlicher, bezeichnet die Handys im Knast als zunehmendes Problem. "Besucher bringen es im Intimbereich mit. Nur bei konkretem Verdacht kann man untersuchen." Sorgen machten auch so genannte Mauerwürfe. So komme es vor, dass sich jemand auf den Parkplatz vor das Gefängnis schleicht und ein Päckchen mit einem Handy in den Innenhof des Gefängnisses wirft.

Bisher habe man in Baden-Württemberg versucht, unerlaubt in die Anstalt eingebrachte Mobiltelefone durch spezielle Handysuchgeräte aufzuspüren. Der Nachteil sei jedoch, dass die Geräte nur dann anschlagen, wenn mit dem gesuchten Handy gerade telefoniert werde. Auch der Versand einer SMS werde nicht erfasst. "Die Trefferquote ist hier gering. Um das Problem endgültig in den Griff zu bekommen, halte ich deshalb den Einsatz von Handystörsendern für das einzig effektive Mittel", erklärte Goll. Wo kein Empfang mehr möglich ist, verliere das Handy seinen Nutzen. (Tatjana Bojic, dpa) /

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/64309
[2] http://www.bundesrat.de/coremedia/generator/Inhalt/Drucksachen/2005/0720_2D05B,property=Dokument.pdf
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/71478
[4] http://www.efe-gmbh.de/
[5] mailto:jk@ct.heise.de

[  heise.de





7 April 2006
"Es gilt das Recht Guineas"
Ausländerbehörde Dortmund läßt mit fragwürdigen Methoden Identität abgelehnter Asylbewerber klären

Dortmund - In Massenbefragungen läßt die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) der Stadt Dortmund die mögliche Identität abgelehnter Asylbewerber klären. Dazu würden innerhalb von wenigen Tagen rund 350 Personen aus Westdeutschland einer Delegation aus dem westafrikanischem Land Guinea vorgeführt, sagte der Leiter der Zentralbehörde, Friedhelm Weller. Aufgrund der Aussprache und der Gesichtsform würde dann die Delegation herausfinden, wer aus Guinea komme und wer nicht. Personen, die aus Guinea stammten, würden in das Land abgeschoben. Die ZAB Dortmund ist auf den Abtransport von Asylsuchenden aus dem afrikanischen Land spezialisiert. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes in Berlin weist die Menschenrechtslage in Guinea "gravierende Defizite" auf. Es gebe Folter und willkürliche Verhaftungen, außerdem würden in dem westafrikanischen Land Todesurteile vollstreckt.

Die Räume, in denen die Afrikaner befragt werden, befinden sich in der Dortmunder ZAB. Es würde sich dabei um "quasi exterritoriales Gebiet" handeln, sagte ZAB-Chef Weller. "Bei der Befragung gilt das Recht Guineas", fügte der ZAB-Chef hinzu. Eine Sprecherin des Innenministers von Nordrhein-Westfalen (NRW), Ingo Wolff (FDP), sagte, bei den Verhören seien deutsche Beamte nicht unbedingt zugegen. Aber auch ohne Überwachung sei durch Absprachen sichergestellt, daß "die Bedingungen unseres Rechtsstaates" bei den Verhören eingehalten würden. Die Delegation aus Guinea besteht nach Auskunft des NRW-Innenministeriums aus vier Personen, die offensichtlich alle dem Sicherheitsministerium des afrikanischen Staates zugeordnet sind. Zumindest einer der Verhörspezialisten ist der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) bekannt. N'Faly Keite gelte als "äußerst korrupter und gefährlicher Zeitgenosse", heißt es in einem schriftlichen Bericht der IGFM, der sich auf Informationen aus der deutschen Botschaft in Guinea bezieht.

Für den Vorsitzenden der Dortmunder Grünen, Ulrich Langhorst, ist das Ganze nicht nachvollziehbar. "Es ist übel, wenn Beamte aus einem Folterstaat nach Deutschland kommen können, um sich hier potentielle Folteropfer auszusuchen." Dagegen ist nach Auffassung von ZAB-Chef Weller an dem Verfahren nichts auszusetzen. Schließlich habe es das Auswärtige Amt in Berlin abgesegnet. Doch davon kann offenbar keine Rede sein. Sagte doch ein Sprecher des Außenamts gegenüber der WELT: "Mit den Maßnahmen haben wir nichts zu tun." Die Zentrale Ausländerbehörde in Dortmund habe die Verhöre angeregt. Das Auswärtige Amt habe nur die Einladungen an die Behörden in Guinea weitergeleitet. Die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf fordern nun Aufklärung über die Widersprüche in Aussagen von Innenminister Wolff. "Wir wollen wissen, ob hier die Standards unseres Rechtsstaates eingehalten werden", sagte die innenpolitische Sprecherin der Partei, Monika Düker.

[  welt.de


[  infos about guinea at hrw


[  Report 2005 Guinea / Amnesty International





08 April 2006
Santa Fu": Ein Gefängnis wird 100 Jahre alt

1906 eröffnete der Senat das "Centralgefängnis" - Spektakuläre Revolten und Ausbrüche - Ende der Liberalisierung

Mit einem satten Krachen fällt die schwere Tür ins Schloß. Der Wärter sichert sie mit zwei schweren Eisenriegeln. Kein Zweifel: Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel ist noch ein "richtiges" Gefängnis. Die dicken Backsteinmauern, die schmalen Fenster mit ihren Gitterstäben und die schweren Türen unterstreichen das.

Fuhlsbüttel ist mit rund 1000 Insassen eines der größten und bekanntesten Gefängnisse Deutschlands. Am Freitag feierte die Einrichtung ihren 100jährigen Geburtstag. Mit einem Festakt in der Anstaltskirche, einem prächtig mit Holz gestaltetem Saal, eröffnete Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) den frisch renovierten "B-Flügel" von Haus 2, dem eigentlichen "Santa Fu". "Drei Millionen Reichsmark hat Santa Fu den Hamburger Senat 1906 gekostet, drei Millionen Euro hat der Senat jetzt in die Renovierung investiert", so die Justizbehörde. Drei der vier Zellentrakte sind saniert, der letzte folgt. Die Gesamtkosten liegen bei 6,4 Millionen Euro.

Im obersten Geschoß des B-Flügels ist jetzt alles hell und freundlich. Aus den wenige Quadratmeter großen Einzelzellen geht der Blick durch die Gitterstäbe weit über Fuhlsbüttel bis zum Stadtpark. In diesem Trakt haben früher die "Lebenslänglichen" eingesessen, auch Terroristen waren hier untergebracht, berichtet ein Wärter. Er erinnert sich noch an die turbulenten 70er Jahre. Damals saßen rund 500 Gefangene mit langen Haftstrafen ein. Immer neue Ausbrüche zogen Verschärfung der Haftbedingungen nach sich. 1972 meuterten Insassen und klettern auf das Dach. Einer von ihnen stürzte dabei in die Tiefe. Durch Verhandlungen zwischen Meuterern und Justizbehörde wurden schließlich Vollzugslockerungen gewährt - etwa das "selbständige Schalten des Lichts" im Haftraum.

Die wechselvolle Geschichte des Gefängnisses zeigt auch eine Ausstellung in der Anstaltskirche. In Glasvitrinen liegen Gegenstände aus: Etwa selbstgebaute Waffen wie ein Schlagring aus einem Stück Metall (Foto) oder ausgehöhlte Bücher, in denen zum Beispiel ein Fleischerbeil versteckt wurde, und die den Wärtern ins Netz gingen. "Das zeigt die Phantasie, das handwerkliche Geschick und die Energie, die die Insassen an den Tag legten, wenn sie versuchten, verbotene Gegenstände einzuschmuggeln", meint Anstaltsleiter Andreas Brehm. Die Historie von Santa Fu erscheint manchmal kurios: Aus einem Handbuch für Aufsichtsbeamte von 1906 geht etwa hervor, daß jedem Insassen täglich drei Stück Toilettenpapier zustanden oder daß im Sommer in der Alster gebadet werden mußte. Dann wird die Historie erschreckend, als im Dritten Reich etwa die Reformen des Strafvollzugs aus der Weimarer Zeit drakonisch beschnitten wurden. In der Nachkriegszeit begannen grundlegende Liberalisierungen.

Doch das Leben im "Knast" ist immer hart. Die kleinen Gucklöcher an den Zellentüren etwa wurden geschlossen. Nicht nur, um den Häftlingen mehr Privatsphäre zu gönnen. Auch, weil immer wieder Insassen das Glas zerstörten und nach Wärtern riefen. Kamen diese, und schauten sie durch das Loch, stachen die Gefangenen mit spitzen Stiften nach ihnen. Der letzte Ausbruch gelang 1994, als sich zwei Gewaltverbrecher aus dem fünften Stock abseilten und bei dichtem Nebel über die Mauer flohen. Der Slogan "Santa Fu - raus bis Du" war in aller Munde. Danach wurden die Sicherheitsanlagen, etwa mit Videokameras, erheblich aufgerüstet. Die letzte Revolte gab es 2003, auch sie richtete sich gegen die Haftbedingungen. Nach vielen Liberalisierungen bis in die 90er Jahre ist der Haftalltag mit längeren Einschlußzeiten in den Zellen zuletzt wieder strikter geworden.

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06 April 2006
Ein Jahrhundert Santa Fu

Eines der bekanntesten deutschen Gefängnisse besteht seit einem Jahrhundert: die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, besser oder berüchtigter bekannt unter dem Namen „Santa Fu“. Die Vorgeschichte des Gefängnisses begann schon 1832, als der Hamburger Senat über ein neues Gefängnis nachdachte, denn „die Überfüllung, unreine, übel riechende Arbeit und die verwerflichste aller Schlafeinrichtungen, Mangel vielfacher sanitärer Maßregeln wie der Genuß frischer Luft und Bewegung im Freien“ waren unhaltbare Zustände geworden.

Auch fehlte es an geschultem Aufsichtspersonal. Aber erst 1865 wurde ein Grundstück gekauft im Dorf Fuhlsbüttel, das damals noch zehn Kilometer vor der Stadt lag. 1879 endlich war das neue „Centralgefängnis“ fertig. Heute ist es das Haus I. 1891 folgte das Frauengefängnis, heute Haus IV. 1892 das Jugendgefängnis, heute Haus III. Zwischen 1901 und 1906 wurde schließlich für knapp drei Millionen Reichsmark jenes Gebäude errichtet, in das zunächst 768 Strafgefangene „mit ungeschärfter Haft oder Gefängnis mit bis zu zwei Jahren“ einzogen, das aber zum Inbegriff des Hamburger Strafvollzugs wurde.

Für dreißig Pfennige Englisch lernen

„Santa Fu“ ist eigentlich ein Gebäudekomplex. Die Kirche bildet den Mittelpunkt, von dem vier Flügel abgehen. Auf dem Luftbild ein seltsames Insekt. Aus der Nähe ein Backsteinkoloß. Seinerzeit war es ein moderner Bau mit einer elektrischen Alarmanlage, Wasserspülklosetts und einer Niederdruckdampfheizung. Nur elektrisches Licht hielt der Senat für unnötig. Es kam erst 1921. Zum Gefängnis gehörten ein Krankenhaus, eine Psychiatrie und eine Apotheke mit Röntgenapparat. Für dreißig Pfennige konnten die Insassen sonntags zwei Stunden lang Englisch lernen. Eine Bibliothek wurde eingerichtet, aus der vor allem Bücher über Auswanderungsländer und Kolonien gefragt waren. Auch ein Chor wurde gegründet, der einmal im Jahr in der Kirche auftreten durfte, begleitet von einem Orchester aus Justizbeamten. Fuhlsbüttel war eine kleine Stadt, die sich auch selbst zu versorgen hatte.

Und eigentlich ist es auch noch heute so: 22 Betriebe sind hier angesiedelt, darunter hauseigene wie Bäckerei, Schlosserei und Malerei, aber auch Firmen von außerhalb. Manche Vorschrift hat sich geändert. 1906 galt: „Jeder Gefangene erhält für den Gebrauch innerhalb 24 Stunden drei Blatt Klosettpapier.“ Wer in Fuhlsbüttel eintraf, hatte sich dem „Willkomm“ zu unterziehen. Er wurde auf eine Pritsche geschnallt und ausgepeitscht.

Das Gefängnis unter den Nationalsozialisten

In der Weimarer Republik aber wurde Strafvollzug nicht mehr als Vergeltung betrachtet, sondern als Erziehung. Die Zahl der Gefangenen stieg so rasch wie die Einwohnerzahl Hamburgs. Schon lag das Gefängnisgelände mitten in der Stadt. Es sollte aufgegeben werden. Der Machtantritt der Nationalsozialisten verhinderte das. „Santa Fu“ wurde ein von der SS geführtes Konzentrationslager, später ein Gestapo-Gefängnis. „Kola-Fu“ wurde es genannt. Mehr als 250 Frauen und Männer starben. Im Torhaus der Anstalt erinnert heute eine Ausstellung an diese Zeit. Seit den sechziger Jahren wurde immer wieder an- und umgebaut. Alle vier Flügel von „Santa Fu“ bekamen ein zusätzliches Stockwerk. Seit Mitte der neunziger Jahre werden nach und nach alle Flügel umgebaut. Gerade fertig ist der B-Flügel, den der soeben ins Amt gekommene Hamburger Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) an diesem Freitag eröffnen wird - zusammen mit einer Ausstellung in der Kirche über die Geschichte von „Santa Fu“.

Meutereien

Dort wird auch nicht verschwiegen, was „Santa Fu“ immer wieder in die Schlagzeilen brachte. Nicht nur nahm die Zahl der Insassen immer mehr zu, es häuften sich auch die Drogenprobleme. Zudem stieg die Zahl der ausländischen Gefangenen in den vergangenen Jahren um das Fünffache. 1972 kam es in „Santa Fu“ zu einer Meuterei, bei der zwei Dutzend Insassen auf das Dach gelangten. Die Justizbehörde kündigte damals Veränderungen an. Das Haus wurde nach innen geöffnet. Es gab fortan eine Gefangenenvertretung. Die Gefangenen durften das Licht abends löschen, wann sie wollten. 1990 kam es abermals zu einer Meuterei. Wieder kletterten Insassen über selbstgebaute Leitern auf das Dach.

Zwei Jahre später gelang zwei Gewaltverbrechern eine spektakuläre Flucht. Sie sägten die Fenstergitter auf, seilten sich aus dem fünften Stock ab und entkamen bei dichtem Nebel über die Gefängnismauern. Seitdem wird der Gefängniskomplex mit Videokameras überwacht. Zuletzt hatte es Weihnachten 2003 Proteste von Gefangenen gegeben, woraufhin der damalige Justizsenator Roger Kusch die ungehinderte Bewegungsfreiheit innerhalb des Geländes unterband. Im eigentlichen „Santa Fu“ sitzen zur Zeit 330 Gefangene, und zwar jene, die man „harte Jungs“ nennt. Sie alle haben Haftstrafen länger als vier Jahre zu verbüßen. In der gesamten Justizvollzugsanstalt sind es etwa 800 Insassen.

22 Betriebe sind im Gefängnis angesiedelt 330 Gefangene sitzen zur Zeit in Santa Fu

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6 April 2006
Abgeordnete blicken in Zellen für Abschiebehaft

Die Opposition sieht sich in ihrer Kritik der Situation von Abschiebehäftlingen in Hamburg bestätigt, die CDU nennt die Beanstandungen "nicht nachvollziehbar". Das ist das Fazit eines Besuchs von Abgeordneten aller drei Fraktionen des Rechtsausschusses der Bürgerschaft in der Abschiebehaft in der Anstalt Fuhlsbüttel und in der Untersuchungshaftanstalt (UHA). "In den Durchläuferzellen, die eigentlich nur für die Unterbringung für ein oder zwei Tage vorgesehen sind und dauerhaft genutzt werden, gibt es wirklich schlimme Verhältnisse. Da entspricht die Kritik des Europarats dem, was wir heute gesehen haben", sagte SPD-Innenexperte Andreas Dressel nach der Besichtigung.

Das Folterkomitee des Europarats hat in einem Bericht, der bisher teilweise vorliegt, die Zustände in Hamburg gerügt. "Die Hafträume im Keller waren schwer erträglich, selbst wenn man niedrige Maßstäbe anlegt", sagte Dressel. In der JVA Fuhlsbüttel scheinen die Bedingungen besser zu sein. Hier will die Justizbehörde bald sämtliche männlichen Hamburger Abschiebehäftlinge unterbringen. "Die Kritik kann sich aber erst erledigen, wenn der letzte Abschiebehäftling die UHA verlassen hat", meint Dressel.

Auch GAL-Rechtsexperte Till Steffen sieht die Kritik bestätigt: "Es gibt keine Möglichkeit zu telefonieren, die Post wird kontrolliert, die Besuchsmöglichkeiten sind eingeschränkt." Er bemängelt Hafträume, in denen es außer elektrischem Licht keinen Strom gibt und Schmierereien mit ausländerfeindlichen Parolen an den Wänden. Und er merkt an, daß die künftige Situation für weibliche Häftlinge, die auch in der UHA untergebracht sind, ungeklärt sei.

Anders die CDU: "Die Bedingungen der Abschiebehaft in Hamburg sind gut und das Engagement der Bediensteten in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel und in der Untersuchungshaftanstalt ist beeindruckend", bilanziert der CDU-Abgeordnete Henning Finck. Die Kritik an den Bedingungen in der U-Haft ginge bald ins Leere, weil noch vor Ende des Monats April die Unterbringung vollständig nach Fuhlsbüttel verlegt werde. Der Opposition wirft er vor, einen Skandal inszeniert zu haben, ohne den genauen Bericht zu kennen. flo

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05 April 2006
Kabinett beschließt Reform der Führungsaufsicht

Die Bundesregierung hat heute die Reform der Führungsaufsicht beschlossen. Die Führungsaufsicht dient der Überwachung und Betreuung von Verurteilten, die ihre Strafe voll verbüßt haben oder aus einer Klinik für psychisch oder suchtkranke Straftäter entlassen wurden. Als Mittel der nachsorgenden und wiedereingliedernden Kontrolle entlassener Straftäter ist sie zur Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung unverzichtbar.

„Die Reform der Führungsaufsicht soll eine straffere und effizientere Kontrolle der Lebensführung von Straftätern - vor allem in den ersten Jahren nach ihrer Entlassung in Freiheit - ermöglichen. Die rechtlichen Regelungen sollen vereinfacht und vereinheitlicht werden. Die Bundesregierung will mit dieser Reform die Rückfallkriminalität entschlossen bekämpfen“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Künftig soll ein mit Strafe bewehrtes Kontaktverbot ausgesprochen werden können. Damit kann z.B. verhindert werden, dass der Verurteilte nach seiner Freilassung das Opfer seiner Straftat erneut belästigt oder bedroht. Sexualstraftätern kann unter Strafandrohung auch verboten werden, Kontakte zu fremden Kindern aufzunehmen. Wird eine verbotene Kontaktaufnahme bemerkt, kann so eingegriffen werden, bevor Schlimmeres passiert.

Darüber hinaus werden weitere strafbewehrte Weisungen zugelassen:

* Bestehen Hinweise darauf, dass ein Verurteilter unter Alkoholeinfluss wieder gefährlich werden kann, so kann das Gericht ihm verbieten Alkohol zu trinken. Die Einhaltung dieses Verbots kann z.B. mit Atemalkoholkontrollen überwacht werden.

* Ein Entlassener kann angewiesen werden, sich in bestimmten Abständen bei einer Ärztin/einem Arzt, einer Psychotherapeutin/einem Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Auf diese Weise wird professionellen Betreuern Gelegenheit gegeben, sich regelmäßig einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen und z.B. riskante Entwicklungen früher zu erkennen oder die notwendige Einnahme von Medikamenten zu überwachen. Vor allem können Verurteilte so nachdrücklicher als bisher motiviert werden, einen ersten Schritt in Richtung Therapie zu unternehmen. Es ist dann Sache des Therapeuten oder der Therapeutin, die erforderliche Mitwirkungsbereitschaft des Betroffenen an der Therapie zu erlangen.

„Für den Erfolg einer Therapie kommt es entscheidend darauf an, dass der oder die Betroffene sich auf sie einlässt. Deshalb soll und kann die Therapieteilnahme nicht durch Strafandrohungen erzwungen werden“, erläuterte Zypries.

Verstößt der Verurteilte gegen diese oder andere Weisungen, so soll dies künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren (bisher: bis zu einem Jahr) geahndet werden können. Im Vorfeld sollen die Befugnisse der Führungsaufsichtsstellen erweitert werden. Sie dürfen künftig Vorführungsbefehle gegen Verurteilte erlassen, die keinen ausreichenden Kontakt zu ihren Bewährungshelferinnen und -helfern und zur Führungsaufsichtsstelle halten oder sich nicht - wie angeordnet - bei einem Arzt oder Psychotherapeuten oder einer forensischen Ambulanz vorstellen. Daneben wird es ihnen ermöglicht, die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung von Verurteilten anzuordnen, deren Aufenthalt nicht bekannt ist. Beide Maßnahmen haben das Ziel, einen abgerissenen Kontakt zu dem Probanden wieder herzustellen.

Für Personen, die nach ihrer Entlassung aus einer Klinik für psychisch oder suchtkranke Straftäter in eine krisenhafte Entwicklung geraten (z.B. unkontrolliert in großen Mengen Alkohol konsumieren oder wahnhafte Ideen äußern), wird die Möglichkeit einer „stationären Krisenintervention“ geschaffen. Bisher gibt es keine adäquaten rechtlichen Mittel, um auf seelische Bedrängnisse zu reagieren, die zu einem Rückfall in die Kriminalität führen können. In der Praxis besteht aber in akuten Krisen ein Bedürfnis, gefährdete ehemalige Patienten des Maßregelvollzugs vorübergehend wieder im psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen und zu behandeln. Dies ist künftig möglich.

Nicht selten müssen psychisch kranke Täter auch nach ihrer erfolgreichen Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus weiterhin Medikamente einnehmen, damit die Erkrankung (z.B. Schizophrenie) nicht wieder ausbricht. Während der Dauer der Führungsaufsicht, die gegenwärtig regelmäßig auf höchstens fünf Jahre begrenzt ist, kann diese Medikamenteneinnahme überwacht werden. In der Praxis kommt es vor, dass Straftäterinnen oder Straftätern die Einsicht fehlt, dass sie auch nach Ablauf der Führungsaufsicht weiterhin Medikamente einnehmen oder andere Verhaltenseinschränkungen (z.B. Verzicht auf Alkoholkonsum) beachten müssen. In diesen Fällen kann künftig die Führungsaufsicht auf unbefristete Zeit verlängert werden.

„Ich appelliere an alle Bundesländer, forensische Ambulanzen zu schaffen, um die psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutischen Nachsorge für ehemalige Patientinnen und Patienten des psychiatrischen Maßregelvollzugs und für Haftentlassene zuverlässig sicher zu stellen. Die Reform der Führungsaufsicht setzt hier ein Zeichen, indem sie die Nachsorge durch forensische Ambulanzen in die Führungsaufsicht einbezieht und insbesondere eine erste Regelung für das Verhältnis zwischen forensischer Ambulanz, Gericht, Führungsaufsichtsstelle und Bewährungshilfe schafft“, betonte Zypries.

Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz

[  bmj.bund.de





04 April 2006
Knast und Disziplinarmaßnahmen - über die Renitenz einer JVA

Disziplinarmaßnahmen im Strafvollzug sind keine Seltenheit; verstößt ein Gefangener schuldhaft gegen Pflichten, die ihm durch das Strafvollzugsgesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, kann der Anstaltsleiter gegen ihn Disziplinarmaßnahmen anordnen (§ 102, Absatz 1 StrVollzG).

Diese sind mitunter sehr einschneidend: Beispielsweise kann Arrest von bis zu vier Wochen verhängt werden. Arrest wird in einer kalten Zelle, ohne TV, ohne Radio, ohne Bücher, ohne Kontakt zu Mitgefangenen, meist auch ohne Besuche von Freunden oder Briefverkehr, gewissermaßen also in Totalisolation verbracht. Mildere Disziplinarmaßnahmen sind zum Beispiel Beschränkung der Teilnahmemöglichkeiten an Freizeitaktivitäten, Radio-/Fernsehentzug für eine gewisse Zeit (vgl. § 103, Absatz 1 StrVollzG).

Man sollte meinen, die Justizvollzugsanstalten würden penibel die Formvorschriften im Rahmen des Disziplinarverfahrens einhalten, schließlich werden Knäste von einem Stab an Juristinnen und Juristen geleitet. Ich selbst musste vor einigen Jahren das Recht erstreiten, mich vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme mit meinem Verteidiger besprechen zu dürfen (vgl. OLG Karlsruhe in Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtssprechungsreport 2002, Seiten 29 ff). Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, jedoch meinte der damalige Anstaltsleiter Rüdiger Rehring - zwischenzeitlich zum Oberstaatsanwalt und stv. Chef der Karlsruher Staatsanwaltschaft befördert -, solche Minimalrechte gälten nicht für verurteilte Verbrecher; erst das OLG belehrte ihn eines besseren. Nunmehr musste das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe erneut die Anstaltsleitung auf Einhaltung von Recht und Gesetz verpflichten.

Im Dezember 2004 verhängte die JVA Bruchsal vier Tage Arrest gegen Herrn K., da dieser verbotenerweise Mithäftlinge tätowiert habe. Herr K. war seinerzeit in ärztlicher Behandlung. Für diesen Fall schreibt § 106, Absatz 2 StrVollzG zwingend die Einschaltung des Gefängnisarztes vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme vor. Die zuständige Juristin ignorierte den Gesetzesbefehl und disziplinierte Herrn K. ohne ärztliche Konsultation. Das Landgericht, von Herrn K. eingeschaltet, bestätigte diese Ignoranz gegenüber dem Gesetzeswortlaut.

Am 13.3.2006 (Az: 1 Ws 103/05) entschied nunmehr das OLG Karlsruhe, dass sich auch die Damen und Herren JVA-Beamte an das Gesetz zu halten hätten und hob den LG-Beschluss, sowie die Disziplinarmaßnahme auf: § 106, Absatz 2 müsse strikt befolgt werden! Schon wenige Tage später, nämlich am 24.3.06 musste das OLG jedoch erneut eingreifen: Herr K. war im September 2005 ein weiteres Mal wegen (angeblichen) Tätowierens mit vier Tagen Arrest belegt worden. Er war zum Zeitpunkt der Disziplinierung sogar krank geschrieben, d.h. es drängte sich geradezu auf, dem zu folgen, was in § 106, Absatz 2 StrVollzG steht:

"Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen einen Gefangenen, der sich in ärztlicher Behandlung befindet oder gegen eine Schwangere oder eine stillende Mutter ist der Anstaltsarzt zu hören".

Vollzugsanstalt und Landgericht ignorierten erneut diese Bestimmung. Da Herr K. nunmehr am 27. März 2005 den Arrest hätte antreten sollen, ordnete - auf seinen Eilantrag hin - das OLG im Wege einer Eilentscheidung an, dass der Arrest vorläufig nicht vollstreckt werden dürfe (Az: 1 Ws 60/06; Beschluss 24.3.06). Eine solche Eilentscheidung eines Oberlandesgerichtes in einer Disziplinarangelegenheit ist außergewöhnlich.

Schon in den 80'er Jahren sprach Professor Feest (Strafvollzugsarchiv der Uni Bremen; http://www.strafvollzugsarchiv.de) von der Renitenz der Vollzugsanstalten. Einmal zu Gunsten des Knastpersonals unterstellt, sie würden tatsächlich an einer Resozialisierung der Inhaftierten ein Interesse haben, weshalb ist man dann nicht gewillt, die minimalen (Verfahrens-) Rechte der Insassen zu respektieren? Auf die Gefangenen wirkt das Verhalten des Anstaltspersonals jedenfalls so, als dürfe zwar jenes jederzeit und disziplinarisch folgenlos die Rechte der Inhaftierten verletzen, wer jedoch als Gefangener die ihm auferlegten Pflichten verletzt, der wird rigoros mit Disziplinarverfahren überzogen. Da nunmehr unanfechtbar feststeht, dass die JVA-Juristin gegen wesentliche Verfahrensrechte verstoßen hat, wäre ein Disziplinarverfahren gegen sie eigentlich nur folgerichtig - allerdings wird es so etwas selbstredend nicht geben.

Meyer-Falk, Thomas
www.freedom-for-thomas.de

[  stattweb.de





03 April 2006
Rechtsausschuss entlastet Knast
Untersuchung ergibt keine Hinweise auf Fehlverhalten im Selbstmordfall. Grüne fordern dennoch mehr Personal

Im Zusammenhang mit dem Selbstmord in der Untersuchungshaft der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen Ende Februar sind weder der Anstaltsleitung noch dem Justizressort strafrechtliche Vorwürfe zu machen. Zu diesem Ergebnis kam gestern - parteiübergreifend - der Rechtsausschuss der Bürgerschaft auf einer erneuten Sondersitzung. Die Anwältin des Verstorbenen hatte der JVA vor wenigen Tagen öffentlich vorgeworfen, Hinweise auf eine Suizidgefährdung des Gefangenen nicht beachtet zu haben.

Man habe auch nach weiteren Informationen der Staatsanwaltschaft und der Justizbehörde "nicht den Hauch eines Anhaltspunktes für Verfehlungen" gefunden, sagte der justizpolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Grotheer, der taz. Zwar habe die Ehefrau des Gefangenen diesen schon kurz nach seiner Festnahme gegenüber der Polizei als selbstmordgefährdet bezeichnet. Die JVA habe darauf jedoch korrekt reagiert, indem sie den Mann zunächst in einer Spezialzelle untergebracht habe. Der Anstaltsarzt, Allgemeinmediziner mit einer Zusatzausbildung als Psychotherapeut und damit laut Grotheer "sozusagen vom Fach" habe nach einem Gespräch Entwarnung gegeben. Auch in den Folgetagen habe es "keinerlei Auffälligkeiten" gegeben.

Entgegenstehende Angaben von Mitgefangenen, wie sie die Anwältin kolportiert habe, seien auf der "Gerüchteebene" geblieben, so Grotheer, da die Anwältin die Namen jener Mithäftlinge nicht genannt habe.

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU, Sybille Winther, sagte, sie stehe nach wie vor hinter JVA-Leiter Manfred Otto. Ihr Kollege bei den Grünen, Jan Köhler, blieb bei seiner Forderung nach mehr JVA-Personal. Der Mann, der kurz vor seinem Tod in einem Telefonat mit seiner Bewährungshelferin um eine Verlegung in die Psychiatrie im Krankenhaus Bremen-Ost gebeten habe, "kann sich nicht wirklich betreut gefühlt haben", sagte Köhler.

Nach den Ergebnissen der Obduktion ist der Gefangene, dem zwei schwere Vergewaltigungen sowie ein räuberischer Diebstahl vorgeworfen wurden und dem deswegen eine langjährige Haftstrafe drohte, gegen ein Uhr in der Nacht gestorben. Er hätte demnach auch dann nicht gerettet werden können, wenn der "Lebendkontrolle" genannte erste Rundgang des JVA-Personals an jenem Morgen regulär um 6 Uhr stattgefunden hätte und nicht wegen Personalmangels erst eine Stunde später.

Informiert wurde der Rechtsausschuss auch über einen weiteren angeblichen Selbstmordversuch in der JVA in der Nacht zum Mittwoch. Am Hals des Häftlings, der sich angeblich mit einem Kabel strangulieren wollte, hätten sich allerdings keinerlei Druckstellen gefunden. sim

[  taz.de





3 April 2006
Ziel: perfekte Abwehr

Bundesinnenministerium evaluiert Zuwanderungsgesetz. Schäuble will verschärfte Meldeauflagen, Verwendung von elektronischen Fußfesseln und Sicherungsverwahrung

Von Ulla Jelpke

Zu einem »Erfahrungsaustausch mit Praktikern« im Rahmen der Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes hatte das Bundesministerium des Innern (BMI) Ende vergangener Woche nach Berlin geladen. Die Vertreter von Menschenrechtsorganisationen blieben dabei weitgehend ausgesperrt. Hauptsächlich trugen Verwaltungsbeamte ihre Nachbesserungswünsche vor.

Nach der internen Anhörung von Donnerstag und Freitag ist zu erwarten, daß Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) versuchen wird, die in dem seit 1. Januar 2005 geltenden Gesetz festgeschriebenen Abwehrmechanismen zu perfektionieren. Welchen Inhalt eine vom Innenminister zu Beginn der Tagung angekündigte Bleiberechtsregelung haben soll, blieb indes noch unklar.

Schäuble betonte, die Koalition aus CDU/CSU und SPD habe sich darauf verständigt zu prüfen, »ob alle Sicherheitsfragen zufriedenstellend gelöst sind«. Besonders bei der Beteiligung der Sicherheitsbehörden vor Erteilung eines Visums oder eines anderen Aufenthaltstitels werde der gesetzliche Spielraum von den Ländern sehr unterschiedlich genutzt. Der Minister unterstützte Forderungen einiger Bundesländer und europäischer Nachbarstaaten, »zusätzliche Maßnahmen bei gefährlichen Ausländern zu ergreifen, die nicht in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können«. Als Möglichkeiten nannte er eine Verschärfung der Meldeauflagen, die Verwendung von elektronischen Fußfesseln und die Sicherungsverwahrung.

Immerhin ließ das BMI auf seiner Tagung den renommierten Rechtsanwalt Victor Pfaff aus Frankfurt am Main zu Wort kommen. Er stellte fest, daß »nicht selten falsche oder abwegige Begründungen für Ablehnungsbescheide im Aufenthalts- oder Einbürgerungsrecht oder in Ausweisungsbescheiden herangezogen werden«. Pfaff schilderte einige haarsträubende Beispiele, welche »Tatbestände« von Behörden als sicherheitsgefährdend angesehen werden. In einem Ausweisungsverfahren vom 6. Oktober 2005 wurden dem Betroffenen der Besuch bestimmter Moscheen, Spenden zum Erhalt und zur Pflege einer Moschee und sein gelegentliches Wirken als Vorbeter angelastet, ohne daß ein Vorwurf bezüglich des dabei Gesagten erhoben worden wäre. Als sicherheitsgefährdend wurde auch die Organisation von Pilgerreisen bewertet, so Pfaff. Einem islamischen Verein wurde vorgeworfen, ein Faltblatt mit der Aufschrift »Außer Gott ist kein Gott und Mohammad ist sein Prophet« in seinen Räumen ausgelegt zu haben. Einem Ägypter, der in seinem Heimatland eine Firma betreibt, wurde eine Reise nach Ägypten zur Last gelegt.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl spricht angesichts dieser Praxis in einer Stellungnahme von einer »desaströsen Bilanz« gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes. Dessen erklärtes Ziel, die sogenannten Kettenduldungen abzuschaffen, sei verfehlt worden. Von den 193 000 Geduldeten leben nach Pro-Asyl-Schätzungen 140 000 schon länger als fünf und rund 50 000 sogar länger als zehn Jahre in Deutschland. Auch die Hoffnungen, die mit der Schaffung von Härtefallkommissionen verbunden waren, seien enttäuscht worden, so die Organisation. Bayern weigere sich noch immer, eine Kommission einzurichten. Auch in Hessen und Niedersachsen greife das Instrument so gut wie gar nicht. Dort seien die Petitionsausschüsse der Landtage mit den Aufgaben der Härtefallkommission betraut worden - »mit dem Ergebnis, daß jeweils nur ein einziger Fall positiv entschieden wurde«. In Niedersachsen haben die Regierungsfraktionen erst Mitte März auf Druck von Opposition und außerparlamentarischen Gruppen beschlossen, eine Kommission einzurichten (jW berichtete). Pro Asyl fordert, »daß diese Blockadehaltung gegen Humanität endlich aufgegeben wird«.

[  jungewelt.de





31 March 2006
17000 Abschiebungen per Flugzeug

Berlin. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben der Bundesregierung in 16 865 Fällen Ausländer auf dem Luftweg abgeschoben worden. Dabei seien 1983mal Zwangsmittel eingesetzt worden, etwa Fesseln, heißt es in einer am Donnerstag vom Bundestag veröffentlichten Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen. Statistische Übersichten über die Anwendung einfacher körperlicher Gewalt würden von der Bundespolizei nicht geführt, heiße es weiter. 298 Abschiebungen seien wegen des Widerstandes der Personen gescheitert, 94 weitere Abschiebungen aus medizinischen Gründen. (ddp/jW)

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Kleine Anfrage

der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Claudia Roth (Augsburg), Irmingard Schewe-Gerigk, Wolfgang Wieland und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

[  Abschiebungen auf dem Luftweg im Jahre 2005





30 March 2006
IT-Verband hält Handy-Störsender in Gefängnissen nicht für realisierbar

Der IT-Branchenverband Bitkom[1] hat die Bundesratsinitiative Baden-Württembergs[2] zur Unterbindung des unerlaubten Mobilfunkverkehrs in Justizvollzugsanstalten scharf kritisiert. Die Pläne aus dem Ländle zum Einsatz von Handy-Störsendern in Gefängnissen "sind rechtlich und technisch nicht realisierbar", interveniert Volker Kitz, Rechtsexperte bei dem Branchenverband. Der entsprechende Entwurf (Bundesrats-Drucksache 720/05, PDF-Datei[3]) zu einer weiteren Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG)[4] sehe einen generellen Einsatz technischer Geräte zur Störung von Frequenzen auf dem Gelände von Justizvollzugsanstalten vor. In dieser Pauschalität sei die Ermächtigung aber "viel zu weit gehend".

Konkret stößt sich der Bitkom etwa daran, dass die in der Begründung erwähnten Hausrechte der Anstaltsleiter sowie Verhaltensvorschriften zum Besitz bestimmter Gegenstände des Strafvollzugsgesetzes und zur allgemeinen Kontaktaufnahme mit Gefangenen zwar dazu berechtigen könnten, den Besitz von Gegenständen oder bestimmte Handlungen einzuschränken. Die zitierten Vorschriften seien aber keineswegs als Vollmacht zu interpretieren, um durch Störsender in Frequenznutzungsrechte einzugreifen. Die dadurch zu erreichende Arbeitserleichterung der Anstalten gehe zu Lasten der Privatwirtschaft und stelle somit einen "verfassungswidriger Eingriff in deren Rechtspositionen" dar. Die gegebenen Möglichkeiten zur Verhinderung der verbotenen Handykommunikation in Gefängnissen seien auch ausreichend, um das Problem in den Griff zu bekommen und weitere kriminelle Tätigkeiten via Mobiltelefon zu verhindern.

Allenfalls erforderlich wäre laut dem Branchenverband zumindest eine Präzisierung, welche die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sicherstellt. Darüber hinaus müsste die Bundesnetzagentur[5] die Rahmenbedingungen für derartige Störaktionen im Einvernehmen mit den betroffenen Unternehmen festlegen. Generell warnt der Bitkom aber davor, dass ein Störsender zur Abdeckung einer kompletten Justizvollzugsanstalt eine vergleichsweise hohe Sendeleistung erfordern würde. Die Auswirkungen könnten folglich nicht auf ein Gefängnisgelände begrenzt werden. Vielmehr sei die Beeinträchtigung der Funkversorgung auch in der Umgebung zu befürchten. Völlig ungeklärt sei auch, welche Effekte Störsender auf die gesamte Netzstabilität und ­qualität - selbst in weiter entfernten Funkzellen - hätten. Ein unvermeidliches "Überschwappen" und mögliche noch weiter gehende Störungen würden in rechtswidriger Weise den Geschäftsbetrieb der Netzbetreiber beeinträchtigen. Selbst die Frequenzen der Sicherheitskräfte, die in direkter Nachbarschaft zu GSM- und UMTS-Funkbereichen liegen, könnten beeinträchtigt werden.

Der Bitkom gibt noch zu bedenken, dass Notrufe über Mobiltelefon unmöglich gemacht würden. Nicht auszuschließen sei ferner ein unerwünschter Einfluss auf andere via Funk übertragene Notrufmechanismen innerhalb der Justizvollzugsanstalt, die etwa ein Angestellter bei einem Übergriff auslösen müsste. Die vermeintliche Lösung eines Sicherheitsproblems verursache damit nur ein weiteres. Darüber hinaus wäre auch die "erlaubte Kommunikation" der Gefängnismitarbeiter betroffen. Den sich aus diesen Nebenwirkungen möglicherweise ergebenden zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen wären die Netzbetreiber "schutzlos ausgeliefert". (Stefan Krempl) /

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bitkom.org
[2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/64309
[3] http://www.bundesrat.de/coremedia/generator/Inhalt/Drucksachen/2005/0720_2D05,property=Dokument.pdf
[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/48614
[5] http://www.bundesnetzagentur.de
[6] mailto:jk@ct.heise.de

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March 2006
Kein Sport mit Terroristen
Der Strafverteidigertag in Frankfurt diskutiert über das Konzept eines Feindstrafrechts. Linke Anwälte sind davon fasziniert und abgestoßen zugleich

FREIBURG taz "Die Gesellschaft kommt um den Ausschluss ihrer hartnäckigen Gegner nicht herum." Mit solchen Thesen wagte sich der Bonner Strafrechtsprofessor Günther Jakobs am Wochenende zum linksliberal geprägten Strafverteidigertag nach Frankfurt/Main. Zumindest wissenschaftsstrategisch war es ein voller Erfolg. Sein Konzept eines "Feindstrafrechts" wurde einen ganzen Tag lang diskutiert.

Das Feindstrafrecht ist für Jakobs das Gegenstück zum üblichen Bürgerstrafrecht, bei dem konkrete Rechtsgutverletzungen rechtsstaatlich bestraft werden. Im Feindstrafrecht gehe es vor allem darum, präventiv Sicherheit zu wahren. "Wer sein Leben dauerhaft an kriminellen Strukturen ausgerichtet hat, wird von der Gesellschaft nicht als Person mit vollen Rechten behandelt", erklärte Jakobs.

Als Beispiel nannte er die Bestrafung der bloßen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, ohne dass eine konkrete Tat nachgewiesen werden muss. Es sei klar, dass dies nicht dem idealen Rechtsstaat entspreche, "aber der perfekte Rechtsstaat böte den Terroristen einen Standortvorteil, wäre geradezu Einladung, zu verweilen".

Anklang findet Jakobs gerade unter seinen schärfsten Kritikern. Diese sehen in Jakobs Thesen eine recht gelungene Analyse der Strafrechtsentwicklung. So nannte etwa Winfried Hassemer, der als Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts den Hauptvortrag auf dem Strafverteidigertag hielt, die Konzeption eines Feindstrafrechts "erhellend" - um sich dann um so deutlicher von ihr abzugrenzen. Der Freiburger Strafrechtsprofessor Jörg Arnold rief sogar zum "juristischen Widerstand" gegen das Feindstrafrecht auf, das die Rechtspraxis schon lange erreicht habe.

Jakobs ist radikale Gegnerschaft gewohnt und entgegnete, dass er das Rechtssystem doch nur beschreibe. "Mir wäre es nicht einmal unlieb, wenn sich die hässliche Gestalt des Feindstrafrechts auflöst." Er weiß, wie er sich trotz seiner provozierenden Thesen diskursfähig hält. Hier eine Kritik an Guantánamo, dort eine Abgrenzung zu Carl Schmitt und immer wieder eine völlige Verwässerung seines Konzepts, etwa wenn er den Bürger, der in U-Haft genommen wird, zum "zeitweiligen Partialfeind" erklärte. Auf die Frage eines Anwaltes, warum Jakobs denn unbedingt den Begriff "Feind" verwenden müsse, kam er dann aber wieder auf den Punkt: "Der Terrorist ist eben nicht der Sportskamerad der Gesellschaft."

Der Hamburger Rechtsprofessor Frank Saliger kritisierte die ganze Diskussion um das Feindstrafrecht. "Bei Jakobs schillert jede Aussage zwischen Analyse und Legitimation." Letztlich mache er den Ausnahmezustand salonfähig. Viele linke Juristen unterstützten ihn dabei noch, so Saliger, indem sie nun jeden Abbau von Rechtsstaatlichkeit mit dem drastischen Wort "Feindstrafrecht" belegten.Diskussionsleiter Klaus Malek schloss daraus, dass es wohl besser sei, auf den Begriff "Feindstrafrecht" ganz zu verzichten.Anders sieht es allerdings in Kolumbien aus, wie Professor Alejandro Aponte aus Bogotá schilderte. Dort gebe es wirklich ein Feindstrafrecht im Kampf gegen linke Guerilla und Drogenhändler.Wegen des permanenten Ausnahmezustands sei das Strafrecht dort zur "Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln" geworden. Teilweise habe es eine Geheimjustiz mit anonymen Richtern und anonymen Zeugen gegeben. "Doch weder Drogenhandel, Entführungen noch der Terrorismus konnten damit zurückgedrängt werden, im Gegenteil", folgerte der Kolumbianer Aponte.Das hat die deutschen Strafverteidiger irgendwie beruhigt.

27.3.2006

[  taz.de


[  Strafverteidigertag


"Lernen, mit Risiken zu leben"

INTERVIEW CHRISTIAN RATH

taz: Herr Hassemer, der Strafverteidigertag diskutiert an diesem Wochenende über die Schaffung eines Feindstrafrechts. Was ist damit gemeint?

Winfried Hassemer: Das Konzept eines "Feindstrafrechts" unterscheidet zwischen einem Bürgerstrafrecht, bei dem der Angeklagte die üblichen rechtsstaatlichen Garantien für einen fairen Prozess besitzt, und einem Feindstrafrecht mit deutlich weniger Hemmungen, bei dem es vor allem um die Sicherheit der Gesellschaft geht.

Brauchen wir ein Feindstrafrecht?

Wenn ein Angeklagter nicht mehr als Person, sondern nur noch als Feind betrachtet wird, dann wäre das ein klarer Angriff gegen die Menschenwürde, also völlig indiskutabel.

Außer dem Bonner Strafrechtsprofessor Gunther Jakobs propagiert eigentlich niemand ein Feindstrafrecht. Dennoch wird immer häufiger darüber diskutiert - nur weil man sich so schön aufregen kann?

Nein. Das Feindstrafrecht ist ein Verdichtungssymbol. Es zeigt den Preis, den manche heute schon für Sicherheit zu bezahlen bereit sind. Und als Beschreibung für aktuelle Tendenzen des Strafrechts, das immer mehr zum Sicherheitsrecht wird, ist der Begriff des Feindstrafrechts durchaus erhellend.

Strafrecht diente doch schon immer der Sicherheit …

Früher stand die Strafe für sich selbst, sie diente der Vergeltung, der Sühne einer bösen Tat. Erst im letzten Jahrhundert setzte sich massiv die Idee durch, dass Strafrecht präventive Zwecke verfolgt. Nun geht es um die Resozialisierung der verurteilten Täter, die Abschreckung potenzieller Krimineller und die Stärkung des Normvertrauens der übrigen Bevölkerung.

Haben Sie etwas gegen Prävention?

Überhaupt nicht. Wir können staatliche Strafen vor dem Grundgesetz schließlich nur rechtfertigen, wenn sie einen sinnvollen Zweck verfolgen, und die Verhütung von Straftaten ist ein äußerst sinnvoller Zweck. Ein reines Vergeltungsstrafrecht hätte vor dem Grundgesetz keinen Bestand. Aber ich warne vor Auswüchsen, wenn das Sicherheitsdenken das Strafrecht zu sehr bestimmt. Denn der Schutz vor Gefahren führt tendenziell zur Maßlosigkeit. Wenn ein Täter gefährlich ist, kommt man schließlich schnell auf die Idee, dass man ihn wegsperren muss, bis er nicht mehr gefährlich ist.

Was ist daran maßlos?

Man verliert leicht aus den Augen, was der Täter bisher getan hat. Es muss aber ein Merkmal des Strafrechts bleiben, dass die Strafe sich immer an der Schwere der Tat orientiert. Und nur ganz ausnahmsweise kann es daneben für fortdauernd gefährliche Täter eine präventive Sicherungsverwahrung geben. Dann wird der Täter nach Verbüßung seiner Strafe nicht entlassen, sondern bleibt in staatlichem Gewahrsam.

Gehört die Sicherungsverwahrung zu den Auswüchsen des Strafrechts, vor denen Sie warnen?

Ich halte es für legitim, dass sich die Gesellschaft solche Mittel gibt, um sich vor Risiken zu schützen. Aber ich würde lieber in einer Gesellschaft ohne Sicherungsverwahrung leben.

Warum?

Ich glaube, hier zeigt sich ein Verlust an Gott- oder auch Weltvertrauen. Die Menschen haben heute mehr Angst vor Verbrechen als früher. Nicht weil es mehr Verbrechen gibt, sondern weil orientierende Werte verschwinden, weil moderne Gesellschaften viele und spektakuläre Risiken mit sich bringen und deshalb auch das Kontrollbedürfnis zunimmt.

Wie reagieren Sie als Verfassungsrichter darauf?

Das Verfassungsgericht muss akzeptieren, dass es eine rein präventiv ausgerichtete Sicherungsverwahrung gibt, Das hat der Gesetzgeber ohne Verfassungsverletzung so entschieden. Aber das Gericht achtet darauf, dass die Anwendung dieses äußerst einschneidenden Instruments rational bleibt, dass die Gefährlichkeit eines Täters durch gut ausgebildete Gutachter festgestellt werden muss und dass immer wieder überprüft wird, ob die Gefährlichkeit noch anhält.

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat einmal gesagt, Sexualtäter sollte man "wegschließen und zwar für immer" …

"Wegsperren für immer" ist kein vernünftiges Konzept. So funktioniert auch Prävention nicht. Wenn eine Person nicht mehr gefährlich ist, muss sie aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden.

Welche Auswüchse sehen Sie noch im Strafrecht?

Ich finde es bedenklich, dass der Gesetzgeber immer mehr abstrakte Gefährdungsdelikte einführt. Hier wird nicht die Verletzung von Rechtsgütern wie Gesundheit, Vermögen oder Ehre bestraft, sondern deren bloße Gefährdung. Dazu gehören weite Teile des Drogen- und Wirtschaftsstrafrechts oder die Bestrafung krimineller und terroristischer Vereinigungen.

Abstrakte Gefährdungsdelikte hat es doch schon immer gegeben. So wird ein Autofahrer bestraft, wenn er betrunken fährt - auch wenn er niemand verletzt oder konkret gefährdet hat.

Das stimmt. Es ist auch nachvollziehbar, dass in einer Gesellschaft mit hohen Risiken nicht gewartet wird, bis es zur Verletzung kommt, sondern dass schon das gefährliche Verhalten bestraft wird. Ich warne auch hier nur vor Übertreibungen, vor einem Überhandnehmen solcher Straftatbestände. Denn hier verblasst das konkrete Unrecht, und die individuelle Schuld verschwimmt. Das führt dazu, dass das Strafrecht nicht mehr richtig ernst genommen wird.

Was meinen Sie damit?

Es ist ja nicht zufällig, dass die Deals im Strafrecht vor allem bei abstrakten Gefährdungsdelikten angewandt werden. Es käme wohl niemand auf die Idee, den Schuldspruch bei einem Mord auszuhandeln. So etwas macht man bei Umweltgefährdung oder komplizierten Fällen von Subventionsbetrug. Es ist hier einfach kein ausreichendes Interesse mehr da, herauszufinden, was wirklich passiert ist und wie es strafrechtlich zu bewerten ist. Zugleich werden so auch rechtstaatliche Garantien beiseite geschoben. Beim Deal ist eben nicht sichergestellt, dass jemand nur verurteilt wird, wenn seine Schuld hinreichend bewiesen ist, weil man die vollständige Beweisaufnahme abkürzt

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat vorgeschlagen, dass demnächst der Besuch eines terroristischen Ausbildungslagers bestraft werden soll. Ist auch das ein abstraktes Gefährdungsdelikt?

Natürlich. Denn auch hier wird ein Verhalten weit im Vorfeld eines echten Verletzungsdeliktes bestraft.

Und Sie halten das kriminalpolitisch für verfehlt?

Ich stehe zur alten Maxime, dass das Strafrecht Ultima Ratio sein sollte, also das letzte Mittel. Was mit den Mitteln des Polizeirechts machbar ist, sollte deshalb nicht strafrechtlich gelöst werden.

Damit rehabilitieren Sie nachträglich den früheren Bundesinnenminister Otto Schily. Der hatte eine rein polizeirechtliche Sicherungshaft für gefährliche Islamisten gefordert, die nicht abgeschoben werden können.

Wenn ich sage, Polizeirecht geht im Zweifel vor, dann heißt das nicht, dass man mit dem Polizeirecht alles machen kann, was man will. Auch dort gibt es natürlich bewährte rechtsstaatliche Grenzen, zum Beispiel das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

Schily hatte eine mehrmonatige Sicherungshaft für Menschen vorgeschlagen, die noch nichts Strafbares getan haben. Ist das verhältnismäßig?

Dazu will ich mich nicht äußern, sonst bin ich befangen, wenn wir einmal über ein solches Gesetz entscheiden müssen.

Beim Strafverteidigertag an diesem Wochenende halten Sie das Hauptreferat. Was ist Ihre Botschaft?

Ich appelliere an die Strafverteidiger und die liberalen Strafrechtswissenschaftler, das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ernst zu nehmen. Es macht keinen Sinn, grundsätzliche Abwehrkämpfe gegen das Sicherheitsparadigma zu führen, weil es in den kommenden Jahrzehnten vermutlich dominant bleiben wird. Mir geht es vielmehr darum, dieses Sicherheitsstrafrecht rechtsstaatlich auszugestalten. Wir müssen der Gesellschaft erklären, dass das Sicherheitsdenken im Strafrecht Grenzen hat und dass die Gesellschaft lernen muss, mit Risiken zu leben.

Deutschland hat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 manche Gesetze verschärft, aber nicht das Strafrecht. Freut Sie das?

Manche sagen, Deutschland ist im Vergleich zu anderen westlichen Staaten eine Insel der Seligen, was den Rechtsschutz von Angeklagten angeht. Da ist was dran. Aber das kann sich schnell ändern, wenn es auch bei uns zu einem Anschlag wie in Madrid kommen sollte.

25.3.2006

[  taz.de


Gefängnisse - Orte für Feindstrafrecht!?

von Thomas Meyer-Falk

Vor fast 30 Jahren, nämlich am 16.3.1976 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Strafvollzugsgesetz. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in der BRD kein die Verhältnisse im Gefängnis regelndes Gesetz, sondern es herrschte die Vorstellung vom „besonderen Gewaltverhältnis“, welches die Grundrechte der Gefangenen nahezu vollständig außer Kraft setzte. In Folge mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sah sich der Gesetzgeber veranlasst, die Rechte und Pflichten der GefängnisinsassInnen gesetzlich zu regeln.

Seit einigen Jahren wird auch in Deutschland in der Rechtswissenschaft die Einführung eines sogenannten Feindstrafrechts diskutiert. Ich möchte in diesem Beitrag nach einer kurzen Erläuterung des Begriffs vom Feindstrafrecht der Frage nachgehen, ob sich schon Entwicklungen bemerkbar machen, die auf eine stillschweigende, unterschwellige Realisierung von Elementen dieses Feindstrafrechts in den Gefängnissen hindeuten und damit das eingangs erwähnte Strafvollzugsgesetz ad absurdum führen.

In jüngerer Zeit forciert insbesondere der Bonner Strafrechtsprofessor Jakobs die Diskussion um Einführung eines Feindstrafrechts (vgl. Jakobs in HRRS 2004, S. 88 ff., die HRRS-Zeitschrift ist online kostenfrei zugänglich unter: http://www.hrr-strafrecht.de/). Danach werde aus der (Rechts-) Gemeinschaft ausgeschlossen und zum Feind erklärt, wer die Legitimität der Rechtsordnung prinzipiell leugne und deshalb darauf aus sei, diese Ordnung zu zerstören. Damit meint Jakobs zwar zuvorderst „Terroristen“, jedoch zielt er auch auf Menschen ab, die beispielsweise der organisierten Kriminalität zugerechnet werden, sowie auf Gewalt- und Sexualtäter. Folge der Einstufung als Feind ist, dass die Beziehung „Staat - Täter“ nicht mehr durch das Recht, sondern durch Zwang gekennzeichnet wird, da der Feind als Person nicht mehr existiert. Ihm wird jegliche Personalität abgesprochen und er ist allein Zwangsadressat (vgl. Lehnert in Forum Recht 2005, S. 96-100). [...]

[  Full article / Gefängnisse - Orte für Feindstrafrecht!?


Feindstrafrecht
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Feindstrafrecht bezeichnet ein Sonderstrafrecht für Menschen, die aus der Sicht der Herrschenden Feinde der Gesellschaft oder des Staates sind und deshalb außerhalb des für die Gesellschaft geltenden Rechts stehen. Das Feindstrafrecht verwehrt diesen Menschen die Bürgerrechte und bekämpft sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Es ist deshalb kein Strafrecht im herkömmlichen Sinn, sondern ein von rechtsstaatlichen Bindungen befreites Instrument zur Gefahrenabwehr.[...]

[  Feindstrafrecht


[   Feindstrafrecht
   Auf dem Wege zu einer anderen Kriminalpolitik?
   Prof. Dr. Fritz Sack / INFOBRIEF Nr. 95 rav.de





30. March 2006
Unhaltbare Zustände in Bremer Knast
Strafverteidiger fordern Entlassung von JVA-Leiter Manfred Otto. Auch Justizstaatsrat Ulrich Mäurer unter Beschuß

Die Arbeitsgemeinschaft der Strafverteidiger im Bremischen Anwaltsverein (BAV) und die Vereinigung Niedersächsischer und Bremischer Strafvollzug (VNBS) haben sich mit einem dringenden Appell an die Öffentlichkeit gewandt. Der Knast Bremen-Oslebshausen gehöre »zu den am schlechtesten geführten Anstalten Deutschlands«, erklärte Martin Stucke, der Sprecher der beiden Anwaltsvereine. Seit Monaten häuften sich dort schwere Zwischenfälle, wie die Mißhandlung eines Gefangenen, dem von Mitgefangenen mehrere Zehennägel ausgerissen worden waren. Solche Gewaltakte seien Folge der falschen Schwerpunktsetzung auf reine Sicherungsmaßnahmen. Es werde nur noch ein Verwahrvollzug betrieben. Die Strafverteidiger machen den Anstaltsleiter Manfred Otto „persönlich für die Mißstände verantwortlich«.

Vor kurzem hatte der Tod eines 36-jährigen Gefangenen in der Untersuchungshaft Schlagzeilen gemacht, der sich am 21. Februar in seiner Zelle mit einem Bettlaken erhängt hatte. Rechtsanwalt Stucke und seine Kollegin Christine Vollmer kritisierten, die Gefängnisleitung sei über den labilen Zustand ihres Mandanten informiert gewesen: »Er ist von der Kripo mit dem Hinweis übergeben worden, es bestehe Suizidgefahr«, so Vollmer, »und mein Mandant hat mehrfach um Hilfe gebeten, weil er psychisch in der Anstalt und unter den Bedingungen dort nicht klarkam.« Geschehen sei aber nichts, und so liege die Verantwortung beim Anstaltsleiter, dessen sofortige Ablösung die einzige Chance für einen grundsätzlichen Neuanfang sei.

Überhaupt sei die medizinische Versorgung in Oslebshausen mangelhaft. Daß Vollzugsbeamte die »Erstdiagnose« übernehmen, sei die Regel. Stucke führte dazu den Fall eines Mandanten an, dessen starke Unterbauchschmerzen mehrere Tage lang nicht ernst genommen wurden. Ein Mitgefangener, der sich für den Betroffenen einsetzte, wurde mit Bunkerhaft bedroht, statt auf seinen Ruf nach einem Arzt zu hören, »bis aus der Blinddarmentzündung ein kapitaler Blinddarmdurchbruch geworden war«, so Stucke. Sein Mandant habe nur durch eine Notoperation überlebt.

Nach Ansicht von Carolin Linnert, Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen, ist für die Probleme des Gefängnisses nicht nur der Leiter, sondern Justizsenator Jens Böhrnsen (SPD) verantwortlich. Für den meldete sich Staatsrat Ulrich Mäurer als unmittelbarer Vorgesetzter des auf Dienstreise befindlichen Otto zu Wort und wies »die unqualifizierten Vorwürfe einiger Strafverteidiger« zurück. »Dr. Otto genießt für seine Arbeit das volle Vertrauen des Justizsenators.« Mit dieser vorschnellen Billigung gerät nun auch Mäurer in die Schußlinie, der in Anspielung auf den gerade geschaßten Hamburger CDU-Justizsenator in Bremen schon als »der Kusch von der Weser« gehandelt wird. Mäurer ist seit längerem wegen seiner Rolle bei Brechmitteleinsätzen und seiner Äußerungen über »jugendliche Intensivtäter« in der Kritik und hat bundesweit für heftige Kontroversen gesorgt, weil er für dafür plädiert, den Jugendstrafvollzug völlig abzuschaffen.

Für die rechtspolitische Sprecherin der CDU, Sybille Winter, ist über Otto »das letzte Wort noch nicht gesprochen«. Sie kündigte für Freitag eine Sitzung des Rechtsausschusses der Bremer Bürgerschaft an, in dem insbesondere der erwähnte Selbstmord in der U-Haft Thema sein werde. Für die Anwälte »ein Indiz, daß diesmal unsere Vorwürfe nicht so locker zurückzugeben sind«, wie Martin Stucke gegenüber junge Welt erklärte.

[  jungewelt.de





29 March 2006
JVA: Diagnose en passant?
CDU will "offenkundige Widersprüche" beim Selbstmord eines U-Häftlings aufklären

"Vollständige Aufklärung der Vorgänge" im Zusammenhang mit dem jüngsten Selbstmord eines Untersuchungshäftlings in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen verlangt die justizpolitische Sprecherin der CDU, Sibylle Winther. Die Anwältin des Verstorbenen hatte gestern schwere Vorwürfe gegen die JVA erhoben. So hätten Mithäftlinge berichtet, dass ihr Mandant mehrfach um psychologische Betreuung gebeten habe. Auch seine Frau, die ihn am Vortag seines Todes besuchte, habe ihn verzweifelt vorgefunden. Aus vielerlei Akten sei zudem ersichtlich gewesen, dass der Mann suizidgefährdet sei. Die JVA ließ ihm dennoch keine Hilfe zukommen.

JVA-Leiter Manfred Otto, selbst Psychologe, hatte gegenüber dem Rechtsausschuss zuletzt betont, er habe persönlich mit dem Untersuchungshäftling gesprochen. Dabei habe dieser einen fröhlichen Eindruck gemacht - "eine folgenschwere Fehldiagnose", wie die Anwältin kritisierte. Nach Informationen der taz wissen selbst Mitarbeiter der U-Haft-Abteilung nichts von dem Treffen. Man müsse klären, ob Otto seine Diagnose "im Rahmen eines therapeutischen Gesprächs oder en passant" gewonnen habe, sagte Winther. Die Forderung der Bremer Strafverteidiger nach einer Ablösung Ottos wollte sie sich gestern noch nicht zu Eigen machen. sim

[  taz.de





29 March 2006
Polizeichef um Ruf besorgt

Nachdem ein Richter Misshandlungen im Abschiebeknast verurteilt hat, will die Polizei den Vorfall jetzt untersuchen. Grüne fordern mehr Transparenz und kritisieren Korpsgeist

Nachdem ein Berliner Amtsrichter zum ersten Mal bestätigt hat, dass ein Häftling im Abschiebegewahrsam Köpenick misshandelt wurde, kündigt Polizeipräsident Dieter Glietsch eine Überprüfung des Vorfalls an. Sollte sich die Aussage des Richters "durch das Urteil und seine Begründung bestätigen, dann handelt es sich in der Tat um eine Ungeheuerlichkeit, die arbeitsrechtliche Konsequenzen für die beteiligten Angestellten haben wird", so Glietsch. Als Ungeheuerlichkeit hatte auch der Amtsrichter die Prügel für einen Häftling durch bezeichnet.

Der ghanaische Häftling Peter G. hatte am Montag vor Gericht erklärt, er sei im Abschiebegewahrsam von einem Beamten mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden. Der Angeklagte wurde aber freigesprochen, weil das Opfer im Gerichtssaal einen anderen Polizisten als Täter identifiziert hatte. Der Staatsanwalt kündigte daraufhin an, gegen den Schläger Ermittlungen einzuleiten.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Ratzmann, verlangt im Hinblick auf den Fall mehr Transparenz im Abschiebegewahrsam."Man muss dafür sorgen, dass solche Fälle an die Öffentlichkeit gelangen", sagt er. Das Problem sei der Korpsgeist, der unter den Sicherheitskräften herrsche. "Man denunziert nicht gerne." Die Grünen fordern daher die Einrichtung eines Polizeibeauftragten, an den sich Mitarbeiter vertrauensvoll wenden können, um Übergriffe von Kollegen auf Häftlinge zu melden.

Wegen solcher Misshandlungsvorwürfe stand das Abschiebegewahrsam schon häufiger in der Kritik. Bisher kam es aber nie zu einer Verurteilung. Der Seelsorger des Köpenicker Gewahrsams, Dieter Müller, erklärt, warum das so ist: "Die Opfer scheuen vor Anzeigen zurück, weil sie mit einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt rechnen müssen." Außerdem seien Häftlinge wegen ihres kulturellen Hintergrunds wenig geneigt, sich mit der Polizei anzulegen.

Der Seelsorger hat auch Positives zu vermelden. Bei seiner Arbeit im Abschiebegefängnis habe er in letzter Zeit Verbesserungen wahrgenommen. "Die Beamten achten mehr darauf, was ihre Kollegen tun", sagt Müller. Damit hätten auch die Klagen von Häftlingen abgenommen. Polizeipräsident Glietsch sieht das ähnlich und bangt wegen des jüngsten Falls um das Image seiner Truppe: "Ich würde es bedauern, wenn der gute Ruf, den sich die Mitarbeiter erarbeitet haben, wieder Schaden nehmen würde." Im Übrigen würde man "seit Jahren" alles tun, um eine "menschenwürdige Behandlung" zu gewährleisten.

[  taz.de





28 March 2006
Strafrecht: "Vorübergehend" darf ein Häftling weiter fern sehen

Führt eine Justizvollzugsanstalt die Regelung ein, von jedem Gefangenen, der außer einem einfachen Radiogerät weitere Elektrogeräte besitzt, eine Stromkostenpauschale von zwei Euro pro Monat zu erheben, so dürfen einem Insassen, der die Abgabe verweigert, die Elektrogeräte nicht aus der Zelle genommen werden. Bis zur Verhandlung der Hauptsache darf die Erlaubnis, die Geräte in seinem Haftraum zu nutzen, nicht widerrufen werden. (Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 917/05)

[  valuenet.de





28 March 2006
Polizei bekommt Hilfe von Privaten

Die Berliner Polizei will künftig eng mit privaten Sicherheitsfirmen zusammenarbeiten. Dabei soll es um den Austausch von Informationen über die Sicherheitslage in Berlin gehen. Einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichneten gestern Polizeivizepräsident Gerd Neubeck und der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS), Rainer Ehrhardt. Danach werden die BDWS-Firmen eine Leitstelle betreiben, die der Polizei als zentraler Ansprechpartner dient. Zudem sollen die privaten Sicherheitsfirmen die Polizei bei Öffentlichkeitsfahndungen unterstützen. Die Polizei betonte, dass die privaten Sicherheitsunternehmen keine zusätzlichen Befugnisse erhielten und das staatliche Gewaltmonopol unangetastet bleibe. Auch der Datenschutz bleibe gewahrt. dpa

[  taz.de





March 2006
Innere Sicherheit März 2006

* Die Bevölkerung hat ein klares Bild davon, welche Sicherheitskräfte für welche Aufgabe besser geeignet sind. So ist die Bundeswehr am besten geeignet für die Hilfe bei Seuchen und Naturkatastrophen (74%), während die Polizei für die Sicherheit bei Großveranstaltungen (86%) und den Schutz wichtiger Personen und Gebäude (81%) besser geeignet ist.

* Um die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr in Deutschland zu erweitern, würde die Mehrheit der Befragten einer Grundgesetzänderung zustimmen (61%). Nur ein Drittel der Befragten lehnt eine solche änderung ab (31%).

* Bewaffnete Soldaten im öffentlichen Raum führen bei etwa der Hälfte aller Befragten zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl (47%). Für die anderen Personen wäre dieser Anblick eher abschreckend (44%). Dagegen sagen etwa sechs von zehn Befragten (59%), bewaffnete Polizisten würden ihr Gefühl von Sicherheit verstärken. [...]

[  ipsos.de





28 Mach 2006
Anwälte: Knast-Chef muss weg

Wegen unhaltbarer Zustände im Bremer Gefängnis fordern Bremer Anwälte den Rücktritt von JVA-Chef Manfred Otto. Der setze nur auf Repression - und unterlaufe damit das Ziel der Resozialisierung

Schwere Vorwürfe gegen den Leiter der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen, Manfred Otto, hat die Arbeitsgemeinschaft Strafverteidigung im Bremischen Anwaltsverein erhoben. Im Bremer Gefängnis würden Gefangene nur noch verwahrt, es gebe zu wenig Hilfsangebote, Vollzugslockerungen und offener Vollzug würden viel zu restriktiv gehandhabt. "Herr Otto ist nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass dem Resozialisierungsgebot Rechnung getragen wird", sagte der Leiter der Arbeitsgemeinschaft, Armin von Döllen, der taz. Justizsenator Jens Böhrnsen (SPD) stellte sich hinter Otto. Dieser setze "die vollzugspolitischen Vorgaben um" und genieße volles Vertrauen.

Die Resozialisierung von Gefangenen, insistieren die Anwälte, sei der eigentliche Zweck des Justizvollzugs. Scheitere sie, würden die Inhaftierten das Gefängnis nicht in einem besseren, sondern in einem schlechteren Zustand verlassen, als sie es betreten hätten. "Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein", so von Döllen. Räume Otto seinen Stuhl, heiße es auch unter Beschäftigten, "knallen hier die Sektkorken".

Wegen der reduzierten Platzzahl und der verschärften Anforderungen müssten Gefangene inzwischen oft drei bis neun Monate länger warten, bis sie endlich in den offenen Vollzug kämen, sagte Rechtsanwalt Martin Stucke - mit der Folge, dass ihr Arbeitsplatz dann möglicherweise längst weg sei. Als katastrophal bewerten die Strafverteidiger insbesondere die Zustände in der U-Haft, wo Abteilungsleiterin Andrea Jager mit drakonischen Maßnahmen regiere: Wer sie nicht grüße, werde in seiner Zelle eingeschlossen, wer Kritik äußere, riskiere, wegen "versuchter Gefangenenmeuterei" in die Isozelle gesteckt zu werden. 14 von 21 MitarbeiterInnen der Abteilung haben in den letzten Monaten beantragt, in eine andere Abteilung versetzt zu werden. Otto sei auch hier seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen, klagen Beschäftigte.

Nach Informationen der taz wird Jager die JVA zum 1. April verlassen - auf eigenes Betreiben. Ob dies in Zusammenhang mit dem Selbstmord eines U-Häftlings Ende Februar steht, ist offen. Das Obduktionsergebnis, das eine Eingrenzung des Todeszeitpunkts erlaubt, liegt zwar vor. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Nach Informationen der Verteidigerin des Verstorbenen, Christine Vollmer, waren an dem Morgen, an dem ihr Mandant tot aufgefunden wurde, nur zwei statt fünf Beamte auf der Station - weswegen der "Lebendkontrolle" genannte erste Rundgang des Personals erst zwei Stunden später als sonst stattfand. Nach Angaben eines Mithäftlings habe der Selbstmörder in seinen letzten Lebenstagen mehrfach unter Tränen geschildert, dass es ihm sehr schlecht gehe. Dies steht in Widerspruch zu den Angaben Ottos. Der hatte gegenüber dem Rechtsausschuss betont, den Verstorbenen kurz vor dessen Tod noch selbst aufgesucht und vergnügt vorgefunden zu haben.

Psychologische Betreuung hat der auch ausweislich früherer Haftakten suizidgefährdete Gefangene nicht bekommen. Stattdessen sei der Mithäftling, der die Beamten der Mitschuld bezichtigte, auf einer Liege fixiert und 36 Stunden in den "Bunker" verbracht worden.

[  taz.de





March 2005
Kriminalstatistik 2005
"Das Böse ist immer und überall"
Warum wir eine Zunahme der Kriminalität sehen, wo keine ist

Die Kriminalität sinkt, doch die Furcht der Deutschen vor Verbrechen wächst, die Gerichte strafen härter und die Politik lässt neue Haftplätze bauen. Eine aktuelle Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen geht den Zusammenhängen nach.

Die Statistiken melden rückläufige Zahlen bei Straftaten, vor allem bei schweren Delikten, doch das Strafbedürfnis der Deutschen steigt ebenso wie die Zahl der Häftlinge. Großen Anteil an dieser Entwicklung hat die Berichterstattung über Kriminalität in den Medien und eine Politik, die sich eng an der öffentlichen Meinung ausrichtet. Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen ([extern] KFN) hat in einer Studie nachgefragt, wie die Bevölkerung in Deutschland die Kriminalitätsentwicklung beurteilt, wie sie in ihrem Urteil von den Medien beeinflusst wird und welche Folgen dies für die Kriminalpolitik hat.[...]

[  Full Article / Das Böse ist immer und überall / 2004


Polizeiliche Statistik
Sehr gute Schwerpunktausgabe der Cilip, leider nur als Papierversion bestellbar

[   Bürgerrechte & Polizei/CILIP 77 (1/2004) Schwerpunkt: Polizeiliche Statistik

[  Statistics as police instrument / Summary


[  Die Fälschung der Kriminalstatistik
   Ein paar Wahrheiten über die gängige Kriminalpolitik / 1998


[  Die Drohung mit der Jugend
   Mystifizierende Statistik und öffentliche Moralisierung / 1999


[  Kriminalität und Kriminalitätsfurcht
   - Wo gehobelt wird, fallen Späne / 1997


und hier einige PKS:

[  Kriminalstatistik 2005 / NRW

[  Kriminalstatistik 2005 / MECKLENBURG

[  Kriminalstatistik 2005 / BRANDENBURG

[  Kriminalstatistik 2005 / HAMBURG

[  Kriminalstatistik 2005 / BERLIN

[  Kriminalstatistik 2005 / BAYERN

[  Kriminalstatistik 2005 / 





25. March 2006
Krass unverhältnismäßig

Erste Lesung des neuen Polizeigesetzes im Kieler Landtag: Opposition übt harsche Kritik. Die Opposition im Kieler Landtag hat die geplante Reform des schleswig-holsteinischen Polizeirechts am Donnerstag heftig kritisiert. Das Gesetz sei schlicht verfassungswidrig, sagte FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki während der ersten Lesung der Gesetzesnovelle im Landtag. Kubicki kritisierte, daß ein vorbeugendes Anzapfen von Telefonen und Handys genauso unzulässig sei wie die geplante engmaschige Videoüberwachung aller größeren Plätze und Straßen des Landes. Von einer »ungerechtfertigten Einschränkung der Freiheitsrechte der Bürger« durch die CDU-SPD-Landesregierung sprachen auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Lütkes und die Fraktionsvorsitzende des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) Anke Spoordendonk. Verdachtsunabhängige Personenkontrollen, ein automatisches Lesesystem für Autokennzeichen und geplante Möglichkeiten für erweiterte Platzverweise, brächten zudem nicht mehr Sicherheit.

Innenminister Ralf Stegner (SPD) verteidigte den Gesetzentwurf: Er ermögliche eine »Verbrechensbekämpfung mit Augenmaß«. Er akzeptiere nicht, daß Datenschutz vor Opferschutz gehe, sagte Stegner und wischte damit Einwände des »Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein« vom Tisch. Wie berichtet, hatten die Datenschützer das neue Gesetz kritisiert, weil es den »Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung« nicht mehr gewährleiste, was Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes widerspreche. Kritik kommt auch von der Polizeigewerkschaft GdP, die in einer Stellungnahme »Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung« der Bürger nur dann für zulässig halten wollte, wenn ein konkreter Sicherheitsanspruch der Bürger existiere. Eine »Schleppnetzfahndung« mit geringer Eingriffsschwelle werfe hingegen die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel auf, betonten die Gewerkschafter. Doch die Große Koalition scheint trotzdem entschlossen, das neue Gesetz, das vor seiner Verabschiedung im Landtag noch einmal beraten werden muß, auf Biegen und Brechen durchzusetzen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Rother erklärte, nur durch das neue Gesetz könne der »Schutz der Menschen vor Straftaten« verbessert werden.

[  jungewelt.de





25 March 2006
Die Polizei zoomt sich ganz nah ran

Videoüberwachung von "Kriminalitätsschwerpunkten": Hamburg installiert Kameras auf der Reeperbahn, Schleswig-Holstein debattiert derweil über ein neues Polizeigesetz, das großflächige Kamerakontrollen erst ermöglicht. Bremen hat das längst

Mit Batterien von Videokameras wollen Hamburg und Schleswig-Holstein jetzt die Überwachung von öffentlichen Straßen und Plätzen beginnen. Während die Hansestadt den "Kriminalitätsschwerpunkt" Reeperbahn bis Ende kommender Woche mit einem Dutzend Kameras ausrüsten wird, beriet der Kieler Landtag am vergangenen Donnerstag die gesetzlichen Grundlagen für die umstrittene Tele-Überwachung.

Weil auf der angeblich "sündigsten Meile der Welt" in den vergangenen Jahren stets mehr Gewalt- und Diebstahlsdelikte registriert wurden als an neun weiteren Hamburger "Kriminalitätsschwerpunkten" zusammen, wählte die Innenbehörde der Hansestadt die Reeperbahn für die erste Komplett-Videoüberwachung einer Straße aus. Rund um die Uhr sollen die zwölf auf dem Hamburger Kiez installierten Kameras Bilder an die berühmte Davidwache und das Hamburger Polizeipräsidium senden. Dabei geht es der Hamburger Innenbehörde um Aufklärung und Abschreckung zugleich: Potenzielle Straftäter sollen wissen, dass man sie beobachtet, geschehene Verbrechen mithilfe der Bilder aufgeklärt werden.

Das Konzept ist umstritten: So betont Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski, dass eine Kamera-Überwachung "in der Regel lediglich zu einer örtlichen Verdrängung und Verlagerung der Kriminalität" führe. Ein Drogenhändler etwa werde "seinen Arbeitsplatz einfach an eine andere Stelle verlegen". Nur "der rational agierende Täter", so weiß Lubomierski, reagiere überhaupt auf diese Form der Kontrolle - Spontan- oder Affekttaten könnten so nicht verhindert werden. Zudem beklagt der Datenschützer, dass die Polizei das Filmmaterial nicht nach wenigen Tagen vernichtet, sondern einen ganzen Monat aufbewahrt.

Innenbehörden-Sprecher Marco Haase räumt durchaus ein, dass die Videoüberwachung "kein Allheilmittel" sei. Zusammen mit anderen Maßnahmen wie einer verstärkten Polizeipräsenz und "lageabhängigen" Personenkontrollen werde sie die Sicherheit auf dem Kiez aber erhöhen. Dabei ist die Reeperbahn-Überwachung ohnehin nur ein Testlauf. Ganz oben auf der Liste weiterer Überwachungsorte stehen der als Drogenumschlagplatz bekannte Hansaplatz in St. Georg sowie die S-Bahnhöfe Bergedorf und Neugraben. "Wir werden die Auswirkungen der Videoüberwachung genau analysieren und dann entscheiden, ob wir sie auf andere Kriminalitätsbrennpunkte ausweiten", schaut Haase schon mal in die Zukunft.

Möglich wurde die Überwachung per Kiez-Kameras erst durch eine im vergangenen Herbst beschlossene Novelle des Hamburger Polizeigesetzes, die die gesetzlichen Grundlagen für die Video-Überwachung lieferte. Ein Gesetz mit Vorbildcharakter: Am Donnerstag debattierte der Kieler Landtag eine Verschärfung des schleswig-holsteinischen Polizeirechts, die dem Hamburger Modell weitgehend folgt. Das Gesetz, gegen das vor allem der schleswig-holsteinische FDP-Chef Wolfgang Kubicki "verfassungsrechtliche Bedenken" hegt, ist noch nicht einmal beschlossen, da melden verschiedene Städte schon Begehrlichkeiten an. So kündigte das bislang als Verbrechens-Metropole kaum in Erscheinung getretene Rendsburg (28.500 Einwohner) an, so bald wie möglich den Schiffsbrückenplatz und den Altstädter Markt videoüberwachen zu lassen.

Erfahrungen mit der flächendeckenden Videoüberwachung öffentlicher Räume gibt es bereits seit Jahren in Bremen. Die Weser-Metropole erlaubte sich bereits 2001 das Abfilmen von Kriminalitätsbrennpunkten per Polizeigesetz und begann ein Jahr später als eine der ersten deutschen Städte auf dem Bahnhofs-Vorplatz mit der Kamera-Kontrolle öffentlicher Räume.

Doch wissenschaftlich erhärtet werden konnte auch hier der Nutzen der Überwachung bislang nicht. Das gelang laut der Soziologin Daniela Brandt von der Universität Bielefeld bislang in kaum einer der 27 deutschen Städte, die seit mindestens 2003 versuchen, mit laufender Kamera die Kriminalität zu vermindern. So bleiben die geplanten Kamera-Kontrollen zwischen Rendsburg und Reeperbahn weiter höchst umstritten. Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen Johannes Vogel unkt gar, Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) wolle "seinen Beamten auf der Davidwache eine kostenlose Peep-Show zur Verfügung stellen".

Ein Blick nach England, dem Mutterland der Videoüberwachung öffentlicher Räume zeigt, das diese Unterstellung so absurd wohlmöglich gar nicht ist. Anfang der Woche wurde bekannt, dass im nordenglischen Bezirk Northumbria zwei Polizisten vom Dienst suspendiert wurden. Sie hatten in Pubs Nacktfotos angeboten. Die Bilder waren von einer Überwachungskamera zufällig eingefangen worden.

Das "little sister-Aktionsbündnis gegen Kontrolle und Videoüberwachung" veranstaltet am heutigen Samstag ab 15.30 Uhr an der Reeperbahn/Ecke Hamburger Berg einen "Aktionstag gegen Videoüberwachung"

[  taz.de





23. March 06
Einsätze der Bundeswehr bald auch im Innern
Vor der Rückkehr zum preußisch-deutschen Militärstaat

[  Einsätze der Bundeswehr bald auch im Innern





21 March 2006
Hamburg baut WM-Gefängnis

Die Stadt Hamburg will für die Fußball-WM ein Kurzzeit-Gefängnis bauen. Dessen Lage sei ideal für die Verwahrung von Hooligans.

Die Stadt Hamburg baut zur Fußball-Weltmeisterschaft ein neues Kurzzeit-Gefängnis für bis zu 150 Randalierer und Hooligans. Der Zellentrakt soll auf dem Gelände einer stillgelegten Waschanlage für Streifenwagen entstehen, wie ein Sprecher der Innenbehörde am Dienstag mitteilte. Die Zellen sollen nach dem Ende der WM weiter genutzt werden, fügte ein Polizeisprecher hinzu.Im WM-Gefängnis sollen Randalierer «vorübergehend in Gewahrsam genommen» werden. Die Einrichtung sei vergleichbar mit regulären Zellen in Polizeiwachen. Das WM-Gefängnis soll auf dem Gelände der früheren Polizeidirektion West im Stadtteil Altona an der Stresemannstraße entstehen. Von dort ist es nicht weit zu den möglichen Brennpunkten der WM.Das WM-Stadion ist nur Minuten mit dem Auto entfernt, auch die Partymeile Reeperbahn, wo die Fans nach den Spielen feiern gehen können, ist nahe. Das gilt auch für das so genannte Heiligengeistfeld - einen Platz in der Stadt, wo die Spiele über eine Großbildleinwand übertragen werden.

Vorübergehende Haft erlaubt

Das Hamburger Polizeirecht erlaubt es Beamten, Personen zur Gefahrenabwehr vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen. Dieser so genannte Unterbindungsgewahrsam ist dem Sprecher zufolge im Extremfall bis zu zwei Wochen lang möglich. Für den Umbau sowie für Einsatz- und Betriebsmittel sind 3,8 Millionen Euro vorgesehen.Insgesamt belasten die Sicherheitsmaßnahmen während der Fußball-WM den Hamburger Haushalt mit voraussichtlich 8,8 Millionen Euro. Diese Zahl gab Innensenator Udo Nagel am Dienstag bekannt. Der größte Teil der Kosten sind zusätzliche Personalausgaben: So fallen rund 3,2 Millionen Euro für Überstunden etwa von Polizei und Feuerwehr an.In Hamburg finden fünf der 64 WM-Spiele statt, sowie viele begleitende Veranstaltungen. Außerdem will sich die US-Nationalmannschaft in einem Luxushotel mitten in der Stadt einquartieren. (AP)

[  netzeitung.de





21 March 2006
Land plant neue Einrichtungen für jugendliche Straftäter

Potsdam (MOZ) Eine Rückfallquote von bis zu 70 Prozent bei jugendlichen Straftätern lässt das brandenburgische Justizministerium nach neuen Wegen suchen. Gemeinsam mit freien Trägern sollen Strafgefangene in neuen Einrichtungen außerhalb der Gefängnismauern ein Leben mit selbst gestellten Regeln lernen.

Im Sommer soll es losgehen. Erst einmal mit einer Ausschreibung. Abteilungsleiter Manfred Koldehoff rechnet damit, dass er Anfang 2007 mit seinem neuen Projekt starten kann. Nach Erfahrungen aus Baden-Württemberg soll auch in Brandenburg künftig jugendlichen Straftätern die Möglichkeit gegeben werden, sich in einer anderen Umgebung als der Justizvollzugsanstalt zu bewähren.Laut Koldehoff gibt es eine Reihe von Jugendlichen, die in einer Anstalt "ganz gut mitlaufen", die Regeln akzeptieren, aber nach ihrer Entlassung in ein unstrukturiertes Nichts fallen. Und schon bald wieder vor den Schranken der Justiz stehen.Ein Teil davon, Koldehoff rechnet mit zehn Prozent der in Brandenburg inhaftierten 300 Jugendlichen und Heranwachsenden, könnte in speziellen Einrichtungen untergebracht werden, in denen sie eine intensivere Betreuung erfahren als das beispielsweise in der Jugendvollzugsanstalt Wriezen der Fall ist. Geregelter Tagesablauf, Arbeit, Sport, Lernen und Tagesreflexionen in kleinen Gruppen sieht das Programm vor.

Ziel sei es, dass die jungen Männer (Mädchen sind nach wie vor eine Ausnahme) Regeln anerkennen lernen, die ihnen auch später in der Freiheit helfen, ihr Leben zu strukturieren. Der Aufenthalt in solchen Einrichtungen wird auf neun bis zwölf Monate angesetzt. Eine Zeit, in der sie nach wie vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) unterstehen und dorthin jederzeit zurückwandern können. "Das Ganze wird nicht den Charakter eines Ferienlagers haben", unterstreicht Manfred Koldehoff. Er verweist darauf, dass sich in Baden-Württemberg einige Teilnehmer aus Bequemlichkeit und Angst vor dem Stress zurück in das Gefängnis verlegen ließen.Voraussetzung für die Teilnahme an einer entsprechenden Lockerungsmaßnahme - so der Fachausdruck - ist, dass von den Betroffenen keine Gefahr ausgeht. Koldehoff geht davon aus, dass dem Land für die Unterbringung der jugendlichen Straftäter in den künftigen Heimen keine zusätzlichen Kosten entstehen werden. Die 30 Plätze würden eben im Strafvollzug abgebaut. Eine Idee, die bei der Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten nicht auf Gegenliebe stößt. Dort befürchtet man eine Verlagerungen der hoheitlichen staatlichen Aufgaben in den privaten Bereich - mit der Konsequenz, dass Stellen im Vollzug abgebaut werden. Der Rechtsausschuss des Landtages forderte deshalb eine Gutachten. Das liegt inzwischen vor und sieht keine rechtlichen Bedenken.

[  moz.de





22. March 2006
Eltern gegen Projekt für sexuell gestörte Jugendliche
Widerstand gegen Resozialisationsprojekt im Diakoniezentrum Heiligensee - Eltern fürchten um ihre Kinder

Schon wieder wird in Reinickendorf in der Nähe von Kindertagesstätten ein Resozialisationsprojekt angesiedelt. Es heißt "Male" und betreut mißbrauchte Jugendliche, die teilweise schon selbst zu Tätern wurden. Gegen die geplante Eröffnung im Diakoniezentrum Heiligensee entwickelt sich massiver Widerstand. Vor allem Eltern befürchten Übergriffe auf ihre Kinder. Sie verstehen nicht, wieso solch ein Projekt in der Nähe von sechs Kitas entstehen soll.

Neben der Kindertagesstätte Regenbogen an der Keilerstraße 15 befinden sich fünf weitere kleinere Kitas auf dem Gelände. "Im Diakoniezentrum leben zudem viele Behinderte, die nicht für sich selbst sorgen können, wie sollen sie geschützt werden?" Ulrike Bünte ist Mutter von vier Kindern. "Mein Jüngstes sollte bald die Kita Regenbogen besuchen. Wenn jedoch auf dem Gelände Jungen mit gestörtem sexuellen Verhalten herumlaufen, werde ich ihn nicht dort hinschicken."

Das Hilfsprojekt Male des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks Lazarus betreut bereits in Lankwitz acht Jungen im Alter von zwölf Jahren an. Es handelt sich um Kinder, die selbst mißbraucht wurden. Sie weisen vielfältige psychosexuelle Störungen auf. Neben aggressiven Ausbrüchen, Zündeln, Schulverweigerung, aber auch Selbstmordgefährdung sind sie teilweise inzwischen selbst durch sexuelle Übergriffe auf andere Kinder auffällig geworden. Dabei suchen sich solch stark gestörte Heranwachsende häufig schwächere, jüngere oder abhängige Kinder als Opfer aus. Bei Male werden sie rund um die Uhr betreut. Sie sollen lernen, ihre emotionalen, sexuellen und sozialen Bedürfnisse ohne Gewalt und Manipulation zu befriedigen.

Auch Claudia Roski, deren Sohn die Kita Regenbogen besucht, sorgt sich. "Im Umfeld dieser Wohngruppe gibt es etwa 120 Kindergartenkinder. Wer garantiert mir, daß nichts passiert?"Im Bezirksamt stößt das Vorhaben ebenfalls auf Unverständnis. Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU): "Wir wurden darüber nicht informiert." Auch das Fürsorgewerk hielt es offenbar nicht für nötig, sich rechtzeitig mit dem Bezirk in Verbindung zu setzen. Jugendstadtrat Peter Senftleben (SPD) weist daraufhin, daß der Bezirk kein Recht hat, dem Träger vorzuschreiben, was er auf seinem Gelände in Heiligensee betreibt.

Das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk verweigerte gestern eine Stellungnahme.

Vor dem Hintergrund, daß der Bezirk mit Resozialisationseinrichtungen überfrachtet ist, hält es Marlies Wanjura für unangebracht, ein weiteres Projekt dieser Art im Bezirk anzusiedeln. Bereits vor einem Jahr gab es massive Proteste gegen die Ambulanz für Sexual- und Gewaltstraftäter in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Wanjura hat inzwischen die Senatsverwaltungen zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Die Senatsjustizverwaltung hält aus ihrer Sicht solch eine Einrichtung für sinnvoll, verweist aber auf die zuständige Jugendverwaltung. Deren Sprecher Jens Stiller versteht die Aufregung nicht: "Diese Jungen sind als Kinder mißbraucht worden, niemand will, daß sie als Erwachsene zu Tätern werden!" Die Therapiegruppe bestehe aus Jungen, die selber Opfer sexueller Gewalt waren. Einige von ihnen seien zu Tätern geworden. Stiller weiter: "Der Träger gehört zu den absoluten Profis auf dem Gebiet der Therapie und Betreuung. Wir gehen davon aus, daß der Träger seine gute Arbeit auch in diesem Falle zeigen wird."

Die Senatsjugendverwaltung teilt die Bedenken der Heiligenseer Eltern nicht. "Das Fürsorgewerk wird sich nicht selbst schädigen, weil es auf ihrem Gelände eine solche Wohngruppe einrichtet." Außerdem sei dieses Projekt gerade im Diakoniezentrum gut eingebettet, weil dort auch andere benachteiligte Gruppen sehr personalintensiv betreut würden. Stiller geht zudem davon aus, daß das Fürsorgewerk die Öffentlichkeit zum richtigen Zeitpunkt informieren wird. Das Wohnprojekt soll im April starten.

[  welt.de





20. March 2006
Polizei entführt 3-Jährigen, um Mutter abzuschieben

Bei einem Polizeieinsatz wurde in Dresden ein Kind als Druckmittel für die Abschiebung der Mutter benutzt. Gegen die verantwortlichen PolizistInnen wird nun wegen Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung und erpresserischen Menschenraubs ermittelt.

Es liest sich durchaus wie aus einem Drehbuch zu einem unterklassigen Fernseh-Krimi, was sich am 6. März im Dresdner Stadtteil Gorbitz abspielte. Das Szenario: Kurz nach 8 Uhr fahren zwei Streifenwagen im Limbacher Weg vor, zwei uniformierte Polizeibeamtinnen betreten die dortige Kindertagesstätte OUTLAW und verlangen die Herausgabe eines 3-jährigen Angolaners. Als Begründung stellt sich später heraus, dass man über das Kind der im April 2001 in die Bundesrepublik eingereisten Mutter habhaft werden wollte. Deren Asylantrag war im Oktober 2002, für ihren Sohn im Juni 2004, abgelehnt und vom deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Dezember 2004 rechtskräftig beschieden worden, weil in den Augen des Amtes keine erkennbaren Abschiebehindernisse vorlagen.

Die Zentrale Ausländerbehörde Chemnitz (ZAB) kündigte im Juli 2005 die Abschiebung von Mutter und Sohn an. Angaben der ZAB zufolge sei die 31-jährige Mutter noch an jenem 6. März von der Polizei telefonisch aufgefordert worden, ihren Sohn aus der Kindertagesstätte abzuholen, dort aber nicht erschienen. Wann und ob dieser Kontakt zur Mutter überhaupt wirklich stattgefunden hat, konnte allerdings bisher nicht aufgeklärt werden. Unwidersprochen ist ebenfalls die Schilderung, der Mutter sei gedroht worden, ihr Kind notfalls auch alleine nach Angola abzuschieben.

Nach dem sich die ErzieherInnen des OUTLAW zunächst weigerten, den Jungen herauszugeben, wurde zusätzliche polizeiliche Verstärkung angefordert. Schließlich gestattete die Polizei wenigstens, dass eine Vertrauensperson den Jungen im Streifenwagen zum Kinder- und Jugendnotdienst begleiten darf. Stunden später wurde dann das Kind mit der lapidaren Bemerkung "Der hat jetzt Hunger" wieder in die Kindertagesstätte zurück gebracht. "Noch ist unklar, was tatsächlich in der Zwischenzeit passiert war", stellte die Sächsische Zeitung am nächsten Tag eine der offenen Fragen zu den Geschehnissen.

Vor dem Jugendhilfeausschuss des Dresdner Stadtrates verteidigte Oberbürgermeister Roßberg (FDP) den Einsatz der Polizei. Jugendamtsleiter Lippmann versprach eine Aufklärung der Vorgänge. Die sächsische Ausländerbeauftragte de Haas (CDU) erklärte gegenüber dem Online-Magazin Telepolis: "Die Menschenwürde ist ein unantastbares Gut und bestimmt jedes polizeiliche Handeln." Darüber hinaus, so de Haas weiter, müsse gerade bei Kindern im Zweifel das Interesse an einer schnellen Abschiebung hinter dem Kindeswohl zurückstehen. Mutter und Kind sind jedenfalls nach den Ereignissen erst einmal untergetaucht.

Die Staatsanwaltschaft untersucht nunmehr, ob sich die PolizeibeamtInnen und deren Vorgesetzte wegen Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung oder auch erpresserischen Menschenraubs vor Gericht verantworten müssen. Die Grünen in Sachsen, die Dresdner AusländerInnenbeauftragte Marita Schieferdecker-Adolph und die Hilfsorganisation Pro Asyl verurteilen den Polizeieinsatz und sprechen von einer "Geiselhaft".

[  no-racism.net


Wenn die Kindertagesstätte staatlicher Tatort wird

19.03.2006

Bei einem bundesweit bisher einmaligen Polizeieinsatz wird in Dresden ein Kind als Druckmittel für die Abschiebung der Mutter benutzt Es liest sich durchaus wie aus einem Drehbuch zu einem unterklassigen Fernseh-Krimi, was sich am 6. März im Dresdner Stadtteil Gorbitz abspielte. Das Szenario: Kurz nach 8 Uhr fahren zwei Streifenwagen im Limbacher Weg vor, zwei uniformierte Polizeibeamtinnen betreten die dortige Kindertagesstätte [extern] OUTLAW und verlangen die Herausgabe eines 3-jährigen Angolaners. Als Begründung stellt sich später heraus, dass man über das Kind der im April 2001 in die Bundesrepublik eingereisten Mutter habhaft werden wollte. Deren Asylantrag war im Oktober 2002, für ihren Sohn im Juni 2004, abgelehnt und letztlich vom [extern] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Dezember 2004 mangels erkennbarer Abschiebehindernisse rechtskräftig beschieden worden.

Die Zentrale Ausländerbehörde Chemnitz (ZAB) kündigte im Juli 2005 die Abschiebung von Mutter und Sohn an. Angaben der ZAB zufolge sei die 31-jährige Mutter noch an jenem 6. März von der Polizei telefonisch aufgefordert worden, ihren Sohn aus der Kindertagesstätte abzuholen, dort aber nicht erschienen. Wann und ob dieser Kontakt zur Mutter überhaupt wirklich stattgefunden hat, konnte allerdings bisher nicht aufgeklärt werden. Unwidersprochen ist ebenfalls die Schilderung, der Mutter sei gedroht worden, ihr Kind notfalls auch alleine nach Angola abzuschieben.[...]

[  Full Article / Wenn die Kindertagesstätte staatlicher Tatort wird





17 March 2006
CDU stimmt gegen Sondersitzung des Rechtsausschusses
Abschiebehaft: Bericht des Anti-Folter-Komitees lag nicht vor

17. März 2006

Nach der massiven Kritik des Anti-Folter-Komitees des Europarats an den Unterkunftsbedingungen für Abschiebehäftlinge in Hamburg sollte sich gestern der Rechtsausschuß der Bürgerschaft auf einer Sondersitzung mit dem Thema befassen. Doch dazu kam es nicht: Mit der Stimmenmehrheit der CDU wurde ein entsprechender Antrag der SPD-Fraktion abgelehnt. Grund: Viviane Spethmann, rechtspolitische Sprecherin der CDU, bemängelte das Fehlen einer "ausreichenden Beratungsgrundlage". Tatsächlich mußten die SPD-Abgeordneten eingestehen, daß der für die Sondersitzung ursprünglich angekündigte ausführliche Bericht des Anti-Folter-Komitees nicht vorlag. Statt dessen hatte der Ausschußvorsitzende Rolf-Dieter Klooß (SPD) lediglich eine Zusammenschau aus Presseartikeln zusammengestellt. Während Spethmann meinte, "eine Ausschußberatung allein auf dieser Grundlage ist parlamentarisch verantwortungslos und inakzeptabel", sprach Andreas Dressel (SPD) von einem "völlig unverständlichen Mauern". Man dürfe nicht darauf warten, bis der Bericht des Komitees vorliege, sondern habe die Pflicht, Vorwürfe zu untersuchen, "sobald diese öffentlich diskutiert werden".

Nach Abendblatt-Informationen war das Anti-Folter-Komitee in dem bislang geheimgehaltenen Bericht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Lage der ausländischen Abschiebehäftlinge in der U-Haftanstalt am Holstenglacis "völlig inakzeptabel" sei. Dressel sagte, die CDU-Fraktion habe offenbar Angst, "mit dieser traurigen Realität konfrontiert zu werden". Auch Antje Möller (GAL) kritisierte: "Die Christdemokraten zeigen völliges Desinteresse an den Bedingungen für Abschiebehäftlinge." Dies sei um so erstaunlicher, da sich Justiz-Staatsrat Carsten Lüdemann (CDU) auf der Sitzung bereit erklärt hatte, Stellung zu nehmen. Spethmann konterte, die Gelegenheit zu Lüdemanns Befragung habe sehr wohl existiert: "Unter dem Tagesordnungspunkt ,Verschiedenes' hätten alle Fragen gestellt werden können. Es bleibt das Geheimnis von SPD und GAL, warum man darauf verzichtet hat." Spethmann will nun die Vorlage des offiziellen Berichts voraussichtlich im Sommer abwarten und sich bis dahin "selbst ein Bild von den Haftbedingungen machen". Dazu hatte Lüdemann alle Mitglieder des Rechtsausschusses ausdrücklich eingeladen. Bereits vor der Sitzung hatte Lüdemann gesagt: "Wir arbeiten in den Gefängnissen nach Recht und Gesetz. Das gilt auch für die Abschiebehaft. Dort, wo es über die gesetzlichen Standards hinaus etwas zu verbessern gibt, wird konsequent gehandelt."

[  abendblatt.de


JVA Fuhlsbüttel: Gestank, Enge und viele Tränen

17. März 2006

Vor zwei Wochen hat das Anti-Folter-Komitee des Europarats die Bedingungen für Abschiebehäftlinge in Hamburg gerügt (wir berichteten). Das Abendblatt hat sich ein Bild gemacht:

Die Häuser der Justizvollzugsanstalt "Santa Fu" sind von hohen Mauern mit Stacheldraht und Wachtürmen umgeben. Eine eigene Welt mitten in einer Siedlung in Fuhlsbüttel. So trostlos wie das Gebäude von außen aussieht, so beklemmend ist die Stimmung innen. Der Umgangston des Wachpersonals am Eingang ist barsch. "Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sind noch nicht dran", wird ein Inder von einem Wachmann angeherrscht. Zitternd hält der Mann seinen Paß in den Händen, den er bei der Anmeldung hinterlegen muß. Sonst kommt er nicht in das Gebäude. Handy und Portemonnaie müssen bei einem Besuch in einen Schrank geschlossen werden.

Die Häftlinge sind in vier Häusern untergebracht. Bis dorthin muß ein Besucher etliche Tore und Schranken passieren. Haus eins, in der Abschiebehaft: Tomislav J. (Name geändert) sitzt in einem Besucherraum mit einem Holztisch und drei Stühlen. Mit leiser Stimme beginnt er zu erzählen: daß ihn die Polizei vor einem Monat aus seiner Wohnung geholt und hierhergebracht habe, weil seine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen sei. Zurückgeblieben seien seine Frau und seine vier kleinen Kinder. "Ich vermisse sie so sehr", sagt er und starrt zur Decke. Wie die meiste Zeit während des Gesprächs, wenn er gegen seine Tränen ankämpft.

Tomislav J. muß sich mit sieben anderen Häftlingen die Zelle teilen. Streit und Ärger gibt es häufig. Wegen des Fernsehers, den sie sich teilen müssen, aber auch wegen der Toilette im Raum, die nur sichtgeschützt ist. "Es stinkt oft." Die Nächte in der JVA seien kurz. "Es ist sehr unruhig", sagt der Serbe, der nur nach Einnahme starker Medikamente schlafen kann. Am schlimmsten sei die mangelnde Bewegung. "Morgens eine halbe Stunde Hofgang, nachmittags eine halbe Stunde auf dem Gang", sagt er. Die Zeiten sind festgelegt. Morgens um 6 Uhr ist die Nacht zu Ende, 11.30 Uhr Mittagessen, um 17 Uhr schon wieder Abendessen. Dazwischen Stunden der Einsamkeit.

Auch mit der Körperpflege sei das so ein Problem. Zahnbürste, Zahnpasta und Seife gebe es von der Anstalt. Shampoo oder Deo müsse er zu überhöhten Preisen bei einem Monopolhändler einkaufen. "Duschen ist nur in chaotischem Gedränge möglich, wenn überhaupt."Telefonieren sei nur mit einer Pincard möglich, sagt J. Die habe er bereits vor einer Woche bestellt. Zeitungen gebe es im Gefängnis nicht. "Es sei denn, der Wärter hat gute Laune und schenkt uns seine Illustrierte", sagt der Serbe. Kontakt zur Außenwelt? "Besuch darf ich maximal einmal in der Woche für etwa eine halbe Stunde empfangen", sagt er. Nie ungestört. Die Tür zum Besucherraum steht immer offen.Tomislav J. hat hier schon viele Männer weinen sehen.

[  abendblatt.de


Abschiebehaft in Fuhlsbüttel soll ausgebaut werden

17. März 2006

Der Rechtsausschuß der Bürgerschaft wollte sich am Donnerstag abend mit Kritik des Anti-Folter-Komitees des Europarates (CPT) an den Bedingungen für Abschiebehäftlinge in Hamburg befassen. Justiz-Staatsrat Carsten Lüdemann erklärte auf der Sitzung, daß zum Mai die Abschiebeeinrichtung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel von 56 auf 98 Plätze erweitert werden soll. Damit werde die Justizbehörde der Kritik des Komitees begegnen, da die Zustände für Abschiebehäftlinge in der Untersuchungshaftanstalt bemängelt habe, so Lüdemann. Eine neue Abschiebehafteinrichtung werde es in Hamburg aber nicht geben. "Wenn wir die Plätze für die Abschiebehaft im Mai erweitert haben, wird ein Häftling nur noch in der UHA zugeführt und anschließend sofort nach Fuhlsbüttel verlegt", sagte Lüdemann. Zudem sollten die Bedingungen in Fuhlsbüttel verbessert werden.

Die Selbstbefassung des Ausschusses mit dem Thema lehnte die CDU aber ab, weil der Bericht der Komission noch nicht vorliege. "Der Ausschußvorsitzende hat uns unter Vorspielung der Tatsache, daß er den Bericht vorliegen habe, gedrängt, eine Sondersitzung zu machen. Er legte aber nur Zeitungsauschnitte vor, so daß es keine Beratungsgrundlage gab", sagte CDU-Rechtsexpertin Viviane Spethmann. Die SPD warf der Union vor, "skandalöse Zustände" vertuschen zu wollen. Auch GAL-Flüchtlingsexpertin Antje Möler meinte, die CDU zeige Desinteresse an den inakzeptablen Bedingungen für Abschiebehäftlinge. flo

[  welt.de





16 March 2006
Keine Verschärfung beim Zuwanderungsgesetz!
DAV: Gesetzentwurf widerspricht Europarecht

Berlin (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt die in dem Entwurf des Bundesministeriums des Innern für ein Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher EU-Richtlinien enthaltenen Verschärfungen des allgemeinen Ausländerrechts entschieden ab. Die Regelungen verstoßen teilweise gegen EU-Recht, andere sind schlicht verfassungswidrig. Zudem bedauert der DAV, dass der Entwurf keine Bleiberechtsreglung für langjährig Geduldete enthält.

„Die vorgesehene Verpflichtung für nachreisende Familienangehörige eines Ausländers, vor der Einreise Deutsch zu lernen, ist mit dem Grundgesetz und den Europäischen Richtlinien nicht vereinbar“, kritisiert Rechtsanwältin Veronika Arendt-Rojahn, Vorsitzende des DAV-Ausschusses Ausländer- und Asylrecht. Insbesondere für die Angehörigen von Flüchtlingen sei nämlich in der Richtlinie über den Familiennachzug (RL 2003/86/EG) vorgesehen, dass Integrationsmaßnahmen erst verlangt werden können, nachdem die Familienzusammenführung gewährt wurde. Dass der Nachweis von Deutschkenntnissen sogar für Ehegatten von deutschen Staatsangehörigen gelten solle, sei mit dem Schutz von Ehe und Familie nicht vereinbar. Viele Ehegatten hätten in ihren Heimatländern zudem kaum Möglichkeiten, die deutsche Sprache vor der Einreise zu erlernen. „Die Regelung darf aber nicht dazu führen, dass ein Nachzug auf Dauer ausgeschlossen wird,“ so Arendt-Rojahn.

Die vorgeschlagenen Regelungen für die „Sicherungshaft“ im Transitbereich des Flughafens bzw. die „Durchbeförderungshaft“ ohne richterliche Anordnung verstoßen klar gegen Artikel 104 Grundgesetz. Auch das geplante eigene Festnahmerecht der Ausländerbehörde lehnt der DAV ab. Bereits jetzt säßen die betroffenen Ausländer viel zu oft und viel zu lange in Haft.

[  Die ausführliche DAV-Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf ist hier abrufbar


[  anwaltverein.de


[  Zur Evaluation und zur geplanten Änderung des Zuwanderungsgesetzes auf flüchtlingsinfo-berlin.de


[  Gesetzentwurf





15 March 2006
13 000 Gefangene - und keinem gelingt die Flucht

REGENSBURG. In Bayern ist seit drei Jahren keinem Gefangenen mehr die Flucht aus einer Justizvollzugsanstalt gelungen. In Bayern müssen Fußball-Rowdies bei der WM mit einem Schnell-Verfahren rechnen. In Bayern liegt ein Gesetz fertig in der Schublade, mit dem im Interesse des Schutzes von unerwünschten Babys die anonyme Geburt geregelt werden könnte. Beate Merk, Justizministerin im Kabinett von Edmund Stoiber, kann daher beim Redaktionsbesuch in der Mittelbayerischen Zeitung nur lächeln, wenn sie an den alten Spruch aus den Zeiten von Franz Josef Strauß erinnert wird: „Im Justizministerium streitet man sich jeden Morgen darum, wer den eingehenden Brief beantworten darf.“

Häftling kostet 68 Euro

Die 48-jährige CSU-Politikerin aus Neu-Ulm leitet seit 2003 das Justizministerium. Die gelernte Juristin machte zunächst wenig Schlagzeilen, doch nun beweist sie Gespür für aktuelle Themen. Zum internationalen Frauentag kommt aus dem Ministerium die Aufforderung: „Augen auf! Statt Frauenkauf.“ Angesichts von Frauenhandel und Zwangsprostitution nimmt sie die Freier in die Pflicht. „Wenn die Frauen mit blauen Flecken übersät oder erkennbar verängstigt sind, wenn Türen verschlossen oder Fenster vergittert wurden“, sollen bei den Kunden im Bordell die Alarmglocken schrillen. Merk droht den Freiern: „Wer dies bewusst ignoriert, soll künftig ein Fall für den Staatsanwalt sein.“

Im Zuge der Föderalismus-Reform sollen die Länder mehr Kompetenzen zum Beispiel auch beim Strafvollzug bekommen. Liberale Kritiker warnen vor einem Wettlauf um den konsequentesten und sichersten Strafvollzug. Merk kontert entschieden: „Den haben wir doch schon längst.“ Fakt sei, dass in Bayern Gefangene im Durchschnitt länger in den Vollzugsanstalten einsäßen, als in anderen Bundesländern. Der wichtigste Grund: Die Richter im Freistaat verhängen oft härtere Strafen. Bayern wolle von neuen Befugnissen aber nicht übermäßig Gebrauch machen, denn: „Bereits jetzt setzt der Freistaat vor allem auf den geschlossenen statt den offenen Vollzug.“ Der Schutz der Bevölkerung sei wichtiges Ziel, dabei verliere man den Gedanken der Resozialisierung aber nicht aus den Augen. „Wir müssen hinter Gittern alles tun, um die Gefangenen für den Alltag draußen vorzubereiten.“ Es gibt Therapien, Häftlinge holen Schulabschlüsse nach und 50 Prozent der Gefangenen arbeiten. Da gibt es Sattler, Kfz-Mechaniker und Konstrukteure, die Flugzeugmotoren am Bildschirm entwerfen.

Das ist auch ein Grund dafür, dass Bayern nicht an die Privatisierung des Betriebs von Justizvollzugsanstalten denkt. In Bayern kostet ein Gefangener im Schnitt täglich rund 68 Euro. „Wenn wir das Privaten übertragen, wird es teurer.“ Noch dazu sei dann die Sicherheit in den Gefängnissen nicht mehr so gut gewährleistet. „Auf Pfiff stehen manche Häftlingsgruppen sofort zusammen.“ Man brauche qualifiziertes, gut geschultes Personal um solche Situationen meistern zu können. Insgesamt sitzen zur Zeit rund 13 000 Häftlinge in bayerischen Gefängnissen ein, übers Jahr verteilt sind es sogar 32000. „Das ist der Höchststand seit 1948.“ Das hänge zum einen mit der hohen Aufklärungsquote bei der Kriminalität zusammen. Zum anderen sei in der Zahl viel „importierte Kriminalität“ enthalten, wie zum Beispiel Drogenverkäufer aus dem Ausland, die hier geschnappt wurden.

Einige wenige Gefangene würde die Justizministerin aber noch zusätzlich gerne lebenslang hinter Gittern sehen. In der vergangenen Woche brachte sie im Bundesrat eine Initiative im Bereich des Jugendstrafrechts ein. „Es gibt hochgefährliche, jugendliche Täter, denen können wir im Strafvollzug nichts beibringen.“ Bisher musste man sie wieder laufen lassen, darauf warten bis wieder etwas geschieht - auch aktuell gibt es dafür Beispiele. Damit sich der Fall des kleinen Peter, der vor kurzem in München von einem freigelassenen Mörder getötet wurde, aber nicht wiederholt, fordert Merk in eng begrenzten Fällen die Möglichkeit der „nachträglichen Sicherungsverwahrung“. Im Prinzip seien die allermeisten Politiker dafür, doch es gehe nichts voran. Zwar habe der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder einst das „Wegsperren“ gefährlicher Sexualstraftäter angekündigt, aber Merk merkt bitter an: „Da wurde viel gesagt, hart getönt und letztlich nichts getan.“[..]

[  donau.de





13 March 2006
Der alltägliche Kampf um Hafterleichterungen

Sein Amtsvorgänger strebte den „härtesten” oder später den „konsequentesten” Strafvollzug in Deutschland an, Jürgen Banzer hat sich nach eigenen Worten den „erfolgreichsten Vollzug” zum Ziel gesetzt. Für den neuen hessischen Justizminister, der sein Amt im November vergangenen Jahres übernommen hat, sind Strenge und Resozialisierung kein Widerspruch.Er wolle den Strafvollzug, falls die Länder diesen demnächst eigenständig regeln könnten, nicht neu definieren, sagt der CDU-Politiker, „Akzentverschiebungen” zugunsten der Sicherheit in den 17 hessischen Gefängnissen halte er allerdings durchaus für sinnvoll.

Zu Banzers Konzept für die Justizvollzugsanstalten gehören auch großangelegte Durchsuchungen „ohne Vorwarnung”, als Ergänzung zu den regelmäßigen Kontrollen durch das Anstaltspersonal. So rückten jüngst in der Justizvollzugsanstalt Fulda 20 Männer der Sicherheitsgruppe Vollzug und des Sicherheitsdienstes der hessischen Gefängnisse an, die, unterstützt von fünf Polizeibeamten mit Rauschgift- und Sprengstoffspürhunden, sämtliche Zellen, die 67 dort untergebrachten Insassen und die Arbeitsstätten und Funktionsräume überprüften.

„Mißachtung gerichtlicher Entscheidungen”

Bei der Aktion wurden zwar weder Waffen, Funktelefone, Drogen oder Bargeld entdeckt, doch fanden sich nach Angaben des Justizministeriums mehrere Gegenstände, deren Besitz als „Verstoß gegen die Hausordnung” gewertet werde. So seien eine Chipkarte für ein Handy, Medikamente, eine Nagelschere, ein manipuliertes Kleiderstangenrohr sowie ein selbstgebautes Tätowiergerät sichergestellt worden. 14 manipulierte oder defekte Elektrogeräte, Fernbedienungen und Joysticks würden genauer überprüft, bevor sie die Besitzer gegebenenfalls zurückerhielten.

In den vergangenen Wochen waren hessische Strafanstalten in die Kritik geraten, weil sie Gerichtsentscheidungen zugunsten von Gefangenen nicht vollzogen hatten. In einem Fall war beispielsweise einem Insassen der Justizvollzugsanstalt Butzbach ein DVD-Spieler versagt worden, obwohl die Strafvollstreckungskammer Gießen den Anspruch auf das Gerät bestätigt hatte.Ein anderer Gefangener durfte dort nur unter bestimmten Auflagen Besuch empfangen, obwohl es ein anderslautendes Urteil gab. Die SPD-Landtagsabgeordnete Nancy Faeser spricht ob dieser Vorkommnisse von einer „bewußten Mißachtung gerichtlicher Entscheidungen” und sieht sich dadurch in ihrer Kritik an der geplanten Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug auf die Länder bestätigt.

„Gerichtsentscheidungen werden umgesetzt”

Für Banzer sind das hingegen Einzelfälle, die nichts daran änderten, daß der hessische Justizvollzug „ohne Wenn und Aber” rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet sei und bleibe. „Gerichtsentscheidungen werden selbstverständlich umgesetzt”, sagt Ministerialdirigent Helmut Roos, der Leiter der Abteilung Justizvollzug im Wiesbadener Ministerium. Andererseits werde man den Forderungen von Gefangenen nach Hafterleichterung auch künftig nicht in jedem Fall und sofort nachgeben.

„Wir sehen keinen Anlaß, unsere generelle Praxis zu verändern”, sagt Roos, obwohl oder gerade weil die Zahl der von Häftlingen gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidungen in den vergangenen Jahren stark zugenommen habe: 631 waren es nach Angaben des Ministeriums in Hessen im Jahr 1992, im Jahr 2000 war die Zahl auf 981 gestiegen, und im vergangenen Jahr wurden bereits rund 1200 Fälle registriert. Gründe, vor Gericht zu gehen, sind beispielsweise die Qualität des Essens, die Unterbringung, die Verfügbarkeit von Unterhaltungsgeräten oder die gewünschte Verlegung in eine andere Anstalt. „Auch Einweisungen in den offenen Vollzug sind justitiabel”, sagt Roman Poseck, der Pressesprecher von Justizminister Banzer. Ein wegen Drogenhandels zu einer Haftstrafe Verurteilter habe beispielsweise nach einer Gerichtsentscheidung sofort in den offenen Vollzug übernommen werden müssen, Urinkontrollen nach der Rückkehr von einem Freigang dürften nur noch vorgenommen werden, wenn der Häftling früher drogenabhängig gewesen sei.

„Schwer nachvollziehbar”

Anstaltsleiter berichten von Gefangenen, für die ein Tag ohne Beschwerde ans Gericht ein verlorener Tag sei, und wenn sie sich nicht über ihre eigene Situation beklagen könnten, täten sie es für Mitinsassen. In neun von zehn Fällen würden die Beschwerden von den zuständigen Strafvollzugskammern abgewiesen, heißt es im Ministerium. Daß die Strafvollstreckungskammer in Gießen besonders häufig zugunsten von Gefangen befindet, ist möglicherweise ein Grund dafür, warum im vergangenen Jahr mehr als ein Viertel aller Anträge auf Gerichtsentscheidungen in der Justizvollzugsanstalt Butzbach gestellt wurden, denn die liegt im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Gießen.

Gerichtsentscheidungen seien aus Sicht der Verantwortlichen in den Gefängnissen „manchmal schwer nachvollziehbar”, sagt Roos. Die Sicherheit in den Gefängnissen sehe er dadurch aber keinesfalls gefährdet. Justizminister Banzer hofft, daß die Gelegenheiten, sich gegen vermeintlich unzumutbare Haftbedingungen zur Wehr zu setzen, durch eindeutigere Regelungen in einem hessischen Strafvollzugsgesetz verringert werden könnten.Die Resozialisierung eines Gefangenen hänge schließlich nicht vor allem von der Art und der Zahl der Hafterleichterungen ab, sondern beispielsweise von den Möglichkeiten, während der Haft eine Aus- oder Fortbildung zu absolvieren. Der Strafvollzug solle nicht nur sicherer, sondern - im Sinne einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft - auch erfolgreicher werden.

[  faz.net





14 March 2006
Gefängnis-Chef ließ Knast-Zeitung einstampfen
Anzeige gegen Redakteure wegen Beleidigung

Sie gilt als bundesweit einmalig - die Gefangenenzeitung Lichtblick der Justizvollzugsanstalt Tegel. Weil sie von Häftlingen eigenverantwortlich herausgegeben wird, dem Presserecht unterliegt, aber keinerlei Zensur. Die Anstaltsleitung bekommt das Blatt erst in die Hand, wenn es gedruckt ist. Bislang erschien der Lichtblick regelmäßig - bis auf die jüngste Ausgabe. Sie war bereits gedruckt, da stoppte die Anstaltsleitung den weiteren Vertrieb. Wegen mehrerer Artikel mit strafrechtlich relevantem Inhalt. Die gesamte Zeitung habe gestoppt werden müssen, hieß es. Weil die Zahl der Texte, in denen strafrechtliche Verstöße vorliegen, so groß sei, dass das Schwärzen von einzelnen Passagen nicht ausreichen würde. Darüber hinaus hat Anstaltsleiter Klaus Lange-Lehngut gegen vier Verantwortliche der Redaktion Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt.

Der Lichtblick erscheint seit Oktober 1968 etwa alle zwei Monate mit einer Auflage von 5 000 Exemplaren. In der Zeitung schreiben Häftlinge über den Alltag im Gefängnis und widmen sich besonderen Themen des Strafvollzugs. Mal geht es um die Qualität des Essens, mal um Überbelegung und den Mangel an Einzelzellen. In der Dezember-Ausgabe war etwa Gesundheit in der Haft das Thema. Geliefert wurden Informationen zu Aids und Ansteckung und es ging auch darum, welche "Katastrophe" es sei, im Knast krank zu werden. Beanstandet wurde kein Artikel.

Friedliche Einigung

Ganz anders bei der jüngsten Ausgabe. Schon das Cover ist Gegenstand von Ermittlungen. Darauf zu sehen: Ein Uniformierter, der sich mit einem Schlagstock über einen am Boden liegenden Gefangenen beugt. In der 44 Seiten dicken Zeitung selbst wurde dann in mehreren Artikeln der Umgang von Justizbeamten mit Häftlingen kritisiert - offenbar recht drastisch. Ein Artikel beschäftigte sich mit dem Tod eines Häftlings - der 27-Jährige hatte am 1. Januar 2006 Selbstmord begangen. Dabei wurden offenbar auch Vorwürfe gegen Beamte erhoben. In einem anderen Bericht wurde ein Mitarbeiter der Haftanstalt als "unfähig" beschrieben. Dann wieder ging es um einen Zwischenfall vom Dezember 2005, bei dem Häftlinge von Beamten verprügelt worden sein sollen. "Im Haus 1 wurden Gefangene von Justizbeamten verprügelt", war als Behauptung zu lesen. Tatsächlich laufen in diesem Zusammenhang Ermittlungen gegen Beamte, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Die Lichtblick-Redakteure sprechen inzwischen selbst von einem "handwerklichen Fehler", weil sie nicht den Konjunktiv verwendet hätten.

Aus Sicht der Redaktion wurde das Blatt eingestampft, weil die Anstaltsleitung fürchtet, dass ihre Beamten in einem zu schlechten Licht dastehen. Der Lichtblick wird nicht nur in der Anstalt kostenlos an Gefangene verteilt, sondern auch an etwa 1 200 Abonnenten außerhalb, darunter an ehemalige Insassen, an Rechtsanwälte, Politiker, Mitarbeiter der Justizverwaltung und die Medien. 2 500 Exemplare gehen an andere Haftanstalten. Etwa 5 000 Euro erhält die Redaktion jährlich für die Produktion der Zeitung vom Land Berlin, der Rest wird durch Spenden aufgebracht.

Inzwischen haben Gespräche zwischen Anstaltsleitung und Lichtblick-Redakteuren stattgefunden. Man habe sich "völlig friedlich" auf eine Lösung geeinigt, hieß es gestern. So werden die Lichtblick-Redakteure ihre Zeitung überarbeiten und neu herausbringen. Statt sechs Ausgaben wird es in diesem Jahr dann eben sieben geben. Für zusätzliche Papier-Kosten kommt die Anstalt auf.

[  berlinonline.de


Justiz verbietet Knast-Zeitung in Tegel
Vorwurf: Inhalt strafbar / Gefangene sind wütend

13.03.2006

Die Berliner Justizverwaltung hat die aktuelle Ausgabe der Gefangenenzeitung „Lichtblick“ aus der JVA Tegel verboten. Der Vorwurf: In der 44-seitigen Ausgabe 1 diesen Jahres seien mehrere Texte strafbaren Inhalts abgedruckt. Dies bestätigte eine Justizsprecherin auf Anfrage, nähere Angaben machte sie nicht. In dem zweieinhalbseitigen Verbotsschreiben des Tegeler Anstaltsleiters Lange-Lehngut, das dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es unter anderem: „Die Anzahl der Texte ist so groß, dass mildere Maßnahmen – etwa das Schwärzen einzelner Sätze – nicht ausreichen, sondern die gesamte Ausgabe angehalten werden muss.“ Der Chef des größten deutschen Männergefängnisses stößt sich vor allem an diesem Satz des Lichtblicks: „Im Haus 1 wurden Gefangene von Justizbeamten verprügelt.“ Diese Behauptung sei bis zum Beweis ihrer Richtigkeit falsch, argumentiert Lange-Lehngut. Er hat Strafanzeige gegen die Autoren gestellt.

Das Klima in der Haftanstalt hat sich durch die „Zensur“ spürbar verschlechtert. Beschrieben sind in den Artikeln Vorfälle von Anfang Dezember: Wie berichtet, soll im Dezember Mehmet E. von mehreren Justizangestellten verprügelt worden sein, weil er aus Ärger über einen gestörten Fernsehempfang gegen die Zellentür hämmerte. Zeugen gibt es dafür nicht – die Polizei hatte damals bestätigt, dass E. fünf Justizangestellte angezeigt habe –, doch der Fall machte die Runde unter den 1700 Insassen. Es wird spekuliert, ob Mehmet E. aus Rache oder Frust misshandelt wurde.

Einen Tag zuvor war es nach Jahren erstmals wieder zu einer „Revolte“ in Tegel gekommen. 29 Gefangene hatten sich nach dem Hofgang geweigert, in die Zellen zurückzukehren – erst nach einer Stunde war es den Wärtern gelungen, die Situation zu entschärfen. Als „Rädelsführer“ hat Rainer Sch. nach eigenen Angaben schon seit drei Monaten die Folgen zu tragen – Absonderung von seinen Mithäftlingen und verschärfte Haftbedingungen. Sch. betonte, dass schlechtes Essen und gestörter TV-Empfang zwar der Auslöser für den Protest an diesem Tag waren, es den Gefangenen aber vor allem um die schlechten Resozialisierungschancen und die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten gehe. Zudem gebe es kaum noch Entlassungen nach zwei Dritteln der Strafzeit. Das Verbot kommentiert Sch.: „Das Unrecht soll nicht nach draußen.“

Auf der Internetseite des Fördervereins des Lichtblicks heißt es lediglich: „Die Ausgabe 1/06 hat Probleme“ und sei deshalb nicht online gestellt oder verteilt worden. Der Lichtblick erscheint sechsmal im Jahr mit einer Auflage von 5500 Exemplaren und wird von Gefangenen produziert; die Redakteure tragen laut Statut die Verantwortung für den Inhalt – wenn ihnen die nicht durch den Anstaltsleiter durch ein Verbot abgenommen wird. Jörn Hasselmann

[  tagesspiegel.de


[  Bereinigte Ausgabe des Lichtblicks hier als pdf





March 2006
Country Reports on Human Rights Practices - 2005 by the U.S. Department of StateUnder Secretary for Democracy and Global Affairs
Germany

[  Country Reports on Human Rights Practices - 2005





March 2006
Ärztehopping“ ohne freie Arztwahl?
Gesetzesinitiative zur Beteiligung Gefangener an den Gesundheitskosten/2006

[  „Ärztehopping“ ohne freie Arztwahl?
   Gesetzesinitiative zur Beteiligung Gefangener an den Gesundheitskosten/2006


[  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes / Bundesrat


[  Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes / Stellungnahme der Bundesregierung





March 2006
Studie: Deutliche Unterschiede bei der Bestrafung von Drogenbesitz

Für Gelegenheitskonsumenten weicher Drogen ist Bayern ein deutlich riskanteres Terrain als beispielsweise Schleswig-Holstein oder Berlin: Die Staatsanwälte im Freistaat stellen zwischen 40 und 60 Prozent der Verfahren im Zusammenhang mit Haschisch oder Marihuana ein, ihre Kollegen im Norden, der Hauptstadt und Teilen Hessens dagegen 80 bis 90 Prozent. Das ergab eine Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht zum Thema «Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis», die am Donnerstag in Freiburg vorgestellt wurde.

Bundesweit gebe es erhebliche Unterschiede bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kleinkonsumenten, die von der Polizei mit wenigen Gramm Cannabis aufgegriffen werden, heißt es in der Studie. Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wurde die Praxis in Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein untersucht. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994, wonach der Besitz kleiner Mengen von Cannabisprodukten zum Eigenverbrauch normalerweise nicht strafrechtlich verfolgt wird. Karlsruhe hatte damals eine einheitliche Praxis der Staatsanwaltschaften angemahnt - von der die Bundesländer laut Studie aber weit entfernt sind.

Während es in Berlin, Frankfurt und Fulda kaum zu Anklagen oder Strafbefehlen wegen Delikten mit Cannabis kommt, liegt die Quote beispielsweise in Nürnberg und dem sächsischen Bautzen bei 40, im nordrhein-westfälischen Paderborn gar bei 60 %. Noch größer sind die Unterschiede bei anderen Drogen: Während die Staatsanwälte in Traunstein, Bamberg und Leipzig um die 80 % der Fälle vor den Richter bringen, haben in Frankfurt, Fulda und einigen norddeutschen Landgerichtsbezirken höchstens 10 % strafrechtliche Folgen.

Bereits die entsprechenden Richtlinien in den Bundesländern weisen eine beträchtliche Schwankungsbreite auf. In Bayern sowie in den meisten ostdeutschen Ländern liegt die Höchstgrenze, bis zu der die Ermittlungen normalerweise eingestellt werden, bei sechs Gramm. Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sehen den Grenzwert bei 10, Hessen und Niedersachsen bei 15 Gramm. Am liberalsten gibt sich Schleswig-Holstein - dort drücken die Ankläger im Normalfall beim Besitz von bis zu 30 Gramm ein Auge zu.

[  journalmed.de


[  Projektvorstellung des MPI


[  Kurzfassung der Studie


[  Ungleiche Rechtspraxis in den Bundesländern
   Verfahrenseinstellung nach §31a Betäubungsmittelgesetz 1999





13 March 2006
Zypries will Wettbewerb für besten Strafvollzug

Bundesjustizministerin Zypries hat die Länder zu einem Wettbewerb um den besten Strafvollzug aufgefordert. Denn nach der Föderalismusreform sind sie und nicht der Bund für Gefängnisse zuständig.Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat die Bundesländer zu einem Wettbewerb um die besten Gefängnisse aufgerufen. Dies müsse sein, wenn mit der Föderalismusreform die Zuständigkeit für Gefängnisse und Gefangene vom Bund auf die Länder übergehe, sagte die SPD-Politikerin in der «Neuen Osnabrücker Zeitung».Die Justizminister der Länder müssten jetzt ein breites Kreuz haben und ihren Finanzministern sagen: «Gute Justizgewährleistung kostet Geld», sagte die Ministerin auf die Frage, ob sie Einsparungen in diesem Bereich befürchte.Die Länder hätten die Möglichkeit, etwa im Jugendstrafvollzug innovative Resozialisierungsprojekte umzusetzen, die es auch heute schon gebe. Mit den Ergebnissen der Verhandlungen über die Föderalismusreform zeigte sich Zypries insgesamt nur eingeschränkt zufrieden: «Dass man sich als Bundespolitikerin an der einen oder anderen Stelle mehr gewünscht hätte, ist klar.» Da gehe es ihr aber nicht anders als so manchem Landespolitiker auch. (nz)

[  netzeitung.de


"Wettbewerb um billigsten Knast"
Ex-Justizminister und Kriminologe Pfeiffer fürchtet durch die Föderalismusreform Schäden für den Strafvollzug

10.03.2006

Professor Christian Pfeiffer ist als Direktor des Kriminologischen Foschungsinstituts Niedersachsens Experte in Sachen Strafvollzug und Jugendstrafrecht. Von 2000 bis 2003 war er niedersächsischer Justizminister. Pfeiffer hat mit seinen Studien über Ursachen und Entwicklung von Kriminalität oft auch kontroverse Debatten ausgelöst. Die geplante Föderalismusreform gilt ihm als Sündenfall zum Nachteil eines anspruchsvollen Strafvollzugs mit Resozialisierungsgedanken. vgo

Frankfurter Rundschau: Herr Professor Pfeiffer, wenn Sie heute noch Justizminister in Niedersachsen wären, könnten Sie für die Föderalismusreform die Hand heben?

Christian Pfeifer: Auf keinen Fall. Ich habe die große Sorge, dass wir beim Strafvollzug einen Wettbewerb bekommen: Wer organisiert den billigsten Knast? Die Gefängnisse sind überfüllt. Der Kostendruck ist enorm. Daher rührt das Interesse der Länder, im Zuge der Reform über den Strafvollzug selbst zu bestimmen.

Den Vorwurf würden die Länder mit Abscheu und Empörung von sich weisen.

Ich habe bisher kein anderes Argument gehört. Das gegenwärtige Strafvollzugsgesetz des Bundes wurde 1977 beschlossen, weil man sich damals eines klar gemacht hat: Die Gefangenen schlicht einsperren, schlicht verwahren, bringt hohe Rückfallquoten. Das Gesetz ist heute ein Schutzschild gegen den Abbau von Qualität in unseren Gefängnissen. Es gibt Richtlinien vor, die unter anderem von Gefangenen durch Klagen beim Bundesverfassungsgericht erzwungen wurden. Diese Eckpfeiler drohen jetzt in Gefahr zu geraten. Einige Länder kündigen schon jetzt an, dass sie in eine weitaus höhere Doppelbelegung ihrer Gefängniszellen planen als gegenwärtig. Sie wollen damit sparen. Das wird auch ganz offen zugegeben. Doppelbelegung schafft aber hohe Risiken von Unterdrückung.

Was konkret würde anders?

Die Gesetzgebung liegt bisher beim Bund. Die Länder können aber im Rahmen des Bundesgesetzes ihre Spielräume nutzen. In Bayern haben Häftlinge deshalb weniger Urlaub als in Niedersachsen, und in Norddeutschland haben sie mehr offenen Strafvollzug als im Süden. Aber der Bund gibt Standards vor. Da wurde aus gutem Grund viel Geld in Therapien und Resozialisierung investiert. Nach der Föderalismusreform wäre es der Beliebigkeit eines jeden Landes überlassen, wie der Strafvollzug ausgestaltet wird. Hamburgs Justizsenator Kusch zum Beispiel will den Urlaub für Gefangene komplett streichen. Urlaub aus der Haft ist aber keine Humanitätsduselei, sondern nötige, vernünftige Vorbereitung auf die Entlassung. Das dient auch dem Schutz der Allgemeinheit. So etwas darf nicht der Profilsucht und dem Sparzwang einiger Länderminister überlassen werden. Die Verlagerung der Strafvollzugs-Kompetenzen vom Bund auf die Länder ist überflüssig wie ein Kropf.

Starker Tobak.

Mit dieser Kritik stehe ich doch nicht allein. Mehr als 90 Prozent der Anstaltsdirektoren in Deutschland sind gegen diese Reform. Beide Kirchen haben sich für die Beibehaltung des geltenden Rechts ausgesprochen. Das ist eine Reform gegen die Praxis, gegen die Wissenschaft. Von den Top-Sachverständigen der Republik zu dieser Frage werden Sie keinen finden, der das Ganze begrüßt. Das ist ein reines Politikspiel. Es gibt einen Punkt, wo ich die Länder verstehe. Das Strafvollzugsgesetz des Bundes ist jetzt 29 Jahre alt. Es gibt Anlass, dieses Gesetz zu reformieren. Dabei sind die Länder bisher immer an der Sturheit des Bundes gescheitert. Jetzt wäre mit der großen Koalition die historische Chance da. Aber statt eine Arbeitsgruppe zu gründen zur Reform des Gesetzes, machen die Länder jetzt 16 Extrawürste.

Der Spardruck liegt bei den Bundesländern.

Dieser Druck ist selbstverschuldet durch eine populistische Politik. Er ist entstanden durch eine Bestrafungseuphorie. Wir haben in Kernbereichen der Kriminalität einen deutlichen Rückgang. Trotzdem ist die Zahl der Strafgefangenen seit 1992 um 39 Prozent gestiegen. Das macht den Strafvollzug immer teurer. Das haben Bund und Länder durch 40 Strafverschärfungen gemeinsam verschuldet. Und das soll jetzt über Billigmacher-Gesetze repariert werden, die die Föderalismusreform möglich macht.

Ist die Reform noch zu retten?

Ich denke ja. Es gibt zwei Lösungen: Man könnte das Strafvollzugsgesetz jetzt nach den Vorschlägen der Länder reformieren. Oder aber die Länder regeln den Strafvollzug wie geplant ohne den Bund in eigener Regie. Aber sie müssten sich dann auf ein gemeinsames Musterstrafvollzugsgesetz einigen. Das wäre eine Notlösung, die den drohenden Schaden erheblich reduzieren könnte. Nur derzeit habe ich wenig Hoffnung auf eine einheitliche Lösung, die den Wettlauf zum Sparen verhindert. Denn jedes Land für sich ist schon eifrig dabei, sein eigenes Strafvollzugsgesetz zu machen. Das führt zu einer großen Zersplitterung und gefährdet auch die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg.

Interview: Vera Gaserow

[  fr-aktuell.de


Weniger Geld, mehr Härte, mehr Rückfalltäter
Kritik: Föderalismusreform bedroht den Strafvollzug

09. März 2006

Zustände wie in trostlosen ukrainischen Massengefängnissen, eine Zersplitterung des einheitlichen deutschen Strafvollzugsrechtes, eine Verhinderung der Resozialisierung von Strafgefangenen und dadurch eine Zunahme der Zahl gefährlicher Rückfalltäter: das werden die Folgen sein, wenn, wie im "Föderalismuspaket" vorgesehen, die Strafvollzugsregelungen vom Bund in die Regie der Bundesländer übergehen. Darin waren sich gestern bei einem Forum von Strafvollzugspraktikern- und Theoretikern im Rathaus Schöneberg alle einig: Vom Chef der Justizvollzugsanstalt Tegel, Klaus Lange-Lehngut, über den niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer bis zu den Verbänden der Staatsanwälte und Richter, der Justizvollzugsbediensteten und der Straffälligenhilfe. Auch die Berliner Justizsenatorin hält nichts von der Abgabe von Strafvollzugsrechtskompetenzen an die Länder, ließ aber ihren Staatssekretär gestern nicht auftreten, um sich nicht in einem Einzelpunkt gegen das vom Senat am Dienstag mitbeschlossene Föderalismuspaket zu stellen.

Die Fachleute und Verbände des Strafvollzuges hoffen nun darauf, dass während der anstehenden Gesetzesberatungen im Bundestag verhindert wird, dass ein Profilierungskampf der Länder zu einer Zersplitterung der Strafvollzugsstandards und zu einer populistischen Konkurrenz darüber führt, wer die härtesten Haftbedingungen anbietet. Christian Pfeiffer geißelte die ständige Verschärfung der Strafgesetze und den Ausbau deutscher Gefängnisse, der seit 1992 sieben Milliarden Euro gekostet habe. Dabei sei die Kriminalitätsrate in dieser Zeit ständig gesunken. Manche Länderjustizminister versuchten gleichwohl, dem "Sicherheitsgefühl" des Publikums durch verschärfte Haftbedingungen wie etwa der Streichung des Hafturlaubs entgegenzukommen. Daran hindere sie das Bundesgesetz - noch.

Urlaub oder offener Vollzug seien jedoch keine "Wohltaten" für die Gefangenen, sondern ein unverzichtbarer Teil des Resozialisierungsprozesses, um Gefangene an ein Leben ohne Straftaten zu gewöhnen, sagte Lange-Lehngut. Dieses seit Einführung des Strafvollzugsgesetzes 1976 gültige Ziel dürfe nicht einer Länderkonkurrenz geopfert werden, sagte der Anstaltsleiter. Es sei auch kontraproduktiv, aus Kostengründen mehrere Gefangene in eine Zelle stecken zu wollen - das erhöhe nur das Konfliktpotenzial zwischen den Zelleninsassen und bedrohe Ordnung und Sicherheit in den Anstalten. Solche Sach-Argumente sollen nun - Paket hin oder her - ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden.

[  berlinonline.de


[  Stellungnahme der deutschen Aidshilfe / 07 March 2006


[  Die kalte Revolution
   Der Machthunger reicher Bundesländer treibt die Föderalismusreform voran


Rechtsexpertin: Ein Rückschritt auf den Stand von vor 1870
Frommel warnt vor negativen Auswirkungen auf Strafvollzug durch Föderalismusreform

Moderation: Liane von Billerbeck

06.03.2006

Die Professorin für Kriminologie und Strafrecht an der Uni Kiel, Monika Frommel, befürchtet durch die Föderalismusreform eine Verschlechterung des Strafvollzugs. Die geplante Verlagerung der Zuständigkeit auf die Bundesländer bringe nur kurzfristig mehr Sicherheit und weniger Investitionen, langfristig handele man sich viele Probleme ein, sagte die Rechtsexpertin.

Liane von Billerbeck: Heute wollen die Ministerpräsidenten über das Reformpaket, wie es immer so schön praktisch heißt, beraten und dazu gehört auch, dass künftig die Länder autonom darüber entscheiden sollen, wie es wird, wenn man zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Sie gehören zu einer Reihe namhafter Anwälte, Anwaltsvereinen, der Richterbund und Strafrechtsexperten, die einen Appell gegen die Verlagerung der Zuständigkeit auf die Länder unterzeichnet haben. Nun haben wir eben im Beitrag gehört, was droht: Wird also in Zukunft eine Verurteilung in Hamburg schwerer wiegen als eine in Berlin?

Monika Frommel: Ich fürchte, dass sich der Strafvollzug in allen Ländern verschlechtern wird, aufgrund dieser Gegenreform, - das Wort Reform kann man hier gar nicht benutzen -, denn die Länder sind ganz stark unter Pressedruck, wenn es zu einem Entweichen kommt eines Gefangenen. Dann ist die regionale, die lokale Presse aufgeregt, und es wird dann einen ganz kurzen Weg geben, zu Abstrichen bei den Ansprüchen, die der Strafvollzug hat. Und das Motto ist dann: kurzfristig mehr Sicherheit, kurzfristig vielleicht auch weniger Investitionen. Langfristig aber handelt man sich dann sehr viel mehr Probleme ein, denn der Strafvollzug der letzten 30 Jahre war stabil und hat sich am Ende bewährt.

Von Billerbeck: Wenn die Reform dann durchkommt, kann man dann eigentlich noch von einer Rechtseinheit reden, die in Deutschland herrscht, wenn Strafvollzug in jedem Land anders abläuft?

Frommel: Na ja, eine Länderzuständigkeit für den Strafvollzug ist ein Rückschritt hinter den Stand, den man im Grunde 1870 schon erreicht hatte. Also das Strafvollzugsgesetz 1977 hat vollendet, was eigentlich eine Rechtsvereinheitlichung mal bedeutet hat. Und es gab immer Polemik gegen den Resozialisierungsvollzug. Hessen, Bayern, mittlerweile besonders Hamburg gehören zu den Polemikern. - Es gibt aber keine fachlichen, keine sachlichen Argumente, es gibt keine empirischen Studien, die das Ganze belegen. Das ist blanker Populismus, kurzatmige Gegenreform.

Von Billerbeck: Nun klagen ja die Länder über knappe Kassen. Was heißt das, wenn jetzt der Strafvollzug auf Länder verlagert wird, die unter großem Kostendruck stehen?

Frommel: Alle stehen im Moment unter großem Kostendruck, das heißt, eine Kriminalpolitik der Finanzminister geht immer so vor sich, dass man kurzfristig einspart und nicht bedenkt, dass das Versäumen eines vernünftigen Vollzuges bei einem jungen Mann, im Alter zwischen 18 und 28, möglicherweise dazu führt, dass er ganz rausfällt aus den gesellschaftlichen Regelsystemen und wir uns im Grunde da noch eine größere Zahl von wirklich hartnäckigen Wiederholungstätern schaffen. Es ist also ein Versäumen von langfristigen Konzeptionen und ein Sparen sozusagen heute und jetzt.

Von Billerbeck: Im Radiofeuilleton sprechen wir mit der Rechtsprofessorin Monika Frommel über die Verlagerung der Kompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder. Angenommen auch in den Haftanstalten droht etwas, was wir aus Amerika kennen, nämlich eine Privatisierung. Welche Konsequenzen würde das für die Strafhaft haben?

Frommel: Das würde diese Druck zu kurzfristigen Kosteneinspaarungen noch verschärfen, denn man fängt dann plötzlich an, das Produkt Sicherheit betriebswirtschaftlich zu kalkulieren und schafft dann einen Strafvollzug, der die Ziele, die man 1977 mal für wichtig gehalten hat, und die sich eigentlich auch bewährt haben, völlig denaturieren.

Von Billerbeck: Meinen Sie, dass die Öffentlichkeit Ihrem Protest sich anschließen würde, diese Kompetenz auf die Länder zu verlagern? Oder herrscht in der Öffentlichkeit doch eher so die Meinung, wegsperren ist besser, angeheizt von Boulevardmedien? Wir hatten ja mehrere spektakuläre Mordfälle, gerade an Kindern. Da ist ja immer schnell dabei mit solchen Dingen.

Frommel: Ich denke, dass populistischer Druck hier eher negativ wirkt. Das erklärt ja auch, warum die ehemalige und jetzige Justizministerin den Strafvollzug so schnell geopfert hat. Da ging sie davon aus, kriegt sie am wenigsten Presseschelte. Das scheint nicht ganz so der Fall zu sein, denn mittlerweile merken viele Eltern, dass ihre minderjährigen, heranwachsenden, jungen erwachsenen Söhne sehr wohl relativ schnell in die Gefahr kommen, eine Strafverfolgungsmaßnahme zu erleiden.

Von Billerbeck: Welche Chancen sehen Sie denn noch, diesen Versuch, die Kompetenz auf die Länder zu verlagern, zu verhindern, im Laufe dieser Woche?

Frommel: Es gibt einige Länder, wie zum Beispiel Schleswig Holstein, also eine große Koalition, die im Bundesrat ihre Zustimmung verweigern. Es gibt einen entsprechenden Beschluss des Landtages. Im Grunde könnte diese Gegenreform verhindert werden, wenn alle Landesregierungen mit der FDP an der Regierung sich verweigern würden. Das heißt, wir müssten eigentlich Druck machen auf den baden-württembergischen Justizminister Goll, dass er hier das liberale Prinzip, dass die FDP immer hochgehalten hat, was seine Parteikollegin Leutheusser-Schnarrenberger immer sehr verteidigt hat, dass das jetzt nicht den Bach hinunter geht. Also ich würde nie wieder die FDP ernst nehmen, wenn sie hier nicht mal ihre rechtspolitischen Grundsätze bewahrt. Also wenn sie her umfällt, dann hat sie sich eigentlich rechtspolitisch ins Abseits gestellt.

Von Billerbeck: Wir sprachen mit Professorin Monika Frommel über: Was aus dem Gleichheitsgrundsatz wird, wenn nicht mehr der Bund, sondern jedes Land einzeln für seine Strafgefangenen zuständig ist. Herzlichen Dank, Frau Frommel.

Frommel: Dankeschön.

[  dradio.de


Die Kompetenz für Strafvollzug muss beim Bund bleiben

06.03.2006

„16 Strafvollzugsgesetze und – je nach Profilierung zuständiger Minister - einen Wettlauf um den härtesten und billigsten Knast“, so könnte nach Meinung des SPD-Politikers Harald Baumann-Hasske die Zukunft des Strafvollzugs aussehen. Denn mit der geplanten Föderalismusreform soll dieser in die Zuständigkeit der Länder übergehen. "Mehr Sicherheit durch mehr Abschreckung" könnte eine Folge sein. "Damit drohe das Ziel des Strafvollzugs, nicht nur Strafe zu sein, sondern die Täter wieder einzugliedern, verloren zu gehen", befürchtet der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (AsJ), Harald Baumann-Hasske, im Interview mit vorwärts-online.

Die Föderalismusreform sieht vor, dass der Strafvollzug aus der gesetzgebenden Kompetenz des Bundes herausgenommen wird. Welche Konsequenzen hätte diese Kompetenzverlagerung für den Strafvollzug?

Demnächst gäbe es 16 Strafvollzugsgesetze, für jedes Bundesland eins, und – je nach Profilierung zuständiger Minister - einen Wettlauf um den härtesten und billigsten Knast. Dabei droht das Ziel des Strafvollzuges, nicht nur Strafe zu sein, sondern die Täter wieder einzugliedern, verloren zu gehen; die Vollzugsanstalt verkäme zu Verwahranstalt. Es würde Rechtsstreite um Mindeststandards und Menschenrechte geben. Richter müssten bei der Strafzumessung berücksichtigen, wo einer einsitzen wird.

Kann der Bund es zulassen, dass zukünftig – so wird vermutet - fiskalisch und wahltaktisch motivierte Erwägungen den Strafvollzug bestimmen?

Nein, das darf er nach unserer Auffassung nicht. “Bei uns wird am härtesten bestraft!” darf nicht zum Wahlkampfthema werden. Sicherheit durch Wegsperren darf nicht Vorrang bekommen vor Sicherheit durch Eingliederung und Ausgleich mit dem Opfer. Und wer im Strafvollzug sparen will, kann das nur bei der Qualifikation des Vollzugspersonals, der Ausstattung, bei der Therapie oder bei Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten der Delinquenten tun. Das alles führt zu erhöhten Rückfallzahlen - und damit auf Dauer zu noch mehr Kosten.

Der Bundestagsabgeordnete Niels Annen befürchtet, dass diese Reform beim derzeitigen Senat in Hamburg das Ende des Prinzips der Resozialisierung bedeuten würde. Teilst du diese Meinung?

Niels Annen kennt als Hamburger den Senator Kusch aus der Nähe. Dem scheinen die früheren Wahlerfolge von Herrn Schill zu imponieren, er will auch das Jugendstrafrecht abschaffen. Stattdessen will er mehr Sicherheit durch mehr Abschreckung. Weder Erziehung der jungen noch Resozialisierung der älteren Straftäter sind für ihn Kategorien. Damit fällt er hinter den Entwicklungsstand der Weimarer Republik zurück; Gustav Radbruch hatte die Eingliederung des Straftäters in die Gesellschaft als Ziel der Strafe erkannt. Wohin eine Spirale aus Kriminalität, Abschreckung und immer härteren Strafen führt, sieht man in den USA: immer mehr Menschen im Gefängnis, höhere Strafen, Todesstrafe - und trotzdem die höchste Kriminalität aller westlichen Industriestaaten. Sicherheit durch Abschreckung durch Härte: Das ist reiner Populismus, mit zivilisatorischem Fortschritt, Erfahrung und Wissenschaft hat das nichts zu tun. - Hamburg ist ein gutes Beispiel, warum der Bund die Kompetenz nicht aus der Hand geben darf.

Welche Forderungen vertritt die AsJ?

Die Kompetenz für Strafvollzug muss beim Bund bleiben. Wir brauchen bald ein Jugend-Strafvollzugsgesetz, in dem für alle Länder verbindlich festgeschrieben ist, wie man Jugendliche zu behandeln hat. Ein Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft ist notwendig: eins und nicht sechzehn. Der Koalitionsvertrag sieht das auch vor: dann kann aber rein logisch der Strafvollzug nicht an die Länder gehen. Die Einheit von Strafrecht und Strafvollzugsrecht muss gewahrt bleiben: Wir können nicht im Bund für das Strafrecht und das Strafverfahrensrecht Sinn und Zweck von Strafe definieren und einige Länder sagen dann, das interessiere sie nicht und bieten die Voraussetzungen für die Ziele der Sanktionen gar nicht an. Resozialisierung ist Prävention, ist Vermeidung künftiger Opfer, ist größtmögliche Sicherheit, denn man kann nicht alle wegsperren. Deutschland ist ein sicheres Land.

Mit dem Strafvollzug sind besonders intensive Eingriffe in die Rechte von verurteilten Bürgern verbunden. Der Bund ist auf das Ziel bundesweit gleichwertiger Lebensverhältnisse verpflichtet (Art 72 II GG). Das muss im Strafvollzug erst recht beachtet werden. Auch für Strafgefangene gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG.

[  vorwaerts.de





11. March 2006
Sicheres Kittchen statt Pulverfass

Bei vielen Gefängnissen in NRW herrscht Sanierungsbedarf. Gewerkschaft klagt über fehlendes Personal DÜSSELDORF taz Die nordrhein-westfälischen Gefängnisse sind gut ausgelastet. Laut NRW-Justizministerium gibt es rund 18.500 Haftplätze bei einer Belegung von knapp 18.000 Gefangenen. Jedoch können permanent einige hundert Betten nicht genutzt werden. Der Grund seien vor allem Renovierungen. "Die Justizvollzugsanstalten sind auskömmlich ausgestattet, wir renovieren aber ständig und schaffen so ab und zu neue Plätze", sagt Ralf Neubauer, Sprecher des Justizministeriums.

Das Land mietet die Gefängnisse vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. Viele der 37 Knäste sind alt und deshalb sanierungsbedürftig, darunter auch die JVA Ulmer Höh' in Düsseldorf. Das Gebäude soll abgerissen und neugebaut werden, weil es "zu baufällig und die Technik nicht mehr auf dem neusten Stand ist", sagt Klaus Jäkel, Landesvorsitzender beim Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD). Ein Sanierung würde sich hier nicht mehr lohnen. Auch zwei alte Zweiganstalten in Duisburg und Oberhausen sollen mit dem Neubau ersetzt werden. Fast 850 Häftlinge hätten in der neuen JVA Platz. Damit wäre sie das viertgrößte Gefängnis in NRW. "Das heißt aber nicht, dass die Insassen dort schlechter behandelt werden", sagt Detlef Wenzel, Sprecher der Landesjustizvollzugsanstalt. Die großen Gefängnisse würden zunehmend in viele kleine Einheiten unterteilt, etwa nach Geschlecht, Alter, offenem oder geschlossenem Vollzug.

"Größer sollte eine JVA nicht sein", sagt Jäkel. Ansonsten würde sie schnell zum "Pulverfass". Wichtig sei auch gut ausgebildetes Personal. "Damit kann vieles verhindert werden", so der Vorsitzende. Starker Drogenkonsum sei in den Knästen noch immer alltäglich, viele Häftlinge seien gewalttätig. Es dürfe deswegen nicht sein, dass nach dem Neubaus private Betreiber ohne ausreichende Qualifizierung eingesetzt würden. Der Ruf der Ulmer Höh' litt vor zwei Jahren unter einer Selbstmord-Serie. Von 2003 bis 2004 brachten sich sieben Insassen um. Sogar eine Sonderkommission war mit der Ursachensuche betraut worden, sie konnte jedoch keine Missstände feststellen. Auch die Gesamtsituation der JVAs sei nicht glücklich, so Jäkel. "Wir haben noch nicht die personelle Ausstattung, die wir brauchen". Zwar kommen auf knapp 18.000 Insassen 8.400 Beschäftigte, davon seien aber nur 5.600 "uniformiert", also Wachpersonal. "Viele der Mitarbeiter sind noch in der Ausbildung oder haben keinen unmittelbaren Kontakt zu den Häftlingen", sagt Jäkel. Laut Landesjustizministerium reicht das Personal jedoch völlig aus.

Die Zahl der Häftlinge ist laut Strafvollzugsstatistik NRW seit Jahren konstant. Im Jahr 2005 waren in den nordrhein-westfälischen Knästen 17.990 Menschen inhaftiert. Vor zehn Jahren waren es rund 17.160 Insassen. Zwar verbüßt laut Landesamt für Statistik fast die Hälfte der Inhaftierten nur Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Allerdings stieg insgesamt auch die Dauer der Haft an. "Manche Gefängnisse sind stärker, andere schwächer belegt", sagt Wenzel. Allerdings gebe es eine tägliche Fluktuation zwischen den JVAs, so Neubauer. "Eine Überbelegung sieht so aus, dass in ein Einzelbettzimmer ein Stapelbett gestellt wird", sagt der Sprecher. Auch der Sicherheitsstandard ist unterschiedlich. In der JVA Werl seien etwa mehr Menschen mit langen Freiheitsstrafen inhaftiert - und die Sicherheitsvorkehrungen deshalb höher als im offenen Vollzug, so Wenzel. Einen Trend zu wenigen, dafür größeren Knästen sieht er aber nicht. Neubauten seien außer in Ratingen nur in Münster angedacht. Allerdings sei hier noch nicht endgültig entschieden worden.

[  taz.de





08 March 2006
Überraschende Durchsuchungsaktion in JVA - keine gravierenden Funde gemacht

08.03.06 - Fulda - „In der vergangenen Woche wurde die Justizvollzugsanstalt Fulda in großem Rahmen durchsucht. An der rund 4-stündigen Aktion waren die Sicherheitsgruppe Vollzug und der besondere Sicherheitsdienst der hessischen Justizvollzugsanstalten mit 20 Einsatzkräften beteiligt. Daneben kamen 5 Polizeihundeführer mit Rauschgift- und Sprechstoffspürhunden zum Einsatz. Die Anstalt selbst unterstützte die Aktion mit 20 Bediensteten, so dass insgesamt 45 Einsatzkräfte zur Verfügung standen“, teilte heute Mittag der hessische Justizminister Jürgen Banzer in Wiesbaden mit.

Nach gesonderter Einweisung der Sicherheitsgruppe Vollzug und der übrigen Einsatzkräfte sei mit der Durchsuchung gleichzeitig auf allen 4 Unterkunftsstationen begonnen worden. Sämtliche Hafträume sowie 67 Gefangene im Strafhaftbereich habe man eingehend kontrolliert. Daneben seien auch die Unternehmerbetriebe, die Arbeitstherapie, die Funktionsräume sowie die Freigängerstation durchsucht worden.„Bei der Durchsuchung wurden weder Waffen, Handys, Betäubungsmittel oder Bargeld aufgefunden noch polizeirelevante Sicherstellungen gemacht. Allerdings wurden verschiedene Gegenstände sichergestellt, deren Besitz ein Verstoß gegen die Hausordnung darstellt“, teilte der hessische Justizminister Jürgen Banzer heute in Wiesbaden mit.

Man habe eine Chipkarte für ein Handy, zwei gehortete Medikamente, eine Nagelschere, ein manipuliertes Kleiderstangenrohr sowie ein selbstgebautes Tätowiergerät sichergestellt. Weiterhin seien insgesamt 14 manipulierte oder defekte Elektrogeräte, Antennenkabel, Netzkabel, Fernbedienungen und Joysticks eingezogen und einer näheren Überprüfung zugeführt worden.Die gesamte Aktion sei ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen. „Die verantwortlichen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt Fulda haben gute organisatorische Vorarbeit geleistet, so dass die Abläufe rasch, ruhig und ohne Hektik vonstatten gehen konnten“, betonte Banzer.

Der Minister erläuterte, dass Durchsuchungsaktionen ohne Vorwarnung weiterhin dringend er-forderlich seien, damit sich die Gefangenen nicht in Sicherheit wiegen könnten, verbotene Gegenstände herzustellen oder aufzubewahren. „Das Ergebnis der Aktion zeigt, dass das Sicherheitskonzept für die hessischen Anstalten im vollen Umfange greift. Die Durchsuchungen ergänzen die regelmäßigen Kontrollen durch das Anstaltspersonal und werden auch in Zukunft fortgesetzt. So wird wirkungsvoll für die Sicherheit der Gefangenen und Bediensteten in der Anstalt, aber auch der Bevölkerung gesorgt“, schloss er.

[  osthessen-news.de





08 March 2006
Schleswig-Holstein: Rot-Schwarz beschließt Polizeigesetz

von: schnueffelstaat

Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat am gestrigen Dienstag das umstrittene neue Polizeigesetz beschlossen. Die Koalition aus SPD und Union setzte sich dabei über massive Bedenken von Datenschützern hinweg. Diese befürchten eine massive Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte durch die neuen Regelungen. So darf die Polizei zukünftig bereits zur Vorbeugung von eventuell möglichen Straftaten Personen kurzzeitig anhalten und mitgeführte Fahrzeuge, insbesondere deren Kofferräume und Ladeflächen, in Augenschein nehmen. Dies kann auch ohne jeden konkreten Verdacht geschehen. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) hält dies für verfassungswidrig. Auch die mit dem Gesetz verbundene Ausweitung der Videoüberwachung, automatisches Kennzeichenscreening und den Einsatz von Telefonüberwachung auch ohne konkreten Verdacht hatte das ULD zuvor kritisiert.

[  blogigo.de

[  »Das neue Polizeigesetz erinnert stark an Orwell« / 19 Januar 2006

[  Schleswig-Holsteins Datenschützer kritisieren Entwurf für neues Polizeirecht / 12 January 2006





08 March 2006
So viel ist sicher

Dem Hamburger Justizsenator Roger Kusch gebührt die Ehre, den Strafvollzug in seinem Land vollständig umgekrempelt zu haben. von gaston kirsche

Sicherheit ist nicht mehr allein das Markenzeichen süddeutscher Vollzugspolitik. Das frühere Laisser-faire im Hochsicherheitsbereich des Hauses II der Justizvollzugsanstalt Fuhls­büttel, das der Unterdrückung, der Gewalt und dem Drogenhandel unter den Gefangenen Vorschub leistete, wurde beendet«, heißt es in der neuesten Broschüre der Hamburger Justizbehörde. Unter der Überschrift »Soviel ist sicher« ist nachzulesen, was der Justizsenator Roger Kusch (CDU) und seine Mitarbeiter seit seinem Amtsantritt im Herbst 2001 alles geleistet haben. So seien etwa der offene Vollzug »auf das erforderliche Maß zurückgefahren« und die Gnadenerweise und Vollzugslockerungen stark eingeschränkt worden, während der Anteil arbeitender Gefangener stark gestiegen sei. »Wer nicht mitzieht, erhält eine solide Grundversorgung, verbunden mit allen Einschränkungen für den Tagesablauf«, heißt es zum Wandel »vom Angebots- zum Chancenvollzug«. Alle Änderungen dienen selbstverständlich der Sicherheit der Bürger, die unter der rot-grünen Regierung »oft auf der Strecke« geblieben sei.

In »schmutzigen und heruntergekommenen Zellen« müssten die inhaftierten Männer und Frauen leben, der Zustand der Abschiebeabteilung in der Untersuchungshaftanstalt sei »extrem schlecht«. Das steht in einem vorige Woche veröffentlichten Bericht einer Delegation des Anti-Folter-Komitees des Europarates (CPT). Unter der Leitung der britischen Präsidentin des CPT, Silvia Casale, hatte die Delegation im November letzten Jahres meh­rere Bundesländer besucht. Die Zustände in der Hamburger Abschiebehaft rügte sie als »völlig inakzeptabel«. So würden in der Untersuchungshaft­anstalt Holstenglacis Frauen und Männer »allein oder zu zweit 23 Stunden pro Tag in ihren Zellen eingeschlossen, wo sie fast nichts haben, mit dem sie sich beschäftigen könnten« – keine Bücher, kein Fern­sehen. Im Bericht der CPT ausdrücklich genannt werden weiterhin die »systema­tische Zensur der Korrespondenz, keine Möglichkeit zu telefonieren, Besuche nur für eine halbe Stunde alle 14 Tage« sowie Fälle von »grober Behandlung« und »verbalen Beschimpfun­gen« durch die Schließerinnen und Schließer. Deshalb forderte das Komitee, spezielle »Gewahrsamseinrichtungen« für Abschie­bungen zu schaffen, um den internationalen Standard einzuhalten.

Roger Kusch, ansonsten gerne in den Medien präsent, befand es nicht für nötig, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Lapidar sagte Carsten Grote, der Sprecher der Justizbehörde: »Der Bericht hat keinen Anspruch darauf, als Bibelzitat bewertet zu werden.« Er betonte, die vom Europarat geforderte Unterbringung der Abschiebehäftlinge in eigenen »Gewahrsamseinrichtungen« könne die Stadt nicht bezahlen. Gemeint war wohl, dass Hamburgs Justiz­behörde ihr Geld lieber für die Schaffung weiterer Haftplätze ausgibt als für verbesserte Haft­bedingungen für Flüchtlinge, deren Abschiebung erzwungen werden soll. So kündigte Grote an, die Zahl der Plätze für Abschiebehäftlinge in der Justizvollzugsanstalt Fuhls­büttel auf 98 zu erweitern.

Quantität hat auch im allgemeinen Strafvollzug Priorität. Die Zahl der Gefangenen in Hamburg ist unter Kusch stark angestiegen. Allein im neuen Hochsicherheitstrakt der JVA Billwerder, die Anfang Februar in Betrieb genommen wurde, sind 384 neue Plätze entstanden.

Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass Gefangene in drei verschiedenen Knäs­ten – dem Untersuchungsgefängnis, Santa Fu und Billwerder – 20 Stunden lang nackt und gefesselt auf Pritschen gelegen hatten. Roger Kusch lobte ausdrücklich die Arbeit der Mitarbeiter des Strafvollzugs. »Ihre Arbeit in den Kontext menschenunwürdiger Zustände in ausländischen Gefängnissen zu stellen, ist schwer erträglich«, sagte er, nachdem der Gal-Politiker und Anwalt Ernst Medecke geäußert hatte, die Zustände erinnerten ihn an Guantánamo. Vor der Hamburger Bürgerschaft sagte Kusch: »Es gibt zwei Maximen im Strafvollzug: bestmöglicher Schutz für die Bediensteten und volle Wahrung der Rechte der Gefangenen. Beides ist gleich­rangig und bei den Vollzugsbediensteten in den besten Händen.« Ausführlich las er aus dem inter­nen Bericht zum Fall des 50jährigen Niederländers vor, der im November in der Untersuchungshaft nackt gefesselt worden war. Das Fazit lautete: Die Bediensteten hätten den randalierenden Gefangenen auf der Suche nach Waffen entkleiden und fesseln müssen. Somit sei alles rechtens gewesen.

»In Hamburg wird so verfahren wie in den meisten anderen Bundesländern auch. Es geht bei den Maßnahmen um den Schutz von Bediensteten«, sagte auch der als liberal geltende Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zur Verteidigung seines Senators, der sich Anregungen für die »Modernisierung des Hamburger Strafvollzugs«, wie er damals zitiert wurde, in einem berüchtigten US-amerikanischen Wüstengefängnis geholt hatte. Im Jahr 2002 besuchte er Sheriff Joe Arpaio, den die Zeit schlicht »einen Sadisten aus Arizona« nannte. Zurück von seiner Reise regte Kusch gleich an zu prüfen, ob Gefangene nicht auch zu zweit in Gefängniszellen untergebracht werden könnten.

Kusch, der wegen seiner Personalpolitik auch als »lächelnde Guillotine« bezeichnet wurde, erfährt Unterstützung von der Hamburger CDU. Die geäußerte Kritik an ihm betraf kaum je den Law-and-Order-Kurs, sondern vielmehr seine wohl in­sze­nier­ten »Tabubrüche« wie die Forderung nach Abschaf­fung des Jugendstrafrechts oder das Eintreten für die Legalisierung der Sterbehilfe. Sogar in diesen Fällen ging es den Kritikern mehr um die Form als um den Inhalt: Obwohl die CDU beschlossen hatte, das Thema Sterbehilfe vorerst intern zu diskutieren, trat Kusch im Januar in einem Artikel der Neuen Juristischen Wochenschrift weiter für die Straf­freiheit bei der aktiven Sterbehilfe ein und gab Interviews. Im Februar folgte ein Beitrag in einer anderen Fachzeitschrift mit der Forderung nach der Abschaffung des Jugendstrafrechts, der zunächst auf Widerspruch stieß, etwa beim parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, Klaus-Peter Hesse.

Mittlerweile haben sich Kusch und seine Kritiker geeinigt: Hamburg schließt sich der Bundesratsinitiative Baden-Württembergs an, nach der 18- bis 21jährige künftig wie Erwachsene abgeurteilt werden sollen. Hinzu kommen eine Erhöhung der Höchststrafe von zehn auf 15 Jahre sowie ein »Warn­schussarrest« für Minderjährige. Wer auf Bewährung verurteilt wird, kann trotzdem einige Tage eingesperrt werden. »Der Bundesratsbeschluss geht in die richtige Richtung«, sagte Hesse. »Eine kontroverse Diskussion zwischen dem Justizsenator und mir auf dem Parteitag ist daher entbehrlich.«

[  jungle-world.com





8 March 2006
Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen

13 aktualisierte auflage

[...]Die vorliegende Dokumentation beschreibt in über 4700 Einzelgeschehnissen die Auswirkungen des institutionellen Rassismus auf die Betroffenen. Auf Flüchtlinge, die gehofft hatten, in diesem Land Schutz und Sicherheit zu finden, und letztlich an diesem System zugrunde gingen oder zu Schaden kamen. Die jährlichen Zahlen der Dokumentation sind im Vergleich n i c h t sinkend, sondern bleiben konstant. Auszugehen ist von einer wesentlich höheren Dunkelziffer. Die Dokumentation umfaßt den Zeitraum vom 1.1.1993 bis 31.12.2005.[...]

[...]Ein Fazit: Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen 333 Flüchtlinge ums Leben - durch rassistische Übergriffe oder bei Bränden in Unterkünften starben 80 Flüchtlinge.

* die Angaben für 2005 werden sich noch erhöhen, weil die offiziellen Zahlen des Bundesinnenministeriums noch nicht vorliegen[...]

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8. March 2006
"Das kommt öfter vor"

Ausgerissene Zehennägel, Schnitte im Gesicht, der Selbstmord eines als "suizidal" eingestuften Untersuchungshäftlings und eine Vergewaltigung, die nie öffentlich wurde: Wie sicher ist die JVA?

Bremen taz In der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen kam es 2004 zu einer schweren Vergewaltigung eines Häftlings durch einen Mithäftling. Diesen Vorwurf erhob der Grünen-Abgeordnete Jan Köhler gestern auf einer Sondersitzung des Rechtsausschusses. Anstaltsleitung und Justizressort hätten den Vorfall wissentlich verschwiegen. "Es ist die Pflicht des Ressorts, die Ausschussmitgleider über solche Vorfälle zu informieren", unterstrich Köhler.

Recherchen der taz bestätigen den von Köhler vorgetragenen Verdacht. Demnach wurde ein erwachsener Häftling im Jahr 2004 in der Dusche von einem Mithäftling vergewaltigt, er selbst sowie seine Familie bedroht. Die Anstalt, so hieß es, habe das Problem damals im Sinne des Opfers entschärft, das für den Rest seines Gefängnisaufenthalts auf die Krankenstation verlegt wurde - unerreichbar für seine Peiniger. Außerdem seien alle nötigen Ermittlungen eingeleitet worden. Insidern zufolge sind Übergriffe unter Häftlingen keine Seltenheit. "Das kommt öfter vor", heißt es hier. Haupttatort sei die Dusche.

Das Justizressort bestätigte gestern Abend, dass Polizei und Staatsanwaltschaft im März 2004 einem Vergewaltigungsverdacht nachgegangen seien. Allerdings hätten sich das angebliche Opfer in Widersprüche verstrickt und die Beschuldigten die Tat bestritten, Zeugen habe es keine gegeben. Das Verfahren sei wenig später eingestellt worden - weswegen der Rechtsausschuss nicht informiert worden sei. Anlass der Sondersitzung des Ausschusses gestern war eigentlich der Ende Februar bekannt gewordene mutmaßliche Fall von Folter unter Häftlingen gewesen. Ein türkischer Gefängnisinsasse hatte am 22. Februar beim Anstaltsarzt um Schmerzmittel für seinen Fuß gebeten. Ihm waren einige Tage zuvor die Nägel der drei mittleren Zehen herausgerissen worden - laut seiner eigenen Aussage von ihm selbst. Experten halten diese Version wegen der extremen Schmerzen allerdings für unwahrscheinlich. Eine Misshandlung durch Mithäftlinge, so SPD-Mann Wolfgang Grotheer zur taz, sei daher die "nächstliegende Vermutung".

Entsprechende Ermittlungsergebnisse konnte die Staatsanwaltschaft dazu gestern, zwei Wochen nach dem Arztbesuch des Häftlings, allerdings noch keine vorweisen - trotz einer ausgesetzten Belohnung von 3.000 Euro. Hinweise auf mögliche Täter erhofft sie sich nun von DNA-Spuren an möglichen Tatwerkzeugen, die sie in verschiedenen Zellen beschlagnahmt hat. Das Ergebnis dieser Untersuchungen liegt noch nicht vor. Die Vernehmungen der Gefangenen dauerten an, hieß es. Außerdem seien zwei Kripobeamte als "Profiler" in der JVA im Einsatz. Eine Schnittverletzung im Gesicht eines Mithäftlings des mutmaßlichen Folteropfers sorgte gestern für weitere Spekulationen. Köhler sprach von einem "Selbstmordversuch", der wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem Folterfall stehe. Anstaltsleiter Manfred Otto wies diese Vermutung zurück. Es handele sich keinesfalls um einen Selbstmordversuch. Dass der Messerschnitt an der Wange aber mit dem Zehennägel-Ausreißen in Verbindung stehen könnte, wollte das Justizressort gestern nicht ausschließen. Denkbar sei etwa, dass die Selbstverletzung andere Kratzer im Gesicht verbergen sollte, so Lutzebäck.

Kein Versäumnis der Anstaltsleitung sieht das Ressort im Fall des Selbstmordes eines Untersuchungshäftlings Ende Februar. Ein Polizeibeamter hatte den Mann auf dem Aufnahmebogen als "suizidal" bezeichnet - wer genau und warum, lässt sich Lutzebäck zufolge nicht mehr aufklären. Den Vorwurf Köhlers, dass angesichts dieses Vermerks unbedingt ein Psychologe hätte zu Rate gezogen werden müssen, wies das Justizressort dennoch zurück. Ein Psychologe werde nur auf Anraten des Arztes hinzugezogen, und der habe keinerlei Anzeichen von Selbstmordgefahr festgestellt. SPD und CDU schlugen gestern die Videoüberwachung von Fluren und Gemeinschaftsräumen der JVA vor. Damit könnten Täter zumindest im Nachhinein leichter überführt werden. Köhler forderte dagegen mehr Personal. Technik könne den persönlichen Kontakt der Beamten mit den Häftlingen nicht ersetzen. Armin Simon taz Bremen vom 8.3.2006, S. 25, 139 Z. (TAZ-Bericht), Armin Simon

[  taz.de


Mißhandlung eines Häftlings gibt weiter Rätsel auf

08 March 2006

Bremen - Der Fall eines mißhandelten Häftlings in der Bremer Justizvollzugsanstalt (JVA) gibt weiter Rätsel auf. Bislang lägen keine konkreten Hinweise auf den oder die Täter vor, hieß es nach einer nichtöffentlichen Sondersitzung des Rechtsausschusses am Dienstag. Dem Häftling waren Fußnägel an mehreren Zehen herausgerissen worden. Er hatte angegeben, sich selbst verletzt zu haben. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand sei dies nicht völlig auszuschließen, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion Wolfgang Grotheer.

Die Verletzungen waren Ende April bei einer ärztlichen Untersuchung aufgefallen. Die Anstaltsleitung hatte darauf die Polizei eingeschaltet. "Weder die Tatzeit noch der Tatort stehen fest", sagte Grotheer, "auch ist nicht bekannt, ob es eine Mißhandlung durch Mitgefangene war oder wie es sonst geschehen sein könnte". So gebe es keine Anzeichen dafür, daß Mitgefangene das Opfer gefesselt und geknebelt haben. Nach Ansicht des Rechtsexperten müsse jedoch alles getan werden, um eine Wiederholung des Falles zu verhindern. Wegen knapper Haushaltsmittel sei zwar nicht mit einer Aufstockung des Personals zu rechnen. Für eine bessere Überwachung der Gefangenen seien aber Videokameras auf Fluren und Gängen der JVA sinnvoll, sagte Grotheer. Dies könne Gefangene vor Übergriffen untereinander abschrecken.

Die Grünen forderten dagegen mehr Personal. Die Inhaftierten brauchten vertraute Ansprechpartner, erklärte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Jan Köhler. Er kritisierte die Pläne der SPD/CDU-Koalition, für 1,7 Millionen Euro eine Gefängnismauer zu bauen. "Für die Innere Sicherheit im Knast ist dagegen kein Geld da." lni

[  welt.de


Folter im Knast – mehr Personal statt Videoüberwachung

PRESSEMITTEILUNG NR. 45-06

Datum: 7. März 2006

"Die schreckliche Misshandlung im Gefängnis Oslebshausen muss Konsequenzen haben. Die Inhaftierten brauchen vertraute Ansprechpartner, an die sie sich wenden können. Der massive Personalabbau hat dazu geführt, dass eine ausreichende Aufsicht in den Vollzugsgruppen nicht mehr gewährleistet ist. Wir brauchen mehr Beamte im Strafvollzug," erklärt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Jan Köhler im Anschluss an die heutige Sitzung des Rechtsausschusses. Der justizpolitische Sprecher der grünen Fraktion lehnt die von SPD und CDU befürwortete Videoüberwachung ab. "Das verhindert keine Misshandlungen sondern hilft bestenfalls bei der nachträglichen Aufklärung. Ich möchte mehr Personal, damit die Beschäftigten mehr leisten können als Essen austeilen und Häftlinge bei Fahrten zu begleiten. Nur wenn Zeit für Gespräche mit den Inhaftierten bleibt, können die Beamten ein Gefühl für das Klima in der Gruppe entwickeln. Bislang waren neun Beamte für eine Vollzugsgruppe zuständig, jetzt sind es 12,5 für zwei Gruppen und es soll weiter Personal abgebaut werden. So kann es nicht weitergehen."

Das Sparargument lässt Jan Köhler bei der Personaldebatte nicht gelten: "1,7 Millionen Euro will die große Koalition bei der geplanten JVA-Sanierung für eine überflüssige neue sechs Meter hohe Mauer ausgegeben, obwohl der außerdem geplante neue Innenzaun ausreicht, um Ausbrüche zu verhindern. Für die innere Sicherheit im Knast ist dagegen kein Geld da. Das ist unverantwortlich." Vergewaltigung vertuscht Empört ist Jan Köhler über einen Vergewaltigungsfall in der Jusitzvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen im Jahr 2004, der vertuscht wurde: "Erst jetzt hab ich von einer schweren Vergewaltigung im Männerknast erfahren. Der Fall wurde von Anstaltsleitung und Justizressort unter den Teppich gekehrt. Ein dicker Hund – es ist die Pflicht des Ressorts, die Ausschussmitglieder über solche Fälle zu unterrichten. Ich habe einen Bericht über den skandalösen Vorfall für die Ausschusssitzung in der nächsten Woche beantragt."

[  gruene-bremen.de


Rechtsausschuss will aufklären

3 March 2006

Nach der Misshandlung eines Häftlings in der Bremer Justizvollzugsanstalt (JVA) soll eine Sondersitzung des Rechtsausschusses in der Bürgerschaft Licht in den noch ungeklärten Fall bringen. "Die Vorkommnisse in der JVA Oslebshausen müssen umgehend und rückhaltlos aufgeklärt werden", sagte die Ausschussvorsitzende Sibylle Winter (CDU). Dem Häftling waren mehrere Zehennägel herausgerissen worden. Er hatte angegeben, sich selbst verletzt zu haben. Der Anstaltsarzt schloss dies jedoch aus. Der Rechtsausschuss wird sich auch des noch immer nicht vollständig aufgeklärten Selbstmords eines Häftlings Ende Februar annehmen. "Es ist jedoch nicht in Ordnung, den Eindruck zu erwecken, hier lägen Versäumnisse seitens der Anstalt vor", sagte der SPD-Justizpolitiker Wolfgang Grotheer.

[  taz.de





08 March 2006
Polizei lobt SIWA-Arbeit

Bei der Neumarkter Sicherheitswacht sind Rambos fehl am Platz. „Das müssen Leute sein, die sich auch einmal beleidigen lassen, ohne auszuflippen“, sagt Jakob Bierschneider, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Neumarkt. Seit mittlerweile neun Jahren gibt es die „SIWA“ in der Stadt. Und die Polizei, die anfangs skeptisch war, ist inzwischen überzeugt von dieser Einrichtung. Beim Sicherheitsbeirat am Montagabend hat Jakob Bierschneider Zwischenbilanz gezogen. Die Sicherheitswacht setzt sich derzeit aus sechs Männern und zwei Frauen zusammen, fünf von ihnen sind seit Beginn dabei. Sie alle mussten eine Aufnahmeprüfung bestehen und 40 Stunden Ausbildung bei der Polizei absolvieren. Seither sind sie in der Stadt unterwegs, als Ansprechpartner für die Bürger und zusätzliches Auge der Polizei.

Die erste Streife der Sicherheitswacht ging am 12.August 1997. Allein 2005 waren 235 Mal Doppelstreifen (mit zwei Personen besetzt) unterwegs. Die SIWA sprach im vergangenen Jahr 191 Platzverweise aus, fand neun Mal Drogenspritzen auf Parkanlagen, lieferte sechs Mal Fundgegenstände ab, erstattete 20 Mal Meldung, dass beispielsweise ein Verkehrszeichen nicht lesbar war, wurde zwei Mal für Hilfeleistungen benötigt und erteilte Passanten 95 Mal Auskünfte. Dazu machte die SIWA 155 Mal Bürger darauf aufmerksam, wenn diese sich nicht korrekt verhielten und beispielsweise bei Rot über eine Ampelkreuzung liefen. Die Sicherheitswacht darf Personalien feststellen und maximal Platzverweise erteilen. Ansonsten stehen die Mitglieder über Funk in direktem Kontakt mit der Polizei.

[  donau.de





07 March 2006
Verfassungsbeschwerde gegen Neufassung des "Großen Lauschangriffs" Bürgerrechtler: Vorgaben des ersten Urteils von Gesetzgebern bewusst ignoriert

Der Rechtsanwalt Till Müller-Heidelberg aus Bingen hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des Gesetzes zur akustischen Wohnraumüberwachung eingereicht. Dieses entspräche nicht den Auflagen des Bundesverfassungsberichtes vom 3. März 2004, so die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, in deren Beirat der Anwalt sitzt, heute in Berlin. Der so genannte "Große Lauschangriff" könnte damit noch einmal auf den Prüfstand kommen.

Gespräche mit "engsten Vertrauenspersonen" seien noch immer nicht vor der Überwachung geschützt. Das hatte das Verfassungsgericht aber vor zwei Jahren gefordert. Entgegen der ausdrücklichen Vorgabe des damaligen Urteils sei auch das automatische Abhören von Gesprächen nicht verboten, sondern werde von der neuen Version des Gesetzes sogar ausdrücklich für zulässig erklärt, heißt es in der Beschwerde. Der "absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung" werde ebenfalls nicht, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, gesichert.

Die Beschwerde wurde den Angaben zufolge symbolisch am Jahrestag des ersten Verfassungsgerichtsurteils eingereicht. Müller-Heidelberg warf den gesetzgebenden Gremien vor, die damalige Entscheidung bewusst missachtet zu haben. Da die Auflagen seitdem noch mehrfach von Fachleuten dargelegt wurden, müsse man davon ausgehen, dass "sie wissen was sie tun", sagte er. (ck)

[  internet.com





07. March 2006
KRIMINALSTATISTIK Verbrechenszahlen nehmen ab, nur Betrüger haben gerade Hochkonjunktur

Berlin - Der neue Trend: Warenkreditbetrug. Fast 15.000 Fälle erfasste die Polizei im vergangenen Jahr, doppelt so viel wie 2004. Und: Die Aufklärungsrate sank hier von 87 auf 64 Prozent. So funktioniert die Masche: Der Betrüger gibt unter falschem Namen eine Order beim Versandhaus auf, lässt die Ware an eine Packstation liefern. Da sieht das Versandhaus nie sein Geld, und auch die Polizei hat schlechte Karten. Ein anderer Trick, der um sich greift: Im Internet werden Artikel per Vorkasse "verkauft" – geliefert wird nicht.

Bei Betrügereien dieser Art mischen auch Frauen kräftig mit. Kriminalität ist vor allem "Männersache", aber bei Betrugsdelikten liegt der Anteil weiblicher Täter bei über 30 Prozent. Die Polizei sieht sich mit "vorbeugender Verbrechensbekämpfung" auf Erfolgskurs: Die neue Statistik weist rückläufige Verbrechenszahlen aus. 509.000 Straftaten wurden erfasst, 5,7 Prozent weniger als 2004, die niedrigste Zahl seit 13 Jahren. Die Jugendkriminalität ging um 5,8 Prozent zurück – niedrigster Stand seit Wiedervereinigung. Zugenommen hat allerdings die Zahl der angezeigten Kindesmisshandlungen – um 18,6 Prozent auf 472 Fälle. Aber haben Kindesmisshandlungen wirklich zugenommen? Die Polizei sieht es anders: Die Bevölkerung ist sensibilisiert, statt weg zu schauen geht man doch zur Polizei.

[  berlinonline.de





6 March 2006
Gericht verbietet Polizei Auslesen und Kopieren von Computerdaten [Update]

Sobald die Staatsanwaltschaft die Herausgabe eines zuvor beschlagnahmten Rechners anordnet, darf die Polizei nicht eigenmächtig eine Kopie der Daten anfertigen. Dies hat jüngst das Verwaltungsgericht Lüneburg[1] entschieden und der Klage eines Gegners der Castor-Transporte stattgegeben (Az. 3 A 141/04), weil das Vorgehen in keinem Verhältnis zur vermuteten Straftat stand. Die Verhältnismäßigkeit nach dem niedersächsischen Polizeigesetz hatte bereits voriges Jahr das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Damals erklärten die obersten Verfassungshüter die enthaltene präventive Telefonüberwachung für verfassungswidrig.

Auslöser der Klage war das Verschwinden von drei so genannten "trash people" des Künstlers HA. Schult. Die aus "Wohlstandsmüll" geformten und rund 1,80 Meter großen Statuen, die bereits am Matterhorn, an der Chinesischen Mauer auf dem Roten Platz von Moskau ausgestellt waren, wurden im Landkreis Lüchow-Dannenberg in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entwendet. In einem von der Polizei aufgefundenen Bekennerschreiben teilten die Täter mit, dass die Aktion als Protest gegen die Castor-Tranporte zu verstehen sei; jedoch die "Figuren zu gegebener Zeit an einem geeigneten Ort wieder auftauchen würden".

Elf Tage später fand die Polizei kurz nach Mitternacht in der Nähe der Bahngleise für den Castortransport eine der Statuen und zudem Plakate mit Castorbezug. Zwei Stunden später wurde der spätere Kläger in der Umgebung angetroffen, der der Polizei aufgrund vorangegangener Delikte wie gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bekannt war. Aus diesem Grunde und weil er ein Trassierband bei sich trug, wurde seine Wohnung durchsucht und unter anderem sein PC beschlagnahmt. Kurz darauf teilte die zuständige Staatsanwaltschaft der Polizei mit, dass die Beschlagnahme nicht erforderlich sei und der Rechner dem Castorgegner ohne Durchsicht der Daten zurückgegeben werde müsse. Davon hielten die Polizeibeamten aber wenig und fertigten dennoch eine Kopie an, was sie dem Betroffenen auch schriftlich mitteilten.

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts lagen die Voraussetzungen des Paragrafen 31 Absatz 2 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (kurz Niedersächsisches Polizeigesetz) nicht vor, wonach Daten von der Polizei dann erhoben werden dürfen, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass die betroffene Person künftig Straftaten begehen wird. Zu beachten sei dabei aber auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Unschuldsvermutung. Allein die Tatsache, dass der Kläger mit einem Trassierband in der Nähe der Castor-Bahnstrecke angetroffen wurde, belege nicht hinreichend, dass er konkrete Straftaten begehen wollte, so das Verwaltungsgericht. Dieser Generalverdacht der Polizei verstoße darüber hinaus auch noch gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Mangelnder Tatverdacht war auch Stein des Anstoßes für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im vorigen Jahr. Damals erklärten die Richter aus Karlsruhe den Paragrafen 33 a Absatz 1 Nr. 2 des Niedersächsischen Polizeigesetzes für verfassungswidrig[2]. Genannte Regelung erlaubte der Polizei die Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikationsvorgängen bei solchen Personen, "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, wenn die Vorsorge für die Verfolgung oder Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise nicht möglich erscheint". Die Verfassungsrichter werteten diese präventive Telefonüberwachung unter anderem als zu unbestimmt, da nicht genannt sei, ab wann eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" vorliege. (Noogie C. Kaufmann) / (anw[3]/c't) (anw/c't)

Links in diesem Artikel:
  [1] http://www.verwaltungsgericht-lueneburg.niedersachsen.de
  [2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/62150
  [3] mailto:anw@ct.heise.de

[  heise.de





5. March 2006
Panne bei Spurensicherung der Polizei wird zum Politikum

Bei der Spurensicherung in zwei Kriminalfällen haben Ermittler versehentlich DNA-Material von einem Tatort zum anderen getragen. Die Panne im Mai 2005, durch die der vermißte Alexander Luchterhandt in Verbindung mit dem Mord an dem Autohändler Thomas Esch gebracht wird, wurde jetzt bekannt und irritiert Juristen und Politiker. Die Reaktionen reichen von "Wahnsinn" über "ungeheuerliche Nachlässigkeit" bis zu "möglich ist wohl alles".

Die Innenpolitiker Peter Trapp (CDU) und Alexander Ritzmann (FDP) wollen den Vorgang im Fachausschuß am Montag thematisieren. "Ich kann mir nicht vorstellen, daß Werkzeug bei professioneller Spurensuche mehrfach und ungesäubert eingesetzt wird", sagt Trapp, selber ausgebildeter Polizist. Im Prozeß zum Mordfall Esch hat sich herausgestellt, daß Polizeitechniker versehentlich die DNA-Spur Luchterhandts auf der Leiche von Esch plaziert hatten - weil sie ein- und dasselbe Klebeband benutzten. Die Polizei kommentiert das nicht.Nicole Friedrich von der Vereinigung der Berliner Strafverteidiger mutmaßt, daß man damit den Beweiswert jeder DNA-Untersuchung anzweifeln könne. Zumal gefordert werde, die DNA aller Straftäter mit der Prognose Wiederholungstäter zu speichern.Rolf Kaßauer vom Bund Deutscher Kriminalbeamter meint, daß DNA-Spuren nur etwas zum Aufenthalt einer Person aussagen können. "Sie sind Indiz, kein Tatbeweis."

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03. March 2006
Ex-Gefangener fürchtet alte Wärter
Nach Verurteilung Gnadenantrag gestellt

Michael Schmidt (Name geändert) möchte - trotz Verurteilung - nicht dorthin zurück, wo er etwa sieben Jahre seines Lebens verbringen musste: in die Justizvollzugsanstalt Brandenburg. Er fürchte dort von den gleichen Beamten verprügelt zu werden, die ihn angeblich in den neunziger Jahren misshandelt und verletzt hätten, sagt der nun 36 Jahre alte Mann. Von 1992 bis 1999 hat er in Brandenburg eine Haftstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge verbüßt.

Nach seiner Haftentlassung geriet Michael Schmidt erneut in Konflikt mit dem Gesetz. Unter anderem fuhr er wiederholt Auto, obwohl er keinen Führerschein hat. Zunächst erhielt der gebürtige Brandenburger wegen dieser Vergehen Geld- und Bewährungsstrafen. Doch vor wenigen Wochen verurteilte der Amtsrichter ihn zu einer Haftstrafe ohne Bewährung. Zudem wurde seine Bewährung widerrufen, so dass er seine viermonatige alte Strafe absitzen soll. Hinzu könnten eine neunmonatige Haftstrafe kommen, wenn das Urteil vom Februar rechtskräftig wird.Die Gefängnisstrafen hält er für unangemessen und hat sich daher nach eigenen Angaben mit Gnadengesuchen an das Justizministerium gewandt. Von dort wartet der Vater eines kleinen Sohnes auf eine Entscheidung. Er führt für sich ins Feld, dass er eine feste Stelle als Trockenbauer zugesagt bekommen habe und als Familienvater ein geregeltes Leben führe. Die erneute Fahrt ohne Führerschein sei ein großer Fehler gewesen.

2005 wurde 23 mal Gnade gewährt

Das Justizministerium gibt keine Auskunft zu Gnadenanträgen wie dem von Michael Schmidt. Justizsprecher Thomas Melzer zufolge werden solche Anträge gestellt, wenn der Rechtsweg ansonsten ausgeschöpft ist. 2005 habe das Ministerium 183 solcher Gnadenanträge bekommen. 23 davon wurden laut Melzer positiv beschieden.Sollte keine Gnade vor Recht ergehen, müsste Michael Schmidt ins Gefängnis gehen. Vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg habe er Angst, sagt der ehemalige Haftinsasse. Er nennt Namen von Aufsehern, die ihn während seiner langen Haft angeblich geschlagen hätten. Diese Männer seien seines Wissens nach noch immer in der JVA beschäftigt.

Direktor: "Hier wird niemand geprügelt"

Gefängnisdirektor Hermann Wachter ist empört über solche Unterstellungen. "Hier wird niemand geprügelt und hier hat auch niemand zu befürchten, dass er verprügelt wird." Sollte einmal "unmittelbarer Zwang" notwendig sein, werde er darüber sofort informiert - rund um die Uhr. Das geschehe extrem selten.Wachter fragt sich, warum der Mann die angeblichen Misshandlungen nicht angezeigt hat. Der Direktor lässt keinen Zweifel daran, dass er den Angaben des Ex-Gefangenen nicht glaubt. Er weist darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft mit einer Ausnahme sämtliche Ermittlungen über angebliche Übergriffe seitens des Personals eingestellt habe.Auch die "unsäglichen Behauptungen" über maskierte Schlägertrupps, die 2004 zu einer schweren Justizkrise geführt hatten, hätten sich als haltlos herausgestellt.

Tatsächlich ist nur ein Fall aus dem Jahr 1999 zur Anklage gekommen. Ob die Anklage zugelassen wird, darüber hat das Landgericht Potsdam noch zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft wirft 13 Anstaltsbediensteten vor, sie hätten einen Gefangenen am 4. und 5. März 1999 dreimal misshandelt.Der Mann sei damals ausgerastet und habe randaliert. Daraufhin hätten die JVA-Bediensteten ihn ruhig gestellt - nach Auffassung des Staatsanwalts mit unzulässigen Mitteln. Laut Justizsprecher Thomas Melzer belastet dieses noch offene Verfahren die betroffenen Beamten. Denn sie seien vorerst aus dem allgemeinen Vollzugsdienst herausgenommen. Somit hätten sie derzeit keinen direkten Kontakt zu Gefangenen. (Brandenburg/Havel)

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02. March 2006 
1500 gesuchte Personen festgenommen

Die seit sechs Jahren in Hessen gesetzlich erlaubte Schleierfahndung erweist sich nach Ansicht von Landespolizeipräsiden Norbert Nedela als eine zunehmend erfolgreiche Einsatzmethode der Polizei. Deshalb sei die Zahl dieser verdachtsunabhängigen Kontrollen auf Autobahnen und Bundesstraßen bereits im vergangenen Jahr „massiv erhöht” worden: um mehr als 40.000 auf fast 89.000. Dabei seien 230.000 Menschen und 123.000 Fahrzeuge überprüft und mehr als 1500 polizeilich gesuchte Personen gefaßt worden.

Die Schleierfahndung habe zudem zu rund 12.600 Ermittlungsverfahren geführt, sagte Nedela bei der Präsentation der hessischen Kriminalstatistik für das vergangene Jahr; davon gut 5200 wegen Rauschgiftdelikten, 453 wegen Diebstahls, 228 wegen illegalen Waffenbesitzes und 23 wegen Menschenhandels. Zudem habe die Polizei knapp 300 Autos sichergestellt. Jeder zweite bei den Kontrollen gefaßte Tatverdächtige sei Ausländer gewesen (55,7 Prozent). So sei bei einer Fahrzeugkontrolle auf der Autobahn 60 ein Auto mit französischen Kennzeichen aufgefallen, berichtete Nedela. Die darin sitzenden Erwachsenen und Kinder aus Rumänien hätten eine große Menge von Goldschmuck am Körper getragen oder im Wagen versteckt, bei dem es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Diebesgut handele.

Abschreckende Wirkung

Auf der Autobahn 3 am Mönchhofdreieck sei ein Nigerianer mit 3,3 Kilogramm Marihuana im Auto gefaßt worden, und in Nordhessen habe die Polizei bei der Schleierfahndung einen Wagen mit Litauern gestoppt, die Spezialwerkzeuge für das Aufbrechen von Autos bei sich gehabt hätten. Eine genauere Überprüfung ergab Nedela zufolge, daß es sich bei den Verdächtigen um „hochprofessionelle Serientäter” gehandelt habe. Die Schleierfahndung bringt nach den Worten des Landespolizeipräsidenten aber nicht nur unmittelbare Erfolge, sondern wirkt auch abschreckend. So sei es nicht unüblich, daß Straftäter aus Straßburg nach Hessen reisten, um hier in Häuser, Wohnungen oder Autos einzubrechen. „Bei denen spricht sich inzwischen herum, daß es in Hessen die Schleierfahndung gibt.” Seit Mai 2000 kann die hessische Polizei ohne konkreten Verdacht Personen kontrollieren, die sich auf Flughäfen oder Bahnhöfen aufhalten oder auf überregionalen Straßen unterwegs sind. Die Schleierfahndung ist eine Reaktion auf die Abschaffung nationaler Grenzkontrollen in Europa und soll die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erleichtern. Ins Visier werden dabei vor allem mobile, nicht ortsgebundene Tätergruppen genommen, die aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland einzig zu dem Zweck anreisen, um Straftaten zu begehen. Nach ihren Beutezügen setzten sie sich dann so schnell wie möglich wieder in ihre Heimat ab - fern vom Zugriff deutscher Behörden.

In Hessen und vor allem in der Rhein-Main-Region sei die Schleierfahndung wegen der zentralen und verkehrsgünstigen Lage besonders vielversprechend, meint Innenminister Volker Bouffier (CDU). Durch die verdachtsunabhängigen Kontrollen erlange die Polizei Kenntnis von Straftaten und Straftätern, die ihr sonst verborgen geblieben wären. Er werde daher weiter auf diese Fahndungsmethode setzen, zumal er zuversichtlich sei, daß Autofahrer, die wegen Großkontrollen im Stau stünden, Verständnis für das Vorgehen der Polizei aufbrächten.

[  faz.net





02. March 06
Warum sind wir nicht frei wie die Tauben?

Heute Abend im Waldhorn: „Die Unerwünschten“ zeigt das Leben in der Rottenburger Abschiebehaft

ROTTENBURG. Seit 12 Jahren verfügt die hiesige Justizvollzugsanstalt über einen gesonderten Trakt für Abschiebe-Gefangene. Nun bekommt die Rottenburger Öffentlichkeit zum ersten Mal die Gelegenheit, sich ein Bild über das Leben in diesem „Gefängnis im Gefängnis“ zu machen. Am heutigen Donnerstag um 20 Uhr zeigt die Filmemacherin Sarah Moll ihren Dokumentarfilm „Die Unerwünschten“ im Kino Waldhorn. Fünfundvierzig Männer auf engstem Raum, meistens zu dritt in einer 16-Quadratmeter-Zelle, 22 Stunden am Tag eingesperrt: Da könnte man permanenten Stress und Streit erwarten, Krach und Chaos. Davon ist in Sarah Molls einstündigem Film „Die Unerwünschten“ nichts zu sehen: Ruhig schwenkt die Kamera immer wieder am Stacheldraht-Zaun entlang, an kahlen Wänden, an vergitterten Fenstern – geradezu ästhetisch.Einen ausgesprochen ruhigen Film hat die 28-jährige Stuttgarterin gedreht. Stille Resignation und quälendes Nichtstun prägen die Abschiebehaft. „Man kann sich der Depression fast nicht entziehen“, erinnert sich Moll an ihre neun Drehtage in den Zellen-Containern im Hof der Rottenburger Justizvollzugsanstalt.

Nichts verbrochen

In ihren Interviews stieß sie immer wieder auf „Fassungslosigkeit“ bei den Gefangenen: „Warum sperrt man mich hier ein? Ich habe doch nichts verbrochen.“ Dazu kommt das komplizierte Asylrecht, das selbst für Leute mit guten Deutschkenntnissen nur schwer verständlich ist und in dem sich viele Gefangene irgendwie verheddert haben. Für die meisten ist die Zukunft ungewiss. Manche bleiben nur wenige Tage, viele aber auch etliche Monate in Rottenburg inhaftiert – bis die Behörden die Abschiebung organisiert haben. Manchmal müssen die Gefangenen aber auch wieder frei gelassen werden, weil sich die Abschiebung als undurchführbar erweist oder weil eine Klage doch noch Erfolg hatte.Sechs Männer hat Molls dreiköpfiges Filmteam bei ihren letzten Wochen auf deutschem Boden begleitet. Darunter einen jungen Türken, der auf seinem Stockbett sehnsüchtige Liebesbriefe an seine Verlobte in Stuttgart schreibt, und am Ende abgeschoben wird, weil sich die notwendigen Heirats-Dokumente nicht rechtzeitig aus der Türkei beschaffen lassen. Oder einen Chinesen, der offenbar kein Wort Deutsch versteht, und der seine Tage kettenrauchend am Gitterfenster verbringt.

Die einzige Abwechslung (neben dem zweistündigen Hofgang) bieten die Tauben im Hof, die viele Gefangene durch die Zellenfenster füttern. „Warum bin ich nicht wie die Tauben?“ fragt einer. „Sie sind frei, und sie sind wie eine Familie, alle zusammen.“Und dann ist da noch das Fernsehgerät in jeder Zelle, das manche Außenstehende für Luxus halten. Aber wenn Fernsehen die einzige Beschäftigung ist, sagt Moll, „dann kann man sich irgendwann auf nichts mehr konzentrieren.“„Die Unerwünschten“ ist Molls Diplomarbeit zum Abschluss ihres sechsjährigen Studiums an der Ludwigsburger Filmakademie. Für die Produktionskosten bekam sie 90000 Euro von der Akademie, vom SWR (der den Film in zwei Wochen zeigt) und von der baden-württembergischen Filmförderung. Zum Team gehörten auch Kumaran Herold (Kamera), Peter Felder (Ton) und weitere Techniker/innen und Übersetzer/innen. Die Produktion übernahm die Ludwigsburger Firma Indifilm.

Buhmänner für das System

Erst nach langem Hin und Her bekam sie eine Drehgenehmigung; die Gefängnisleitung hatte Vertrauen gefasst, dass die Stuttgarterin „keinen Agitprop-Film“ (Moll) drehen wollte. „Wir wollten niemand vorher abstempeln und mit allen Seiten reden“, sagt die 28-Jährige. Vollzugsbeamte und Abschiebehaft-Personal hat sie als äußerst misstrauisch gegenüber den Medien erlebt. „Das ist auch kein Wunder. Die müssen immer als Buhmänner herhalten für die Fehler des Systems.“Moll zeigt die Bediensteten durchweg als korrekt und höflich. Aber zumindest in einem Fall lässt diese Korrektheit den Zuschauer dann doch frösteln – beim Beamten der zuständigen „Bezirksstelle für Asyl“, der regelmäßig von Reutlingen zur Anhörung nach Rottenburg kommt. Eine Abschiebung vorzubereiten sei im Prinzip nichts anderes als eine Baugenehmigung zu bearbeiten: „Das ist eine Verwaltungstätigkeit. Ich wende die bestehenden Gesetze auf den Einzelfall an.“

Freilich räumt der Beamte auch ein, dass sich manche seiner Kollegen aus Gewissensgründen weigern, an Abschiebungen mitzuwirken. Und von seinem Sohn muss er sich kritische Fragen gefallen lassen.Moll kommentiert solche Aussagen nicht, wie sie überhaupt in ihrem Film auf eine Off-Stimme verzichtet. Die – sparsamen – Hintergrundinformationen zur Abschiebehaft werden schriftlich eingeblendet.Zwei Extremsituationen hat das Filmteam mitbekommen: Einmal ist Moll live dabei, als sechs kurdische Gefangene beim Hofgang eine Protestaktion vereinbaren. Der diensthabende Beamte kann die Männer aber wieder beruhigen, und die Gefangenen gehen zurück in ihre Zellen. An diesem Punkt musste Moll die Kamera abschalten.

Denn die Gefängnisleitung reagierte rigoros: Die vermeintlichen Rädelsführer wurden in andere Anstalten verlegt oder abgeschoben. Die Schreie der sich wehrenden Gefangenen nahm Moll durch eine Tür mit dem Mikrofon auf, erzählte sie im Interview, doch die Tonspur durfte sie im Film – mangels Drehgenehmigung – nicht verwenden.Und das Gegenteil: Zufällig ist Moll dabei, als ein Bediensteter einem marokkanischen Gefangenen mitteilt, er werde noch am selben Vormittag frei gelassen. Dessen überschäumende Freude scheint die ganze Zelle zu sprengen – umso hoffnungsloser bleibt der ägyptische Mitgefangene zurück.

INFO „Die Unerwünschten“ läuft am heutigen Donnerstag um 20 Uhr im Rottenburger Waldhorn-Kino (Sarah Moll und jemand von der Tübinger Amnesty-International-Gruppe sind anwesend), sowie am Donnerstag, 16. März, um 23.20 Uhr im Südwest-Fernsehen.

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March 2006
Abschiebehäftling nach Suizidversuch in Gefängnisklinik
Bruder darf 34-jährigen Iraner nicht in Butzbach besuchen / Anwältin verlangt Verlegung in ziviles Krankenhaus

Ein iranischer Flüchtling, der am Mittwoch mit einer versuchten Selbstverbrennung die Abschiebung in seine Heimat stoppen wollte, ist ins Gefängniskrankenhaus Butzbach eingewiesen worden. Seine Anwältin fordert nun die Verlegung ihres Mandanten in eine öffentliche Klinik.

Giessen/Frankfurt · "Ich werde Widerspruch gegen die Hafteinweisung in den Krankenhaustrakt der JVA Butzbach einlegen", sagte Anwältin Brigitte Kiechle. Dorthin hatte das Amtsgericht Gießen Samadi gestern per Eilentscheid eingewiesen. Zuvor war der 34-Jährige bei einem Abschiebehaft-Prüfungstermin unter Krämpfen auf dem Gerichtsflur kollabiert - 23 Stunden, nachdem er auf einer Flughafentoilette sein T-Shirt angezündet und Brandwunden an Brust und Bauch sowie eine Rauchvergiftung erlitten hatte. Zuvor hatte das Krankenhaus Höchst entschieden, er sei "transportfähig".Sein Bruder, der einzige Familienangehörigen in Deutschland, durfte ihn gestern nicht im Hospital der JVA Butzbach besuchen, bereits am Donnerstag war ihm die Mitfahrt im Rettungswagen nicht erlaubt worden. Weder bei der JVA noch beim Amtsgericht Gießen war hierzu am Freitag eine Stellungnahme zu erhalten.Bezhaid Samadi, heute 34 Jahre, kam vor viereinhalb Jahren mit seinem jüngeren Bruder Dawood nach Deutschland. Dieser erzählt, im Iran habe sich Bezhaid an Studentenprotesten gegen das islamische Mullah-Regime beteiligt. Er selbst habe seinen Militärdienst in einem Teheraner Gefängnis geleistet, wo er Augenzeuge von Folterungen und Hinrichtungen geworden sei. "Ich habe das nicht mehr ertragen", sagt er.

Von diesen Ereignissen geprägt, engagierten sich beide Brüder hierzulande in exiliranischen Organisationen: der "Arbeiterkommunistischen Partei Irans" (AKP) sowie der "Föderation iranischer Flüchtlingsräte". Für beide traten sich auch öffentlich mit Namen auf. Vor allem wegen dieser politische Arbeit könnten sie nicht mehr heimkehren, sagen sie. "Man würde uns foltern oder sogar hinrichten", fürchtet Dawood. Kenner der innenpolitischen Verhältnisse im Iran bestätigen dies. Gerichtsurteile ebenso: Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf sah bei einem AKP-Aktivst im Falle einer Abschiebung eine Gefährdung aufgrund seiner exilpolitischen Arbeit. Richter in Frankfurt stuften sogar den Besitz von Büchern, die im Iran verboten sind, als Gefahr ein. Behörde sieht keine GefährdungIm Falle Samadis kam die Ausländerbehörde jedoch zu dem Schluss, seine politische Tätigkeit stelle keine Gefährdung da. "Obwohl unumstritten ist, dass der iranische Geheimdienst die Exilanten überwacht", wundert sich Samadis Anwältin. Bruder Dawood fragt, wieso sein Bruder nach dem versuchten Suizid tags darauf wieder an die Polizei ausgeliefert wurde: "Wieso kam er nicht in psychologische Obhut?"

Und genauso fehle ihm eine Antwort auf die Frage, wieso das Regierungspräsidium Gießen (RP) die Abschiebung angeordnet habe, obwohl das VG Gießen eine Klage gegen die zweite Ablehnung noch nicht entschieden hat. Die Antwort gibt RP-Sprecher Manfred Kersten. Das RP sei nicht verpflichet, die richterliche Entscheidung abzuwarten. "Und das machen wir üblicherweise auch nicht", so Kersten. Das wurde Samadi zum Verhängnis. Er dachte, seine Abschiebung sei ausgesetzt, solange die Klage läuft.Deshalb wollte er am Mittwoch fristgerecht seine Duldung beim Gießener Ausländeramt verlängern. Und wurde dort prompt festgenommen. Kersten begründet das mit der "gebotenen Eile". Denn am 23. April laufe Samadis Pass ab, und da der Iran diesen bei Flüchtlingen nicht erneuere, könne er dann nicht mehr in den Iran abgeschoben werden.Das Hessische Innenministerium in Wiesbaden sieht keinen Bedarf, die Abschiebepraxis in den Iran sowie die Bewertung der dortigen innenpolitischen Lage zu überdenken. Angesprochen auf die dortige politische Verfolgungen, meinte ein Sprecher: "Der Iran hat eine demokratisch gewählte Demokratie."

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2. March 2006
Durchsuchung der Wohnung einer Richterin war verfassungswidrig

Die Verfassungsbeschwerde einer Richterin, die sich gegen die Anordnung der Durchsuchung ihrer Wohnung wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gewandt hatte, war erfolgreich. Im Rahmen der Durchsuchung war unter anderem auf die im Computer der Beschwerdeführerin gespeicherten Daten sowie auf die Einzelverbindungsnachweise ihres Mobilfunktelefons Zugriff genommen worden. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hob mit Urteil vom 2. März 2006 einstimmig die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts auf. Die Verfassungsrichter sahen durch die Hausdurchsuchung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Zudem sei wegen des "äußerst geringen" Tatverdachts seitens des Landgerichts dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen worden.

Nach Auffassung der Verfassungsrichter war das Fernmeldegeheimnis nicht verletzt. Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses ende in dem Moment, in dem die Nachricht bei dem Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang beendet sei. Ein Nutzer könne sich bei den seiner Verfügungsmacht unterliegenden Geräten gegen den unerwünschten Zugriff Dritter durch vielfältige technische Vorkehrungen schützen. Die in einer Privatwohnung verfügbaren Daten einer Kommunikation seien daher nach einem bereits abgeschlossenen Kommunikationsvorgang nicht mehr vom Fernmeldegeheimnis erfasst. Der Beschluss des Landgerichts zur Durchsuchung der Wohnung verletzten die Beschwerdeführerin nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts "aber in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung" nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz sowie in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Absatz.

Ein Durchsuchungsbeschluss, der zielgerichtet und ausdrücklich die Sicherstellung von Datenträgern bezwecke, auf denen Telekommunikationsverbindungsdaten gespeichert sein sollten, greife in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Fernmeldegeheimnis und Recht auf informationelle Selbstbestimmung stünden, soweit es den Schutz der Telekommunikationsverbindungsdaten betreffe, in einem "Ergänzungsverhältnis". Sofern das Fernmeldegeheimnis etwa nach Beendigung eines Telefonats nicht mehr greife, dann würden die personenbezogenen Verbindungsdaten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Damit werde der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt.

Beschränkungen dieses Rechts bedürften einer gesetzlichen Grundlage. Die gegebene Möglichkeit, auf der Grundlage der Strafprozessordnung auf Verbindungsdaten zugreifen zu können, ist nach Auffassung der Verfassungsrichter "für eine wirksame Strafverfolgung nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch angemessen".

Ein erheblicher Eingriff sowohl in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als auch in die Unverletzlichkeit der Wohnung bedürfe jeweils im konkreten Fall "einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit". Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten sei auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung müsse dem Umstand Rechnung tragen, dass es sich um Daten handele, die außerhalb der Sphäre des Betroffenen unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses stünden und denen im Herrschaftsbereich des Betroffenen ein ergänzender Schutz durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zukomme. "Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Verbindungsdaten sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Maßnahme entgegenstehen", heißt es in einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.

Dem Schutz der Verbindungsdaten müsse bereits in der Durchsuchungsanordnung durch Vorgaben zur Beschränkung des Beweismaterials auf den tatsächlich erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden. "Dabei ist vor allem an die zeitliche Eingrenzung der zu suchenden Verbindungsdaten zu denken oder an die Beschränkung auf bestimmte Kommunikationsmittel, wenn die Auffindung verfahrensrelevanter Daten in anderen Endgeräten des Betroffenen von vornherein nicht in Betracht kommt."

Die Beschlüsse des Landgerichts tragen nach Auffassung des Verfassungsgerichts dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung. "Der gegen die Beschwerdeführerin bestehende Tatverdacht war allenfalls als äußerst gering zu bewerten und vermochte keinesfalls die vorgenommenen schwerwiegenden Eingriffe in die Grundrechte der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen." Das geringe Gewicht des Tatverdachts folge bereits aus der Vielzahl von Personen, die für die fragliche Weitergabe der Informationen in Betracht gekommen seien. Einige von ihnen seien allein aufgrund eigener Bekundungen als Verdächtige ausgeschlossen, andere überhaupt nicht in die Betrachtung einbezogen worden. Auch die Geeignetheit der Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln war nach Auffassung des Verfassungsgerichts "von vorneherein zweifelhaft". Zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung seien bereits fast fünf Monate seit der mutmaßlichen Tat vergangen gewesen. "Der fragliche Tatverdacht und die erheblichen Zweifel an der Geeignetheit der Durchsuchung stehen außer Verhältnis zu dem Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht der Beschwerdeführerin auf informationelle Selbstbestimmung. Das Landgericht hätte von Verfassungs wegen von der Anordnung absehen müssen." (Aktenzeichen 2 BvR 2099/04)

[  ngo-online.de


Verfassungsurteil
Fahnder können auf E-Mails zugreifen

Das Verfassungsgericht hat die Bedingungen für die Beschlagnahme von Handy- und Computerdaten neu definiert: Fahnder erhalten Zugriff, müssen sich aber an Regeln halten. Spannend sind die Nebenwirkungen: Verstößt die entsprechende EU-Richtlinie gegen deutsches Recht? Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Urteil am heutigen Donnerstagmorgen einerseits die Beschlagnahme von E-Mail-Verbindungsdaten erleichtert, die auf dem Computer eines Empfängers gespeichert sind. Zugleich aber gab es der Klägerin in einigen Punkten Recht, die wegen der Umstände einer solchen Beschlagnahmung Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte. Nach dem Urteil unterliegen die Verbindungsdaten nicht mehr dem Fernmeldegeheimnis, sobald sie beim Empfänger eingegangen sind und der Übertragungsvorgang beendet ist. Die Beschlagnahme der Daten bei einer Durchsuchungsaktion müsse allerdings "verhältnismäßig" sein und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahren.

Letztlich erleichtert das Urteil den Fahndern den Zugriff auf Handy- und Computerdaten, die nun nur noch durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt sind. Damit reicht den Fahndern schon ein Verdacht auf leichtere Straftaten, um die Beschlagnahmung entsprechender Daten zu veranlassen. Das Fernmeldegeheimnis sanktioniert solche Zugriffe nur bei einem Verdacht auf schwere Straftaten.Im konkret verhandelten Fall der Heidelberger Richterin, deren Computerdaten bei einer Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmt worden waren, weil sie in Verdacht stand, Ermittlungsergebnisse an die Presse weitergegeben zu haben, war das Vorgehen der Fahnder dagegen nicht korrekt. Der Verdacht gegen die Richterin hatte sich nicht erhärtet. Nach dem jetzigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts verstieß sowohl der Durchsuchungsbeschluss als auch die Beschlagnahme gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das Urteil der acht Richter des Zweiten Senats erging einstimmig.

EU-Richtlinie nicht verfassungskonform?

Die Begründung des Urteils dürfte noch für heiße Diskussionen sorgen. Denn auch, wenn Handy- und E-Mail-Daten nun weniger stark als unter dem Fernmeldegesetz geschützt sind, genießen sie doch prinzipiell einen gesetzlich garantierten Schutz. Beschlagnahmt werden dürfen sie nur bei Vorliegen eines Verdachtes auf eine Straftat. Das aber steht im offenen Gegensatz zur EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die von Telekommunikationsunternehmen eine präventive, grundsätzliche Speicherung und Archivierung solcher Daten ohne Vorliegen eines Anfangsverdachtes verlangt.Die EU-Richtlinie sieht vor, dass künftig jede Benutzung von Telefon, Handy und Internet protokolliert werde, damit Strafverfolgungsbehörden auf diese Informationen zugreifen können. Nachdem das Europäische Parlament nach langer Diskussion den vom Minsterrat vorgelegten Kompromissvorschlag im Dezember billigte, folgten kürzlich auch die EU-Justizminister.

Die Bundesregierung unterstützt die EU-Richtlinie, will bei ihrer Umsetzung aber auf Bedenken von Datenschützern und Bürgerrechtlern eingehen. Der Entwurf eines neuen Telekommunikationsgesetzes des Bundeswirtschaftsministeriums sieht bereits vor, dass Speicherungsdauer und Art der erfassten Daten nicht über die Mindestanforderungen der EU-Regelung hinaus gehen sollen. Außerdem sollen die Unternehmen eine "angemessene Entschädigung" für die Erfassung der Daten erhalten: Die Verbände der IT- und Telekommunikationsindustrie hatten sich vor allem mit der Begründung gegen die EU-Richtlinie gestellt, dass ihnen die erheblichen wirtschaftlichen Lasten für die Schaffung der Überwachungs-Infrastruktur aufgebürdet werden sollten.Mit dem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts dürfte nun die Frage in die Diskussion kommen, ob die Grundbedingung einer verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telekommunikations- und Internetdaten überhaupt mit der deutschen Verfassung in Einklang zu bringen ist.

[  spiegel.de


BVerfG: Kein Fernmeldegeheimnis für gespeicherte Emails

Das Bundesverfassungsgericht hat heute der Verfassungsbeschwerde einer Heidelberger Richterin stattgegeben. Die Karlsruher Richter haben die Rechtsanwendung eines baden-württembergischen Gerichts moniert, das zugrunde liegende Recht selbst aber nicht beanstandet. Mit seinem Urteil hat der Senat zugleich eine Entscheidung zur Reichweite des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) getroffen, deren Bedeutung weit über den konkret entschiedenen Einzelfall hinausreicht.

Entschieden hat das Gericht über den Umgang mit elektronischen Daten, die aus einem bereits abgeschlossenen Kommunikationsvorgang resultieren und die auf dem Endgerät eines Nutzers noch gespeichert sind. Solche Daten (z.B. vorhandene beweiserhebliche Dateien auf einer Computerfestplatte oder sog. Verkehrsdaten, aus denen sich ergibt, wer wann mit wem telefoniert hat) sind für die Ermittlungen von Strafverfolgern oftmals sehr wertvoll. Bislang war nicht abschließend geklärt, ob solche Daten auch dem Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 GG unterfallen. Das Bundesverfassungsgericht hat heute klargestellt, dass Artikel 10 GG nur den Übertragungsvorgang selbst schützt. Die bei solch einem Übertragungsvorgang anfallenden Verkehrsdaten und die im Wege der Telekommunikation übertragenen Daten, die nach dem Ende der Nachrichtenübermittlung noch auf dem Endgerät gespeichert sind, werden danach nicht vom Fernmeldegeheimnis geschützt, sondern beziehen ihren grundrechtlichen Schutz aus Artikel 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

„Das Bundesverfassungsgericht hat damit die Rechtsauffassung der Bundesregierung bestätigt und Rechtssicherheit in einer für die Strafverfolgungsbehörden wesentlichen Frage hergestellt. Ich begrüße sehr, dass damit bewährte Ermittlungsmethoden weiterhin angewendet werden können. Die Entscheidung stellt klare und eindeutige Maßstäbe auf, anhand derer man zuverlässig beurteilen kann, wann der Zugriff auf solche Daten rechtlich zulässig ist“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Die Einordnung des Gerichts, solche Daten grundrechtlich nicht durch das Fernmeldegeheimnis, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen, hat in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden ganz erhebliche Auswirkungen:

So kann beispielsweise auf Verkehrsdaten (z.B. wer hat wann mit wem telefoniert), die nach Ende eines Telefonats auf der SIM-Karte eines Mobiltelefons gespeichert werden, nach den Beschlagnahmeregeln der §§ 94 ff. der Strafprozessordnung (StPO) zugegriffen werden. Hätte - wie in einer Kammerentscheidung desselben Senats aus dem letzten Jahr gefordert - das Gericht den Schutz des Fernmeldegeheimnisses auf solche Daten erweitert, hätte man nur unter den strengeren Regeln der §§ 100g und 100h StPO auf sie zugreifen können. Diese Normen setzen insbesondere voraus, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, zudem sind Maßnahmen nach § 100g StPO stets nur aufgrund einer richterlichen Anordnung oder in Eilfällen durch den Staatsanwalt möglich. Maßnahmen nach § 94 StPO dürfen dagegen auch bei „einfachen“ Straftaten und auch von Polizeibeamten angeordnet werden.

Klargestellt hat das Gericht zudem, dass auch Inhaltsdaten, die im Wege der Telekommunikation erlangt und anschließend auf der Festplatte eines Computers abgespeichert wurden (z.B. eine aus dem Internet herunter geladene Datei), nicht vom Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses erfasst sind. Auch für ihre Beschlagnahme müssen daher allein die Voraussetzungen der §§ 94 ff. StPO erfüllt sein. Hätte der Senat – wie in der zitierten Kammerentscheidung nahe gelegt - solche Daten vom Fernmeldegeheimnis umfasst, wäre die Beschlagnahme eines Computers unzulässig, auf dessen Festplatte aus dem Internet herunter geladene Dateien mit kinderpornografischem Inhalt gespeichert sind. Der „bloße“ Besitz solcher Dateien berechtigt nämlich nicht zur Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung und -aufzeichnung von Telekommunikationsinhalten nach §§ 100a, 100b StPO, eine Beschlagnahme unter den Voraussetzungen des § 94 StPO ist dagegen zulässig. Die heutige Senatsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, dass es für die Sicherstellung kinderpornografischer Bilder beim Besitzer nicht darauf ankommt, ob sie elektronisch aus dem Internet herunter geladen oder im Postweg versandt wurden. In beiden Fällen gilt: Sobald die Postsendung an den Betroffenen „ausgeliefert“ ist, endet der Schutzbereich des Artikel 10 GG. Unabhängig von der Art der Versendung – elektronisch oder per Briefpost - können also solche Beweismittel auch künftig nach den Beschlagnahmeregelungen der §§ 94 ff. StPO sichergestellt werden.

Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz


[  Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 2. März 2006 / - 2 BvR 2099/04 -





1. March 2006
Abschiebehaft: Behörde wehrt sich gegen Europarat-Bericht

Das Anti-Folter-Komitee (CPT) des Europarates hat die Haftbedingungen für Abschiebehäftlinge in Hamburg kritisiert. In dem vorläufigen Bericht, der der WELT vorliegt, heißt es: "Keine der besuchten Haftanstalten verfügt über die materielle oder personelle Ausstattung zur Schaffung von Haftbedingungen, wie sie dem rechtlichen Status von Abschiebehäftlingen angemessen wäre." Besonders die Bedingungen in der Hamburger Untersuchungshaftanstalt (UHA) seien nicht angemessen, heißt es.

Nach Angaben der Justizbehörde soll der vollständige Bericht aber erst im Sommer vorliegen. In der UHA seien zudem nur drei von 53 männlichen Abschiebehäftlingen untergebracht, so Behördensprecher Carsten Grote. Die sechs zur Zeit in Abschiebehaft sitzenden Frauen befänden sich alle in der UHA. Die Männer und Frauen seien dort laut Bericht in "schmutzigen und heruntergekommenen Zellen" untergebracht. Die Häftlinge hätten nur eine Stunde Freigang am Tag. Es fehlten Fernseher und Bücher, die Post werde zensiert und die Besuchszeiten seien auf 30 Minuten alle 14 Tage beschränkt. Grote entgegnete, die Behörde habe im November 2003 die Containerunterbringung der Abschiebehäftlinge in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor beendet und so die Bedingungen deutlich verbessert. Zudem koste jeder Tag in der Abschiebehaft rund 74 Euro.

In Fuhlsbüttel haben die Abschiebehäftlinge größere Freiheiten, es gibt Fernseher, drei Stunden Aufenthalt außerhalb der Zellen pro Tag und Telefonmöglichkeiten. Dennoch wertet das CPT die Bedingungen dort als "bei weitem nicht zufriedenstellend". Nach Grotes Angaben hat sich das Komitee bei Untersuchungen in Deutschland noch nirgendwo zufrieden geäußert. Die Forderung nach Unterbringung in separater Einrichtung sei schon aus finanziellen Gründen unrealistisch. Die SPD-Fraktion verlangte eine Sondersitzung des Rechtsausschusses. Einmal mehr sei fraglich, ob es in Hamburgs Vollzugsanstalten streng nach Recht und Gesetz zugehe, so Innenexperte Andreas Dressel. "Es geht darum, diese neuen Vorwürfe aufzuklären." Er hat eine Anfrage zum Besuch des Anti-Folter-Komitees an den Senat gestellt. Die GAL sieht neben dem Justiz- auch den Innensenator mit in der Verantwortung. dpa/flo

[  welt.de

[  Council of Europe Anti-Torture Committee visits Germany





28. Februar 2006
Weitere Missachtung von Gerichtsurteilen
GRÜNE: Justizminister Banzer muss aktiv werden

"Nach dem bekannt werden eines weiteren Falles von Missachtung gerichtlicher Entscheidungen durch eine Justizvollzugsanstalt muss jetzt Justizminister Banzer aktiv werden. Er sollte in einem Erlass klarstellen, dass die Justizvollzugsanstalten die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern befolgen und umsetzen müssen", fordert der rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Andreas Jürgens."Die wichtigste Aufgabe des Strafvollzugs ist es, Straftätern die Achtung vor dem Recht zu vermitteln. Wenn die Vollzugsbehörden selbst gerichtliche Entscheidungen nicht beachten, gehen sie mit schlechtem Beispiel voran und vermitteln genau das Gegenteil", kritisiert der Abgeordnete. Die JVA Butzbach hatte sich nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau trotz entsprechender Entscheidung des zuständigen Gerichts geweigert, einem Gefangenen Besuch an Tischen ohne "Übergabe- und Durchreichesperre" zu empfangen.

[  gruene-fraktion-hessen.de

[  siehe auch nachricht vom 13. Febr. 06

[  siehe auch nachricht vom 6. Febr 06


Wieder Wirbel um angebliche Urteilsmissachtung durch Gefängnis

28.02.2006 - 17:53

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen sorgt der hessische Justizvollzug durch vermeintliche Missachtung eines Gerichtsurteils für Schlagzeilen. Nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" verweigerte die Leitung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach trotz gerichtlicher Anordnung einem litauischen Häftling das volle, zuerkannte Besuchsrecht.

Anfang Februar war bekannt geworden, dass die Leitung derselben JVA mit Billigung durch das Wiesbadener Justizministerium einem Häftling das gerichtlich erstrittene Recht auf einen DVD-Player versagte. Damals hatte das Justizministerium darauf verwiesen, dass der Gefangene das Gerät zwischenzeitlich bekommen habe.Die zuständige SPD-Abgeordnete Nancy Faeser sah jüngst erhobene Vorwürfe ihrer Partei gegen den hessischen Strafvollzug bestätigt. Nach wie vor verhielten sich dem Justizministerium nachgeordnete Behörden nicht rechtsstaatlich, betonte sie.

Das "bewusste Ignorieren" rechtskräftiger Entscheidungen von Strafvollstreckungskammern wertete Faeser als Beleg, "dass die Länder nicht in der Lage sind, den Justizvollzug gänzlich eigenverantwortlich zu regeln". Dies ist im Zusammenhang mit der Föderalismusreform geplant. Die SPD-Landtagsabgeordnete verlangte, die Verlagerung der Zuständigkeit für den Justizvollzug auf die Länderebene aus dem vereinbarten Paket heraus zu nehmen.Grünen-Rechtspolitiker Andreas Jürgens forderte von Justizminister Jürgen Banzer (CDU), einen Erlass herauszugeben. Darin müsse der Minister "klarstellen, dass die Justizvollzugsanstalten die Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern befolgen und umsetzen müssen".

[  fuldainfo.de





28. February 2006
Karlsruhe überprüft Gesetzeslücken im Jugendstrafvollzug

Karlsruhe (AP) Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am (morgigen) Mittwoch über den Jugendstrafvollzug in Deutschland. Der Zweite Senat des Karlsruher Gerichts muss entscheiden, ob das bisherige Recht zu viele Lücken hat und ob die Haft für jugendliche Straftäter klarer geregelt werden muss. Bislang existiert nur eine Rahmengesetzgebung, aber keine bundeseinheitliche Rechtsverordnung. Ein Urteil wird erst im Sommer erwartet. An der mündlichen Verhandlung will Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) teilnehmen. Außerdem sollen zwei Kriminologen als Sachverständige und der Leiter der Justizvollzugsanstalt Adelsheim gehört werden. Anlass der Verhandlung sind Verfassungsbeschwerden eines zu neun Jahren Jugendstrafe verurteilten Mannes. Der Häftlings wendet sich gegen seine Postkontrolle und ein zweiwöchiges Fernsehverbot. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für diese Eingriffe.

Die Postkontrolle im Jugendstrafvollzug wird damit begründet, dass die Kontrolle des sozialen Umfelds bei jugendlichen Strafgefangenen besonders wichtig sei. Das zweiwöchige Fernsehverbot und der Ausschluss von Gemeinschaftsveranstaltungen waren gegen den Straftäter im Mai 2004 als Disziplinarmaßnahmen verhängt worden, nachdem er gegen einen Mitgefangenen tätlich geworden war. Die Maßnahmen stützen sich allerdings auf Vorschriften im Erwachsenenvollzug. Dieses Strafvollzugsgesetz gilt nach Ansicht des Beschwerdeführers aber nicht im Jugendstrafvollzug.(Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1673/04 und 2402/04)

[  finanzen.de





26. Februar 2006
Polizei bekommt direkten Zugriff auf Meldedaten

Potsdam (ddp/MOZ) Die Polizei in Brandenburg soll nach Angaben des Innenministeriums künftig schneller auf Daten der Einwohnermeldeämter zugreifen können. Die Möglichkeit des Online-Zugriffs der Polizei auf die Melderegister in Brandenburg werde gegenwärtig vorbereitet, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag. In Verbindung mit dem Projekt ‚Meldedaten-online‘ solle die Polizei spätestens ab 1. Januar 2007 die aktuellen Meldedaten jederzeit elektronisch abrufen können. Die Pilotphase mit sechs Kommunen werde im Frühjahr dieses Jahres beginnen.

Für einen besseren Schutz der Bevölkerung vor Sexualstraftätern hatte der Bund der Kriminalbeamten (BDK) in Brandenburg einen schnelleren Zugriff der Polizei auf Daten der Einwohnermeldeämter gefordert. Die Polizei müsse so schnell wie möglich "einen Online-Zugriff" auf die Daten der Einwohnermeldeämter erhalten, sagte BDK-Landeschef Wolfgang Bauch. Bislang kann die Polizei nur während der Öffnungszeiten der Einwohnermeldeämter Daten abfragen. Zwar hat die Polizei eine eigene Einwohnerdatei, die ist jedoch nicht auf dem aktuellen Stand der kommunalen Meldeämter. Unterdessen hat auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Brandenburger Landtag, Sven Petke, ein schärferes Vorgehen gegen vorbestrafte Sexualstraftäter gefordert. "Der Umgang mit diesem Täterkreis ist eindeutig zu lasch", stellt Petke fest.

Zudem will Petke auch Schulen und Kindergärten durch einen besseren Datenfluss über Sexualstraftäter schützen. Diese Einrichtungen müssten darüber informiert werden, wenn ehemalige Häftlinge mit diesem Täterprofil in ihre unmittelbare Nähe ziehen.Andreas Schuster von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt diese Forderung allerdings ab. Ein solches Vorgehen würde nicht mehr Sicherheit bringen, statt dessen aber die Gefahr von Selbstjustiz heraufbeschwören, glaubt der Gewerkschaftsmann.

[  moz.de





25. February 2006
Land beginnt noch 2006 mit Neubau einer Untersuchungshaftanstalt für Männer
70 Millionen für neue Zellen

Preungesheim. Der Neubau auf dem Gelände der Frauen-Justizvollzugsanstalt entsteht frühestens ab dem Jahre 2008. Das hat Hessens Justizminister Jürgen Banzer jüngst bei einem Besuch in Preungesheim verlauten lassen. Und dennoch rollen bereits in diesem Jahr Bagger an. Sie zieht es jedoch auf das benachbarte Areal am Ende der Oberen Kreuzäckerstraße. Dort entsteht ein neues Gefängnis ausschließlich für männliche Untersuchungsgefangene, das voraussichtlich Ende des Jahres 2009 fertig sein wird. Die Ausschreibung ist nun erfolgt. Das Justizministerium geht von Baukosten in Höhe von 69,8 Millionen Euro aus. «Das Geld ist im Landeshaushalt veranschlagt», sagt Pressesprecher Wilhelm Wolf. Auf dem zirka 22 200 Quadratmeter großen Gelände wird ein Gebäude hochgezogen, das 520 Haftplätze vorsieht. Die Zellen sind zwischen zehn und zwölf Quadratmeter groß. Ob dort jeweils nur ein Häftling unterkommt oder sich zwei die Zelle teilen müssen, vermag Wolf noch nicht zu sagen. Eine durchgehende Einzelbelegung sei aber eher fraglich.

Es gibt ein Krankenrevier mit 34 Pflegebetten. Und schließlich eine so genannte Transportabteilung, ausgelegt für 56 Häftlinge. Dort landen zum Beispiel Gefangene, deren Tage in Frankfurt gezählt sind, sei es, dass sie nach ihrer gerichtlichen Verurteilung auf den Abtransport zum Antritt ihrer Haftstrafe warten, sei es, dass sie als Gefangene in einem anderen Prozess als Zeuge aussagen müssen.Wolf stellt klar, dass in dem Neubau keine Häftlinge einsitzen werden, um eine Strafe zu verbüßen. Er sei gedacht als reine Untersuchungshaftanstalt und diene nicht der Entlastung der neuen Vollzugsanstalten in Weiterstadt und Hünfeld. Dementsprechend sei das Gebäude auch baulich ausgerichtet. Es verfüge zwar über Bibliothek und Gemeinschaftseinrichtungen, aber nicht zum Beispiel über Möglichkeiten zum Erlernen oder Ausüben eines Berufes. Denn die Untersuchungshaft sei ihrer Eigenart nach eine vorübergehende. «Das Haftrecht sieht vor, dass nach spätestens sechs Monaten durch das Oberlandesgericht geprüft werden muss, ob die Untersuchungshaft noch rechtmäßig ist», sagt Wolf.

Die Finanzierung soll nach Auskunft des Sprechers auch dadurch sichergestellt werden, dass Außenstellen der Justizvollzugsanstalt in Offenbach und Höchst auf Grund des Neubaus verkleinert oder gar veräußert werden können. Auch kämen so genannte Synergieeffekte ins Spiel. So könnte die Küche auf dem Preungesheimer Gefängnisgelände künftig auch die Untersuchungsgefangenen versorgen.Der Neubau entsteht dort, wo bis vor gut fünf Jahren der elfgeschossige Vorgängerbau stand. Dort waren bis zum Umzug nach Weiterstadt im November 1997 zirka 800 U-Häftlinge untergebracht, obwohl der Bau lediglich 543 Haftplätze vorsah. Der Abriss des 1973 fertig gestellten, 88 Meter langen und 30 Meter hohen Gefängnisses kostete 2,5 Millionen Euro. Schon Anfang der 90er Jahre war die Entscheidung für Abriss statt Renovierung gefallen. Zuletzt diente es als Filmkulisse ebenso wie als Übungsort für Polizei und Bundesgrenzschutz. (pem)

[  rhein-main.net





21. February 2006
Eingriffsbefugnisse der Polizei müssen an neue Sicherheitslage angepasst werden

Schwerin (mvz). Mecklenburg-Vorpommerns Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) wird in mehreren wesentlichen Bereichen verändert. Vorrangiges Ziel der Novelle ist der bessere Schutz der Bürger vor Kriminalität und Gewalt. "Die Ereignisse des 11. Septembers und die in jüngster Vergangenheit geschehenen Anschläge in London und Madrid machen deutlich, dass sich die Gefahrenlage für die innere Sicherheit insbesondere auch der europäischen Länder verschärft hat. Neben der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ist vor dem Hintergrund einer fortschreitenden europäischen Integration zudem eine Zunahme der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität zu verzeichnen. Die Landespolizei benötigt deshalb angepasste Eingriffsbefugnisse, um der neuen Sicherheitslage, aber auch der Entwicklung der allgemeinen Kriminalität effektiv begegnen zu können", begründete Innenminister Dr. Gottfried Timm die Vorschläge zur Gesetzesnovelle.

Der Entwurf beinhaltet u.a. die nach den Anschlägen bundesweit geforderte Erleichterung der Möglichkeit Videoaufnahmen an öffentlich zugänglichen Orten anzufertigen. Die Polizei- und Ordnungsbehörden sollen nunmehr zur Videoaufzeichnung an sogenannten Kriminalitäts- und Gefahrenschwerpunkten ermächtigt werden. Außerdem sollen Videoaufzeichnungen bei Personen- und Fahrzeugkontrollen zum Schutz der Polizeibeamten eingeführt werden. Für die präventive Telekommunikationsüberwachung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr wird unter Berücksichtigung der kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erstmalig eine gesetzliche Regelung geschaffen. In diesem Zusammenhang wird die Standortkennung durch die Ortung eines Mobiltelefons z.B. bei vermissten Personen, wenn deren Leben oder Gesundheit in Gefahr ist, zugelassen.

Die bereits bestehenden Vorschriften zur Wohnraumüberwachung werden zum effektiven Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung unter Berücksichtigung des aktuellen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten "Großen Lauschangriff" ergänzt.

Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Erprobung eines automatischen Kfz- Kennzeichen- Lesesystems (AKLS) vor. Dieses erfasst Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge und gleicht sie automatisch mit dem Fahndungsbestand ab.

Für die Rasterfahndung wurde auf Empfehlung der Innenministerkonferenz die bisherige Tatbestandsvoraussetzung, die von einer "gegenwärtigen Gefahr" ausging, modifiziert. Zukünftig soll auch in M-V für die Durchführung einer Rasterfahndung das Vorliegen einer "erheblichen Gefahr" vorausgesetzt werden. Zudem wird mit der vorgenommenen Änderung der Anwendungsbereich der Rasterfahndung auf den Bereich der Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung z.B. der organisierten Kriminalität ausgedehnt.

Ferner soll das Sicherheits- und Ordnungsgesetz um eine Befugnis für die Anordnung einer Blutentnahme ergänzt werden. Hierdurch soll beispielsweise Opfern von Gewalttaten und im Dienst verletzten Polizeibeamten die Möglichkeit gegeben werden, feststellen zu lassen, ob der Täter oder Störer an einer lebensgefährdenden Infektion erkrankt ist. Ziel ist es möglichst rasch effektive medizinische Maßnahmen bei den Infizierten einleiten zu können.

Das neue Polizeirecht

Nachfolgend die wichtigsten Änderungen zur Novelle des SOG M-V:

Videoüberwachung

Die bisher bestehenden Regelungen zur Videoaufzeichnung entsprechen nicht den polizeilichen und ordnungsbehördlichen Erfordernissen. Daher wird bundesweit eine Ausweitung der Videoüberwachung für erforderlich gehalten, um die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Verhütung von Straftaten auch im Bereich der allgemeinen Kriminalität noch wirksamer unterstützen zu können. Die geltende Regelung im SOG M-V ist nicht praxisgerecht und vermag den aufgezeigten Gefahren nicht wirksam zu begegnen.

Die im Entwurf enthaltene Vorschrift zur Bild- und Tonaufzeichnung enthält strenge, von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzungen für den Einsatz technischer Geräte zur Videoaufzeichnung. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung ist eine Bildbeobachtung und -aufzeichnung nur an den öffentlich zugänglichen Orten möglich, an denen wiederholt Straftaten begangen worden sind (sog. Kriminalitätsschwerpunkte) und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort auch künftig mit der Begehung von Straftaten zu rechnen ist. Darüber hinaus wird mit der vorgeschlagenen Änderung eine Rechtsgrundlage für Bild- und Tonaufzeichnungen an oder in Verkehrs- oder Versorgungsanlagen oder -einrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Amtsgebäuden und in deren unmittelbarer Nähe und an oder in besonders gefährdeten Objekten geschaffen, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder andere darin befindliche Sachen gefährdet sind.

Die Bild- und Tonaufzeichnung darf nur offen, d.h. für den Betroffenen jederzeit erkennbar, erfolgen. Hinzu kommt, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz über Maßnahmen, die mit einer Aufzeichnung verbunden sind, unverzüglich zu unterrichten ist, so dass dieser eine außerbehördliche Kontrollfunktion übernehmen kann. Um den Eingriff gering zu halten, sollen spezielle Regelungen zur Verarbeitung und Nutzung der dabei erhobenen Daten getroffen werden.

Die Geltungsdauer der Vorschrift soll zunächst auf fünf Jahre begrenzt und das Weiterbestehen von einer Evaluation abhängig gemacht werden.

Ferner soll die Möglichkeit der Videodokumentation bei Personen- und Fahrzeugkontrollen durch den Einsatz von Videotechnik in und an Fahrzeugen der Polizei geschaffen werden. Hierdurch sollen Polizeibeamte bei Routinekontrollen vor Straftaten gegen ihre Person geschützt und durch den offenen Einsatz der Videotechnik insbesondere bei gewaltbereiten Personen eine Abschreckung erzielt werden. Präventive Telekommunikationsüberwachung (TKÜ)

Die Telekommunikationsüberwachung stellt in Zeiten wachsender Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und durch die Erscheinungsform der Organisierten Kriminalität eine wichtige Befugnis auch im Rahmen der Gefahrenabwehr dar. Nach bisher geltendem Recht ist die Telekommunikationsüberwachung nur zur Verfolgung von Straftaten (repressiv), nicht aber zur Verhütung von Straftaten im Rahmen der Gefahrenabwehr möglich.

Der Entwurf knüpft an die Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes - und damit an besonders hochrangige Rechtsgüter - an. Es wurde auf eine Ausdehnung der TKÜ auf den Bereich der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten verzichtet und die Einsatzmöglichkeiten auf die bereits genannten hochrangigen Rechtsgüter beschränkt. Dies entspricht den Festlegungen des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen SOG. Darüber hinaus wird auch die Standortkennung z.B. bei Personen, deren Leben und Gesundheit gefährdet ist, geregelt.

In Umsetzung des kürzlich ergangenen Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Wohnraumüberwachung wurden Vorkehrungen zur Vermeidung von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung getroffen und weitere spezielle Vorschriften zur Verarbeitung und Nutzung der im Rahmen einer präventiven TKÜ erlangten personenbezogenen Daten geschaffen. Die Geltungsdauer der Vorschrift soll zunächst auf fünf Jahre begrenzt und das Weiterbestehen von einer Evaluation abhängig gemacht werden.

Wohnraumüberwachung

Zum Schutz privater Lebensgestaltung wurden im Entwurf Erhebungs-, Überwachungs- und Verwertungsverbote sowie maßnahmenspezifische Löschungspflichten aufgenommen. Weiterhin werden die Verfahrensrechte Betroffener gestärkt. Wesentliche Neuerung ist dabei die Aufnahme einer begleitenden gerichtlichen Kontrolle der Maßnahme, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.Hiermit werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes in seinem Urteil vom 03. März 2004 bezüglich der strafprozessualen Wohnraumüberwachung zum Schutz der Privatsphäre auch für die Wohnraumüberwachung nach dem SOG M-V umgesetzt.

Automatisches Kfz- Kennzeichen- Lesesystem ( kurz: AKLS)

Das automatische Kfz- Kennzeichen- Lesesystem, welches Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge in bestimmten Situationen erfassen und automatisch mit dem Fahndungsbestand abgleichen bzw. die erfassten Kennzeichendaten für spätere Recherchen speichern kann, stellt eine technische Möglichkeit zur Steigerung der Effektivität polizeilichen Handelns dar. Durch den Einsatz des AKLS wird z.B. eine wirksame Kontrolle des fließenden und ruhenden Verkehrs u.a. an Grenzübergängen, an sog. gefährdeten Objekten und gefährlichen Orten erwartet. Aus diesem Grund soll eine spezielle Regelung zur Erprobung des AKLS im SOG M-V geschaffen werden, da das geltende Recht den Einsatz nur in sehr eingeschränktem Umfang ermöglicht. Die Geltungsdauer der Vorschrift soll zunächst auf fünf Jahre begrenzt und das Weiterbestehen von einer Evaluation abhängig gemacht werden.

Blutentnahme zur Gefahrenabwehr

Die Blutentnahme zur Gefahrenabwehr wird dann notwendig, wenn bspw. das Opfer eines Gewaltverbrechens durch den Täter oder ein Polizeibeamter durch einen Störer verletzt wird und dadurch einer Infektionsgefahr ausgesetzt ist, die eine Gefahr für das Leben oder eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung bedeuten kann. Da eine Infektion kurze Zeit nach dem Kontakt mit dem Verursacher noch nicht nachweisbar ist, für die medizinische Behandlung jedoch geklärt sein sollte, ob und welche Viren das Opfer oder den Beamten infiziert haben könnten, kann eine Untersuchung des Verursacherbluts- auch gegen dessen Willen- die notwendigen Erkenntnisse für die ärztliche Entscheidungsfindung bringen.

Rasterfahndung

Die nach den Ereignissen vom 11. September 2001 durchgeführte Rasterfahndung war in mehreren Bundesländern - nicht in Mecklenburg-Vorpommern - Gegenstand von gerichtlichen Verfahren, die im Ergebnis aufgrund einer nicht einheitlichen Auslegung des Begriffes "gegenwärtige Gefahr" differierende Gerichtsentscheidungen zur Folge hatten. Hierdurch ist eine einheitliche Handhabung bei einer bundesweit durchgeführten Rasterfahndung nicht möglich.

Durch die Gremien der IMK wurde empfohlen nicht mehr an die Gegenwärtigkeit der Gefahr anzuknüpfen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Rasterfahndung, welches gerade darin besteht, Anschläge zu verhindern und nicht erst dann ihren Einsatz zuzulassen, wenn bereits Anschläge passiert sind. Mit der Änderung würde zukünftig auch in Mecklenburg-Vorpommern für die Durchführung einer Rasterfahndung das Vorliegen einer "erheblichen Gefahr" vorausgesetzt werden. Der Begriff "erhebliche Gefahr" wird im SOG M-V als "eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Leib, Leben oder Freiheit einer Person, wesentliche Sach- und Vermögenswerte oder den Bestand des Staates" definiert. Die in der Legaldefinition enthaltene Erweiterung der zu schützenden, bedeutsamen Rechtsgüter in Bezug auf den Bestand des Staates sowie wesentlicher Sach- und Vermögenswerte ist u.a. mit Blick auf mögliche Anschläge auf Industrieanlagen (z.B. biochemische Anlagen) oder Infrastruktureinrichtungen (z.B. Umspannwerke) und der diesbezüglich drohenden Gefahren angezeigt.

Zudem wird mit der vorgenommenen Änderung der Anwendungsbereich der Rasterfahndung auf den Bereich der Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung z.B. der organisierten Kriminalität ausgedehnt. Der Datenabgleich stellt hierzu ein wirksames Mittel dar, um Erkenntnisse im Vorfeld der Begehung von Verbrechen und Straftaten der organisierten Kriminalität zu gewinnen.

Aufzeichnung von Anrufen

Nach bestehender Vorschrift können die Polizei und die Behörden, die Aufgaben der Hilfs- und Rettungsdienste wahrnehmen, fernmündlich an sie gerichtete Notrufe und über die Notrufeinrichtungen eingehende sonstige Mitteilungen auf einen Tonträger aufnehmen.In der Vergangenheit gingen in den Polizeibehörden aber sogenannte Drohanrufe (z.B. Bombendrohungen, Erpressermeldungen) nicht nur über die Notrufleitung, sondern auch über den Vermittlungsplatz ein. Zur rechtlichen Klarstellung wurde die entsprechende Vorschrift im SOG M-V dahingehend ergänzt, dass Aufzeichnungen von Anrufen zulässig sind, soweit sie zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich sind.

[  mv-zeitung.de


Mecklenburg-Vorpommern: Informationsfreiheit und neues Polizeigesetz

Als einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft begrüßt der Landesbeauftragte für den Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern, Karsten Neumann, den heute vorgelegten Gesetzentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz. "Mit der Einführung eines grundsätzlich voraussetzungslosen Zuganges der Bürgerinnen und Bürger zu den Akten der öffentlichen Verwaltung folgt Mecklenburg-Vorpommern nun endlich einem weltweiten Trend", so Neumann unter Hinweis auf entsprechende Gesetze in über 50 Staaten weltweit und das seit dem 1. Januar 2006 in Kraft getretene Bundesgesetz. "Als Landesbeauftragter für den Datenschutz hat sich bereits mein Vorgänger dafür stark gemacht, dass Bürgerinnen und Bürger, natürlich unter Wahrung des Datenschutzes, Zugang zu allen Informationen erhalten, die bei der öffentlichen Verwaltung vorliegen. Transparenz ist das wichtigste Mittel demokratischer Kontrolle und widerspricht nicht dem Datenschutz, sondern ergänzt vielmehr das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten. Ich freue mich über diese Resonanz auf meine Datenschutzfachtagung im Jahre 2005."

Die Tagungsdokumentation mit einer Vielzahl von Erläuterungen zum Umfang des Informationszugangsanspruches ist unter www.datenschutz-mv.de abrufbar und auch Anlage des Siebten Tätigkeitsberichtes des Landesbeauftragten für den Datenschutz (LT-Drs. 4/2078). "Gern nehme ich als Landesbeauftragter für den Datenschutz künftig zusätzlich die Aufgabe wahr, über die Umsetzung des Informationsfreiheitsanspruches durch die öffentlichen Behörden zu wachen, wenn hierfür eine klare Rechtsgrundlage geschaffen wird und mir die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Damit ist ein effektiver Schutz personenbezogener Daten gewährleistet. Ob dieses Gesetz jedoch erfolgreich einen Beitrag zu mehr Bürgernähe und Transparenz in der öffentlichen Verwaltung leistet, entscheiden allein die Bürgerinnen und Bürger durch eine verantwortungsvolle Nutzung dieses neuen Mittels zur demokratischen Teilhabe."

"Ebenso besonnen und ausgewogen" erscheint der ebenfalls heute vorgestellte Gesetzentwurf zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern, so Neumann, "angesichts der in anderen Bundesländern ausufernden Bestrebungen zur unverhältnismäßigen Einschränkung von Freiheitsrechten. Insbesondere die Einführung einer Meldepflicht von Videoüberwachungen beim Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Beibehaltung klarer rechtlicher Voraussetzungen zeigen den begrüßenswerten Versuch, die Wahrung von Freiheitsrechten mit den Bedürfnissen der Gefahrenabwehr in Einklang zu bringen. Dies ist eine wichtige Verbesserung zur bisherigen Gesetzeslage." Ebenso werden die Eingriffsbefugnisse zeitlich befristet und eine Evaluation vorgesehen, "die dann aber auch ernst genommen werden muss.

Die vorgesehenen Neuregelungen zur Rasterfahndung und zur Telekommunikationsüberwachung werden nichtsdestotrotz einer verfassungsrechtlichen Überprüfung sicher noch standhalten müssen." So geht es bisher auch an eine klare Aussage zur Einführung eines Richtervorbehaltes bei der Rasterfahndung als Grundvoraussetzung für eine verfassungsrechtliche Zulässigkeit. Es wird nunmehr anhand des Gesetzestextes zu prüfen sein, ob der Gesetzgeber den Forderungen des Landesbeauftragten für den Datenschutz auch in den Fragen der Handyortung, der Aufzeichnung von Notrufen, dem Test von Kfz-Lesesystemen sowie der Videoaufzeichnung zur Eigensicherung von Polizistinnen und Polizisten nachgekommen ist.

-- Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern

[  datenschutz.de





21. February 2006
Ein Zentrum für die Ausbildung von Häftlingen

Neumünster – "Ausbildung spielt eine wichtige Rolle bei der Resozialisierung und schützt vor Rückfall", betonte gestern Justizminister Uwe Döring, als er das mit Investitionen in Höhe von 952000 Euro hergerichtete Pädagogische Zentrum der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster einweihte. "Mit der Eröffnung geht nicht nur ein 20-jähriges Provisorium zu Ende. Gleichzeitig ermöglicht dieses Haus, in dem bisher verstreut untergebrachte Ausbildungsstätten konzentriert worden sind, dass mit dem C-Hafthaus der Kernbereich der Sanierung unserer Anstalt in Angriff genommen werden kann", sagte Anstaltsleiter Jörg Alisch, der das neue Zentrum und auch die forcierte Zusammenarbeit der JVA mit den Berufsschulen "als ein Stück berufliches Lebenswerk" des für die Ausbildung zuständigen Johannes Rohwedder (62), Rektor im Justizvollzugsdienst, würdige.

Nach dessen Angaben unterrichten sieben Hauptamtliche der JVA und stundenweise 13 Lehrer der Berufsschulen die 77 in Ausbildung und Umschulung befindlichen Häftlinge (möglich sind elf Ausbildungsberufe wie Berufe wie Bäcker, Elektrotechniker, Maler), zu denen 44 Hauptschul-"Nachholer" und 115 Teilnehmer in Berufs bildenden Lehrgängen kommen.

Wie Holger Basten, Geschäftsführer der Gebäude-Management Schleswig-Holstein, berichtete, sind 757000 Euro allein in den Umbau des 20 Jahre alten Gebäudes mit nunmehr modernen Klassen- und Lehrerzimmern geflossen; 70 Prozent aller Aufträge gingen an Firmen aus Schleswig-Holstein. Mit 180000 Euro schlug sich zudem die Ausstattung der Fachräume für Physik, Chemie und die Labore für Elektronik und Metallgrundlagen nieder.

Döring nutzte die Schlüsselübergabe für ein ausdrückliches Bekenntnis zu einem echten Behandlungsvollzug samt menschenwürdiger Unterbringung und sprach sich für ein Verbleiben des Vollzugswesens in Bundeskompetenz aus, damit kein "Länder-Wettkampf um den härtesten Vollzug" einsetze, der Resozialisierung vernachlässige. Die Finanzminister dürften das Justizressort nicht als Sparquelle entdecken. Er werde sich dafür einsetzen, dass das Sanierungs-Programm für Schleswig-Holsteins Vollzugsanstalten keine Einsparungen hinnehmen müsse. sn

[  kn-online.de





21. February 2006
Gefängnis soll sicherer werden
Außenmauern der Mannheimer Einrichtung werden verstärkt und mit Kameras überwacht

MANNHEIM (dpa) Die Verbesserung der Sicherheit im Gefängnis Mannheim nach dem spektakulären Ausbruch eines Häftlings im Sommer 2004 schreitet voran. So sei Mitte Dezember an einer Fassade des Unterkunftsbereichs probeweise eine moderne Videoüberwachung installiert worden, schrieb Justizminister Ulrich Goll (FDP) an den Mannheimer CDU-Abgeordneten Klaus Dieter Reichardt. Das System, das witterungsunabhängiger sein soll, werde ein Jahr getestet, antwortete Goll auf Fragen des Abgeordneten.

Die Auswertung werde dann zeigen, "ob das Videodetektionssystem auch an den anderen Fassaden der Justizvollzugsanstalt Mannheim und darüber hinaus in anderen Vollzugseinrichtungen des Landes installiert werden soll", hieß es in dem am Sonntag in Stuttgart bekannt gewordenem Schreiben Golls weiter. Reichardt sagte, in Mannheim würde eine Dauerinstallation etwa 1,5 Millionen Euro kosten. Nach Fluchten unter anderem eines bekannten Serienausbrechers und Gewalttäters im August 2004 aus Mannheim und von vier Insassen aus Hechingen (Zollernalbkreis) im Oktober des gleichen Jahres hatte Goll umfassende Konsequenzen angekündigt. Unter anderem sollten in Mannheim die Kronen der Gefängnismauern besser gesichert, die Außenwände der Zellen verstärkt und ein System zur Überwachung der Fassade getestet werden.

Wie Goll weiter ausführte, soll die in Mannheim bereits installierte Mauerkronensicherung 2006 baulich verändert und so verbessert werden. Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen in diesem und im nächsten Jahr sollen außerdem die Außenwände von 50 Hafträumen so verstärkt werden, dass die Möglichkeit eines Durchdringens des Ziegelmauerwerks ausgeschlossen wird. Geplant sei in diesen Hafträumen außerdem der Einbau von Gittern aus Manganhartstahl. "Die Gesamtkosten der Maßnahme liegen bei rund 300 000 Euro", schrieb Goll weiter. Reichardt betonte: "Das Land muss bereit sein, diese Summen im Haushalt einzusetzen, wenn der Mannheimer Versuch erfolgreich ist."

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February 2006
Überwachung: Regierung plant neues Anti-Terror-Gesetz
Unbegrenzter Online-Zugriff auf Kontodaten und Fahrzeugregister

Die Große Koalition will die Überwachungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden im "Kampf gegen den internationalen Terrorismus" ausweiten. Dazu sollen die bestehenden Anti-Terror- Regelungen, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführt wurden, überarbeitet werden. Das berichtet das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel' (kommende Ausgabe). Experten von Union und SPD haben sich weitgehend auf einen Entwurf für ein "Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz" geeinigt. Es sieht unter anderem vor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Bundesnachrichtendienst (BND) sowie die Polizei leichter als bisher auf die Kontodaten von Terrorverdächtigen zugreifen können.

Laut Entwurf dürfen sie künftig zur "Prävention" bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachfragen, bei welcher Bank eine Zielperson ihr Konto hat. Zugleich sollen die Geheimdienste einen Online-Zugriff auf das Zentrale Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg erhalten. Die Beobachtung von mutmaßlichen Terroristen in der EU soll ebenfalls einfacher werden. Die Geheimdienste erhalten nach den neuen Plänen künftig das Recht, Personen über das so genannte Schengener Informationssystem zur "verdeckten Registrierung" auszuschreiben. Die Grenzpolizeien anderer EU-Staaten müssen den deutschen Geheimdiensten dann mitteilen, wann, wo und unter welchen Umständen ein Reisender bei ihnen registriert wurde.

Noch nicht entschieden ist, ob es für die Anti-Terror-Regelungen auch künftig eine gesetzliche Befristung geben wird. Die Union strebt an, dass mit dem neuen Gesetz alle Maßnahmen "entfristet" werden, also dauerhaft gelten. SPD-Experten plädieren hingegen dafür, in die Terrorismus-Gesetze wie bisher eine mehrjährige Frist einzubauen, nach der alle Regelungen überprüft und durch den Bundestag verlängert werden müssen. (as)

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February 2006
Misshandlung im Knast?

von Thomas Meyer-Falk

Wie die Zeitungen, bzw. das Radio (u.a. der Deutschlandfunk) berichten, wurden im Hamburger Justizvollzug im Jahr 2005 mindestens zwei Gefangene gewaltsam nackt ausgezogen, um dann nackt auf einer Liege fixiert zu werden. In einem Fall soll die Fixierung 20 Stunden angedauert haben.Noch sind die Berichte widersprüchlich: Laut Neues Deutschland (20.2.2006) habe ein Justizvertreter von zwei "Extremfällen" gesprochen; laut einem Bericht im Deutschlandfunk (20.2.2006) habe das Vergehen der beiden Insassen darin bestanden, sich nicht freiwillig einer mit Entkleidung verbundenen Durchsuchung gestellt, sondern sich hiergegen gewehrt zu haben.

§ 84 Strafvollzugsgesetz gestattet der Anstalt, Gefangene körperlich zu durchsuchen, auch verbunden mit einer Entkleidung. Diese "Durchsuchung" beinhaltet auch, die, wie es in einem Kommentar zu § 84 heißt (vgl. Arloth/Lückemann, Kommentar zum StVollzG, § 84, Rndnr. 5) heißt: "(...) Kontrolle der ohne medizinische Hilfsmittel einsehbaren Körperhöhlen wie Mundhöhle, Gehörgang, Scheide, After durch Besichtigung oder Abtasten". § 88 StVollzG wiederum erlaubt die Fesselung und Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum. Zugleich bestimmt § 81, dass das Verhältnismäßigkeitsgebot stets zu beachten sei.

Folgerichtig argumentiert nun selbst die bürgerliche SPD-Fraktion in der hamburgischen Bürgerschaft, dass Fixierung und nackt Entkleiden in deren Kumulation rechtswidrig sind. Jedoch kam es zu solchen Vorfällen gerade auch in zurückliegenden Jahren, als noch die SPD in Hamburg regierte, so dass es ihr ersichtlich nicht darum geht, Menschenrechtsverletzungen zum Nachteil von Inhaftierten zu brandmarken, sondern dem Justizsenator Kusch das Leben etwas unangenehm zu gestalten.Kusch, zu Beginn seiner "Karriere" einfacher juristischer Fußsoldat hier in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, später auch mal stellvertretender Leiter einer Jugendhaftanstalt, wo er verbrannte Erde hinterließ, entwickelt sich immer mehr zu einem Imitat von Ronald Schill.

Erst flog er in die USA, um sich Tipps vom "härtesten Sheriff der Welt" in Arizona zu holen, zwecks Behandlung von Gefangenen, um hier in Deutschland dann loszupoltern: Das verweichlichte Jugendstrafrecht gehöre abgeschafft.Aber zurück zu den nackten, auf Liegen gefesselten Gefangenen: In der Süddeutschen Zeitung war am 16.2.2006 (Seite 7) ein Bild eines grinsenden Schließers zu sehen, der sich auf einen auf einer Liege fixierten Inhaftierten stützt.

Aufgenommen worden war das Bild, nein nicht in Hamburg, sondern in Abu Ghraib (Irak). Aber wer würde diesem und anderen Gefangenen ohne den photografischen Beweis die Misshandlungen glauben?Und so hat der Hamburger Justizsenator es leicht, die in Hamburg misshandelten Gefangenen als die Schuldigen ("renitent", "gefährlich") darzustellen und zu diffamieren.Auch wenn die Zustände in deutschen Gefängnissen noch nicht die Qualität von Guantanamo oder Abu Ghraib in all ihrer Brutalität erreicht haben, was Demütigung (nackt ausziehen beispielsweise) unter dem Etikett von "Sicherheit und Ordnung" anlangt, Fesselung, Fixierung, Isolierung, sind wir keineswegs so weit davon entfernt, wie gerne seitens der Justiz und Politik behauptet wird.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA - Z. 3117, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal

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»Lächelnde Guillotine« unter Druck

21.02.2006

Neuer Skandal um Hamburgs Justizsenator: In Hansestadt laut Zeitungsberichten mehrere Häftlinge nackt gefesselt Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU) gerät zunehmend unter Druck. Am Sonntag bestätigte ein Sprecher seiner Behörde einen Spiegel-Bericht. Nach den Sprecher-Angaben »wurden renitente Gefangene entkleidet, damit sie keine gefährlichen Gegenstände verstecken können«, so die Süddeutsche Zeitung vom Montag. Angesichts dieser Vorfälle wurde Kusch erneut scharf kritisiert. Zuvor hatte er die Legalisierung der sogenannten aktiven Sterbehilfe gefordert.

Dann sprach er sich für die Abschaffung des Jugendstrafrechts aus. Wegen Aussageverweigerung in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß droht ihm nun Beugehaft. Der Ausschuß sollte Mißstände in einem geschlossenen Jugendheim aufklären. Kusch hatte auf alle Fragen der Opposition beharrlich geschwiegen. Er sei nicht verpflichtet, Senatsinterna preiszugeben, argumentierte er. Daraufhin beantragten SPD und GAL Beugehaft gegen den Senator. Eine Entscheidung des Gerichts steht noch aus. Seit dem Wochenende bahnt sich nun einer neuer Skandal an.

In mindestens drei Fällen seien Gefangene in Hamburger Gefängnissen über mehre Stunden nackt auf einer Liege gefesselt worden, wirft der Anwalt Ernst Medecke dem Senator vor. Kuschs Behörde habe eine Verfügung erlassen, nach der randalierende Häftlinge zwangsweise zu entkleiden seien. Ein Sprecher der Justizbehörde wies diesen Vorwurf zurück und betonte, die Gefangenen hätten zuvor Wärter angegriffen. Die Hamburger Justizbehörde prüft nun die Fälle von Zwanganwendungen in der Hansestadt in den zurückliegenden zehn Jahren. Auf Anweisung des Justizsenators selbst, so die Senatspressestelle am Montag, sei damit begonnen worden, sämtliche Akten zu durchforsten. Nach Abschluß der Untersuchungen solle ein Bericht vorgelegt werden.

Kusch arbeitete als Leiter des Referats »Innere Sicherheit« im Bundeskanzleramt und wechselte 2000 als Oberstaatsanwalt an den Bundesgerichtshof. Von dort holte der CDU-Politiker und spätere Hamburger Bürgermeister Ole von Beust seinen alten Studienfreund an die Elbe, wo Kusch seit 2001 Justizsenator ist. Vor allem seine rigide Personalpolitik brachte Kusch den Spitznamen »lächelnde Guillotine« ein. In der Justizpolitik machte Kusch seinem Ruf als Hardliner alle Ehre. So verschärfte er die Vollzugsbedingungen in den Hamburger Gefängnissen und legte sich mit liberal geltenden Jugendrichtern an. Zunächst blieb er im Schatten des rechtsextremen Innensenators Ronald Schill. Seit dessen Abgang 2003 ist er der Hardliner Nummer eins. Seine jüngsten Alleingänge gingen vielen Parteikollegen dann aber doch zu weit. Inzwischen wurden vereinzelte Rücktrittsforderungen laut.

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Häftlinge in Hamburg nackt gefesselt

19. February 06

Hamburg - Wegen der Fesselung nackter Häftlinge in Hamburger Gefängnissen steht die Justizbehörde der Hansestadt in der Kritik. Sie bestätigte am Samstag teilweise einen "Spiegel"-Bericht, wonach zwei Strafgefangene im vergangenen Jahr nach Durchsuchungen nackt auf Liegen gefesselt wurden.

Ein Rechtsanwalt warf der Behörde vor, eine Verfügung erlassen zu haben, nach der randalierende Häftlinge zwangsweise zu entkleiden seien. Justizsprecher Carsten Grote wies den Vorwurf zurück. Es habe aber zwei Zwangsentkleidungen mit Fesselung im Sommer 2005 gegeben. Die Möglichkeit dazu ergebe sich aus dem Strafvollzugsgesetz.Justizsenator Roger Kusch (CDU) ordnete am Sonntag eine Überprüfung aller derartigen Fälle der vergangenen zehn Jahre an. Nach Abschluss der Untersuchung soll die Justizbehörde einen umfassenden Bericht vorlegen. Das Thema wird diese Woche schon den Rechtsausschuss der Bürgerschaft beschäftigen. Die FDP kündigte an, den Fall in den Bundestag zu bringen.

"Es gibt keine Anweisung der Justizbehörde, wonach Gefangene entkleidet zu fesseln sind. Dieser Vorwurf ist unhaltbar und falsch", sagte Grote. Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs seien als letztes Mittel anzuwenden, wenn die Gefahr besteht, dass der Gefangene sich selbst oder Bedienstete gefährde. "Die Fesselung mit Entkleidung ist eine absolute Ausnahme" - etwa um festzustellen, ob in der Kleidung gefährliche Gegenstände versteckt sind.Kusch steht in Hamburg seit Monaten in der Kritik. Zuletzt beantragte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss der Bürgerschaft Beugehaft gegen den Senator, weil er eine Aussage zu den Vorgängen in einem geschlossenen Heim für Jugendliche verweigert hatte. Außerdem sorgten Äußerungen Kuschs zur aktiven Sterbehilfe und zum Jugendstrafrecht für Aufregung auch in den eigenen Reihen. (dpa)

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21 February 2006
SPD will Lizenz zum Töten
Auch Sozialdemokraten versuchen, Urteil aus Karlsruhe zu umgehen, um Bundeswehreinsatz im Innern zu ermöglichen. Bundeswehrverband fordert Soldaten auf, Abschußbefehle zu verweigern

Von Ulla Jelpke

Nach der ersten Schrecksekunde über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Mittwoch, das das Luftsicherheitsgesetz der abgewählten SPD-Grünen-Koalition für verfassungswidrig erklärte, suchen Politiker von SPD und Union nun nach Schleichwegen, um Einsätze der Bundeswehr im Innern zu ermöglichen. Das höchste deutsche Gericht hat in einer eindeutigen Entscheidung verboten, entführte Passagierflugzeuge abzuschießen, da ein solches Gesetz gegen die Menschenwürde und das Grundrecht auf Leben verstoße. Demgegenüber vertrat der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz in einem Gespräch mit der Tageszeitung Die Welt (Montagausgabe) die Auffassung, militärisches Eingreifen der Bundeswehr bleibe in solchen Fällen erlaubt.

Im Gleichschritt

Wiefelspütz, der mit dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und dem Grünen-Rechtspolitiker Hans-Christian Ströbele zu den Urhebern der von Karlsruhe kassierten »Lizenz zum Töten« gehört, räumte ein, daß ihn der Urteilsspruch wie ein »Hammerschlag« getroffen habe. Nun kam er auf die Idee, das Eindringen entführter Passagierflugzeuge in den deutschen Luftraum einem militärischen Angriff gleichzustellen. Damit sei die Zuständigkeit der Bundeswehr gegeben. Wörtlich erklärte Wiefelspütz: »Wenn etwa ein Flugzeug im Ausland entführt und bei uns als Waffe benutzt werden soll, ist das Landesverteidigung. Der UN-Sicherheitsrat hat bei den Anschlägen vom 11. September 2001 ein Recht der USA anerkannt, sich militärisch zu verteidigen. Die NATO stellte den Bündnisfall fest.«

Das Bundesverfassungsgericht hat den Abschuß von Passagiermaschinen im Rahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr zwar ausdrücklich untersagt. Nach Meinung von Wiefelspütz kann man dieses Urteil aber in den Papierkorb werfen, weil in solchen Fällen ohnehin der militärische Verteidigungsfall vorliege. Die SPD folgt mit diesem dreisten Versuch der Mißachtung des Bundesverfassungsgerichts der Union auf dem Fuß. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits am Freitag in der aktuellen Stunde des Bundestags deutlich gemacht, daß er nicht daran denkt, sich an die Vorgaben aus Karlsruhe zu halten. Seine Argumentation brauchte Wiefelspütz später nur noch abschreiben: Der Weltsicherheitsrat, so Schäuble, habe nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 gemäß Artikel 51 der UN-Charta festgestellt, daß es sich um einen Angriff gegen die USA und einen Anschlag auf den Weltfrieden gehandelt habe. Am Tag danach habe die NATO mit Zustimmung der damaligen Bundesregierung ebenfalls beschlossen, »daß hier nach Artikel fünf des NATO-Vertrages ein bewaffneter Angriff gegen ein Land vorliegt«.

Befehle verweigern

Überraschend ist hingegen die Position des Bundeswehrverbandes. Er hat alle Piloten aufgefordert, mögliche Abschußbefehle zu verweigern. Dies gelte auch dann, wenn der Befehl damit begründet werde, daß ein Flugzeug ausschließlich mit Terroristen besetzt sei, sagte der Verbandsvorsitzende Bernhard Gertz der Stuttgarter Zeitung (Montagausgabe). In einer konkreten Bedrohungssituation durch ein von Terroristen gekapertes Flugzeug könne es keine Sicherheit geben, daß wirklich nur Täter und keine Geiseln an Bord seien. Der Verbandschef begründete seine Rechtsauffassung dem Blatt zufolge mit einem Hinweis auf das Soldatengesetz. Demnach dürfen Bundeswehrangehörige Befehle nicht befolgen, die die Menschenwürde verletzen oder in eine Straftat münden. Beides ist laut dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts dann der Fall, wenn beim Abschuß einer Terrormaschine auch unschuldige Passagiere getötet werden.

[  jungewelt.de

Kriegsrecht im Flugverkehr verfassungswidrig
FDP-Beschwerden hatten Erfolg, Karlsruhe kippt Luftsicherheitsgesetz

Abgeschossen wird nicht: Das Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch das Luftsicherheitsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz, das noch die SPD/Grünen-Koalition beschlossen hatte, ermächtigte die Bundeswehr, Flugzeuge notfalls abzuschießen, wenn mit ihnen ein Terroranschlag verübt werden solle. Dagegen hatten mehrere FDP-Politiker Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Die Karlsruher Richter spitzten ihre Kritik auf zwei Punkte zu: Zum einen sei der Abschuß von Flugzeugen ein Verstoß gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben, wenn sich an Bord der Maschinen unschuldige Passagiere befinden. Abgeschossen werden könnten allenfalls unbemannte oder nur von Terroristen besetzte Flugzeuge. Zum anderen verletze das Gesetz die Grenzen, die das Grundgesetz für Inlandseinsätze der Bundeswehr aufstellt. Zwar dürfe das Militär bei Unglücksfällen Hilfe leisten, aber »ein Einsatz der Streitkräfte mit typisch militärischen Waffen ist von Verfassung wegen nicht erlaubt«.

FDP- und Linkspartei-Politiker begrüßten das Urteil. Exbundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sprach von einer »historischen Bedeutung«. Wäre das Urteil nicht ergangen, »hätten wir plötzlich Kriegsrecht in der Verbrechensbekämpfung gehabt«. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, erklärte, das Urteil beweise, daß der Grundrechtsschutz bei SPD und Grünen in schlechten Händen sei. Die Grünen indes gaben sich unschuldig: Bei ihrer Zustimmung seien sie »davon ausgegangen«, daß Passagiermaschinen nicht abgeschossen werden dürften, erklärten Christian Ströbele und andere Grünen-Politiker, die das Gesetz demzufolge niemals gelesen haben. Ratlos zeigte sich der frühere Verteidigungsminister und heutige SPD-Fraktionschef Peter Struck. Er sehe jetzt kaum Chancen, das Gesetz neu zu regeln. Politiker von CDU und CSU traten dagegen die Flucht nach vorn an. Kein weiteres »Hinauszögern und Ausweichen« forderte CSU-Chef Edmund Stoiber. »Jetzt muß entschieden werden. Es muß eine klare Regelung im Grundgesetz getroffen werden.«

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Ohrfeige für Rot-Grün Gastkommentar zum Urteil gegen das Luftsicherheitsgesetz

Von Ulla Jelpke

16.02.2006

Vorbei sind die Zeiten, als die Grünen sich noch als Hüter der Menschenrechte aufspielen konnten. Mit dem jetzt gescheiterten Luftsicherheitsgesetz haben sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten massiv gegen die Grundrechte verstoßen.

   

Wie verroht das Menschenbild der früheren SPD-Grünen-Koalition ist, zeigte mehr noch als die Formulierungen des Gesetzes das Auftreten ihrer Vertreter vor dem Bundesverfassungsgericht. Daß unschuldige Menschen auf dem Altar der Luftsicherheit geopfert werden sollten, begründete sie ernsthaft damit, Passagiere an Bord entführter Flugzeuge seien »Teil einer Waffe«. Flugreisende müßten sich der Gefährdung bewußt sein, in die sich begäben, wenn sie am Flugverkehr teilnähmen, so die menschenverachtende Argumentation. 

Wie sie zweifelsfrei feststellen will, was die Entführer eines Flugzeuges konkret vorhaben, konnte die Regierung niemals erklären. SPD und Grüne wollten im Zweifel gegen die Menschenwürde entscheiden und über Leichen gehen. Es entbehrt nicht einer gewissen Logik: Wer völkerrechtswidrige Kriegseinsätze in Jugoslawien und Afghanistan führt, will auch im Inland alles abschießen, was ihm verdächtig vorkommt. 

Die Logik des Grundgesetzes ist aber eine andere, und die Karlsruher Richter haben ihr wieder zum Recht verholfen. Es könne, so heißt es im Urteil, »nicht angenommen werden, daß derjenige, der als Besatzungsmitglied oder Passagier ein Luftfahrzeug besteigt, mutmaßlich in dessen Abschuß und damit in die eigene Tötung einwilligt«. Und weiter: »Auch die Einschätzung, diejenigen, die sich als Unbeteiligte an Bord eines Luftfahrzeuges aufhalten, seien (im Falle der Entführung) ohnehin dem Tode geweiht«, sei nicht mit der Verfassung vereinbar. 

Wer reist, will nicht umgebracht werden, auch nicht von der Bundesluftwaffe. Wo leben wir eigentlich, wenn solche Selbstverständlichkeiten vom höchsten Gericht der Republik  betont werden müssen? Daß solche Klarstellungen notwendig sind, zeigt, wohin frühere Bundesregierungen das Land getrieben haben. Die Grünen spielen heute Opposition und tun so, als hätten sie nicht maßgeblich mit zu diesem Gesetz beigetragen. 

Das Luftsicherheits-, Flugzeugabschußgesetz wäre passender, war nur die Spitze eines Eisberges. Das zeigen die anhaltenden Angriffe auf die Verfassung und die trotzige Ankündigung aus den Reihen von CDU/CSU, nun erst recht das Grundgesetz ändern zu wollen – es wäre ja gelacht, wenn die Menschenwürde das letzte Wort hätte. Wer jetzt noch, und zwar möglichst schnell, eine Grundgesetzänderung will, hat den wesentlichen Inhalt des Urteils nicht verstanden: Der Staat hat nicht das Recht, Zivilisten abzuschießen, die Menschenwürde ist nicht verhandelbar, Leben kann nicht gegen Leben abgewogen werden – unter keinen Umständen. 

Die Autorin ist innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag

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Politiker und Medien wollen das Grundgesetz ändern

16. Feb. 2006

In den vergangenen Jahrzehnten wurde seitens der Politik regelmäßig darauf verwiesen, man müsse die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" verteidigen. Auf das Grundgesetz war man stolz und hielt es - natürlich - für "die beste" aller Verfassungen. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts waren sakrosankt - nach einem Spruch aus Karlsruhe verstummte im Regelfall die Diskussion, die Verfassungsrichter hatten auf Basis des Grundgesetzes eine Entscheidung getroffen. Der Umgang mit der deutschen Verfassung hat sich verändert. Im Zuge der Änderung einfacher Gesetze wird regelmäßig und wie selbstverständlich auch das Grundgesetz geändert. Und nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wird häufig postwendend - und mit massiver Unterstützung vieler Medien - eine Grundgesetzänderung gefordert. Am Mittwoch gab das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung bekannt, wonach die Bundeswehr ein von Selbstmordattentätern entführtes Passagierflugzeug auch im äußersten Notfall nicht abschießen darf. Sofort - und auch schon im Vorfeld der Entscheidung - wurden Stimmen laut, das Grundgesetz zu ändern.

Struck und Schäuble in den "Tagesthemen"

Die "Tagesthemen" berichteten am Abend nach dem Verfassungsgerichtsurteil über Reaktionen aus Berlin. In der redaktionellen Einführung wurde sofort eine mögliche Grundgesetzänderung als zentrales Thema gesetzt: "Nun ist also die Bundesregierung am Zug", lautete gleich der erste Satz. Und weiterhin: "Eine Änderung des Grundgesetzes ist nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich. Union und SPD bringen gemeinsam so viele Stimmen zusammen."

In dem eingeblendeten Bericht beklagt der Journalist, die Bundeswehr müsste bei einem Terroranschlag "beinahe tatenlos zuschauen." Seine Diagnose: "Ratlosigkeit in Berlin". Dann folgt der ehemalige Verteidigungsminister und Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck, der das Urteil der Verfassungsrichter als eher weltfremd darstellt: "Man kann nur einen solchen Angriff abwehren, wenn überhaupt keine unschuldigen Menschen an Bord sind. Das bedeutet, es ist ein Flugzeug nur mit Terroristen besetzt, was ein unrealistischer Fall ist. Oder es handelt sich um einen unbemannten Angriff, das ist auch eher unrealistisch. Insofern hat das Urteil uns eine Verantwortung übertragen, der wir nur schwer gerecht werden können." In der weiteren Folge des Berichts wieder der Journalist der Tagesthemen mit den Worten: "Aber hierfür bräuchte es wohl eine Grundgesetzänderung und die ist mit dem Koalitionspartner und der Opposition bislang nicht machbar."

Als Gesprächspartner haben die Tagesthemen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eingeladen, der weiterhin für eine Verfassungsänderung plädierte: "Und dafür versuchen wir nun eine verfassungsrechtlich klare Grundlage zu schaffen."

Bosbach im "Deutschlandfunk"

Der "Deutschlandfunk" hat sich einen Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach als Gesprächspartner ausgewählt. Bosbach sprach sich in dem Sender erneut vehement für eine Grundgesetzänderung aus, um die Bundeswehr bei Großveranstaltungen innerhalb Deutschlands einsetzen zu können. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer, beim Münchener Oktoberfest oder beim bevorstehenden Papstbesuch sollten Soldaten der Bundeswehr die Polizei beim Objektschutz entlasten können, falls diese überlastet sei, forderte Bosbach am Donnerstag im Deutschlandfunk. Das sei "vorbeugender Brandschutz" und habe "nichts mit einer Militarisierung der inneren Sicherheit" zu tun.

"Ich glaube wenn man sich einmal den wirklichen Punkten nähert und wenn man mal die Vorurteile gegen eine Änderung des Grundgesetzes abräumt, dann gibt es auch viel Übereinstimmung, zumal der Kollege Wiefelspütz gestern in einer Sendung bei NTV, an der ich auch teilgenommen habe, gesagt hat, er sei zu einer Änderung des Grundgesetzes bereit, wenn auch nicht in dem Umfang, wie von der Union gefordert", sagte Bosbach im Deutschlandfunk.

Titel bei FAZ-Online: "Terrorabwehr - Schäuble beharrt auf Bundeswehr-Einsatz während der WM" "Terrorabwehr - Schäuble beharrt auf Bundeswehr-Einsatz während der WM" lautet der Titel der Internet-Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am Tag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Schäuble und Kauder bei "Spiegel Online"

"Union beharrt auf Grundgesetzänderung" lautet die Überschrift eines unter anderem auf Agenturmaterial beruhenden Beitrages bei "Spiegel Online" am Donnerstag. Die Union lasse sich durch das Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz nicht beirren: Fraktionschef Kauder und Innenminister Schäuble setzten weiter auf eine Änderung des Grundgesetzes zum Einsatz der Bundeswehr im Innern.

Überschrift bei Sueddeutsche.de: "Union will das Grundgesetz ändern"

Auch bei der Online-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung" heißt die Überschrift am Tag nach dem Urteil "Union will das Grundgesetz ändern". Trotz des Neins aus Karlsruhe zum Luftsicherheitsgesetz hielten Innenminister Schäuble und Fraktionschef Kauder an ihren Plänen zum Einsatz der Bundeswehr im Innern fest, schreibt die Süddeutsche. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes habe Unions-Fraktionschef Volker Kauder gesagt: "Die Sache bleibt für uns auf dem Tisch." Es sei nun zu überlegen, wie der Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Angriffen "hinzubekommen ist". Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble fordere eine Grundgesetzänderung, um die Grundlage für die Inkraftsetzung des vom Verfassungsgericht abgelehnten Luftsicherheitsgesetzes zu schaffen. Heute Journal: "Und das geht nur per Grundgesetzänderung"

Das "Heute Journal" räumte in seinem Beitrag "Karlsruhe - Luftsicherheitsgesetz nichtig" am Mittwoch einem Bundesverfassungsrichter nicht mehr als einen Satz Sprechzeit ein. Eingerahmt wurde der Beitrag von Bildern mit Bundeswehrsoldaten und Aussagen wie "Soldaten sollen helfen" oder "Bereits jetzt darf die Bundeswehr helfen". Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung wird redaktionell mit den Worten eingeführt: "Bisher war er gegen einen erweiterten Einsatz im Innern. Jetzt hält er sich zurück." Dann folgte ein Ausschnitt aus einem Interview, in dem Jung sagte: "Wichtig ist, finde ich, dass wir eine Aufgabe haben, auch eine Aufgabe des Staates haben, unsere Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen Angriffen zu schützen, und dafür müssen wir die notwendigen rechtlichen Grundlagen schaffen."

Es folgt eine redaktionelle Überleitung: "Denn Innenminister Schäuble gibt nicht auf. Trotz des Urteils heute hält er fest an der Idee, Soldaten im Inland zum Schutz vor Terror einzusetzen." Das Resümee der Redakteurin des Heute Journals: "Und das geht nur per Grundgesetzänderung." Dann folgt Innenminster Schäuble mit den Worten: "Das was das Luftsicherheitsgesetz an Schutz gewährleisten will, darauf können wir nicht verzichten und deswegen haben wir die schwierige Aufgabe, einen verfassungsrechtlich einwandfreien Weg dafür zu finden."

Der Beitrag im Heute Journal schließt mit der Darstellung, wer einer Grundgesetzänderung noch im Wege steht: "Soldateneinsatz für mehr innere Sicherheit. Dafür braucht es im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit. Doch die SPD will keine neuen Aufgaben für die Truppe."

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Bundesverfassungsgericht untersagt Abschuss von entführtem Passagierflugzeug

15. Feb. 2006

Die Bundeswehr darf ein von Selbstmordattentätern entführtes Passagierflugzeug auch im äußersten Notfall nicht abschießen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden. Die Karlsruher Richter erklärten die im Luftsicherheitsgesetz enthaltene Ermächtigung des Verteidigungsministers zum gezielten Abschuss eines gekaperten Zivilflugzeugs, das als Waffe eingesetzt werden soll, für verfassungswidrig und nichtig. Die seit Januar 2005 geltende Vorschrift sei mit den Grundrechten auf Menschenwürde und Leben nicht vereinbar, soweit unschuldige Menschen an Bord der Maschine betroffen werden.

Das Luftsicherheitsgesetz mache andere im Flugzeug befindliche Menschen zum bloßen Objekt staatlichen Handelns. Wert und Erhaltung ihres Lebens würden durch das Luftsicherheitsgesetz unter mengenmäßigen Gesichtspunkten und nach der ihnen "den Umständen nach" vermutlich verbliebenen Lebenserwartung "in das Ermessen des Bundesministers der Verteidigung" gestellt. Menschen sollten im Ernstfall "geopfert und vorsätzlich getötet" werden, wenn der Verteidigungsminister auf der Grundlage der ihm zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen annehme, dass ihr Leben nur noch kurze Zeit dauern werde und daher im Vergleich zu den sonst drohenden Verlusten keinen Wert mehr habe oder jedenfalls nur noch "minderwertig" sei.

Die in der Regelung dem Staat eröffnete Befugnis gehe über das hinaus, was dieser nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Schutz des Lebens seiner Bürger unternehmen dürfe. Keinesfalls dürfe der Staat eine Mehrheit seiner Bürger dadurch schützen, dass er eine Minderheit vorsätzlich töte. Eine "Abwägung Leben gegen Leben" nach dem Maßstab, wie viele Menschen möglicherweise auf der einen und wie viele auf der anderen Seite betroffen seien, sei unzulässig. Das Luftsicherheitsgesetz verletzt nach Auffassung der Verfassungsrichter auch den wehrverfassungsrechtlichen Vorbehalt in Artikel 87a Absatz 2 des Grundgesetzes, nach dem die Bundeswehr "außer zur Verteidigung" nur eingesetzt werden dürften, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulasse. Es lägen aber insbesondere die Voraussetzungen des Artikel 35 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes nicht vor, die den Einsatz der Streitkräfte zur Unterstützung der Länder im regionalen und überregionalen "Katastrophenfall" zuließen.

Dem Bund sei ein Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spezifisch militärischen Waffen weder bei der Bekämpfung eines "besonders schweren Unglücksfalles" - als der ein von den Terroristen beabsichtigter Flugzeugabsturz gilt - noch bei einem "überregionalen Katastrophennotstand" erlaubt. Die Art der "Hilfe", die die Streitkräfte den Ländern in solchen Fällen sowie bei Naturkatastrophen leisten dürften, könnten "nicht von qualitativ anderer Art" sein als diejenigen der Polizeikräfte der Länder. Der Bund habe daher für das Luftsicherheitsgesetz keine Gesetzgebungsbefugnis gehabt.

Die Verfassungsbeschwerde von sechs Klägern, darunter einem Flugkapitän, dem früheren Bundestagsvizepräsidenten Burkhard Hirsch (FDP) und dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), war damit erfolgreich. Die abgestuften Bestimmungen des seit Januar 2005 geltenden Gesetzes erlauben es, ein verdächtiges Flugzeug abzudrängen, zur Landung zu zwingen, ihm Waffengewalt anzudrohen, Warnschüsse abzugeben und als "Ultima ratio" abzuschießen. Die Vorschrift über die "unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt" - Paragraph 14, Absatz 3 des Luftsicherheitsgesetzes - wurde nun für nichtig erklärt. (AZ: 1 BvR 357/05 - Urteil vom 15. Februar 2005)

[  ngo-online.de

[  Urteil des BVerG vom 15 Februar / 1 BvR 357/05





15 February 2006
German army to deploy 2,000 troops for World Cup

German Interior Minister Wolfgang Schäuble (Christian Democratic Union, CDU) intends to use the World Cup soccer championship to be held this summer in Germany as a means of facilitating the domestic deployment of the army. According to the German constitution, drawn up at the end of the Second World War and drawing on the experiences of fascism, the army is currently not permitted to intervene inside Germany itself. Following Schäuble’s repeated public demands in recent weeks for the use of the German army during the World Cup matches, the Süddeutsche Zeitung, citing a report from the Ministry of Defense, reported Thursday that planning for such a deployment is already well advanced. According to the report, at least 2,000 German troops are to be used during the World Cup this summer. Federal and state authorities had filed more than 100 applications for the army’s support, all of which the Ministry of Defense approved on January 9.

Planned amongst other things are: the use of NBC (nuclear-biological-chemical) detection units at all soccer arenas; the establishment of a emergency-surgical center at the arena in Kaiserslautern; the setting up of a mobile control tower at Stuttgart airport; and the use of CH-53 helicopters for the transport of injured persons. In addition, the German army will provide accommodations for more than 5,900 task force personnel in a total of 40 buildings and provide 150,000 meals for police officers. The monitoring of German air space, meanwhile, will be undertaken by AWACS radar planes provided by NATO. According to the Süddeutsche Zeitung, German Defense Secretary Franz Josef Jung (CDU) had already spoken with NATO about the deployment of these planes.

The Süddeutsche Zeitung related that the Defense Ministry report insists that the planned deployment would not violate the German constitution because it deals with “technical legal assistance.” The document argues that the German army had already been employed on this basis—to a far lesser extent, however—in earlier emergencies such as the Oder flood disaster a few years ago. The troops would not be acting “as an organ of executive power capable of using force against a third party,” the report maintains, and therefore their deployment represents no constitutional breach. But the argument here is completely duplicitous. The campaign launched by Schäuble and Jung recalls the way public resistance to international deployment of the German army was broken in the 1990s—although at the time this also violated the German constitution.

Then, too, it was maintained that the matter was merely one of “technical aid”—such as the deployment of minesweepers in the Persian Gulf, medical troops to Cambodia, “humanitarian assistance” in Somalia and later the stationing of NBC detection vehicles in Kuwait. In 1994, the Federal Constitutional Court reinterpreted the regulations of the constitution and, for the first time since the war, the German parliament (Bundestag) gave the green light for a combat mission in the summer of 1995: the participation of German combat aircraft in the war against Yugoslavia. In the meantime, approval for such deployments or their extension has become routine, hardly worth a proper debate in the Bundestag. The German army is now active in a series of interventions spreading from Afghanistan to the Horn of Africa.

In similar fashion, the ground is now being prepared for German army interventions within the borders of Germany itself. There have been numerous attempts to introduce such a policy going back to the 1960s, when CDU deputies demanded the use of troops against demonstrators and strikers. At the time, Emergency Laws were passed and the constitution supplemented in 1968 by appropriate regulations. Article 87a permits the use of the armed forces for the protection of civil buildings, for tasks related to traffic regulation and to support police measures, strictly limiting this, however, to defense against invasion and a domestic emergency situation. None of these criteria apply by any means to the World Cup—even on the basis of the most generous interpretation.

Article 87a also allows the use of the armed forces “in the fight against organized and militarily armed rebellions,” or if it concerns combating “a threat to the maintenance of the free democratic constitutional structure of the federation or a state,” and the regular police and Federal Border Police are unable to deal with the threat themselves. Since then, there have been repeated attempts to expand the conditions for the domestic deployment of the German army on a domestic basis, and Wolfgang Schäuble has played a key role in such efforts.

In 1985, when he was interior minister, Schäuble sought to mobilize the army to defend a world economic summit in the city of Bonn against possible threats from the air. During the later debate over foreign deployment of the German army, Schäuble again agitated for the army’s use for internal purposes. In 1994, he stated in the magazine Der Spiegel: “The borders between domestic and external security can no longer be defined so clearly. Therefore it must be possible to fall back on the German army as a kind of security reserve.” The debate flared up again after the terrorist attacks of September 11, 2001. CDU Chairman Angela Merkel, who has since been promoted to the post of chancellor, demanded at the time a “National Security Office”; i.e., a German version of the American Department of Homeland Security, in which the German army should play a role alongside the police and secret services.

At the time, the magazine CILIP made its own assessment of the decades-long debate over the domestic role of the German army as follows: “Despite different world situations the arguments of the CDU/CSU for domestic deployment of the German army have remained the same for 10 years. On a cyclical basis they are wheeled out at any opportunity. Neither the material threat plays a role, nor the question about the actual abilities of the German army to be able to operate internally” (Stefan Gose, “Domestic use of the German Armed Forces”, Citizen Rights and Police/CILIP 70 (3/2001))

The World Cup provides the latest opportunity for Schäuble to break down the barriers against the use of the German army at home. Combating threats of terror is merely a pretence. After all, the provision of meals for the police could be undertaken by a private catering company. Against a background of increasing unemployment and social tension, Schäuble is eager to set a precedent. The use of soldiers on a domestic basis—something which has been a taboo in Germany since the bitter and bloody experiences of the empire, the Weimar Republic and Nazi dictatorship—is once again to become the norm.

[  wsws.org

Bundeswehr will 2.000 Soldaten bei der Fußball-WM einsetzen

10. Februar 2006

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nutzt die Fußballweltmeisterschaft als Brechstange, um den Weg für Bundeswehreinsätze im Innern frei zu machen. Solche Einsätze werden bisher durch das Grundgesetz untersagt. Nachdem sich Schäuble in den vergangenen Wochen wiederholt öffentlich für einen Bundeswehreinsatz ausgesprochen hatte, meldete die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf einen Bericht des Verteidigungsministeriums, dass entsprechende Planungen bereits weit fortgeschritten sind. Danach sollen während der Fußball-WM in diesem Sommer mindestens 2.000 Bundeswehrsoldaten zum Einsatz kommen. Bundes- und Landesbehörden hätten bislang mehr als hundert Unterstützungsleistungen beantragt, die das Verteidigungsministerium bereits am 9. Januar gebilligt habe, heißt es in dem Bericht.[...]

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13. February 2006
Zypries wirft Hessen Mißachtung eines Gerichtsurteils vor

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und die rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Landtagsfraktionen hatten am 6. Februar der hessischen Landesjustizverwaltung vorgeworfen, ein rechtskräftiges Gerichtsurteil zu mißachten. Zypries verwies auf den Rechtsstreit eines Häftlings, der in der Justizvollzugsanstalt (JVA) im hessischen Butzbach einsitzt. Er wolle einen DVD-Spieler in seiner Zelle haben, was von der Justizvollzugsanstalt unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken abgelehnt werde. Das Landgericht Gießen habe dem Häftling Recht gegeben und ausgeführt, dass ein DVD-Gerät, das allein zum Abspielen geeignet sei, die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt nicht gefährde.

Der Ermessensspielraum der Justizvollzugsanstalt sei deshalb auf Null reduziert. Das Urteil sei rechtskräftig. Dennoch verweigere die Justizvollzugsanstalt Butzbach dem Häftling die Aushändigung des DVD-Spielers. Die Bundesjustizministerin und die rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Landtagsfraktionen hatten darauf hingewiesen, "dass in Deutschland alle öffentlichen Stellen zur Befolgung von Gerichtsentscheidungen verpflichtet sind". Das Grundgesetz binde die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. "Deshalb ist es rechtsstaatlich vollkommen inakzeptabel, dass sich eine Landesjustizverwaltung nicht an ein rechtskräftiges Urteil hält."

Ein Justizminister sei gut beraten, jeden Anschein zu vermeiden, dass in seinem Verantwortungsbereich "fundamentale Rechtsstaatsgebote wie das Gewaltenteilungsprinzip" missachtet würden. "Wenn sich staatliche Stellen nicht an das Recht halten, unterminieren sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat", so Zypries und Kollegen. "Dieser Verantwortung sollte sich jeder Justizminister und jede Justizministerin bewusst sein und dafür sorgen, dass rechtskräftige Gerichtsentscheidungen ohne Wenn und Aber beachtet werden."

[  ngo-online.de





11. February 2006
Spitzel-Vorwurf gegen Justizministerium

Der Rechtsexperte der Linksfraktion im brandenburgischen Landtag, Stefan Sarrach, erhebt Vorwürfe gegen das Justizministerium. Nach einem Bericht der "Märkischen Oderzeitung" (Samstag) wirft der Jurist der Behörde Spitzelei vor. Mitarbeiter des Ministeriums hätten mehrfach versucht in Erfahrung zu bringen, worüber sich der Abgeordnete bei Besuchen der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel mit Gefangenen unterhalten habe. Laut Sarrach tauchte in zwei Fällen nach dem Besuch von Inhaftierten eine Mitarbeiterin des Ministeriums in dem Gefängnis auf. Sie soll sich bei den Insassen über den Inhalt der Gespräche informiert haben. Das Justizministerium bestreitet jede Form von Ausforschung. Es könne sich allenfalls um Zufälle handeln, dass eine Mitarbeiterin im Anschluss an Sarrachs Gespräche die gleichen Gefangenen kontaktierte.

[  rbb-online.de





11. February 2006
Jugendstrafrecht wird verschärft
Höchststrafe soll von zehn auf 15 Jahre angehoben werden

Berlin - Das Jugendstrafrecht soll verschärft werden. Darauf hat sich gestern die Mehrheit des Bundesrates verständigt. Auf Antrag von Baden-Württemberg soll unter anderem ein sogenannter Warnschuß-Arrest eingeführt werden. Dieser soll auch dann verbüßt werden müssen, wenn eine Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Bei Straftaten von Heranwachsenden (Alter 18 bis 21 Jahre) soll künftig das Erwachsenenstrafrecht angewandt werden. Zum anderen ist vorgesehen, die Höchststrafe von zehn auf 15 Jahre anzuheben. Laut Bundeskriminalamt gibt es pro Jahr bis zu 500 000 straffällige Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 18 Jahren. Rechnet man die 18- bis 21jährigen hinzu, steigt die Zahl der Tatverdächtigen auf weit über 600 000, Tendenz steigend. Der Gesetz-Entwurf sieht vor, daß den Gerichten fortan ermöglicht werden soll, gegen jugendliche Angeklagte, die der Verhandlung unentschuldigt fernbleiben, einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen. Bisher sind die Richter in diesem Verfahren auf das freiwillige Erscheinen des Täters angewiesen.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat scharfe Kritik an dem Beschluß der Länderkammer geübt. "Es wird Zeit, daß die Amtskollegen aus den unionsregierten Ländern verinnerlichen, daß Union und SPD nun gemeinsam Regierungsverantwortung tragen", sagte sie in Berlin. In den Koalitionsverhandlungen sei man einvernehmlich übereingekommen, keine Verschärfungen im Jugendstrafrecht vorzunehmen. Partner dieser Verabredung waren auch drei Justizminister der unionsregierten Länder. Zudem habe die Anhebung der Obergrenze für Haftstrafen von zehn auf 15 Jahre nach Ansicht der Wissenschaft weder einen verbesserten Abschreckungseffekt noch werde sie "jungen Menschen gerecht, die noch entwicklungsfähig sind und eine Zukunftsperspektive für ein Leben in Freiheit brauchen", sagte Zypries.

Auch Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) hat sich gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts ausgesprochen. Die Forderung, mit höheren Strafen gegen Jugendkriminalität vorzugehen, sei phantasielos, hatte Schubert im Bundesrat erklärt.

Indes verteidigte Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) die Gesetzes-Initiative. Vor dem Hintergrund steigender Rückfallquoten in der Jugendkriminalität sei es wichtig, jungen Erwachsenen zwischen 18 und 21 Jahren das eindeutige Signal zu senden, daß sie in der Regel strafrechtlich voll verantwortlich sind. "Momentan wird ihnen durch die überwiegende Anwendung von Jugendstrafrecht suggeriert, sie seien noch nicht ganz fertig. Das ist fatal", sagte Goll. So stimmte die Länderkammer dem Vorschlag eines zusätzlichen mehrwöchigen Arrests für Jugendliche zu, die zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden. "Bewährung empfinden viele Jugendliche als Freispruch. Sie laufen aus dem Gerichtssaal und kichern. Da tut ein Warnschuß Not, daß die rote Linie überschritten ist", sagte Goll. Zustimmung erhielt der baden-württembergische Justizminister von seinem sachsen-anhaltinischen Kollegen Curt Becker. Der CDU-Politiker begrüßte die heutige Entscheidung des Bundesrates. "Ich unterstütze ausdrücklich, daß Straftaten Heranwachsender grundsätzlich nach dem allgemeinen Strafrecht geahndet werden sollen. Ausnahmen soll es zukünftig nur noch bei erheblichen Entwicklungsstörungen geben", sagte Becker der WELT.

Die Debatte um eine Reform des Jugendstrafrechts hatte Hamburgs Justizsenators Roger Kusch (CDU) angeheizt. Er forderte das Jugendstrafrecht abzuschaffen und Jugendliche grundsätzlich nach dem Strafrecht für Erwachsene zu verurteilen. Den im Jugendstrafrecht zentral verankerten Erziehungsgedanken halte Kusch für verfehlt.

[  welt.de





11. February 2006
Frauenknast Preungesheim: Leben in der WG oder im abrissreifen Altbau von 1888

Die "JVA Frankfurt III" ist mit 331 Insassinnen völlig überbelegt / Hessens Justizminister Banzer kündigt Zusatz-Haus an

Frankfurt - Der größte Frauenknast Deutschlands steht mitten in Frankfurt: In der Justizvollzugsanstalt Preungesheim sitzen zurzeit 331 weibliche Häftlinge zwischen 14 und 80 Jahren ein, die Hälfte davon sind Ausländerinnen. Gestern stattete Hessens neuer Justizminister Jürgen Banzer (CDU) der "JVA Frankfurt III" einen Besuch ab - und versprach Abhilfe für eins der dringlichsten Probleme der Einrichtung: Die für 208 Frauen gedachte Anstalt ist seit Jahren völlig überbelegt. Ein neues Haus für 80 bis 100 Frauen sei zurzeit in Planung, so Banzer, und solle "in etwa zwei Jahren" gebaut werden; die entsprechenden Etatverhandlungen mit dem Finanzministerium liefen bereits.

Bis dahin werden einige Frauen - momentan sind es etwa 60 - Zellen im Altbau bewohnen, der noch aus dem Jahr 1888 stammt und eigentlich längst abgerissen werden sollte. "Wir sind zurzeit halt in einer Notsituation", erklärte Anstaltsleiter Norbert Müller. Die übrigen Insassinnen leben in so genannten "Wohngruppen" mit fünf bis zehn Frauen, die jeweils über eine gemeinsame Küche, einen Essbereich und einen Aufenthaltsraum verfügen.

Im Frankfurter Frauenknast sind Banzer zufolge rund 80 Prozent der weiblichen Häftlinge Hessens untergebracht, die übrigen verbußen ihre Strafen in Kaufungen bei Kassel. Die Preungesheimer Gefangenen sind dabei nicht nur, was Alter und Nationalität betrifft, sondern auch in Bezug auf ihre Straftaten eine äußerst gemischte Gruppe: In der JVA gibt es offenen und geschlossenen Vollzug, Untersuchungs- und Abschiebehaft, jugendliche Straftäterinnen und Mütter mit Kleinkindern. Diese sind im so genannten "Mutter-Kind-Heim" untergebracht, in dem es unter anderem ein Spielzimmer und einen kleinen Garten mit Schaukeln und Wippen gibt. Hier leben bis zu 23 Frauen.

"Selbst bei den hartgesottenen Fällen bin ich fast nie gezwungen gewesen, die Mutter von ihrem Kind zu trennen", so Gefängnisdirektor Müller. "Dass diese Frauen sich um ihre Kinder kümmern, lässt einen hoffen, dass sie sich positiv entwickeln werden."

Banzer betonte, dass in Hessens Gefängnissen die Resozialisierung der Häftlinge einen hohen Stellenwert habe. "Die Wiedereingliederung in die Gesellschaft ist genauso wichtig wie das Verhindern weiterer Straftaten." Resozialisierung bedeute allerdings nicht Haftlockerung: "Man muss bei den Gründen ansetzen, die Häftlinge auf die schiefe Bahn gebracht haben, Lockerungen sind da das unwichtigste Element." In der JVA Frankfurt können sich die Insassinnen unter anderem zur Köchin ausbilden lassen, an PC-Kursen teilnehmen, ihren Hauptschulabschluss machen oder in der Gefängnis-Wäscherei arbeiten. Zudem geben Firmen Aufträge an den Knast, etwa Blumensteck- oder Montagearbeiten, so Müller. Justizminister Banzer wollte bei seinem Antrittsbesuch den Leitspruch seines Vorgängers Christean Wagner vom "härtesten Strafvollzug Deutschlands" nicht unkommentiert lassen: "Ich will den erfolgreichsten Strafvollzug, und das heißt, dass zum einen nichts passiert und es zum anderen möglichst wenig Rückfälle unter den Entlassenen gibt."

Dass Frauen überhaupt "einsitzen", ist noch immer eine Ausnahme: Rund 95 Prozent der hessischen Häftlinge sind laut Justizministerium Männer. Einen speziellen Unterschied zwischen Männer- und Frauengefängnis wollte Müller nicht nennen: "Frauen sind nicht so einfach zu definieren, das habe ich hier gelernt." Der Anstaltschef räumte dennoch ein, dass es unter Frauen weniger häufig zu Gewalt komme: "Das sind dann nicht organisierte Aktionen, sondern Alltagsstreitigkeiten." Auch Konflikte unter den verschiedenen Nationalitäten kämen kaum vor: "Die Frauen gehen relativ pragmatisch damit um." Von Drogenproblemen bliebe allerdings auch der Frauenknast nicht verschont: "Eine JVA, die in der heutigen Zeit sagt, sie habe kein Drogenproblem, sagt nicht die Wahrheit." Dass Gewalt im Frankfurter Frauenknast nicht nur "Alltagsstreitigkeiten" bedeutet, zeigte gestern ein Prozess vor dem Frankfurter Landgericht: Eine 23-jährige Drogenabhängige bedrohte an ihrem zweiten Hafttag eine Mitinsassin mit einem Messer.

[  op-online.de

In Hessens zentraler Frauenhaftanstalt in Preungesheim sind 330 Frauen aus 50 Nationen untergebracht

10.02.2006

FRANKFURT Im Frankfurter Stadtteil Preungesheim steht Hessens zentrale Frauenhaftanstalt. Der alte Gefängnisbau, bald 120 Jahre alt, weicht Stück für Stück Neubauten, im Erdgeschoss ist wegen feuchter Wände niemand mehr untergebracht.

 

In Preungesheim wird viel gebaut. Die oberen Stockwerke in den beiden Flügeln, die vom so genannten Alten Haupthaus noch stehen, sind allerdings auch heute noch belegt. 1888 war das Gefängnis entstanden, zunächst für Männer und Frauen, seit 1955 ist es die zentrale Straf- und Untersuchungshaftanstalt für Frauen in Hessen. Während das große Männergefängnis in direkter Nachbarschaft nach dem Umzug der "Belegschaft" ins südhessische Weiterstadt weitgehend abgerissen ist, investiert die Justizverwaltung Millionen in die Frauenhaftanstalt.

Leben in WohngruppenVom viergeschossigen, sternenförmig angelegten Altbau in panoptischer Bauweise (von der zentral gelegenen Überwachungsstation sind alle vier Zellengänge eines Stockwerks zu überblicken) wurden die Flügel C und D bereits niedergelegt, um Platz zu machen für Neubauten. Heute stehen dort moderne Gebäude, die Frauen leben meist in Wohngruppen, können sich tagsüber auf ihren Stationen frei bewegen und werden nur nachts eingeschlossen.

Die Zellen sind individuell ausgeschmückt, an den Wänden Poster und manchmal ein Hinweis auf die Sorgen und Nöte der oft noch sehr jungen Mädchen, die hier ihre Haftstrafe absitzen. Handgeschrieben steht auf einem an die Wand geklebten Zettel der Text des Liedes: "Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling." Fragt man das Wachpersonal, was den Unterschied zwischen einer Frauen- und einer Männerhaftanstalt ausmache, wird eines vor allem genannt: Bei den Frauen gibt es weniger Gewalt. Dafür mehr psychische Probleme, weil Frauen wohl mehr unter der Trennung von Familie und Freundeskreis leiden.

In Preungesheim sitzen Mädchen und Frauen fast aller Altersstufen ihre Strafe ab. Das beginnt bei 14 Jahren und geht bis hoch in die 70er. Die Anstaltsleitung achtet darauf, dass Junge und Ältere getrennt voneinander untergebracht werden. Es sind auch alle Deliktarten vertreten, vom Drogenschmuggel bis zum Mord. Mehrere Frauen verbüßen eine Verurteilung zu lebenslanger Haft, berichtet Anstaltsleiter Norbert Müller. Gerade an diesem Tag, an dem der neue Justizminister Jürgen Banzer seinen Antrittsbesuch macht, muss Müller mit 330 Inhaftierten einen neuen Rekord bei der Überbelegung melden. Der Anteil der verurteilten Frauen steige, sagt er. Die Zahlen zeigen aber auch, dass Frauen viel weniger kriminell werden als Männer: Den 330 weiblichen Gefangenen stehen knapp 5100 männliche Gefangene gegenüber. Deswegen können in Preungesheimdie Plätze für Frauen konzentriert werden. 50 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland, aus rund 50 Nationen. Wegweisend für den deutschen Frauenstrafvollzug war die Inbetriebnahme des Mutter-Kind-Heimes im Jahr 1975. Die damalige Anstaltsleiterin Helga Einsele machte zum Programm, was sie schon Jahre vorher erprobt hatte: das Zusammenleben von Mutter und Kind hinter Gittern. Beide sollen davon profitieren, dass sie trotz der Haftstrafe der Mutter nicht getrennt werden.

Mütter und KinderDas Haus, in dem Mütter und Kinder zusammen leben, gleicht eher einem Kindergarten als dem Teil einer Haftanstalt. Manche der Kinder werden während der Haftzeit (allerdings in einem Krankenhaus) geboren, andere ziehen mit der Mutter ein. Lebt diese im geschlossenen Vollzug, endet das Zusammenleben in der Regel, wenn das Kind drei Jahre alt ist. Lebt die Mutter im offenen Vollzug, kann das Kind bis zum Erreichen des schulpflichtigen Alters bleiben. Zur Trennung kommt es dennoch selten, weil schon darauf geachtet wird, dass die Haftzeit der Mutter möglichst abgelaufen ist, wenn das Kind das entsprechende Alter erreicht hat.

[  wiesbadener-kurier.de





10.January 2006
Ausbau des Sanktionensystems im Jugendstrafrecht

Der Bundesrat hat den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Jugenddelinquenz erneut beim Deutschen Bundestag eingebracht, nachdem der in der 15. Legislaturperiode eingebrachte gleichlautende Entwurf der Diskontinuität unterfallen ist.

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, durch Änderungen des Sanktionensystems im Jugendgerichtsgesetz die präventiven Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinder- und Jugenddelinquenz zu intensivieren und die jugendstrafrechtlichen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Der Bundesrat erhofft sich davon eine Trendwende im stetigen Anstieg der Jugendkriminalität sowie ein erfolgreiches Gegensteuern bei Fehlentwicklungen im jugendstrafrechtlichen Bereich.

Dazu soll zum einen ein so genannter Warnschuss-Arrest eingeführt werden, der den straffällig gewordenen Jugendlichen nachdrücklich den Ernst ihrer Situation und die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung verdeutlichen soll. Dieser Arrest soll neben einer zur Bewährung ausgesetzten Verhängung oder Vollstreckung der Jugendstrafe angeordnet werden können. Darüber hinaus soll auf Straftaten Heranwachsender zukünftig in der Regel allgemeines Strafrecht angewendet werden und nicht wie bisher Jugendstrafrecht. Dieses bliebe dann Ausnahmefällen vorbehalten, etwa bei erheblichen Verzögerungen in der Entwicklung des Heranwachsenden. Der Rahmen der Jugendstrafe soll von zehn auf 15 Jahre erhöht werden.

Außerdem soll zur Beschleunigung des vereinfachten Jugendverfahrens die Möglichkeit eröffnet werden, gegen jugendliche Angeklagte, die der Verhandlung unentschuldigt fernbleiben, einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen. Bisher sind die Richter in diesem Verfahren auf das freiwillige Erscheinen des Täters angewiesen. Schließlich sieht der Gesetzentwurf die Erweiterung des Katalogs der Weisungen um eine Meldepflicht und die Möglichkeit der Verhängung eines eigenständigen Fahrverbots auch für solche Fälle vor, in denen die Anlasstat kein Straßenverkehrsdelikt ist.

Der Gesetzentwurf wird nunmehr der Bundesregierung zugeleitet, die ihn innerhalb von sechs Wochen an den Deutschen Bundestag weiterleiten muss. Dabei soll sie ihre Auffassung darlegen. BR-Dr 44/06 (Beschluss): Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Jugenddelinquenz

[  beck.de





09. Februar 2006
Elektronische Fußfessel

Textreihe vom Spiegel zur Fussfessel

[  Textreihe zur Fussfessel

[  siehe auch hier weiteres zur Fussfessel





9. February 2006
Stuttgarter Justizminister will Reform des Jugendstrafrechts

Stuttgart (dpa) - Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll hält an einer Reform des Jugendstrafrechts fest. Mit einer Bundesratsinitiative will der FDP-Politiker erreichen, dass für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren grundsätzlich das allgemeine Strafrecht und nicht mehr Jugendstrafrecht angewendet wird. «Je älter ein Täter ist, desto weniger lässt sich seine Tat doch noch als "jugendtypisch" einstufen», sagte Goll in einem dpa-Gespräch in Stuttgart. Kriminelle zwischen 18 und 21 Jahren würden jedoch in den überwiegenden Fällen noch nach Jugendstrafrecht verurteilt. "Das Regel-Ausnahmeverhältnis ist also auf den Kopf gestellt. Das will ich wieder umdrehen", sagte Goll. Er will mit seiner Initiative, die an diesem Freitag erneut im Bundesrat zur Abstimmung steht, auch den so genannte Warnschussarrest einführen, der parallel zu einer Bewährungsstrafe verhängt werden könnte.

"Gerade die Schlimmsten der jungen Täter laufen im Falle einer Bewährungsstrafe aus dem Gerichtssaal und sind fest davon überzeugt, soeben freigesprochen worden zu sein." Ein zusätzlicher Arrest von ein paar Wochen könne eine äußerst segensreiche Wirkung entfalten, um jungen Kriminellen nachhaltig klar zu machen, dass sie die Grenzen bereits überschritten haben. Zudem solle die Höchststrafe im Jugendstrafrecht von bisher 10 auf 15 Jahre angehoben werden. Ein von Baden-Württemberg eingereichter Gesetzentwurf zum Jugendstrafrecht war in der vergangenen Legislaturperiode bereits mehrheitlich vom Bundesrat beschlossen worden. Auf Grund der vorgezogenen Wahl im Herbst 2005 wurde die Reform aber nicht mehr im Bundestag behandelt.

[  news.yahoo.com





8 February 2006
Einreise-Verweigerung, Platzverbote, Sicherheitsverwahrung

Die Polizei hat viele Möglichkeiten, Hooligans von der Fußball-WM fernzuhalten / Schon jetzt werden Informationen über Randalierer gesammelt

Für Randalierer gilt bei der Fußball-WM: Wir müssen draußen bleiben. Für die Polizei stellt dieses Ziel einen wahren Kraftakt dar. Mehr als eine Million Fans aus aller Welt werden in Deutschland erwartet. Schon jetzt sind viele Beamte dabei, diejenigen zu registrieren, die zum Prügeln zu den Spielorten pilgern wollen. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei in Düsseldorf ist bundesweit zuständig für die umfangreiche Recherche. Eingegliedert im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen, sammeln die Experten Infos über Personen, die in Deutschland oder im Ausland bei Sportereignissen durch Gewalttätigkeiten negativ auffallen. Es gilt, die Gefahrenpotentiale rechtzeitig zu erkennen und Gewalt zu verhindern. Die gesammelten Erkenntnisse werden dann an die lokalen Polizeibehörden weitergeleitet.

"Die müssen dann im Einzelfall entscheiden, wie sie reagieren", sagte ZIS-Leiter Michael Endler. Die Möglichkeiten seien vielfältig: Ausländische Hooligans müßten auch damit rechnen, daß ihnen nach Prüfung möglicherweise die Einreise verweigert werde. Deutschen Randalierern drohe der Platzverweis, die polizeiliche Meldeauflage oder gar die Gewahrsamnahme. Die ZIS wurde 1992 ins Leben gerufen, um den polizeiinternen Informationsaustausch insbesondere bei großen Sportereignissen zu verbessern. Als Unterkunft war damals Düsseldorf erste Wahl, da aufgrund der Zahl der Bundesligavereine in dem Bundesland das höchste Informationsaufkommen zu erwarten war. Arbeit hat die ZIS Jahr für Jahr genug. An jedem Spieltag der Fußball-Bundesliga strömen Hunderttausende in die Stadien. Hinzu kommen DFB-Pokal und Wettbewerbe der UEFA.

Und auch bei den vergangenen Europa- und Weltmeisterschaften im Ausland war die ZIS von Deutschland aus aktiv. Turniererfahrung sammelte die ZIS beim Confederations-Cup im vergangenen Jahr. Zu dem Event siedelte die ZIS ins Bildungszentrum der Polizei nach Neuß um. Ein Planungsstab mit internationalen Verbindungsbeamten sorgte dafür, daß in puncto Sicherheit die Generalprobe gelang. Im Sommer wird die ZIS wieder dorthin umziehen. "Die WM 2006 ist unsere größte Herausforderung", sagte Endler. Täglich wird die ZIS dann etwa 1000 Informationen aus dem In- und Ausland bearbeiten.

Wie bei allen großen Turnieren kommt es zu brisanten Spielen. Grölende Engländer also und friedliche Samba-Tänzer aus Brasilien? "Das sind Klischees, die wir nicht bedienen", betonte Endler und fügte hinzu: "Wir nehmen jedes Spiel gleich ernst." So erstellt die ZIS zu jeder der 64 WM-Begegnungen eine interne Gefahrenbewertung. Angelehnt an die Verkehrsampel gibt es grüne, gelbe und rote Spiele. Rot und damit als sehr gefährdet ist keine Spielpaarung eingestuft. "Nur gelbe gibt es eine Handvoll", erläuterte der Polizeidirektor. Welche dies sind, will er aber nicht verraten. (ddp.vwd)

[  aerztezeitung.de





7. January 2006
Häftling bunkerte Waffe im Gefängnis
Opposition will Aufklärung

WIESBADEN (dpa) Ein Häftling mit Pistole in einem Kasseler Gefängnis ist heute Thema in dem für den Strafvollzug zuständigen Landtagsausschuss in Wiesbaden. SPD und Grüne verlangen darüber Aufklärung von Justizminister Jürgen Banzer (CDU). Beide Fraktionen wollen erfahren, ob es sogar Schießübungen mit der Waffe gab, die der als Bankräuber verurteilte Häftling jahrelang unentdeckt gebunkert hatte. Besorgt äußerten sich beide Fraktionen auch über angeblich defekte Gefängnistore in Kassel, herumliegende Anstaltsschlüssel und den Einsatz hepatitiskranker Häftlinge in der Anstaltsküche. Die Missstände waren am Freitag beim Prozess um den gescheiterten Ausbruchversuch des Bankräubers zur Sprache gekommen. Die halbautomatische Waffe war bei dem Ausbruchversuch Ende 2004 sichergestellt worden. Drei Tage zuvor hatte der inhaftierte Bankräuber damit nach Feststellung des Gerichts einen Probeschuss auf der Anstaltstoilette abgegeben. Justizvollzugsbeamte hatten als Zeugen im Prozess häufigere Defekte an dem Rolltor am Gefängnis Kassel-Wehlheiden eingeräumt. Es sei immer möglich, verbotene Sachen in das Gefängnis hineinzuschmuggeln, hatte ein Wärter ausgesagt. Der Staatsanwalt hatte in dem Verfahren eingeräumt, dass es im Gefängnis möglich sei, eine Waffe zu verstecken, ohne das diese entdeckt wird.

[  .main-spitze.de





6 February 2006
Neues Hochsicherheitsgefängnis in Hamburg-Billwerder eröffnet

Justizsenator Roger Kusch (CDU) hat am Montag das 32 Millionen Euro teure Hochsicherheitsgefängnis in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder der Öffentlichkeit vorgestellt. In dem "Gefängnis im Gefängnis" können bis zu 384 Häftlinge in drei Hafthäusern untergebracht werden. Damit wächst die Zahl der Haftplätze in Billwerder insgesamt auf mehr als 800.

Acht Quadratmeter große Zellen

Das Gefängnis sei nach modernsten Sicherheitsmaßstäben gebaut worden, teilte die Justizbehörde mit. Zudem sei das 200 Hektar große Areal der JVA von einer sechs Meter hohen Mauer umgeben. Die neuen Zellen sind etwa acht Quadratmeter groß und mit Spind, Schreibtisch, Bett und Nasszelle ausgestattet. Auf dem Hof gibt es zwei neue Sportplätze, zudem wurde eine Werkhalle errichtet. Beim Bau habe es immer wieder Probleme gegeben, zuletzt mit der Schließanlage, bei der die Zellentüren elektronisch über eine zentral gesteuerte Anlage geschlossen werden sollten, berichtete NDR 90,3. Deshalb müssten wieder Wärter mit Schlüsseln über die Flure gehen.

Kusch spricht von "Meilenstein"

Kusch sagte, mit dem Neubau habe der Senat "das Laissez-faire vergangener Jahre beendet" und im Interesse der Bevölkerung einen konsequenten Vollzug in klaren Strukturen geschaffen. "Er gewährleistet den Schutz der Bevölkerung und bietet allen Gefangenen die Chance, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen", sagte Kusch. Der neue Sicherheitstrakt sei "ein wichtiger Meilenstein und vorläufiger Abschluss unserer 2001 eingeleiteten Reformen". Kusch hatte nach seinem Amtsantritt 2001 damit begonnen, den vom früheren rot-grünen Senat als offene Vollzugsanstalt konzipierten Bau zum Hochsicherheitstrakt umbauen zu lassen. Der Umbau sei eine "architektonische Glanzleistung" gewesen, sagte er - vergleichbar mit der Umwandlung eines Reihenhauses in einen Supermarkt. Unter Rot-Grün habe es aus ideologischen Gründen viel zu viele offene Plätze gegeben.

Keine Privatisierung des Strafvollzugs

Kusch betonte, der Strafvollzug solle auch künftig Aufgabe der Stadt bleiben. Hamburg gebe für ihn etwa doppelt so viel aus wie im Bundesdurchschnitt, was der Resozialisierung und Betreuung der Häftlinge zugute komme. Bereits vor der Eröffnung hatte Kusch die Ausgaben für das neue "Gefängnis im Gefängnis" verteidigt. Das Geld sei gut angelegt, sagte der Senator. "Bisher haben wir hochgefährliche Gefangene aus Fuhlsbüttel stets in andere Bundesländer verlegt, jetzt können wir das innerhalb der Stadt erledigen", so Kusch.

Kritik von GAL und SPD

Kritisch hatte sich dagegen die GAL-Bürgerschaftsfraktion geäußert. "Hamburg braucht kein weiteres Hochsicherheitsgefängnis, sondern die Umkehr zu einer humanen und ideologiefreien Strafvollzugspolitik", sagte der rechtspolitische Sprecher Till Steffen am Sonntag. Mit der Schließung von drei Anstalten versuche Kusch Fehlplanungen zu kaschieren. Statt der prognostizierten 3.600 Gefangenen gebe es zurzeit im Durchschnitt nur 2.750 Häftlinge. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion warnte anlässlich der Eröffnung des Hochsicherheitsgefängnisses vor einem "Strafvollzug mit Schlagseite". Auch das sicherste Gefängnis sei nur dann sicher, wenn die Häftlinge auf ein Leben nach Recht und Gesetz vorbereitet würden, sagte Rechtsexperte Rolf-Dieter Klooß.

JVA Vierlande wird geräumt

Laut Pressemitteilung der Justizbehörde verfügt Hamburg mit dem neuen Hochsicherheitsgefängnis erstmals über eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Haftplätzen. Künftig könnten rechtkräftig Verurteilte schneller aus der Untersuchungshaftanstalt in die reguläre Strafhaft verlegt werden. Zudem könne die JVA Vierlande endlich geräumt werden. "Damit beendet der Senat das unwürdige Nebeneinander von Strafvollzug und KZ-Gedenkstätte in Neuengamme." Gefangene würden unmittelbar nach der Eröffnung aus anderen Haftanstalten in die neuen Hafthäuser einziehen.

Neue Broschüre zum Strafvollzug vorgestellt

Kusch stellte am Montag außerdem eine neue Broschüre zum hamburgischen Strafvollzug vor, die in der Gefängnisdruckerei der JVA Fuhlsbüttel gedruckt wird. "Soviel ist sicher" heißt das Heft, das Hamburgs Justizvollzugsanstalten vorstellt und Fragen zum Strafvollzug beantwortet.

Stand: 06.02.2006 14:40

[  ndr.de

Zahlen und Fakten:

Hamburg hat 384 neue Haftplätze

- Belegungskapazität: 803 Gefangene
- Grundstücksgröße: ca. 200 Hektar
- Länge der Außenmauer: 1,8 Kilometer
- Höhe der Außenmauer: 6 Meter
- Größe des Haftraumes: 10 qm
- Bedienstete: ca. 350
- Baukosten insgesamt: 92 Mio. EUR
- Baukosten 2. Bauabschnitt: 32 Mio. EUR
- Baukosten pro Haftplatz: 115.000 EUR

[  aus Pressemitteilung: Justizsenator Dr. Roger Kusch eröffnet das neue Hochsicherheitsgefängnis





06. February 2006
Landesjustizverwaltungen müssen sich an Gerichtsurteile halten

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und die rechtspolitischen Sprecherinnen und Sprecher der SPD-Landtagsfraktionen haben bei ihrem Treffen in Berlin heute deutlich gemacht, dass in Deutschland alle öffentlichen Stellen zur Befolgung von Gerichtsentscheidungen verpflichtet sind. Sie haben ihre gemeinsame Haltung wie folgt bekräftigt:

„Das Grundgesetz bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Deshalb ist es rechtsstaatlich vollkommen inakzeptabel, dass sich eine Landesjustizverwaltung nicht an ein rechtskräftiges Urteil hält. Ein Justizminister ist gut beraten, jeden Anschein zu vermeiden, dass in seinem Verantwortungsbereich fundamentale Rechtsstaatsgebote wie das Gewaltenteilungsprinzip missachtet werden. Wenn sich staatliche Stellen nicht an das Recht halten, unterminieren sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat. Dieser Verantwortung sollte sich jeder Justizminister und jede Justizministerin bewusst sein und dafür sorgen, dass rechtskräftige Gerichtsentscheidungen ohne Wenn und Aber beachtet werden.“

Hintergrund dieser Aufforderung ist ein Rechtsstreit eines Häftlings, der in der Justizvollzugsanstalt (JVA) im hessischen Butzbach einsitzt. Er wollte einen DVD-Spieler in seiner Zelle haben, dies lehnte die Justizvollzugsanstalt unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken ab. Das Landgericht Gießen gab dem Häftling Recht und führte aus, dass ein DVD-Gerät, das allein zum Abspielen geeignet sei, die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt nicht gefährde. Der Ermessensspielraum der JVA sei deshalb auf Null reduziert. Das Urteil ist rechtskräftig. Dennoch verweigert die JVA Butzbach dem Häftling die Aushändigung des DVD-Spielers.

Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz

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3. February 2006
Sicherheitsmängel in Gefängnis
Mit der Pistole rumgeballert

Die Vollzugsbeamten hatten offenbar Hinweise auf die Waffe, die der Bankräuber versteckte. Beim Prozess um den gescheiterten Ausbruchsversuch eines Bankräubers sind eklatante Sicherheitsmängel in einem Kasseler Gefängnis aufgedeckt worden. Der Bankräuber hielt jahrelang eine Pistole versteckt, mit der er vor seinem Ausbruchsversuch herumballerte.

Trotz gezielter Suchaktionen hat der Bankräuber in der Justizvollzugsanstalt
Kassel-Wehlheiden eine Pistole mehr als vier Jahre lang verstecken können. Erst bei einem Ausbruchversuch stellten Beamte die halbautomatische Waffe sicher, wie am Freitag bei dem Prozess gegen den gescheiterten Ausbrecher bekannt wurde. Vom Gefängnispersonal unbemerkt hatte der Häftling zuvor in der Anstalt sogar einen Probeschuss mit der Waffe abgeben.Das Brisante an der Geschichte: Den Justizbehörden soll die Existenz der Pistole bereits im Jahr 2000 bekannt gewesen sein.Der suchtkranke Serienstraftäter hatte die Pistole nach seiner Darstellung im Jahr 2000 von einem Mithäftling zur Aufbewahrung bekommen. Weil er mit dem brisanten Gegenstand nichts zu tun haben wollte, vergrub er ihn an einer Treppe und wechselte anschließend noch zwei Mal das Versteck, als wegen Bauarbeiten eine Entdeckung der Waffe drohte. Ende 2004 startete er einen Fluchtversuch, bei dem er sich in einem Altpapiercontainer versteckte. Er wurde allerdings von Wärtern entdeckt und versuchte vergeblich, sich mit der Pistole in den Kopf zu schießen.

Nach dem Knast in die Sicherheitsverwahrung
Das Kasseler Amtsgericht verurteilte den 46-Jährigen am Freitag wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einem Jahr Haft. Wegen zweier Banküberfälle sitzt der Mann ohnehin bis 2014 hinter Gittern und kommt anschließend in Sicherheitsverwahrung.

Defektes Tor in der Haftanstalt
Wärter offenbarten im Zeugenstand weitere Sicherheitsmängel. Das Einschmuggeln verbotener Gegenstände sei kein Problem und das Tor der Haftanstalt sei oft defekt gewesen. Selbst mit einem großen Küchenmesser war der Bankräuber unbemerkt durch die Anstalt gelaufen. Die Verwunderung des Richters kommentierte der Straftäter mit den Worten: „Man hat mir schon vertraut“.

Ministerium will erneut Überprüfung durchführenv Das Wiesbadener Justizministerium erklärte am Freitag, in dem Kasseler Gefängnis gebe es nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Sicherheitsmängel. Den Aussagen des Häftlings zu angeblichen Problemen sei bereits vom Ministerium, der Anstalt und der Kriminalpolizei nachgegangen worden, ohne dass dabei Defizite entdeckt worden seien. Die Gerichtsverhandlung werde aber Anlass für eine erneute gründliche Überprüfung sein.

Durchsuchungsaktionen an der Tagesordnung „Wenn ich eine Waffe verstecken will, kann ich das auch im Bereich der JVA so machen, dass diese nicht gefunden wird", erklärte der Staatsanwalt. Auf Grund vielfältiger Hinweise von Gefangenen gebe es immer wieder Durchsuchungsaktionen, die meisten Tipps stellten sich aber als gegenstandslos heraus. "Es ist immer möglich, Sachen hereinzuschmuggeln, wenn man es darauf anlegt", sagte einer der befragten Wärter.

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03. February 2006
Schwarze Sheriffs in Bremervörde?
SPD hat Bedenken gegen Justizvollzugsanstalt  

Bremervörde/Nartum. Die Planungen von Justizministerin Heister-Neumann, in Bremervörde eine teilprivatisierte Justizvollzugsanstalt zu errichten, führen zu intensiven Diskussionen innerhalb der SPD-Landtagsfraktion. „Ein solches Modell kann sich nur rechnen, wenn an der Qualität der Bewachung und Betreuung gespart wird“, meint der SPD-Rechtsexperte Friedhelm Helberg.

„Ich habe keine Einwände dagegen, die Planung und den Bau eines neuen Gefängnisses stärker als bislang in die Hände Privater zu legen. Aber wenn Schwarze Sheriffs gut ausgebildete Justizvollzugsbeamte ersetzen, schrillen bei mir alle Alarmglocken“, sagt Helberg. Dort, wo Bedienstete Kontakt mit den Gefangenen hätten - bei der Bewachung und Betreuung, aber auch in Küche und Wäscherei, wo Gefangene häufig arbeiten - müsse der Einsatz privater Wachfirmen ausgeschlossen sein. „Die Justizvollzugsbeamten verdienen nicht viel. Aber sie haben die Ausbildung und Erfahrung, um mit den Gefangenen so umzugehen, dass die Sicherheit gewährleistet und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft möglich ist.“

Helberg fordert, dass die Ministerin unverzüglich den Landtag über die Ergebnisse einer in ihrem Ministerium eingerichteten Projektgruppe zur Privatisierung im Justizvollzug unterrichtet.

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2. February 2006

Die folgenden Beiträge drehen sich um die Reaktionen auf Kusch's Forderung das Jugendstrafrecht abzuschaffen - [   see more details here

Verheerendes Echo auf Vorstoß - "Fahrlässig, dumm, abstrus"

Das politische und fachliche Echo auf den Vorschlag von Justizsenator Roger Kusch, das Jugendstrafrecht und die Jugendgerichte abzuschaffen, ist verheerend. Als "verrückt und dumm" bezeichnete der Kriminologe Christian Pfeiffer die Forderungen von Kusch. Die Anregung sei unproduktiv und teuer, sagte Pfeiffer im NDR-Hörfunk. "Es handelt sich um eine Selbstprofilierungsidee, von der Kusch genau weiß, daß er damit nicht durchkommt", sagte der Kriminologe. Zuvor hatten bereits der Hamburger Jugendrichter Achim Katz und Otmar Kury, Vizepräsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, die Vorschläge Kuschs im Abendblatt als abwegig bezeichnet.

"Justizsenator Kusch äußert sich wiederholt zu Themen, von denen er offensichtlich nichts versteht", sagte der SPD-Vorsitzende Mathias Petersen. Der Senator versuche verzweifelt, sich Gehör zu verschaffen. Schon die Diskussion um die Sterbehilfe habe gezeigt, daß Kusch bereit sei, solche Themen als "Testfläche für seine Profilierungssucht" zu benutzen. "Dieser Senator ist seines Amtes nicht würdig, die Interessen der Menschen in dieser Stadt vertritt er nicht", lautete das Fazit des Sozialdemokraten.

Auch der GAL-Rechtsexperte Till Steffen ging mit Kusch hart ins Gericht: "Dieser Senator ist politisch erledigt." Selbst wenn Bürgermeister von Beust ihn im Amt belasse, habe er keine Rückendeckung in der CDU-Fraktion mehr. "Kusch versucht, mit seinen vielen Initiativen davon abzulenken, daß ihn seine Aufgaben in Hamburg entweder nicht interessieren oder daß er erfolglos bleibt", sagte Steffen. "Mit seinen abstrusen Vorstellungen hat Senator Kusch bei Fachleuten und in der Öffentlichkeit nur Kopfschütteln erregt", sagte Friedrich-Joachim Mehmel, Vorsitzender der SPD-Juristen. Mit seinen Vorstellungen vom Strafrecht insgesamt und Strafvollzug als reinem Verwahrvollzug sei Kusch auf dem Weg zurück in die 50er Jahre.

Die FDP-Sozialexpertin Martina Kaesbach würde eine Reform des Jugendstrafrechts zwar begrüßen. "Die FDP Hamburg spricht sich aber entschieden gegen eine Vereinheitlichung des Erwachsenen- und Jugendstrafrechts aus, wie Kusch es will", sagte Kaesbach. Der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts dürfe keinesfalls "über Bord geworfen" werden. Der CDU-Jugendstrafrechtsexperte Klaus-Peter Hesse zielt mit seiner Kritik an Kusch in dieselbe Richtung. "Es wäre fahrlässig, die 14- bis 18jährigen nach dem Strafgesetzbuch zu behandeln. Die Jugendlichen brauchen wirkliche Spezialisten - das sind die Jugendrichter", sagte Hesse. Kusch hatte sich dafür ausgesprochen, die eigenständigen Jugendgerichte abzuschaffen. Dagegen unterstützt Hesse den Kusch-Vorschlag, Heranwachsende generell nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen.

[  abendblatt.de

Deutscher Richterbund: Senator Kusch wird zur Belastung der Justiz

1. Februar 2006

Deutscher Richterbund Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte e.V. (Verbandspresse, 01.02.2006 16:19)

(Berlin) - Mit seiner Forderung, das Jugendstrafrecht abzuschaffen und Jugendliche grundsätzlich nach dem Strafrecht für Erwachsene zu verurteilen – wenngleich mit geringeren Strafen –, lässt der Hamburger Justizsenator Roger Kusch die nötige Sachkunde für die politische Verantwortung seines Amtes vermissen. Der Deutsche Richterbund (DRB) weist die Forderung Kuschs entschieden zurück.

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Wolfgang Arenhövel:

„Es ist keineswegs verfehlt, Jugendliche in Strafverfahren anders zu behandeln als Erwachsene. Der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht verlangt, dass Entwicklung und Reife jugendlicher Straftäter berücksichtigt werden und gehört zu den gesellschaftspolitischen Pfeilern unserer Justiz. Prozessuale Besonderheiten wie der Ausschluss der Öffentlichkeit vermeiden, dass Jugendliche stigmatisiert werden und dadurch schlechtere Zukunftschancen haben. Diese Besonderheiten des Jugendstrafrechts verharmlosen nicht, sondern geben den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten die Möglichkeit, im Strafverfahren selbst und bei den Sanktionen nach Besonderheit des Einzelfalls und Beurteilung des jugendlichen Straftäters zu differenzieren und damit zur Prävention beizutragen. Entgegen den Vermutungen des Hamburger Justizsenators sollen Jugendliche nicht generell geschont werden – für uneinsichtige Straftäter und solche, die schwere Taten begangen haben, sieht das Jugendstrafrecht ange-messene Sanktionen vor.

Kusch wird mit derartigen Forderungen, die auch in diesem Fall offenbar nicht mit seiner Partei abgestimmt waren, zur Belastung der Justiz. Nach seinen um-strittenen Äußerungen zur Sterbehilfe drängt sich der Verdacht auf, dass er mit seinen Alleingängen den politischen Freitod auf Raten gewählt hat.“

[  Deutscher Richterbund Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte e.V

Jugendrichter üben Kritik

1. Februar 2006

Jugendrichter und die Hanseatische Rechtsanwaltskammer laufen Sturm gegen den Vorstoß von Justizsenator Roger Kusch (CDU). "Niemand teilt die Auffassung des Senators, kein Wissenschaftler, kein Praktiker", sagte Otmar Kury, Vizepräsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, dem Abendblatt auf Anfrage. "Das Jugendstrafrecht hat sich bewährt. Es steht nicht zur Disposition rechtspolitischer Spielereien."

"Die Forderung von Herrn Kusch ist so abwegig, daß sich keine Diskussion lohnt", sagte Jugendrichter Achim Katz. Er ist zugleich Vorsitzender der Regionalgruppe Nord der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe. Die Forderung des Justizsenators nach Abschaffung des Jugendstrafrechts sei "reine Ideologie, eine konsequente Fortsetzung seines Kampfes gegen die Jugendgerichtsbarkeit", so Katz. Kusch irre insbesondere in der Auffassung, der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts diene der Schonung der Jugendlichen und Heranwachsenden. "Das Ziel des Jugendstrafrechts ist es, mit erzieherisch wirksamen Mitteln - und damit spezialpräventiv - Straffreiheit von Jugendlichen und Heranwachsenden zu erreichen." Das Jugendstrafrecht sei das einzige Strafrecht, das in seinen Zielen auf die Verhinderung künftiger Straffälligkeit - und damit auf den Schutz der Gesellschaft vor künftigen Straftaten durch den Angeklagten ausgerichtet sei.

"Der Erziehungsgedanke dient diesem Ziel. Ob das allgemeine Strafrecht, was die präventiven Wirkungen angeht, wirklich besser ist, das müßte Herr Kusch noch beweisen." Katz weiter: "Auf Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender muß man mit anderen Sanktionsmöglichkeiten reagieren als auf Straftaten Erwachsener. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Sicht falsch ist." Ein anderer Jugendrichter sagte, Kuschs Vorstoß sei absurd, dies sei einhellige Meinung vieler Jugendrichter. Und weiter: "Was Kusch fordert, ist Sterbehilfe zum Jugendstrafrecht."

[  abendblatt.de





1. February 06
Trotz Verfolgung: Kein Asyl
Gießens Gericht ignoriert Urteil des EU-Menschenrechtsgerichtshofs 

Ein bisschen Unrecht schadet nicht: Nach diesem Motto hat das Verwaltungsgericht Gießen den Asylfolgeantrag eines Kriegsdienstverweigerers aus der Türkei abgelehnt. Nicht etwa, weil er zu Unrecht Sorge vor Verfolgung hätte.

Es bestehe, so heißt es in der am Montag veröffentlichten Urteilsbegründung, "durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger wegen seiner erklärten Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten, im Falle seiner Rückkehr mit einer Strafverfolgung zu rechnen hat." Und zwar wegen politischer Delikte wie »Entfremdung des Volkes vom Militär« und "Beleidigung der Streitkräfte". Der Hintergrund: Der 31-jährige Zeynettin Er will nicht zum Militär, er ist solidarisch mit anderen Pazifisten, er protestierte gegen die türkische Beteiligung am Irak-Krieg, er fungiert in der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) als bundesweiter Ansprechpartner für Kriegsdienstverweigerer ausländischer Herkunft.

Einem Wehrpflichtigen, der auch noch Kurde ist, lässt die Regierung in Ankara so etwas nicht durchgehen. Kriegsdienstverweigerung ist in der Türkei nicht vorgesehen und gilt als Desertion. Zeynettin hat sich vor über zehn Jahren nach Deutschland abgesetzt. Sein erster Asylantrag wurde 2003 abgelehnt. Einem Auslieferungsantrag der Türkei hat das Bundesjustizministerium danach dennoch nicht entsprochen – der "Tatbestand" (Beleidigung des Militärs) war ihm offenbar nicht geheuer.

Das Gießener Gericht hat da weniger Bedenken. Kriegsdienstverweigerung zähle "nicht zu dem Bestand der asylrechtlich geschützten Rechtsgüter", es ist mit anderen Worten ein Grundrecht, das nur für Deutsche gilt. Eine politische Verfolgung wäre nur gegeben, wenn die Türkei »zielgerichtet« Persönlichkeitskerne treffen wollte. Davon, so das Gericht, "ist unter Berücksichtigung der Strafpraxis in der Türkei nicht auszugehen." Eine fatale Fehleinschätzung. Nur einen Tag vor dem Gießener Urteil kam der Europäische Menschenrechtsgerichtshof zu einem ganz anderen Schluss: Am 24. Januar verurteilte er die türkische Regierung zu einer Entschädigungszahlung an einen Kriegsdienstverweigerer. Osman Murat Ülke hat vor elf Jahren seine Einberufungspapiere verbrannt und ist seither in einem juristischen Teufelskreislauf. Militärpolizisten schleppen ihn in die Kaserne, wo er den Dienst verweigert. Er wird verurteilt und vom Militärgefängnis zurück zur Kaserne geschickt, wo alles von vorne losgeht.

Nach zwei Jahren Haft tauchte Ülke ab und lebt seither ohne offiziellen Wohnsitz. Der EU-Menschenrechtsgerichtshof konstatierte nun einen Verstoß gegen Artikel 3 der Menschenrechtskonvention, also gegen das Verbot entwürdigender Behandlung und grausamer Bestrafung. Die Türkei lege es gezielt darauf an, einen aufmüpfigen Kriegsgegner zu zermürben. Ülke sei zum Gegenstand "einer unendlichen Serie von Verfolgung und Bestrafung" geworden, die seine Persönlichkeit unterdrücken und ihn entwürdigen solle". Der "soziale Tod", zu dem ihn die türkische Justiz verurteilt habe, sei "unvereinbar mit dem Strafrecht einer demokratischen Gesellschaft", so die Urteilsbegründung.

"Es ist zynisch, dass das Gericht die Menschenrechtsverstöße der Türkei legitimiert", erklären Rudi Friedrich vom Verein connection e.V. und Joachim Thommes von der DFG-VK. Ers Anwalt hat Berufung eingelegt und hofft, dass zunächst keine Abschiebung erfolgt. Und wenn doch, dann hat das Gericht schon einen Trost in sein Urteil eingebaut: Zwar beobachte der türkische Geheimdienst MIT aufmerksam die oppositionellen Tätigkeiten auch in der BRD, aber: "Schon wegen der hohen Anzahl der sich exilpolitisch engagierenden Personen kann der türkische Geheimdienst nicht jeden einzelnen Aktiven überwachen."

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31. January 2006
Deutsche Polizei: rassistisch und gewaltbereit?
Opfer polizeilicher Gewalt in unserem Rechtssystem

Nacheinander legten die Anti-Rassismus-Initiative Aktion Courage und amnesty international (vgl. Misshandlungen durch Polizeibeamte (1)) ihre Dokumentationen über Polizeiübergriffe in Deutschland vor. Für die Gewerkschaft der Polizei gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich Gewaltmissbrauch bei der Polizei nicht nur auf Einzelfälle beschränkt, sondern ein strukturelles Problem ist. Dabei reicht eine längere Bahnfahrt durch Deutschland, um festzustellen, dass noch immer insbesondere der Bundesgrenzschutz sich bei seinen Kontrollen von der Hautfarbe leiten lässt.

Je dunkler die Haut, desto wahrscheinlicher die Personen- und Ausweiskontrolle durch den BGS. Und auch bei polizeilichen Übergriffen leiden besonders oft Afrikaner. Von den insgesamt zwanzig exemplarisch beschriebenen Gewaltübergriffen (2) betrafen nach Angaben des für Deutschland zuständigen Referenten im Internationalen Sekretariat von ai in London, Michael Kigundu, acht Afrikaner, vier Deutsche und die übrigen acht Deutsche ausländischer Abstammung oder andere Ausländer.

Tödliche Abschiebung

Insbesondere bei Abschiebungen kam es wiederholt zu tödlicher Gewalt. So zum Beispiel am 28. Mai 1999 während der Abschiebung mit dem Lufthansaflug LH 588 von Frankfurt/Main über Kairo nach Khartum. Bereits in der Abschiebehaft noch vor dem Abflug hatten BGS-Beamte dem 30jährigen Sudanesen Aamir Ageeb an Händen und Füßen Plastikfesseln angelegt. Als er gegen seine Rückführung Widerstand leistete, wurde ihm ein Helm aufgesetzt. Anschließend trugen ihn mehrere Beamte in das Flugzeug. An Bord der voll besetzten Maschine wurde der Häftling mit Hilfe mehrerer Plastikfesseln, Klettband und einem rund fünf Meter langen Seil auf seinem Flugzeugsitz festgebunden. Während des Starts soll Ageeb angefangen haben laut zu schreien, woraufhin drei Grenzschutzbeamte, von denen zwei neben ihm und der dritte im Sitz vor ihm saßen, Kopf und Oberkörper des Opfers zwischen seine Knie drückten und ihn Berichten zufolge in dieser Position hielten, bis das Flugzeug abgehoben und das Signal zum Anschnallen der Sitzgurte erloschen war.

Als die Polizisten Aamir Ageeb wieder aufrichteten, stellten sie fest, dass er das Bewusstsein verloren hatte. Über den Bordlautsprecher herbeigerufene ägyptische Ärzte konnten nur noch den Tod feststellen. Eine spätere Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Ageeb eines gewaltsamen Todes starb. Gegen die dafür verantwortlichen Beamten wurde am 16. Januar 2002 Anklage erhoben - aber bis zur Abfassung des Berichts Ende Oktober 2003 war - soweit bekannt - noch kein Prozesstermin anberaumt worden.

Lockere Schießeisen und Rassismus bei Nordhausener Polizei

Eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit geht offenbar von der Polizeidirektion in Nordhausen aus. Einer der Beamten erschoss am 28. Juli 2002 kurz nach 4.30h in der Hundgasse im Stadtzentrum von Nordhausen Rene Bastubbe. Die Stunden vor seinem Tod hatte er zusammen mit einem 23jährigen Freund bei einem Bekannten der beiden verbracht, der seinen Geburtstag feierte. Als ihnen die Zigaretten ausgingen, machten sich Rene Bastubbe und sein Freund auf den Weg zu einem Zigarettenautomaten an der nächsten Straßenecke. Der Automat nahm zwar die Münzen an, gab aber keine Zigaretten aus. Aus Verärgerung hämmerten die beiden gegen den Automaten und Bastubbe warf schließlich einen Pflasterstein gegen den Automaten.

Von dem Lärm aufgeweckte Anwohner alarmierten die Polizeidirektion Nordhausen. Die beiden flüchteten, wurden jedoch gestellt. Eine Beamtin konnte dem Freund von Bastubbe Handschellen anlegen und ihn an ein Metallgeländer anketten. Ihr Kollege versuchte dann, auch Rene Bastubbe festzunehmen. Bastubbe wurde angeblich beim Versuch, einen Pflasterstein aufzunehmen und gegen den Beamten zu werfen, von diesem in den Rücken geschlossen. Das Projektil schlug in der unteren Rückenpartie ein, bohrte sich durch mehrere Organe, zerriss die Hauptschlagader und blieb unterhalb des Schlüsselbeins stecken. Rene Bastubbe starb an massivem Blutverlust. Am 9. Oktober 2003 sprach das Landgericht Mühlhausen den 31jährigen Beamten von der Anklage der fahrlässigen Tötung frei. Ihm wurde eine Notwehrsituation zuerkannt. Die Familie des Getöteten wie auch die Staatsanwaltschaft erklärten, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Kripo live

Die Nordhausener Polizei drangsalierte in der Folgezeit den ebenfalls in Nordhausen lebenden Bruder des Getöteten. Gilbert Barnekow wurde am 28. August 2002 von Polizeibeamten in Nordhausen widerrechtlich festgenommen, misshandelt und bedroht.

Einen Monat nach dem Tod des Bruders hatte er sich mit drei Freunden in einem Cafe in unmittelbarer Nähe des Tatorts getroffen. Nachdem das Cafe geschlossen hatte, kamen die vier überein, zum Hauptfriedhof zu gehen, auf dem Rene Bastubbe beigesetzt war. Auf dem Weg dorthin wurden sie von einem Streifenwagen angehalten und von Polizisten aufgefordert, sich auszuweisen. Weil Gilbert Barnekow keinerlei Papiere bei sich hatte, wurde er festgenommen und in Handschellen gelegt. Er gab später an, zwei Polizeibeamte seien mit ihm fortgegangen, ohne ihm die Gründe dafür zu nennen. Dabei hätten sie seinen toten Bruder beleidigt und ihn gefragt "Wie fühlst Du Dich denn ohne Deinen Bruder?" Außerdem wurde ihm deutlich gemacht, er und seine Familie hätten in "Nordhausen nichts mehr zu suchen". Sie fragten, ob er die neuen Polizeizellen schon kenne und erklärten: "Wirst Dich bestimmt wohl fühlen da drinnen, wird Dir bestimmt gefallen."

Gilbert Barnekow wurde schließlich mit dem Streifenwagen zu seiner Wohnung gefahren, wo die Beamten seine Hausschlüssel verlangten, um die Wohnung zu durchsuchen. Barnekow sagte später, nachdem er mehrfach nach dem Grund für seine Festnahme und die geplante Durchsuchung seiner Wohnung gefragt habe, sei ihm von einem der Beamten mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen worden. Er wurde schließlich auf die Wache geschafft und am 28. August 2002 gegen 4.30 h ohne jede weitere Begründung wieder freigelassen.

Beamte aus dieser nordthüringischen Kleinstadt hatten bereits am späten Abend des 27. Juni 1999 den 62-jährigen Rentner Friedhelm Beate in der thüringischen Ortschaft Heidrungen erschossen. Der aus Köln stammende Rentner befand sich auf einem Wanderurlaub und hatte sich in einem Hotel in Geldrungen einquartiert. Eine Hotelangestellte hatte, nachdem sie im MDR-Fernsehen die Sendung "Kripo live" gesehen hatte, in der über den verurteilten Mörder Dieter Zurwehme berichtet wurde, die Polizei alarmiert. Zwei Zivilbeamte klopften gegen 23.00 h an die Tür von Zimmer 11, in dem der harmlose Kölner Urlauber nächtigte. Der 62jährige, hörgeschädigte Rentner öffnete, betrachtete die mit gezogener Waffe vor seiner Tür stehenden Zivilpolizisten möglicherweise aber als Räuber und versuchte erschrocken die Tür gleich wieder zuzuschlagen. Die Beamten feuerten zwei Schüsse ab, von denen einer Friedhelm Beate mitten ins Herz traf. Auch diese Beamten wurden nicht bestraft, die Staatsanwaltschaft Erfurt stellte ihre Ermittlungen ein.

Rassistische Polizeiübergriffe

Den weiterhin bestehenden latenten Rassismus in Deutschlands Polizei verdeutlicht die Dokumentation "Polizeiübergriffe auf Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland 2000-2003" der AktionCourage (3) Auch diese Dokumentation enthält eine Sammlung von rund 50 Fällen willkürlicher Gewaltakte insbesondere gegen Menschen mit schwarzer Hautfarbe.

Im Folgenden einige Beispiele:
Am 1. Oktober 2001 wurde der 59-jährige togoische Asylbewerber Doviodo Adekou in Mettmann (NRW) in Abschiebehaft genommen. Bei der Festnahme wurde er von drei Polizeibeamten an den Armen gegriffen und zu Boden gedrückt. Dann soll ihm einer der Beamten vorsätzlich auf das rechte Auge geschlagen haben. Da Doviodo Adekou an diesem Auge etwa eine Woche zuvor wegen einer Grauen-Star-Erkrankung operiert worden war, kommt es zu einer heftigen Blutung. Daraufhin geben die Beamten den Versuch auf, Doviodo Adekou Handschellen anzulegen.

Ein Mitarbeiter des Ausländeramtes ruft einen Krankenwagen, der den Togoer sofort in ein Wuppertaler Krankenhaus einliefert. Hier muss er neun Tage lang behandelt werden, dennoch ist das Auge nicht mehr retten und er erblindet. Die Polizei gibt an, der Beamte habe Adekou versehentlich am Auge getroffen, nachdem er von diesem zuvor gebissen worden sei. Über das Ergebnis der Ermittlungen ist nichts bekannt. Ein Schreiben an das NRW-Innenministerium blieb bis zum Juli 2003 noch ohne Antwort.

Am 4. Mai 2003 gegen 23.00 h wartete der von der Elfenbeinküste stammende Student Mouglaye Dagnogo, ein Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung, auf dem Hauptbahnhof in Oberhausen auf seinen Zug nach Herne. Dabei geriet er in eine Personenkontrolle des Bundesgrenzschutzes. Als zwei Beamte seinen Ausweis überprüfen wollten, fragte Moulaye Dagnogo, warum nur ausländische Personen kontrolliert würden.

Nach eigenen Angaben entwickelte sich daraus ein Wortgefecht, in dessen Verlauf er plötzlich von den Beamten an den Armen ergriffen und weggezerrt wurde, noch bevor er seinen Ausweis zeigen konnte. Auf dem Weg zur Bahnhofswache haben man ihn dann mit Handschellen gefesselt und mehrfach geschlagen. Auch auf der Wache sei er von mehreren Grenzschützern bedroht und erneut geschlagen worden. Nach mehreren Stunden sei er von den beiden festnehmenden Beamten wieder aus der Wache herausgezerrt und schließlich in der Bahnhofshalle freigelassen worden. Der BGS erstattete gegen ihn Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Angesichts seiner schlechten Beweislage - allein gegen die Beamten - verzichtet das Opfer auf eine Gegenanzeige wegen Körperverletzung im Amt.

Gewalttätigkeiten gegen Flüchtlinge

Immer wieder kommt es auch nach Erfahrungen der AktionCourage zu Gewalttätigkeiten gegen Flüchtlinge - in Ausländerbehörden und insbesondere bei Abschiebungen. Weil in Asylunterkünften und in Abschiebeknästen wie in Büren (NRW) private Sicherheitsdienste eingesetzt sind, wurden auch Gewaltakte dieser Privat-Polizei in die Dokumentation aufgenommen.

Wie Polizei und private Sicherheitsdienste unheilvoll zusammen wirken, zeigt ein Beispiel aus Thüringen. Dort wurde am 11.2.2002 die aus Kamerun stammende Asylbewerberin Constanze Etchu darüber informiert, dass sie in wenigen Tagen von der Erstaufnahmeeinrichtung in Jena in eine Unterkunft in Gera verlegt werden solle. Bereits am nächsten Tag begibt sich Constance Etchu aus eigenem Antrieb nach Gera. Dort erfährt sie von anderen Bewohnern, Gera sei aufgrund einer starken Neo-Nazi-Szene für farbige Menschen nicht ungefährlich. Daraufhin kehrt sie nach Jena zurück und erklärt, sie wolle statt nach Gera lieber in irgendeine andere Unterkunft in Thüringen (vgl. Größtmögliche Gemeinheit (4)).

Dies wurde abgelehnt. Am 13.12.2002 wurde sie aufgefordert, ihre Sachen zu packen und sich für eine sofortige Überstellung nach Gera bereit zu halten. Als sie dies verweigert, ruft der Jenaer Sicherheitsdienst die Polizei. Ein Zivilbeamter, der als erster vor Ort ist, holt sie aus ihrem Zimmer und sperrt sie zunächst in das Büro des Sicherheitsdienstes. Die kurz darauf erscheinenden Polizeibeamten legen ihr Handschellen an und führen sie zum Polizeifahrzeug, das sie nach Gera bringen soll.

Da sie sich weigert einzusteigen, kommt es zu einem Gedränge, bei dem Constance Etchu zu Boden fiel. Nach Angaben von sieben Heimbewohnern, die Zeugen des Vorfalls werden, beginnen die Polizisten und ein Sicherheitsmitarbeiter nun, Constance Etchu zu schlagen und zu treten. Sie selbst gibt an, trotz ihrer Schwangerschaft habe einer der Beamten ihr dabei einen Fuß zunächst auf den Bauch und anschließend an die Brust gesetzt. Schließlich wird sie mit Gewalt in das Polizeifahrzeug gestoßen, wo ihr auch die Füße gefesselt worden seien. Nach eigenen Angaben wurde Constance Etchu während der gesamten Fahrt der Kopf gewaltsam nach unten gedrückt. Als sie sich in Gera geweigert habe, wieder aus dem Fahrzeug auszusteigen, hätten ein Polizist und der Sicherheitsmitarbeiter ihre Beine ergriffen, sie aus dem Wagen gezogen und solange über den Boden geschleift, bis sie sich entschlossen habe, doch selber zu laufen. Die Polizei erstattete gegen Constance Etchu Anzeige wegen Widerstands. Über den weiteren Verlauf ist nichts bekannt. Vielleicht meinen die Vertreter des Bundesverbandes der Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) solche Art Zusammenarbeit, wenn sie auf Fachkonferenzen von der hervorragenden Kooperation zwischen Privaten und Polizei erzählen (5).

Beide Dokumentationen zeigen, dass Opfer polizeilicher Gewalt in unserem Rechtssystem kaum eine Chance haben. Jede Anzeige gegen Beamte wird mit einer Gegenanzeige "wegen Widerstands" oder Schlimmerem gekontert. Und Polizisten sind für Staatsanwälte, die in ihrer Arbeit täglich auf diese "Hilfsorgane" angewiesen sind, wie auch für Richter allemal glaubwürdigere Zeugen als fremdländische Asylbewerber.

Alles Lüge?

Die Reaktion der Polizeigewerkschaft auf die Dokumentationen war stereotyp: GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg: Es ist immer das gleiche Strickmuster, mit dem man die deutsche Polizei in eine gewalttätige Ecke stellen will. Die Vorwürfe stützen sich auf Berichte von Betroffenen. Aussagen so genannter Polizei-Opfer, auch wenn sie Straftaten begangen haben, werden grundsätzlich als wahr unterstellt, Dokumentationen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse oder Gerichtsbeschlüsse werden dagegen stets in Zweifel gezogen.

Wenn einzelne Polizeibeamtinnen oder -beamte unverhältnismäßig Gewalt ausüben oder sich gar Misshandlungen zu Schulde kommen lassen, ziehe das nicht nur ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach sich, sondern in jedem Fall auch ein Disziplinarverfahren, so die GdP. Freiberg: Die Forderung nach so genannten unabhängigen Gremien zur Untersuchung von Beschwerden bei der Polizei lehnen wir ab. Diese Forderung stellt die Unabhängigkeit der deutschen Justiz in Frage. Die deutsche Polizei hat weder ein Gewaltproblem noch ist sie fremdenfeindlich.Quelle (6)

Links

(1) http://www.telepolis.de/r4/artikel/16/16543/1.html
(2) http:// www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/AlleDok/57B2A154F469EEC8C1256E1A00399A5E?Open
(3) http://www.aktioncourage.de
(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/15/15772/1.html
(5) http://www.bdws.de/main.html
(6) http://www.gdp.de/gdp/gdpcms.nsf/id/1BF0E71103E11BC3C1256E1B0038F598?Open&ccm=500020000&L=DE&markedcolor=%23003399

[  Telepolis





31. Januar 2006
Kusch und der große Knall

Roger Kusch macht mal wieder mit einem kühnen Vorstoß von sich reden. Hamburgs Justizsenator will das Jugendstrafrecht abschaffen - und kassiert Widerspruch aus der Opposition und den eigenen Reihen. Ein Strafrechtler spricht gar von einem Rückfall ins 19. Jahrhundert.

Hamburg - Das Strafrecht in Deutschland gewährt jugendlichen Tätern besonderen Schutz. Das soll nach dem Willen des Hamburger Justizsenators Roger Kusch anders werden. Der CDU-Mann, der zuletzt mit seinem Plädoyer für straffreie Sterbehilfe auffiel, fordert nun in einem Artikel für die "Neue Zeitschrift für Strafrecht" etwas, womit er wohl bundesweit allein dasteht: die Abschaffung des gesamten Jugendstrafrechts und der eigenständigen Jugendgerichte.

Als Argument für seinen Vorstoß führt er hohe Rückfallquoten ins Feld. Daran könne man erkennen, dass das derzeitige Jugendstrafrecht an seinem erzieherischen Anspruch scheitert. Ein Zugeständnis macht Kusch immerhin noch: Wenn das Erwachsenstrafrecht bei Jugendlichen angewandt wird, solle pauschal der Strafrahmen halbiert werden.

Prompt prasselte von allen Seiten Kritik auf den Senator ein. Wie es im Hamburger Rathaus hieß, seien Bürgermeister Ole von Beust und andere Senatsmitglieder verärgert über Kuschs Alleingang. Offene Kritik übte CDU-Fraktionschef Bernd Reinert. Der Senator hätte seine Position vorher innerparteilich abstimmen müssen "wie jedes andere Senatsmitglied auch". Wenn er diese Mehrheit nicht bekomme, solle er nicht versuchen, "ein Thema in der Öffentlichkeit weiter zu forcieren oder gar eine Senatsbefassung anzustreben".

Noch härter geht Bernd-Rüdeger Sonnen, Professor für Strafrecht an der Uni Hamburg, mit Kusch ins Gericht: "Das ist ein Rückfall ins vorletzte Jahrhundert", empört er sich im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Das Jugendstrafrecht habe viele Vorteile und Möglichkeiten. Das Instrument des Täter-Opfer-Ausgleichs hält Sonnen für unersetzlich. "Für einen jugendlichen Täter ist es wichtig, wenn er dort sieht, welches Leid er angerichtet hat", sagt der Jugendstrafrechts-Experte. Das Alter eines Täters müsse in jedem Fall berücksichtigt werden, nicht nur durch die von Kusch angedachte Halbierung der Strafe.

Laut Sonnen ist die Rückfallquote bei jugendlichen Straftätern nicht viel höher als bei Erwachsenen. Für den Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, ist die höhere Rückfallquote eindeutig altersbedingt. "Die sind in einer Phase von Lernprozessen und wollen mit dem Kopf durch die Wand", sagt der Kriminologe. Über Kuschs Vorschläge könne er nur "den Kopf schütteln". Die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts werde seiner Ansicht nach nicht zu einer Verringerung von Straftaten führen.

Auch auf Bundesebene sorgt Kuschs Vorstoß für Befremden. Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, sagte: "Das ausdifferenzierte und im Kern bewährte Jugendhilfe- und Jugendrechtssystem in Deutschland sollte nicht in Frage gestellt werden." Gehb lehnt Änderungen für Jugendliche unter 18 Jahren strikt ab. Begrüßenswert sei dagegen Kuschs Vorschlag bei Heranwachsenden, also 18- bis 20-Jährigen, das Erwachsenstrafrecht anzuwenden. Eine Strafminderung für junge Erwachsene solle aber möglich sein.

Schon länger fordern einige unionsregierte Bundesländer, darunter Niedersachsen, dass das Jugendstrafrecht für Heranwachsende die Ausnahme und nicht die Regel sein soll. Derzeit wenden deutsche Richter bei Heranwachsenden in den meisten Fällen das Jugendstrafrecht an. Hier sei eine Änderung sinnvoll, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Justizministeriums. "Die Vorschläge für das Jugendstrafrecht lehnen wir aber ab."

Auch SPD und Grüne sind entsetzt über die Forderungen aus Hamburg. Der Chef der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion, Rolf-Dieter Klos, fordert gar den Rücktritt des Justizsenators. "Dieser Mann schadet Hamburg in höchstem Maße", wetterte Klos. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Stünker, sagte, die Vorschläge des Hamburger Justizsenators "würden immer aberwitziger". Dass Kusch, wie aus seinem Büro verlautete, auch plant, andere Unionspolitiker für seine Idee zu gewinnen, störe ihn nicht. Stünker: "Es wird keine Veränderungen im Jugendstrafrecht geben. CDU, CSU und SPD haben das klar im Koalitionsvertrag verankert."

Nach Angaben seines Sprechers will Kusch auf jeden Fall an seinem Vorstoß festhalten. "Sie glauben doch nicht, dass sich ein 15-jähriger Messerstecher vom derzeitigen Jugendstrafrecht beeindrucken lässt?", sagte ein Sprecher des Senators zu SPIEGEL ONLINE.Die zahlreichen Kritiker würden Kusch nicht in seinem Ansinnen beirren, so der Sprecher. Kusch selbst sagte der "Bild"-Zeitung, für einen Rücktritt sehe er keinen Grund: "Es hat einen Knall gegeben. Aber wegen eines Knalls trete ich doch nicht zurück." Und den Rechtsexperten seiner Partei und Fraktion versetzte er dann gleich noch einen Hieb: "Die Themen sind viel zu komplex, als dass sie einer Vorab-Zustimmung von Partei- oder Fraktionsgremien zugänglich wären."

[  spiegel.de

Kusch: "Es geht nur um Schonung"

Recht: Vorstoß des Justizsenators in Sachen Jugendgerichte. Der CDU-Politiker glaubt nicht an die erzieherische Wirkung des Jugendstrafrechts.

Justizsenator Roger Kusch (CDU) wagt sich an das nächste Konfliktfeld seines Arbeitsbereichs heran: Er fordert die Abschaffung des Jugendstrafrechts und der eigenständigen Jugendgerichte. Zuletzt hatte Kusch für die Straffreiheit der Sterbehilfe plädiert - und dafür heftige Kritik auch aus den eigenen Reihen einstecken müssen.

In einem Beitrag für die Neue Zeitschrift für Strafrecht, der morgen erscheint, begründet der Senator sein Plädoyer für ein einheitliches Strafrecht für Jugendliche und Erwachsene. Kusch setzt sich besonders kritisch mit dem so genannten Erziehungsgedanken auseinander, der als zentraler Grund für die Besonderheiten des Jugendstrafrechts gilt. Für Kusch gilt als ausgemacht, daß Kriminalität im Jugendalter "meist nicht Indiz für ein erzieherisches Defizit ist, sondern überwiegend entwicklungsbedingte Auffälligkeit". So steht es auch in der Zielsetzung zur letzten Änderung des Jugendgerichtsgesetzes. "Der Erziehungsgedanke bildet weder für das materielle Strafrecht, noch für das Verfahrensrecht eine überzeugende Grundlage", schreibt Kusch. Allein die hohen Rückfallquoten jugendlicher Straftäter sprächen dagegen, daß das Jugendstrafrecht erzieherisch wirke.

Der CDU-Politiker äußert einen Verdacht, warum die Erziehung dennoch eine so prominente Rolle in Jugendgerichtsverfahren spielt. "Bei der besonderen Wahrnehmung jugendlicher Straftäter im Gerichtsverfahren geht es in Wahrheit gar nicht um Erziehung, sondern um möglichste Schonung, um den erforderlichen Schutz des Jugendlichen im Strafverfahren", so Kusch. Der Hinweis auf den Aspekt "Schonung" ist auch als Seitenhieb auf die über viele Jahre als besonders liberal geltende Praxis Hamburger Jugendrichter zu verstehen, mit denen sich Kusch häufig kritisch auseinander gesetzt hat.

Der Senator hält den besonderen Schutz, den das Jugendstrafrecht bietet, weitgehend für entbehrlich. So ist er gegen die Praxis, die Öffentlichkeit von Jugendstrafverfahren auszuschließen. Kusch plädiert für Transparenz: "Die Öffentlichkeit sollte die ausgesprochene Strafe und ihr Zustandekommen als solche wahrnehmen können, dem Straftäter wird dadurch zudem klargemacht, daß er sich außerhalb der Rechtsgemeinschaft stellt und daß diese sein Verhalten ggf. unter unmittelbarer Anteilnahme mißbilligt."

Die besondere Kategorie der Heranwachsenden (18 bis 20 Jahre) will der Senator abschaffen, weil in dieser Altersgruppe das Jugendstrafrecht sehr häufig auch "in Fällen schwerer und schwerster Delikte" angewendet werde. Hier sei aber gerade eine "strikte Reaktion" gefordert. "Zweitens dürfte es auch einen 18- bis 20jährigen nicht überfordern, sich über das Unrecht eines Raubs oder einer Erpressung klar zu werden und sich normgemäß zu verhalten." Wer volljährig sei, müsse grundsätzlich die volle Verantwortung übernehmen. Kusch plädiert allerdings für Unterschiede beim Strafmaß. "Angesichts der weiten Strafrahmen des Strafgesetzbuchs bietet sich bei Jugendlichen eine pauschale Halbierung der jeweiligen Strafrahmen an", schreibt Kusch in dem Beitrag.

[  abendblatt.de





30. January 2006
Bundesregierung bereitet Gesetzentwurf zur Errichtung einer Antiterrordatei vor
Keine Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei in neuem Terrorabwehr-Zentrum

Die Bundesregierung wird in Kürze einen Gesetzesentwurf zur Errichtung gemeinsamer Dateien der Polizeien und Geheimdiensten von Bund und Ländern vorlegen. Dies teilt die Merkel-Müntefering-Regierung heute in Berlin in ihrer Antwort auf eine Kleine parlamentarische Anfrage der Fraktion Die Linke mit.

Wesentlicher Bestandteil dieses Gesetzes soll die Errichtung einer Antiterrordatei sein. Die Linksfraktion hatte wissen wollen, welche Behörden derzeit mit welchen Kompetenzen und mit welcher Mitarbeiterzahl am im vergangenen Jahr eingerichteten Gemeinsamen Terrorabwehr-Zentrum (GTAZ) in Berlin-Treptow vertreten sind.

Neben dem Bundeskriminalamt, den Geheimdiensten Bundesamt für Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst und dem Landesverfassungsschutzämtern seien die Bundespolizei, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Zollkriminalamt sowie die Landeskriminalämter und der Generalbundesanwalt beteiligt, so die Regierung. Rund 200 Mitarbeiter seien in dem Zentrum beschäftigt. (as)

[  internet.com





January 2006
BKA: PILOTPROJEKT "FAST IDENTIFICATION" GEHT IN DIE ZWEITE PHASE Mobiler Abgleich von Fingerabdrücken mit Datenbestand des BKA wird g
etestet

Wiesbaden (ots) - Das Anfang 2005 gestartete Pilotprojekt "Fast Identification" (Fast-ID) geht nach einem Jahr erfolgreichen Test- betriebs in dieser Woche in die zweite Phase.

Mit "Fast Identification" ist es möglich, einen Fingerabdruck innerhalb weniger Minuten abzugleichen, so dass eine Person z.B. direkt am Streifenwagen überprüft werden kann und nicht mehr zur Polizeidienststelle mitgenommen werden muss. In Erweiterung der ersten Pilotphase, die bei den beteiligten Polizeien der Länder auf große Akzeptanz gestoßen ist und in der ein Fingerabdruck mit bis zu 50.000 lokal im Gerät eingespeicherten Datensätzen abgeglichen wurde, wird nun der Abgleich mit dem Automatisierten Fingerabdruck-Identi- fizierungs-System (AFIS) des Bundeskriminalamtes (BKA) mit ca. 3,2 Millionen Fingerabdruckblättern in Echtsituationen erprobt.Nach der elektronischen Aufnahme der beiden Zeigefinger mit einem mobilen Scanner werden die Abdrücke drahtlos an das AFIS-System im BKA übermittelt, wo sie in ein beschleunigtes Identifizierungsver- fahren gelangen. Das Ergebnis wird direkt an die vor Ort anwesenden Beamten zurück gemeldet. Bei einer Treffermeldung überprüft zuvor ein Daktyloskop im BKA die vom System erkannte Übereinstimmung.

Die neue Technik muss sich sowohl bei der Treffergenauigkeit als auch im Antwort-Zeit-Verhalten bewähren und könnte dann sowohl im täglichen Streifendienst als auch bei Sonder- und Großveranstaltun- gen wie der WM 2006 eingesetzt werden. Sie wird in den nächsten Wochen zunächst in enger Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei mit den dort bereits vorhandenen "Car-PC-Systemen" getestet. Ab Februar werden die Geräte auch von der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt/Main erprobt."Die mobile Anbindung von Fast-ID-Geräten an das zentrale AFIS stellt einen weiteren Baustein in dem Bestreben der Polizei dar, höchstmögliche Sicherheit für die Allgemeinheit bei möglichst geringer Beeinträchtigung des Bürgers zu gewährleisten," sagt BKA-Präsident Jörg Ziercke.

Hinweis: Informationen zum Start des Projektes "Fast Identification" können Sie der [  Pressemitteilungdes Bundesministeriums des Innern vom 04. März 2005.

[  Originaltext: Bundeskriminalamt





29. January 2006
Sicherheit als einzige Antwort auf den Terror?
Vom Verlust der Freiheit, dem Kapitalismus der Angst und der Privatisierung der Gewalt

Wenn irgendwann die Historiker das 21. Jahrhundert mit dem 11. September 2001 beginnen lassen werden, so kaum deswegen, weil an diesem Tag etwas qualitativ Neues geschehen wäre oder gar die Welt im Angesicht der einstürzenden Neubauten mit Erkenntnis geschlagen wurde. Anstatt zu fragen: Warum? folgte das übliche: Was nun? Die darauf gefundene Antwort ließ kaum einen Monat auf sich warten und war auch nicht neu. Auf den privatisierten Terror folgte der Krieg der Staaten. Dabei unterschied sich diese Antwort von jenen der vergangenen Jahrhunderte weniger in der Wahl der Mittel als vielmehr in deren Qualität. Wenn dieser Beginn des neuen Jahrhunderts also eines beweist, dann, dass die vermeintlichen Fortschritte und Lehren des 20. Jahrhunderts im 21. nicht angekommen sind.[...]

[  Full Article / Sicherheit als einzige Antwort auf den Terror?





28. January 2006
Keine Soldaten als Karten-Kontrolleure

Bundeswehr bei der Weltmeisterschaft: Wolfgang Schäuble will die Polizei lediglich andernorts entlasten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält seine Forderung nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren, etwa bei der Fußballweltmeisterschaft in diesem Jahr in Deutschland aufrecht. Das bekräftigte er am Freitag bei einer Sicherheitspolitischen Konferenz der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin. Allerdings räumte er "Kommunikations-Fehler" ein. Dadurch sei der Eindruck entstanden, Soldaten sollten die Einlasskontrollen an den Fußball-Stadien vornehmen. Davon könne natürlich keine Rede sein, betonte Schäuble. Er wolle die Bundeswehr an anderen Orten zum Objektschutz einsetzen, um die Polizeien von Bund und Ländern zu entlasten.

Mit der ihm eigenen Ironie fügte er schmunzelnd bei der Veranstaltung im historischen Saal im Schloss Schönhausen hinzu, allenfalls den Einsatz eines Panzers vor dem Tor der deutschen Fußball-Nationalmannschaft könne er sich vorstellen. Zumindest bei diesem Vorstoß hatte er die Lacher auf seiner Seite. Bei seinen sicherheitspolitischen Forderungen, mit denen Schäuble wie kein anderer Minister aus der neuen Regierung seit Wochen die innenpolitische Agenda bestimmt, dürfte ihm es schwerer fallen, breite Zustimmung zu erlangen.

Folter weiter denkbar

Ungeachtet des politischen Widerstandes - auch von Teilen des eigenen Lagers - betonte Schäuble, dass es im Zuge der Terrorabwehr bei Informationen aus dem Ausland nicht möglich sei, umfassend zu prüfen, ob bei der Gewinnung dieser Informationen "gegen deutsche Rechtsvorschriften" verstoßen wurde. Das bedeutet, dass der Innenminister weiterhin nicht ausschließt, dass deutsche Behörden auch Informationen nutzen, die unter Folter erpresst worden sind. Allerdings betonte Schäuble, dass er eine striktere Trennung zwischen "Gefahrenabwehr und Strafverfolgung" wolle. In Zukunft müsse genau getrennt werden, ob Beamte des Bundesnachrichtendienstes (BND) oder des Bundeskriminalamtes ins Ausland zum Informationsaustausch oder zur Befragung dort einsitzender Terrorverdächtiger fahren sollten. In Ländern in denen mit der Möglichkeit gerechnet werden müsse, dass Häftlinge gefoltert würden, so war Schäuble zu verstehen, sei die "Informationsgewinnung durch die Nachrichtendienste der bessere Weg."

Schäuble verwies zudem auf den Beschluss der schwarz-roten Koalition, am Terrorismus-Bekämpfungsgesetz der rot-grünen Vorgängerregierung vom Januar 2002 festzuhalten. Demnach würden auch bisher befristete Regelungen künftig dauerhaft gelten. Darüber hinaus forderte der Bundesinnenminister, dass die deutschen Nachrichtendienste "automatisierten Zugriff" auf Kontostammdaten und die Daten der Fahrzeughalter erhalten sollten. Zudem wolle er bereits die Vorbereitung terroristischer Anschläge, dazu gehört auch die Ausbildung in einem Terrorcamp, unter Strafe stellen. "Natürlich nicht rückwirkend", sagte Schäuble.

[  zeitung.org





25. January 2006
"Beschleunigtes Auslieferungsverfahren"
Kabinett verabschiedet Entwurf für EU-Haftbefehlsgesetz

Bei Straftaten mit Auslandsbezug sollen inhaftierte Verdächtige künftig an Staaten der Europäischen Union ausgeliefert werden können. Der von der Bundesregierung verabschiedete neue Gesetzentwurf zur Umsetzung des "Europäischen Haftbefehls" trägt nach Darstellung der Bundesregierung "den strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung". Das Bundesverfassungsgericht hatte das erste Umsetzungsgesetz im Juli vergangenen Jahres beanstandet und für verfassungswidrig erklärt. Die Richter monierten seinerzeit, dass ein Deutscher, der in Deutschland eine Straftat begeht, grundsätzlich nicht ausgeliefert werden dürfe. Dies habe der ursprüngliche Entwurf für ein Europäisches Haftbefehlsgesetz nicht deutlich genug erkennen lassen. Etwas anderes dürfe nur gelten, wenn die vorgeworfene Tat einen maßgeblichen Auslandsbezug hat, so die Richter. "Mit diesem Gesetz setzen wir den EU-Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in nationales Recht um. Wir stellen sicher, dass Deutschland wieder vollständig am vereinfachten und beschleunigten Auslieferungsverfahren innerhalb der EU teilnehmen kann", sagte die Bundesjustizministerin.

Der neue Gesetzentwurf berücksichtige die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. So werde der Auslands- oder Inlandsbezug einer Tat gesetzlich konkretisiert. Änderungen seien auch bei der gerichtlichen Überprüfbarkeit der so genannten Bewilligungsentscheidung für eine Auslieferung vorgenommen worden. "Grenzüberschreitende Verfolgung"

Das Europäische Haftbefehlsgesetz beruht auf einem Beschluss der Europäischen Union vom 13. Februar 2002. Danach müssen auch eigene Staatsangehörige an einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union zum Zweck der Strafverfolgung ausgeliefert werden. Die Strafvollstreckung soll weiterhin grundsätzlich in Deutschland erfolgen, "um die Resozialisierung des Verurteilten zu gewährleisten", schreibt die Bundesregierung. Die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen zur Strafvollstreckung könne nur bewilligt werden, wenn der Betroffene hierzu sein Einverständnis erkläre. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn der Gesuchte seinen Lebensmittelpunkt in einem anderen Mitgliedsstaat habe.

Eine wichtige Ergänzung betreffe das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Prüfprogramm bei der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger. Danach müsse bei jeder Auslieferung zusätzlich die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Eine weitere Änderung im zweiten Gesetzentwurf betrifft den Angaben zufolge die vom Bundesverfassungsgericht für Deutsche verlangten Sonderregeln für ausländische Staatsangehörige. Diese seien auch dann anzuwenden, wenn diese sich legal und dauerhaft in Deutschland aufhielten. Das seien etwa Ausländer, die im Inland mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft zusammen lebten.

Die Restriktionen des Bundesverfassungsgerichts beruhen auf Artikel 16 des Grundgesetzes. Dieser schreibt vor, dass kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden darf und dass politisch Verfolgte Asylrecht genießen. Nach dem jetzt vorliegenden Entwurf der Bundesregierung soll sich ein Straftäter dann nicht auf den Schutz der Staatsangehörigkeit berufen können, wenn die Straftat einen "maßgeblichen Auslandsbezug" hat. Dies wäre etwa bei einem Mord im Ausland der Fall. Ausgeliefert könne auch bei "terroristischen Taten" oder bei "internationalem Drogenhandel" werden.

[  ngo-online.de


Kabinett verabschiedet EU-Haftbefehlsgesetz

Das Bundeskabinett hat heute den von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vorgelegten Entwurf des EU-Haftbefehlsgesetzes verabschiedet. „Mit diesem Gesetzentwurf sorgen wir dafür, dass der EU-Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in nationales Recht umgesetzt wird. Ich hoffe, dass wir das Gesetzgebungsverfahren zügig zum Abschluss bringen können, damit Deutschland wieder vollständig am vereinfachten und beschleunigten Auslieferungsverfahren innerhalb der EU teilnehmen kann“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Im Einzelnen:

1. Worum geht es beim Europäischen Haftbefehlsgesetz?

Grundlage des Gesetzes ist der EU-Rahmenbeschluss zum Europäischen Haftbefehl vom 13. Juni 2002 (RbEuHb), der den Auslieferungs- und Durchlieferungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erheblich vereinfachen und erleichtern soll. Diese Verbesserung der strafrechtlichen Zusammenarbeit ist gewollter und unverzichtbarer Bestandteil der Entwicklung eines einheitlichen Raums der Frei¬heit, der Sicherheit und des Rechts innerhalb der Europäischen Union.

Mit der Umsetzung in nationales Recht wird aber kein zusätzlicher neben die §§ 112 ff. StPO tretender Haftbefehlstyp eingeführt. Der EuHb regelt lediglich das Verfahren für den Fall, dass ein EU-Mitgliedstaat (ersuchender Staat) einen Verfolgten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat (ersuchter Staat) zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung überstellt bekommen möchte. Grundlage der Auslieferung bleibt damit letztlich – wie schon nach bisherigem Auslieferungsrecht – ein gegen den Verfolgten im ersuchenden Mitgliedstaat vorliegender Haftbefehl.

Da das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 18. Juli 2005 das erste Umsetzungsgesetz (EuHbG vom 21. Juli 2004) verfassungsrechtlich beanstandet und aufgehoben hat, wird nun ein neues Gesetz vorgelegt, das den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung trägt. Die Umsetzung des RbEuHb erfolgt innerhalb des bereits das heutige Auslieferungsverfahren regelnden Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in einem eigenständigen Abschnitt. Das zweistufige Verfahren des bisherigen Auslieferungsrechts – Zulässigkeitsentscheidung und Bewilligungsentscheidung - wird beibehalten. Die Änderungen beschränken sich auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu den §§ 79, 80 und 83a IRG.

2. Exkurs zum Auslieferungsverfahren nach bisherigem Recht

Beispiel:

Wird ein Franzose im Ausland wegen Totschlags gesucht, schreibt Frankreich den Betreffenden zur Fahndung im sog. Schengener Informationssystem (SIS) aus. Dieser wird bei einer Polizeikontrolle in Mannheim aufgegriffen und dort vorläufig festgenommen. Daraufhin übersendet Frankreich als ersuchender Staat den Auslieferungshaftbefehl an die örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft des Bundeslandes, in dem der Verfolgte festgenommen wurde, hier also Karlsruhe. Das weitere Verfahren hängt nun davon ab, ob der Verfolgte – nach richterlicher Belehrung - seine Zustimmung zur Auslieferung erklärt. Stimmt er zu, kann die Überstellung des Verfolgten an Frankreich ohne ein gerichtliches Verfahren erfolgen.

Zulässigkeitsentscheidung

Stimmt er nicht zu, muss das OLG Karlsruhe über das Vorliegen eines Haftgrundes (Auslieferungshaft, beispielsweise bei Gefahr, dass der Verfolgte untertaucht) und die rechtliche Zulässigkeit der Auslieferung entscheiden. Dabei prüft das Gericht beispielsweise, ob es sich um eine auslieferungsfähige Straftat (Mindesthöchststrafandrohung 1 Jahr) handelt, ob die beiderseitige Strafbarkeit gegeben ist, ob kein rechtskräftiges Urteil eines anderen Mitgliedstaats wegen derselben Tat vorliegt, etc.

Bewilligungsentscheidung

Erklärt das Gericht die Auslieferung für zulässig, entscheidet die Bewilligungsbehörde, ob sie die rechtlich zulässige Auslieferung auch durchführen will. Auch im Falle der Zustimmung des Verfolgten zu seiner Auslieferung kommt es zu diesem Prüfverfahren. Nach dem IRG ist Bewilligungsbehörde das Bundesministerium der Justiz, sofern dieses die Ausübung seiner Befugnisse nicht einer anderen Behörde übertragen hat. In der Praxis ist diese Aufgabe regelmäßig den Landesjustizverwaltungen, künftig den Generalstaatsanwaltschaften in den Ländern übertragen. In Fällen besonderer politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Bedeutung ist sichergestellt, dass das Bundesministerium der Justiz in die Entscheidung einbezogen wird.

In der Bewilligungsentscheidung werden nochmals summarisch die Auslieferungsvoraussetzungen geprüft, insbesondere falls nachträglich neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte entstanden sind. Im Übrigen besteht - sofern keine völkervertraglichen Pflichten zur Bewilligung bestehen – bislang ein weites allgemein - und außenpolitisches Ermessen, ob eine rechtlich zulässige Auslieferung am Ende auch bewilligt wird. Mit dem RbEuHb werden die auf Bewilligungsebene zu treffenden Ermessensentscheidungen vor dem Hintergrund eines rechtlich zunehmend zusammenwachsenden Europas eingeschränkt. Abgelehnt werden kann eine Bewilligung beispielsweise dann, wenn wegen der selben Tat in Deutschland ein Verfahren gegen den Betroffenen geführt wird oder wenn zwei Staaten die Auslieferung desselben Verfolgten begehren und entschieden werden muss, an welchen er ausgeliefert wird.

3. Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Umsetzung des RbEuHB

Das Bundesverfassungsgericht hat im Juli 2005 insbesondere für die folgenden beiden Punkte konkrete Vorgaben zur Umsetzung des RbEuHB gemacht:

a. die Bewilligungsentscheidung muss gerichtlich überprüfbar sein;

b. für die Auslieferung Deutscher ist ein gesetzliches Prüfprogramm erforderlich, das die vom RbEuHb gelassenen Spielräume für eine mögliche Nichtauslieferung Deutscher nutzt.

4. Umsetzung dieser Vorgaben im vorliegenden Gesetzentwurf

a. Gerichtliche Überprüfung der Bewilligungsentscheidung (§ 79 IRG)

Der neue Entwurf behält die Zweiteilung in Zulässigkeits- und Bewilligungsentscheidung bei. Das heißt, dass eine Auslieferung nicht in allen Fällen bewilligt werden muss, in denen die Zulässigkeitsvoraussetzungen des IRG erfüllt sind. § 83b IRG benennt die Gründe, aus denen die Bewilligung einer Auslieferung abgelehnt werden kann, aber nicht muss. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Strafverfolgung vorrangig im Inland oder einem Drittstaat erfolgen soll. Die Entscheidung trifft die Bewilligungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen mit einem auch außenpolitischen Erwägungen zugänglichen Spielraum.

Diese Bewilligungsentscheidung muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gerichtlich überprüfbar sein. Um dem Betroffenen effektiven Rechtsschutz auch gegen die Bewilligungsentscheidung zu gewähren und gleichzeitig das Verfahren weiterhin zügig zu gestalten, trifft die Bewilligungsbehörde künftig nach § 79 Abs. 2 bereits vorab ihre Entscheidung, ob sie im Falle einer vom Gericht rechtlich für zulässig erklärten Auslieferung Bewilligungshindernisse sieht oder nicht und begründet diese Entscheidung.

Sieht sie Bewilligungshindernisse, wird die Auslieferung bereits in diesem Stadium abgelehnt. Verneint sie hingegen das Vorliegen eines Bewilligungshindernisses, übermittelt sie ihre Begründung dem OLG zusammen mit dem Antrag, über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden. Dieses Verfahren dient den Interessen des Verfolgten, weil es bei einem Mehr an Rechtsschutz die Verlängerung des Auslieferungsverfahrens, vor allem einer mögliche Auslieferungshaft vermeidet. Gleichzeitig sichert es das strenge Fristenregime, das der RbEuHb vorgibt.

Die Erfahrungen der Praxis mit dem aufgehobenen EuHbG vom 21. Juli 2004 haben gezeigt, dass sich der Aufwand der deutschen Justizbehörden zur Bearbeitung ein- und ausgehender Ersuchen reduziert hat. In einem ersten Bericht zur Umsetzung des RbEuHb in den Mitgliedstaaten vom 1. März 2005 hat die EU-Kommission festgestellt, dass sich die Dauer des Auslieferungsverfahrens EU-weit durchschnittlich von bislang über neun Monaten auf nunmehr 43 Tage verkürzt hat.

Stimmt der Verfolgte dagegen bereits bei seiner ersten Anhörung seiner Auslieferung zu, beträgt diese Frist sogar nur noch 13 Tage. Diese erhebliche Verkürzung der Dauer des Auslieferungsverfahrens und damit auch der Auslieferungshaft bedeutet auch eine erhebliche Verringerung der mit einer Auslieferung für den Verfolgten verbundenen Belastungen.

b. Auslieferung Deutscher und ihnen gleichgestellter Ausländer (§ 80 IRG)

In den neuen Absätzen 1 und 2 des § 80 IRG findet sich die zweite wichtige Änderung dieses Entwurfs im Vergleich zum EuHbG vom 21. Juli 2004. Dort wird im Wesentlichen das vom Bundesverfassungsgericht geforderte Prüfprogramm bei der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger gesetzlich festgeschrieben. Die Verhältnismäßigkeit einer Auslieferung muss aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben in jedem Falle zusätzlich hierzu geprüft werden.

Der neue Gesetzentwurf sieht zudem vor, die vom Bundesverfassungsgericht für Deutsche verlangten Sonderregeln auch auf legal aufhältige ausländische Staatsangehörige anzuwenden, die im Inland mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft leben.

Im Einzelnen:

§ 80 unterscheidet hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraussetzungen bei der Auslieferung eigener Staatsangehöriger und nach Absatz 4 gleichgestellter Ausländer zwischen
der Auslieferung zur Strafverfolgung in den Absätzen 1 und 2 und
der Auslieferung zur Strafvollstreckung in Absatz 3, die nur zulässig ist, wenn der Betroffene zu richterlichem Protokoll zustimmt.

Nach den Absätzen 1 und 2 ist die Auslieferung zur Strafverfolgung nur zulässig, wenn
1. grundsätzlich die spätere Rücküberstellung zur Vollstreckung eine verhängten freiheitsentziehenden Sanktion gesichert ist, und die Tat
2. keinen maßgeblichen Inlandsbezug aufweist und
3. a. entweder einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Staat aufweist (Absatz 1) oder
b. die beiderseitige Strafbarkeit gegeben ist und bei konkreter Abwägung der widerstreitenden Interessen kein schutzwürdiges Vertrauen des Verfolgten in seine Nichtauslieferung besteht (Absatz 2, „Mischfälle“).

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt es für die Frage, ob ein Deutscher an einen EU-Mitgliedstaat ausgeliefert werden kann, entscheidend auf den Auslands - bzw. Inlandsbezug der Tat an.

Straftaten mit maßgeblichem Inlandsbezug

Bei Straftaten mit maßgeblichem Inlandsbezug ist die Auslieferung Deutscher nicht zulässig. Ein maßgeblicher Inlandsbezug liegt nach Absatz 2 Satz 2 in der Regel vor, wenn sämtliche oder wesentliche Teile des Handlungs- und Erfolgsortes (§ 9 StGB) im Inland liegen (Beispiel: Ein Deutscher versteigert aus einer Wohnung in Düsseldorf mittels seines PC im Internet betrügerisch Waren; 49 von insgesamt 50 Geschädigten kommen aus Deutschland, nur ein Geschädigter wohnt im Ausland).

Straftaten mit maßgeblichem Auslandsbezug

Hat die Tat dagegen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Staat, so ist die Auslieferung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 zulässig. Ein maßgeblicher Bezug der Tat zum ersuchenden Mitgliedstaat liegt nach Absatz 1 Satz 2 in der Regel vor, wenn Handlungs- und Erfolgsort vollständig oder in wesentlichen Teilen auf seinem Hoheitsgebiet liegen (Beispiel: Ein Deutscher ermordet in Frankreich einen französischen Staatsangehörigen) oder wenn es sich um eine schwere Tat mit typisch grenzüberschreitendem Charakter handelt, die teilweise auch auf seinem Hoheitsgebiet begangen wurde (hier hat das Bundesverfassungsgericht selbst Fallgruppen etwa des internationalen Terrorismus und des organisierten Drogen- oder Menschenhandels vorgegeben: "Wer sich in solche verbrecherische Strukturen einbindet, kann sich auf den Schutz der Staatsangehörigkeit vor Auslieferung nicht in vollem Umfang berufen" [BVerfG, 2 BvR 2236/04 vom 18.7.2005, Absatz-Nr. 86]).

Mischfälle

Kann weder ein maßgeblicher Inlands- noch ein maßgeblicher Auslandsbezug festgestellt werden (beispielsweise bandenmäßiger Serienbetrug mit sowohl Tätern als auch Opfern bzw. Zeugen in mehreren Mitgliedstaaten), ist die Auslieferung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 nur zulässig, wenn die beiderseitige Strafbarkeit gegeben ist und bei konkreter Abwägung der widerstreitenden Interessen kein schutzwürdiges Vertrauen des Verfolgten in seine Nichtauslieferung besteht.

Bei der Abwägung sind nach Absatz 2 Satz 3 und 4 insbesondere der Tatvorwurf, die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung und die grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen. Liegt wegen der Tat, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens ist, eine Entscheidung einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts vor, ein deutsches strafrechtliches Verfahren einzustellen oder nicht einzuleiten, so sind diese Entscheidung und ihre Gründe in die Abwägung mit einzubeziehen; Entsprechendes gilt, wenn ein Gericht das Hauptverfahren eröffnet oder einen Strafbefehl erlassen hat.

[  Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums der Justiz





25. January 2006
"Von der Polizei unter Druck gesetzt"
24-jähriger Freund des Angeklagten korrigiert bei Brückenmord-Prozess seine Angaben

Zwei Freunde des wegen Mordes angeklagten Straßenbauers aus Orbis mühten sich vor dem Mainzer Schwurgericht, den 22-Jährigen nicht allzu sehr zu belasten. Einer der Freunde behauptete gestern sogar, von der Polizei zu einer belastenden Aussage gezwungen worden zu sein.

Hatten die beiden Freunde vor der Polizei noch frei ausgesagt, war ihnen dies von Angesicht zu Angesicht mit dem Angeklagten offensichtlich nicht mehr möglich. Dem athletischen Mann aus Orbis wird vorgeworfen, am 15. Januar 2005 um zwei Uhr nachts auf der Autobahnbrücke Alzey-Weinheim (A63) seinem Opfer zweimal in den Kopf geschossen und ihn dann noch lebend kopfüber von der Brücke geworfen zu haben. Laut Staatsanwaltschaft war das Motiv die Eifersucht auf das Opfer wegen einer gemeinsamen Freundin. Der Angeklagte leugnet jedoch die Tat. "Ich habe nichts getan", sagte er schon am ersten Verhandlungstag.

Sein Freund, ein 24-jähriger Kommissionierer, wand sich gestern auf dem Zeugenstuhl: "Es ist alles schon so lange her. Ich weiß vieles gar nicht mehr!" Ein Verhalten, das der Kammer merkwürdig vorkam. "Hat Sie jemand von der Familie des Angeklagten beeinflusst?", fragte Vorsitzender Richter Rolf-Rainer Nebe. Dies wies der Zeuge entrüstet von sich. Gleichwohl musste er zugeben, mehrfach bei den Eltern des 22-jährigen Angeklagten gewesen zu sein und ihn selbst in der Haft besucht zu haben. "Über die Sache redeten wir aber kaum."

Der Zeuge berichtete, zweimal eine Waffe bei dem Angeklagten gesehen zu haben. Vor der Polizei hatte er ausgesagt, einmal sei es definitiv eine Scharfe gewesen. Er habe sich zur Überprüfung die Patronen und den Lauf genau angesehen. "Ich log damals. Es war ein einfacher Schreckschussrevolver", beeilte sich nun der Zeuge anzumerken. Polizisten hätten ihn damals derart unter Druck gesetzt, ihn angeschrien, sodass er gar nicht mehr anders gekonnt habe, als das auszusagen. "Die Beamten wollten alles mir in die Schuhe schieben. Die behaupteten sogar, die Waffe sei bei mir versteckt!"

Mit der besagten Freundin unterhielt sich der Freund am Tag nach der Tat. Nach seiner Darstellung erzählte sie, das spätere Opfer habe sie verlassen, um zu Hause andere Schuhe anzuziehen. "Von da an habe ich nichts mehr von ihm gehört", hätte sie gesagt. "Da haben Sie doch gerade das Wesentliche weggelassen", ärgerte sich der Richter. Der Zeuge tat unschuldig: " Was denn?" Laut Polizeivernehmung erzählte die Frau dem Zeugen, ihr Freund habe in der Nacht noch angerufen und behauptet, von dem Angeklagten mit einer Waffe bedroht worden zu sein. "Ach ja, das hatte ich ganz vergessen!", entschuldigte sich der 24-Jährige. Der Prozess wird fortgesetzt.

[  main-rheiner.de





24. January 20062006
Lebenslänglich unter 18??? – Härtere Jugendstrafen gefordert!

Die große Koalition hat große Pläne – aber nicht nur wirtschaftliche. Auch in Sachen Strafrecht soll es Veränderungen geben. Jugendliche Straftäter zwischen 14 und 18 Jahren sollen zukünftig auch nach Absitzen ihres Vollzugs in Sicherungsverwahrung bleiben, wenn sie nach Ansicht der Gefängnispsychologen nicht resozialisiert sind und weiterhin eine Gefahr für die Umwelt darstellen.

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung gab es bisher nur für Erwachsene. Sie wurde in den 30er Jahren von den Nazis eingeführt, die dieses Instrument aber brutal missbrauchten, indem sie Straftäter für kleinere nachträgliche Verbrechen bis zu weitere zehn Jahre wegsperrten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde bis in die 90er Jahre das Gesetz kaum mehr angewendet. Erst als die Medien über die Anzahl der Sexualstraftaten verstärkt berichteten und die Angst in der Bevölkerung stieg, verschärfte man das Gesetz ganze drei Mal. Seitdem ist es möglich, Gefangene nach Verbüßung der verhängten Strafe ohne ausdrücklichen Vorbehalt im Urteil weiter im Gefängnis zu verwahren.

Bei Jugendlichen war das bisher nicht möglich. Hat man zum Beispiel mit 14 Jahren großen Mist gebaut und wurde zu fünf Jahren verknackt, so kam man auf jeden Fall mit 19 wieder raus. Egal, ob man resozialisiert war oder nicht. Das soll sich nach Plänen von Schwarz-Rot nun ändern. Die Gefahr ist groß bei jugendlichen Schwerverbrechern. Es gab wiederholt Fälle, in denen sie ohne zu zögern nach der Entlassung wieder straffällig wurden. Dies soll verhindert werden, indem es auch möglich wird, über jeden einzelnen Jugendlichen zu entscheiden, ob er wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden kann - egal ob mittlerweile erwachsen oder nicht.

Bisher gab es zwar auch die Möglichkeit psychisch kranke jugendliche Verbrecher auf unbestimmte Zeit in geschlossene Anstalten zu sperren. Doch hier sind die Plätze knapp und die Therapien sind sehr teuer. Viele konnten aus diesen Gründen nicht behandelt werden – die einzige Möglichkeit war, sie freizulassen. „Besonders schwere Fälle“, die während des Vollzugs als weiterhin gefährlich eingestuft werden, sollen in Zukunft von der neuen geplanten Maßregel betroffen sein.

Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist umstritten. Rechtlich ist die Situation bisher klar geregelt gewesen. Während der strafrechtliche Vollzug ausschließlich der Sühne und der Resozialisierung dient, ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung zum Schutz der Gesellschaft da. Klar, viele haben Angst vor Schwerverbrechern, die entlassen werden. Der Makel des „Knastis“ hängt ihnen aber auch lebenslänglich an und deshalb werden die meisten gemieden und haben es sehr schwer, sich nach Vollendung der Haftstrafe in die Gesellschaft einzugliedern. Doch woher kommt die Angst der Gesellschaft?

Viele sind der Meinung, dass sich die Anzahl der Verbrechen von Jugendlichen in den letzten Jahren drastisch erhöht hat. Und es herrscht die einhellige Meinung, dass sich vor allem die Anzahl der Sexualstraftaten von Jugendlichen erhöht hat. Deshalb sieht sich die Poltik zum Handeln gezwungen. Doch woher nehmen die Herren Politiker ihre Informationen? Im Bundesjustizministerium jedenfalls existiert keine Statistik, wie viele jugendliche Schwerverbrecher nach dem Vollzug wieder rückfällig geworden sind. Und auch die Zahl der Sexualdelikte ist nicht gestiegen, im Gegenteil. Waren es im Jahr 1993 noch 81 Straftaten, so waren es zehn Jahre später 26. Was sich aber geändert hat ist die Berichterstattung und der Umgang mit dem Leid der Menschen.

Das Thema wird viel mehr ausgeschlachtet als früher und auch die Vielfalt der Medien lässt die Menschen bei solchen Verbrechen, deren Aufklärung und den Folgen mehr teilhaben als früher. Eltern von entführten Kindern werden per Kamera begleitet und Familien von jugendlichen Straftätern werden befragt und bedauern in aller Öffentlichkeit das Geschehene.

Und dadurch wächst natürlich auch das Angstgefühl der Menschen, denn sie haben das Gefühl, jugendliche Straftäter und potentielle Verbrecher könnten auch bei ihnen in der Nachbarschaft leben. Laut einer Umfrage des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) glauben die Deutschen, dass die Anzahl der Sexualmorde in den letzten Jahren um 260 Prozent gestiegen sei – dem ist wie oben beschrieben überhaupt nicht so, aber es zeigt das Denken der Menschen.

Die Intensität der Angst ist eine andere, deshalb will die Politik nun reagieren. Es ist ein Teufelskreis, denn die Politiker erhoffen sich natürlich mit Hilfe von Forderungen nach harten Strafen Punkte im Wahlkampf. Und wenn die Medien auf eine Art und Weise berichten, dass viele Angst haben, kommen natürlich solche Politikerforderungen gerade recht. Frei nach dem Motto: „Ahh, Politiker xy tut etwas für unsere Sicherheit, den wählen wir.“ Auch Gutachter können natürlich von einer sensationsheischenden und dramatischen Berichterstattung bei der Beurteilung von jugendlichen Straftätern beeinflusst werden.

[  giga.de





24. January 2006
"Verdachtskriterien islamistischer Terrorismus"

Männer mit Vorliebe für Mietwagen, Stadtpläne und mehrere Handykarten: Im Internet ist ein Fahndungskatalog aufgetaucht, der dem BKA zugeschrieben wird

Seit der Affäre um ein BKA-Geheimdossier über den islamistischen jordanischen Terrorführer Abu Musab al-Sarkawi, über das der Autor Bruno Schirra im Magazin Cicero berichtete, gelten beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden verschärfte Sicherheitsregeln. Nun ist in einem viel gelesenen Weblog trotzdem erneut ein brisantes Dokument aufgetaucht, das tief aus der Fahndungskiste der wichtigsten Polizeibehörde des Bundes zu stammen scheint. Es handelt sich um einen umfassenden, eine Seite langen Katalog, der die Ermittler mit "Verdachtskriterien" gegen potenzielle islamistische Terroristen versorgt.

Das Papier startet mit dem Hinweis, dass kein "Generalverdacht gegen bestimmte Gruppen" bestehe. Gleichwohl könne den aufgeführten Anhaltspunkten "in Kombination mit anderen Verdachtsmerkmalen" Bedeutung zukommen. Die Prüfsteine selbst beziehen sich nicht ganz trennscharf auf die Bereiche "relevante Personenkreise", "weitere Verdachtskriterien" und "(mögliche) mitgeführte Gegenstände/Unterlagen). Das Raster, das sich aus den Kennzeichen ergibt, ist ziemlich weit gestrickt. Theoretisch könnten sich in dem damit aufgebauten Fahndungsnetz auch viele Unschuldige verfangen. Merkmale wie das "Tragen von relevanten Abzeichen oder Symbolen" wie "verschleierte bewaffnete Kämpfer oder Reiter" und "sich kreuzende Schwerter unterhalb eines Korans" mit arabischen Schriftzügen sind wiederum so offensichtlich, dass ihre Aufzählung eher überflüssig wirkt.

Die Augen offen halten sollen die BKA-Beamten gemäß dem Dokument mit Stand vom Juli 2005 konkret bei "vorwiegend 18- bis 45-jährigen Männern aus dem Nahen und Mittleren Osten, GUS, Nordafrika" und Südostasien. Frauen seien allerdings aus dem Raster auch nicht ganz auszuschließen, hält man sich in Wiesbaden offen für Eventualitäten. Verdächtig sind zudem muslimische "Konvertiten", auch wenn sie "deutsche Staatsbürger und Angehörige westlicher Staaten" sind. Ein "typisches Erscheinungsbild" wollen die BKA-Strategen nach den Erfahrungen mit den Anschlägen in London nicht nahe legen. Die potenziellen Terroristen könnten "traditionell muslimisch sowie westlich angepasst" auftreten.

[  heise.de





24. Januar 2006
Haftanstalt Billwerder wird im Februar eingeweiht

Hamburgs neues "Hochsicherheitsgefängnis" Billwerder ist fast fertig. Am 6. Februar will Justizsenator Roger Kusch den zweiten Bauabschnitt der Justizvollzugsanstalt (JVA) einweihen. 32 Millionen Euro hat der neue Abschnitt gekostet, die Haftkapazität steigt um 384 auf insgesamt 803 Plätze.

Kusch betont, wie wichtig die neuen Kapazitäten bei den Haftplätzen für Hamburg seien. Die Kritik der Opposition, es seien Überkapazitäten geschaffen worden, hält er nicht für nachvollziehbar. "Ich wäre froh darüber, weil die Justizbehörde sie als Dispositionsreserve braucht. Im geschlossenen Männervollzug werden wir aber keine Überkapazitäten haben." 220 Haftplätze sollen aus der JVA Vierlande, die geschlossen wird, nach Billwerder verlegt werden, der Rest der Kapazität werde mit Insassen aus der Untersuchungshaftanstalt belegt. Die Dispositionsreserve liege bei 30 Plätzen. Beim Bau von "Billwerder 2" habe es Verzögerungen durch Probleme mit Schlössern gegeben, so Kusch, aber diese seien beseitigt. "Die Polemik der SPD ist unangebracht. Ich glaube im übrigen nicht, daß sich die Hamburgerinnen und Hamburger das Laisser-faire früherer SPD-geführter Senate im Strafvollzug zurückwünschen."

[  welt.de





24. January 2006
Kronzeugenregelung nach Unionswunsch
Justizministerin Zypries (SPD) bemüht sich, rechtsstaatliche Bedenken zu zerstreuen 
 

Darf die Justiz künftig generell Verbrechern Strafrabatt oder gar Straffreiheit bei Mitwirkung an der Aufklärung anbieten? Oder soll die im Koalitionsvertrag von Union und SPD verabredete Kronzeugenregelung nur fixieren, was Staatsanwaltschaften und Gerichte schon heute bei kooperationsbereiten Straftätern praktizieren?

Auf Wunsch vieler Innen- und Rechtspolitiker von CDU/CSU, nicht zuletzt Wieder-Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, hat die schwarz-rosa Koalition die Wiedereinführung der so genannten Kronzeugenregelung im Strafrecht festgeschrieben. Schon die Ankündigung stieß Ende Oktober vorigen Jahres auf heftige Kritik – bei Linken und Grünen im Bundestag wie bei den führenden Verbänden der Richter und Staatsanwälte sowie der Anwälte. Denn solch eine Regelung war von 1989 bis 1999 geltendes Recht (siehe Kasten), hatte sich aber nach Ansicht der meisten Juristen nicht bewährt. Auch nicht bei Drogendelikten, für die § 31 Betäubungsmittelgesetz einen »Kronzeugenrabatt« bis heute erlaubt.

Immer neue Vorstöße der Union zur partiellen oder generellen Wiedereinführung der Möglichkeit solcher Deals stießen auch bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nicht auf Sympathie. Nun freilich muss sie den Koalitionsbeschluss exekutieren – und bemüht sich, ihn schönzureden. »Unser Ziel ist es, den Strafverfolgungsbehörden ein breites Instrumentarium an die Hand zu geben«, sagte sie am Wochenende. Es gehe darum, »Täter zu animieren, andere im wahrsten Sinne des Wortes zu verpfeifen«. Die Kronzeugenregelung ziele auf »terroristische Gruppen und organisierte Kriminalität«. Man hoffe, so auch Anschläge zu verhindern.

Aber anders als früher, soll das »Verpfeifen« eben nicht nur durch Mitglieder solcher Verbrecherbanden, in die kaum einzudringen ist, honoriert werden. Wie Zypries in einem Zeitungsinterview äußerte, soll vielmehr eine »allgemeine Strafzumessungsregel« eingeführt werden. Das Gericht könne dann bei Tätern, die beitragen, eine Straftat aufzuklären oder zu verhindern, nach Prüfung »die Strafe verringern oder in Einzelfällen ganz von einer Bestrafung abzusehen«. Missbrauch wolle man dadurch beschränken, dass vom »Verpfeifen« nur profitieren kann, wer sein Wissen vor Beginn der Hauptverhandlung offenbart. Dann könne man nämlich noch überprüfen, ob an seinen Aussagen überhaupt »etwas dran« ist.

Das ist die Theorie. In der Praxis steht solch frommer Hoffnung der Fall des PKK-Funktionärs Ali Cetiner gegenüber. Als »Kronzeuge« vorm OLG Düsseldorf trug er vermeintlich zur Aufklärung von 13 Tötungsverbrechen bei, gab aber später zu, falsch ausgesagt zu haben.

Richterbund, Anwaltverein und die Rechtsexperten von Linkspartei und Grünen lehnen eine generelle Kronzeugenregelung nicht nur deshalb ab, weil sie geradezu zu Falschaussagen verleitet. Sie verweisen auch darauf, dass bereits jetzt das Strafrecht erlaubt, das Aussageverhalten bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht ein grundsätzliches Problem: Manche Täter würden dann gar nicht, andere voll bestraft. Eine Kronzeugenregelung müsse daher »ganz eng und rechtsstaatlich ausgestaltet werden – sonst geht es auf keinen Fall«.

Was stand im Gesetz?

Die 1999 abgeschaffte Kronzeugenregelung ermöglichte ab 1989 bei Terrorismus (§ 129a Strafgesetzbuch) und ab 1994 bei allen »organisiert begangenen Straftaten« (§ 129 StGB) Verzicht auf Strafverfolgung bzw. Strafmilderung oder Verfahrenseinstellung, wenn ein Täter oder Tatbeteiligter den Strafverfolgungsbehörden sein Wissen offenbarte und so dazu beitrug,

• die Begehung einer solchen Straftat zu verhindern,
• die Aufklärung solcher Straftaten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern oder
• einen Täter oder Tatbeteiligten zu ergreifen.

[  nd-online.de

Vor Hauptverhandlung
Zypries nennt Einzelheiten zu Kronzeugenregelung

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat erstmals Details der geplanten Kronzeugenregelung genannt. Der Verzicht auf Strafe solle auf Einzelfälle begrenzt werden, sagte Zypries der "Berliner Zeitung". "Wir wollen die Missbrauchsmöglichkeit dadurch beschränken, dass ein Beschuldigter sein Wissen vor Beginn der Hauptverhandlung offenbaren muss", sagte sie. Nur dann könne er von der neuen Strafzumessungsregel profitieren. Durch eine solche Bestimmung könne zudem überprüft werden, ob an den Aussagen etwas dran sei. Zypries sagte, die geplante Regelung solle in Form einer Strafzumessungsregel eingeführt werden und damit nicht auf einzelne Straftaten beschränkt sein. Praktisch bedeutsam sei sie aber vor allem im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Im Hinblick auf das Antidiskriminierungsgesetz sagte Zypries, sie gehe von schwierigen Verhandlungen mit der Union aus. Das Problem sei, dass die Debatte häufig irrational geführt werde und es oft nicht um den sachlichen Inhalt gehe.

"Bei den zivilrechtlichen Verträgen, insbesondere Kaufverträgen, die im Alltag üblicherweise ohne Ansehen der Person geschlossen werden, will die SPD im Gegensatz zur Union über die EU-Richtlinie hinausgehen", sagte Zypries. Sie wolle nicht nur die Diskriminierung auf Grund des Geschlechts untersagen, sondern auch wegen Alters, Behinderung, sexueller Identität, Religion und Weltanschauung. Es sei vollkommen unverständlich wenn zum Beispiel bei der Buchung eines Hotelzimmers eine Frau nicht diskriminiert werden dürfte, wohl aber ein Behinderter. Trotz der Differenzen drängte Zypries auf eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes. "Wir müssen das Gesetz zügig noch in diesem Jahr verabschieden", sagte die Ministerin. Sonst seien Strafzahlungen aus Brüssel zu befürchten.

[  ngo-online.de





22. January 2006
Polizei und Geheimdienste unter einer Decke:
Die Verfassung spielt doch keine Rolle mehr

Hunderttausende Menschen werden durchleuchtet / Euphorie bei BKA, BND, BfV, Bundeswehr, Innenministerium über traumhafte Überwachungsbedingungen

Berlin. Der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble will die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Skandalen um den Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundeskriminalamt (BKA) verhindern und fordert eine Bündelung ”aller Kräfte” auf die Fußball-Weltmeisterschaft. Man solle die Behörden ”nicht behindern, wenn sie für die Sicherheit in Deutschland arbeiten”, verlangt Schäuble in einem Namensartikel in der Boulevardpresse (”Bild am Sonntag”). Die Planungen für die WM beinhalten bislang den Einsatz von Militärflugzeugen sowie eine nachrichtendienstliche Massenüberprüfung von mehreren hunderttausend Menschen und involvieren unter anderem das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin. Das GTAZ entwickelt derzeit Dateien, die sowohl Polizeien als auch Geheimdiensten zur Verfügung stehen werden - eine Praxis, die die Bundesregierung in Kürze legalisieren will.

Bei der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft werden nicht nur Awacs-Aufklärungsflugzeuge der NATO, deren Einsatz Verteidigungsminister Jung in den nächsten Tagen beantragen wird, über den Besuchern kreisen. Die aus aller Welt auf dem Luftwege anreisenden Gäste müssen auch damit rechnen, ins Visier deutscher Kampfflugzeuge zu geraten - und im Ernstfall abgeschossen zu werden. Die Awacs werden deutschen Abfangjägern zuarbeiten, die darauf vorbereitet sind, verdächtige Flieger auf Befehl abzuschießen. Die Luftwaffe, die das Großereignis für die Erprobung neuer militärischer Luftraumüberwachungssysteme nutzt, wird die Aktivitäten ihrer ”Alarmrotten” verstärken und dazu neben den bisherigen beiden Standorten in Wittmund und in Neuburg an der Donau zusätzliche Flugplätze nutzen. Die Kampfflieger trainieren bereits ihre Einsätze über den Fußballstadien und in deren weitem Umkreis. Zu den täglichen Übungen gehört auch die Erprobung des ”Meldeweges” zum Verteidigungsminister, der letztlich den Befehl zum Abschuss eines Flugzeuges geben muss.

Würstchenverkäufer als Sicherheitsrisiko

Auch die deutschen Sicherheitsbehörden werden ihre Aktivitäten anlässlich der Sportveranstaltungen stark ausweiten. Vorbereitet wird eine Massenüberprüfung deutscher Bürger in bislang beispiellosen Dimensionen. Nach einem Probelauf beim ”Confederations Cup” im vergangenen Jahr - damals wurden Menschen in fünfstelliger Größenordnung kontrolliert - werden in den kommenden Monaten bis zu 250.000 Personen, die beruflich mit der Weltmeisterschaft zu tun haben, routinemäßig von Polizei und Verfassungsschutz auf ihre Vorgeschichte durchleuchtet. Jeder potenzielle WM-Beschäftigte muss seiner Überprüfung auf einem Akkreditierungsformular zustimmen; das betrifft neben dem Sicherheitspersonal, Reinigungskräften oder Würstchenverkäufern auch Journalisten. Wer von den Behörden als ”Sicherheitsrisiko” eingestuft wird, erhält keinen Zugang zu den Fußballstadien und anderen zentralen WM-Orten. Den Grund der Entscheidung erfahren die Abgelehnten nicht, ein Widerspruch gegen das Ergebnis der Untersuchung ist nicht möglich. Auch die Kriterien, die zur Ablehnung führen, werden von den Behörden öffentlich nicht bekannt gegeben.

Koordinieren wird diese und andere Aktionen der deutschen Repressionsapparate das im Dezember 2004 eröffnete ”Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum” (GTAZ) in Berlin-Treptow. Dem GTAZ wird in bezug auf die Fußball-Weltmeisterschaft eine wichtige Rolle zugeschrieben, da es die einschlägigen Ausforschungen aufarbeiten und bewerten soll. Im GTAZ tauschen unter Anleitung der ”Hausherren”, der Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA; Jörg Ziercke) und des Inlandsgeheimdienstes Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV; Heinz Fromm), rund 40 Bundes- und Landesbehörden ihre Erkenntnisse aus und koordinieren ihre Tätigkeiten. Dazu gehören neben den Kriminal- und Verfassungsschutzämtern der Bundesländer der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD), die Bundespolizei, das Zollkriminalamt, der Generalbundesanwalt sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Trennungsgebot endgültig ausgehebelt

Das von den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs erlassene Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten, das Verfassungsrang besitzt, wird mit dieser Einrichtung endgültig ausgehebelt. Es schreibt nach den Erfahrungen mit der Gestapo in Nazi-Deutschland vor, dass Geheimdienste und Polizei institutionell nicht vermengt werden dürfen. Tatsächlich sind im GTAZ die polizeilichen und die geheimdienstlichen Mitarbeiter zwar in räumlich getrennten Gebäuden untergebracht. Sie treffen sich allerdings täglich zu Lagebesprechungen, die nicht nur dem Austausch tagesaktueller polizeilicher und nachrichtendienstlicher Erkenntnisse dienen. ”Kontinuierlich und intensiv” werden die ”Erstellung anlassbezogener Erstbewertungen” sowie die ”Abstimmung der sich hieraus anschließenden Maßnahmen” gemeinsam wahrgenommen. Ziel ist es laut Bundesinnenministerium, ”diesen Informationsaustausch in strukturierter Form unmittelbar mit der Abstimmung operativer Maßnahmen zu verknüpfen”.

Noch nie habe es in Deutschland einen engeren Informationsaustausch zwischen derart vielen Behörden gegeben, erklärt BfV-Präsident Fromm: ”Hier ist ein bürokratiefreies Arbeiten möglich.” Die nach seiner Einschätzung bereits ”exzellenten Bedingungen” sollen durch einen Neubau auf demselben Gelände weiter verbessert werden. Auch die ”zügige Schaffung” gemeinsamer Datenbanken, die sowohl von polizeilichen als auch von nachrichtendienstlichen Behörden in Anspruch genommen werden können, ist eingeleitet. Die Bundesregierung hat ein Gesetz angekündigt, das diese Praxis legalisieren soll. Zu den bereits jetzt im GTAZ genutzten Informationsquellen zählen ausdrücklich auch ”Hinweise ausländischer Polizeibehörden” und ”Informationen ausländischer Nachrichtendienste”. Der Weg zur Einbeziehung von Erkenntnissen, die mit Hilfe von Folter zustande gekommen sein könnten, ist demnach institutionell geregelt. (Quelle: www.german-foreign-policy.com)

Innenminister Wolfgang Schäuble steht seinem Amtsvorgänger Otto Schily in nichts nach. Für die angeblich notwendige Sicherheit nimmt er es mit den Gesetzen und mit der Verfassung nicht so genau. Und wenn es ihm im Bunde mit Außenminister Steinmeier gelingt, den Untersuchungsausschuß in Sachen BND im Irak zu verhindern, dann sind auch die Diskussionen um die CIA-Entführungen, um Geheimgefängnisse und Folter weitgehend vom Tisch. Dann kehrt wieder Ruhe ein in Deutschland und alles geht so weiter wie bisher - bergab. Foto: ap

[  saar-echo.de





20. January 2006
Bundesregierung: Trennungsgebot der Daten zwischen Geheimdiensten und Polizei wird aufgehoben Datenschutz eingeschränkt

SPD und Union haben im Koalitionsvertrag mehrere Gesetzesänderungen im Bereich der Bekämpfung des Terrorismus angekündigt. In einer kleinen parlamentarischen Anfrage wollte die Linksfraktion wissen, welche Vorhaben die Bundesregierung plane und wie sie dabei die Grundrechte wahren wolle. Zur jetzt vorliegenden Antwort erklärt die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke: "Die Bundesregierung hält sich in ihrem so genannten Antiterrorkampf alle Optionen offen, die Grundrechte weiter abzubauen und den Datenschutz zu missachten. Sie will in Kürze einen Gesetzentwurf zur Errichtung gemeinsamer Dateien der Polizeien und Nachrichtendienste von Bund und Ländern vorlegen". Das stelle einen bislang einzigartigen Angriff auf das verfassungsrechtliche Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten dar, und bedeute eine massive Gefährdung der Grundrechte, so Jelpke weiter.

Die Bundesregierung behalte sich vor, in die Antiterrordatei auch so genannte Extremisten aufzunehmen - also Menschen, denen keine Straftaten vorgeworfen werden, sondern eine falsche Gesinnung.
Jelpke: "Unkontrollierte Sammelwut und Gummibegriffe bringen keine Erhöhung der Sicherheit." Das bestätige den Verdacht, dass die vermeintlichen Terrorabwehr-Bemühungen der Bundesregierung im wesentlichen Versuche sind, die Datensammelwut der Behörden zu befriedigen und die Grundrechte auszuhöhlen. (as)

[  internet.com





19. January 2006
»Das neue Polizeigesetz erinnert stark an Orwell«

Schleswig-Holsteins Landesdatenschutzbeauftragter lehnt Entwurf ab. Überwachung jederzeit und überall. Ein Gespräch mit Thilo Weichert,Landesdatenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein

F: Sie haben den Entwurf eines neuen Polizeigesetzes für Schleswig-Holstein heftig kritisiert. Was stört Sie?

Die Zielrichtung des Entwurfes muß zu denken geben, weil er die bewährte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zugunsten vermeintlicher Sicherheit aufkündigt. Bislang beschränkt sich das Polizeirecht auf die Abwehr konkreter Gefahren. Gemäß der Gesetzesnovelle soll die Polizei künftig in der Lage sein, Rechtsverstöße zu vereiteln, noch bevor diese begonnen haben. Die geplanten Befugnisse der Polizei, wonach teilweise voraussetzungslos »jedermann« kontrolliert werden kann, verletzen das Recht jedes Menschen, vom Staat grundsätzlich in Ruhe gelassen zu werden.

F: Von welchen Maßnahmen sehen Sie dieses Recht bedroht?

Es soll eine Fülle neuer Befugnisse geben: Dazu zählt z.B. die Bild- und Tonaufzeichnung im öffentlichen Raum. Hier will ausgerechnet Schleswig-Holstein eine Vorreiterrolle einnehmen. Ermittlern soll es jederzeit und überall unter weiten Voraussetzungen erlaubt sein, mit Richtmikrofonen Einzelgespräche abzuhören, zu speichern und abzugleichen, ohne daß der Betroffene davon Kenntnis hat. Das erinnert stark an den von George Orwell beschriebenen Televisor. Ein anderes Instrument ist die KFZ-Kennzeichenüberwachung, die nebenbei auch noch gegen die Bundesgesetzgebungskompetenz verstößt. Dazu kommen Telefonüberwachung, die Schleierfahndung und die Ausweitung der Identitätsfeststellung. Diese Maßnahmen laufen darauf hinaus, unbescholtene Bürger zunehmender Rundumüberwachung zu unterwerfen.

F: Was soll mit den gesammelten Daten geschehen?

Nach Abgleich mit anderen Datensätzen und bei negativem Befund sollen diese gelöscht werden. Das Problem ist nur, daß die neuen Überwachungstechniken nicht ausgereift sind - wie beispielsweise die KFZ-Kennzeichenüberwachung. Es wird durchaus vorkommen, daß unbescholtene Bürger plötzlich als Straftäter verdächtigt und verfolgt werden. Ich befürchte auch, daß der Abgleich in Fahndungsdateien nur der erste Schritt ist und die Kennzeichenüberwachung bald auch für andere Zwecke genutzt wird. Laut Entwurf soll es zudem in weitem Umfang den Polizeibehörden selbst überlassen sein, die Voraussetzungen für polizeiliche Eingriffe zu definieren. In einem Rechtsstaat ist dies aber eindeutig Aufgabe des Gesetzgebers.

F: Innenminister Ralf Stegner (SPD) weist Ihren Vorwurf weit von sich, der Entwurf verstoße gegen Verfassungsrecht.

Die Bild- und Tonaufzeichnung im öffentlichen Bereich ist ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Karlsruhe hat in zwei jüngeren Urteilen entschieden, daß der zur Wahrung der Menschenwürde garantierte unantastbare Kernbereich privater Lebensgestaltung im Rahmen aller verdeckten Datenerhebungen uneingeschränkt zu gewährleisten ist. Das findet im Gesetzentwurf keine ausreichende Berücksichtigung. Es ist ganz offensichtlich, daß Herr Stegner zum Zeitpunkt seiner Erwiderung mein Gutachten gar nicht gelesen hatte.

F: Gleichwohl behauptet er, die Karlsruher Urteile zum großen Lauschangriff und zur Telefonüberwachung wären in die Vorlage eingegangen.

Man kann in einigen Fällen erkennen, daß der Autor der Vorlage versucht hat, die Rechtsprechung zu berücksichtigen. Allerdings werden dann umgehend Ausnahmen formuliert, die die verfassungsrechtlichen Anforderungen wieder ausblenden.

F: Alle Oppositionsparteien wenden sich vehement gegen das Regierungsvorhaben. Sehen Sie Chancen, das Gesetz in der bestehenden Form zu verhindern?

Große Bedenken haben auch zahlreiche Organisationen und Berufsverbände geäußert, wie etwa der Deutsche Anwaltsverein und die Steuerberaterkammer. Angesichts der parteipolitischen Konstellation sind die Startbedingungen für eine offene Auseinandersetzung allerdings schlecht. Dennoch habe ich große Hoffnung, daß die Kritik zumindest im Rahmen der parlamentarischen Beratungen und der weiteren öffentlichen Debatte zum Tragen kommt und am Ende doch noch ein verfassungskonformes Polizeigesetz beschlossen wird.

[  jungewelt.de





19. January 2006
Umfrage: Mehrheit akzeptiert biometrische Überwachung bei Fußball-WM

Die Forderung nach biometrischen Eintrittskontrollen anhand von Fingerabdrücken oder Fotos während der Fußball-Weltmeisterschaft wird gegenwärtig von einer knappen Mehrheit von 52 Prozent der Bevölkerung befürwortet. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für den IT-Managementberater Steria Mummert Consulting vom November 2005 hervor, die heute in München veröffentlicht wurde. Auf mehrheitliche Akzeptanz trifft die geplante Ausdehnung von Überwachungs- und Sicherheitsmaßnahmen vor allem dann, wenn dies wie in der Umfrage mit dem Schutz vor Ausschreitungen durch Hooligans und möglichen Terroranschlägen begründet wird.

So werden massive Polizeieinsätze, Platzverweise oder auch vorbeugende Inhaftierung von Hooligans von jeweils rund 90 Prozent der Befragten befürwortet. 69 Prozent gaben an, sie wären "während der WM" auch mit dem von Innenminister Wolfgang Schäuble geforderten Einsatz der Bundeswehr im Inland einverstanden, wenn dies der "Abwehr terroristischer Anschläge" diene; damit lehnt dies trotz des immer wieder beschworenen Gefahrenszenarios fast ein Drittel generell ab.

94 Prozent der Befragten sind zugleich sicher, dass sie wegen solcher umfassenden Kontrollen vor den Stadien lange warten müssen. Nicht nachgefragt wurde bei der Umfrage, ob sich diese Akzeptanz auch auf eine dauerhafte Anwendung und schrittweise Ausweitung solcher Maßnahmen über die WM hinaus erstreckt, wie sie von der Regierung geplant ist. (ms)

[  internet.com





19. January 2006
"Offensichtlich unzulässig"
Bundestag will Klagen beim Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof erschweren

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte soll künftig weniger Zeit "für offensichtlich unzulässige Beschwerden" aufwenden müssen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag in Berlin einstimmig das Ratifizierungsgesetz zum entsprechenden Protokoll vom Mai 2004 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte. Zur Begründung wird in der Beschlussvorlage darauf verwiesen, dass der Gerichtshof als Rechtsprechungsorgan des Europarates für mehr als 800 Millionen Europäer aus 46 Mitgliedsstaaten "aufgrund der ständig steigenden Anzahl von Individualbeschwerden seit dem Beitritt zahlreicher Staaten aus Mittel- und Osteuropa" überlastet sei.

Die in dem Protokoll vorgesehene Verfahrensreform soll den Gerichtshof entlasten und seine Funktionsfähigkeit sichern. Vorgesehen ist unter anderem, dass künftig Einzelrichter und nicht wie bislang Ausschüsse mit drei Richtern über eindeutig unzulässige Beschwerden entscheiden können. Den Angaben zufolge ist die Zahl der Individualbeschwerden seit 1990 infolge der Erweiterung des Europarates "erheblich gestiegen". Während 1990 noch 5279 Beschwerden registriert wurden, lag diese Zahl 2002 bereits bei 34.546. Im Jahr 2004 sollen etwa 44.100 Beschwerden eingegangen sein.

[  ngo-online.de





16. January 2006
Bayerns Innenminister will elektronische Fußfessel für "gefährliche Ausländer"

Nach dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann[1] hat nun auch der bayrische Innenminister Günther Beckstein (CSU) die elektronische Fußfessel für "gefährliche Ausländer" gefordert. In einem Interview mit der Zeitschrift Focus[2] erklärte Beckstein: "Gefährliche Personen, die wir nicht abschieben dürfen, sollten wir in Haft nehmen können. Eine zweite – etwas mildere – Möglichkeit wäre, ihnen elektronische Fußfesseln anzulegen." Beckstein äußerte die Überzeugung, dass dieser Einschnitt in die Bewegungsfreiheit unerwünschte Ausländer den Aufenthalt in Deutschland so verleideten, dass sie das Land verlassen würden. In Hinblick auf die Fußball-WM und die Diskussion eines möglichen Bundeswehr-Einsatzes im Innern von Deutschland erklärte Beckstein, dass er sich durchaus die logistische Hilfe der Bundeswehr vorstellen könne. Dies sei eine Grauzone, in der sich etwas machen lasse. Gleichzeitig sprach sich Beckstein gegen Sonderregelungen zum Bundeswehreinsatz aus: "Wir dürfen in diesem Bereich nicht mit übergesetzlichen Notstandsregeln arbeiten." Die elektronische Fußfessel ist auch Thema der Tagung Sicherheit in der Forensik III[3], auf der sich Techniker in der kommenden Woche mit Problemen des Maßregelvollzuges beschäftigen.

Links in diesem Artikel:
  [1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/67817/
  [2] http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe/newsausgabe.htm?id=23647
  [3] http://www.vfs-hh.de/pdfs2006/Forensik_Flyer2.pdf

[  heise.de





16. January 2006
BKA-Präsident fordert erweiterte Befugnisse zur Fußball-WM

In einem Interview mit dem Südwestfunk hat BKA[1]-Präsident Jörg Ziercke in Hinblick auf die Fußball-WM erweiterte Befugnisse für das Bundeskriminalamt gefordert. Es müsse für das BKA möglich sein, Informationen aus dem Ausland zu überprüfen und selbst einfache Befragungen oder Observationen durchzuführen, erklärte Ziercke. Außerdem solle das BKA die Möglichkeiten bekommen, selbst so genannte Gefährder in die zentrale Gefährder-Datei einzupflegen. Dies ist bislang Sache der Länder. Zur Fußball-Weltmeisterschaft fungiert das BKA als Koordinationsstelle[2] mit dem Ausland und ist für die Einrichtung des zentralen Lagezentrums verantwortlich. Der direkten Aktion von BKA-Beamten sind jedoch Grenzen gesetzt. Nach dem BKA-Gesetz können die Ermittler nur in Fällen von terroristischen Vereinigungen selbstständig tätig werden. In anderen Fällen brauchen sie einen Ermittlungsauftrag durch den Generalbundesanwalt. Für die WM möchte das BKA, das mit neuer Technik[3] auftrumpft, eigenständig als Task Force agieren können.

Bei der Gefährder-Datei geben die Polizeibehörden der Länder Daten der Personen ein, die sie als Gefährder betrachten. Hier hat das BKA Zugriff auf die Daten, kann aber selbst keine Gefährder einstellen. Eintragen könnte das BKA Informationen, die aus den Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes oder des Verfassungsschutzes stammen. Sie werden gemäß der gesetzlichen strikten Trennung von Geheimdienst und Polizeiarbeit separat geführt. Diese Trennung hatte Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, bereits vor Jahren beklagt, als er sich beschwerte[4], dass Dateien auf CD so lange im Auto herumgefahren werden müssten, bis alle Behörden aktualisiert seien.

[  Zu Technik und Datenschutz bei der Fußball-WM 2006 weitere Links am Ende des Artikels auf heise.de


Bundeskriminalamt
BKA-Präsident fordert Geheimdienst-Befugnisse für seine Behörde

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, fordert mehr Befugnisse für seine Behörde im sogenannten Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Es müsse möglich sein, dass Informationen aus dem Ausland "auch durch das BKA selbst auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft" und eine "einfache Befragung oder Observation" durchgeführt werden können, sagte Ziercke am Samstag im Interview der Woche des Südwestrundfunks (SWR). Nach den Erfahrungen mit der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) der Nazis sieht das Grundgesetz eine Trennung von Polizei- und Geheimdienstaufgaben vor, so dass für Zierckes Wünsche dieses Trennungsgebot aufgehoben werden müsste.

Jede kleine Polizeistelle dürfe das heute schon, das BKA aber bisher nicht. Auch gehe es darum, bestimmte Menschen, die als so genannte "Gefährder" klassifiziert würden, von Seiten des BKA selber einzustufen. Bisher könnten nur die Länder diese Einstufung vornehmen. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft wird das Bundeskriminalamt laut Ziercke eine Zentralstellenfunktion wahrnehmen, alle Gefährdungshinweise aus dem Ausland bündeln und an die Landeskriminalämter weiterleiten. Man habe auch eigene Verbindungsbeamte zu ausländischen Fußballnationalmannschaften und bilde solche Beamte selber aus, so Ziercke. Es gehe darum, "der geringen Anzahl gewalttätiger Hooligans keine Chance zu geben, die Gewalt in Deutschland auszutragen". Großereignisse wie die Flussball-WM seien immer auch ein Ziel von Terroristen, warnte der BKA-Chef. Für Deutschland gebe es aber derzeit keine konkreten Hinweise für eine Bedrohung. Dennoch "müsse man aufmerksam sein und sich sorgfältig vorbereiten" und zudem alle Informationen entgegennehmen, die auf Gefahren hindeuten könnten, um sie im Vorfeld abzuwehren.

Zur Debatte rund um den Einsatz der Bundeswehr während der WM sagte Ziercke: "Es geht hier ausschließlich um die Frage, ob in einer angespannten Sicherheitssituation, bei der die Länderpolizei möglicherweise am Rande ihrer Kraftreserven steht, ob in solchen Fällen und nur für den Objektschutz auch Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden sollen." Soldaten seien keine Polizisten, sagte der BKA-Chef und erst recht keine Kriminalisten.

Text unter Verwendung von Material von: ddp

[  ngo-online.de





16. January 2006
Demographischer Wandel
Der Knast als Altersheim

16. Januar 2006 Joachim B. hat das Zeug zu dem, was man gemeinhin einen rüstigen Rentner nennt. Dicht an dicht hängen an der Wand neben seinem Bett berühmte Gemälde, die er kleinformatig nachgemalt hat. Im Regal stehen juristische Nachschlagewerke, außerdem ist da Piwi, der Nymphensittich, dem B. das Sprechen beibringt.

„Wenn Sie ehrlich mit sich sind, daß Sie in Ihrem Leben versagt haben, dann müssen Sie doch was ändern.” Der freundliche Zweiundsechzigjährige redet so schnell und eindringlich, als habe er keine Zeit zu verlieren. Insgesamt liegen fast 25 Jahre Gefängnis wegen schweren Raubes hinter ihm. Jetzt ist er in der Sicherungsverwahrung der nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt Werl untergebracht. Die Aussichten? Nun ja.

Schlaganfall hinter Gittern

An diesem Donnerstag, an dem Joachim B. seine erste Therapiestunde absolvieren wird, um seine Entlassungschancen zu verbessern, steht ein klappriges Kerlchen mit grauen Bartstoppeln am Kinn in seiner Zelle in Werl und spricht von dem Elend, mit 72 Jahren im Knast zu sitzen. „Es ist ein himmelweiter Unterschied”, sagt Wilhelm H., sich an frühere Haftstrafen erinnernd, als er noch täglich Tennis spielte. Jetzt hat er einen Schlaganfall und einen Herzinfarkt gehabt, er ist zuckerkrank und sein Blutdruck viel zu hoch; „da ist jede Stunde hier grauenhaft”. Morgens, beim Aufstehen, wird H. schwindelig, abends, zum Einschlafen, braucht er eine Tablette. Außerdem quält ihn die Ungewißheit. Wieviel Zeit wird ihm bleiben, wenn er wieder draußen ist? Wie lange wird er dann noch leben?

Immer mehr Insassen über 60

Der demographische Wandel hat die Gefängnisse erreicht. Obwohl kernige junge Männer viel öfter straffällig werden als Tattergreise mit Rentenanspruch, wirkt sich der steigende Altersdurchschnitt der Gesellschaft aus: Hinter den stacheldrahtbewehrten Mauern der Haftanstalten verschieben sich die Verhältnisse, die Zahl der Senioren wächst. Wenn die Statistik für März 2003 insgesamt 1516 Gefangene ausweist, die die Sechzig überschritten hatten, sind das fast dreimal so viele wie 1994. Der Anteil der Altersgruppe „Sechzig Plus” hat sich in einer Dekade von 1,3 auf 2,4 Prozent erhöht. Und bei den Sicherungsverwahrten von Werl klettert jedes Jahr kommastellenweise das Durchschnittsalter nach oben - und damit die Zahl jener, die ihren Lebensabend im Knast verbringen werden. „Am Schluß”, sagt der Psychologe Werner Greve, „muß man sich die Frage der Sterbebegleitung stellen.”

Resozialisierung

Die Krise ist noch nicht da, aber sie kündigt sich an. „Wir könnten ein einziges Mal vorher darüber nachgedacht haben”, sagt Greve hoffnungsvoll, Professor an der Universität Hildesheim. Folgerichtig hat der Entwicklungspsychologe im vergangenen Herbst eine Fachtagung zu den Herausforderungen organisiert, die sich aus der Überalterung der Gesellschaft für den Strafvollzug ergeben werden. Denn was bedeutet eigentlich „Resozialisierung”, Zauberwort des Vollzugsauftrags, wenn die klassischen Instrumente Ausbildung und Beruf keine Rolle mehr spielen, weil jemand längst im Rentenalter ist? Was ist mit Sträflingen, die hinter Gittern alt geworden sind?

Ein Gefängnis nur für Ältere

Katharina Bennefeld-Kersten berichtet von einem Mann, der Suizid begehen wollte, als er im Alter von siebzig Jahren die Sicherungsverwahrung antreten sollte. „Es fiel ihm schwer, noch einen Sinn in seinem Leben zu finden”, sagt die langjährige Gefängnisdirektorin und ergänzt nach einer Pause: „Und mir fiel es schwer, ihm einen zu vermitteln.” Erste einschlägige Erfahrungen zum Thema stammen aus einem Gefängnis in einem Singener Wohngebiet, das auch eine Schule oder ein Altenheim beherbergen könnte, wenn da nicht die Gitter an den Fenstern wären. Hier, in einer Außenstelle des Justizvollzugsanstalt Konstanz, sind schon seit 1970 ausschließlich ältere Häftlinge untergebracht.

Kochkurse und Kraftsport

Nachdem das Eintrittsalter aus Mangel an geeigneten Kandidaten vorübergehend auf fünfzig Jahre gesenkt wurde, liegt es derzeit bei 62. Die Hälfte der Insassen sind Sexualstraftäter, der Rest sitzt wegen Gewalt- und Vermögensdelinquenz. Innerhalb des Hauses stehen alle Türen offen, ein kleiner Plausch im Hof über Prostatabeschwerden ist jederzeit gestattet. Das setzt voraus, daß die Häftlinge gemeinschaftsfähig sind. Aber mit wachsender Gebrechlichkeit läßt bekanntlich auch die Gefährlichkeit nach. Anstelle von Anti-Gewalt-Trainings werden in Singen Kochkurse angeboten, damit die Männer sich nach der Entlassung wenigstens ein Spiegelei braten können. Und wenn die Inhaftierten anderswo von überschüssiger Energie getrieben in die Kraftsporträume drängen, werden sie hier animiert, sich trotz Übergewicht doch wenigstens zum Lauftreff aufzuraffen.

Angepaßt und kooperativ

„Man muß sich mehr Zeit und Geduld nehmen”, resümiert Anstaltsleiter Peter Rennhak die Erfahrungen der in Deutschland einmaligen Einrichtung. Die Insassen schätzen angeblich die größere Ruhe. Ob aber altersspezifische Einrichtungen die angemessene Antwort auf die Gefängnisdemographie der Zukunft sind, ist noch umstritten. Niedersachsen hat vage Pläne für einen Seniorenknast nach einer Umfrage bei Anstaltsleitern wieder auf Eis gelegt. Abgesehen von der Tatsache, daß die Fallzahlen noch zu klein sind, gelten ältere Menschen im Gefängnis als bequeme Gruppe: angepaßt und kooperativ.

„Besser wie Harzt IV”

Ferdinand A. sagt sogar: „Ich muß mit jungen Leuten zusammensein.” Eine Schippe, zwei Besen, ein alter Mann und ein akkurat gepflegter Hof in Werl: Für einen Moment unterbricht A. die Arbeit, um über seine Altersgenossen zu schimpfen: „Irgendwas tut einem jeden Tag weh. Das muß man überspielen.” A. ist mit knapp 73 Jahren der älteste Insasse der Anstalt, ein Großvatertyp mit faltigem Gesicht und fröhlichen Augen, der im Vollrausch einen Saufkumpan erschlagen hat. Eine Aussetzung seiner Reststrafe zur Bewährung hat er abgelehnt. Werl sei zwar kein Hotelbetrieb, sagt A., aber die Männerwohnheime draußen seien garantiert schlechter: „Im Knast ist doch besser wie Hartz IV.”

Kuchen und Softpornos

Man kann sich einrichten im Gefängnis, und wenn hinter Gittern Jahrzehnte verstreichen, ohne daß es einen Entlassungstermin gibt, schlägt die Haltung manchmal um. Dann trägt nicht mehr die Hoffnung auf Freiheit durch die Monotonie des Knastalltags, wie der Werler Anstaltsleiter Michael Skirl beobachtet hat. Gerade die Sicherheitsverwahrten zögen sich zunehmend auf den Kosmos innerhalb der Mauern zurück. Vollzugslockerungen? Ausflüge nach draußen? Therapien, um die eigene Gefährlichkeitsprognose günstig zu beeinflussen? Die Resignierten winken ab. Sie wollen einfach ihre Ruhe haben, ein wenig arbeiten, gelegentlich einen Kuchen backen und abends auf dem Flachbildschirm in ihrer zur Puppenstube ausstaffierten Einzelzelle einen Softporno gucken.

Das Leben noch Leben nennen

Die Anstalt sieht sich einem völlig neuen Auftrag gegenüber. „Wie kann das Leben hier drinnen eine Qualität kriegen, daß man es noch Leben nennen kann?” fragt der evangelische Gefängnispfarrer Rolf Stieber. Skirl überlegt, den Sicherheitsverwahrten eigene Schrebergärten zur Verfügung zu stellen oder die Kleintierzucht zu erlauben. Und dann passiert es plötzlich, daß jemand im Gefängnis stirbt. Die Rechtsprechung schließt solche Fälle eigentlich aus, wenigstens im Angesicht des Todes soll theoretisch eine Verlegung in Freiheit, eine Begnadigung möglich sein. Aber unter anderem wegen der besseren medizinischen Versorgung in Gefängniskrankenhäusern und -pflegestationen verschiebt sich dieser Zeitpunkt immer weiter nach hinten - bis es womöglich zu spät ist.

Lebensende in Unfreiheit

Vergangenen Mai ist in Werl ein Sicherungsverwahrter an Lungenkrebs gestorben. Monatelang hatte er seinen Kollegen ihren ganz persönlichen Albtraum vor Augen geführt: ein Leben, das in Unfreiheit zu Ende geht. Dabei hatte der Kranke diesen Weg zunächst bewußt gewählt. Wenn es nach jahrelanger Haft nirgendwo mehr Angehörige gibt, wird womöglich die Anstalt zu dem Platz, um im Kreise einer Art Familie zu sterben, quasi daheim, wie sich das jeder wünscht. Paradoxerweise, sagt Skirl, verwandele sich das Gefängnis als System totaler Fremdbestimmung in diesem Moment in einen Ort der Selbstbestimmung.

Trauerfeier in der Anstaltskirche

„Wir wollen, daß das kippt”, sagt Skirl, mit allen Konsequenzen: Für den Lungenkrebskranken fand erstmalig eine Trauerfeier in der Anstaltskirche statt. Die bewegten Insassen sammelten Spenden, um ihrem Kumpel ein ordentliches Grab zu finanzieren. Hobbymaler Joachim B. schüttelt sich bei dem bloßen Gedanken an den Tod. „Da darf ich mich gar nicht mit beschäftigen”, sagt er und redet eilig weiter davon, daß er seinem Leben eine neue Richtung geben will. Mitunter ist das Alter eine Chance: B. hat sein störrisches Rebellentum von einst hinter sich gelassen, sein Geld steckt er nicht mehr in Markenschuhe und teure Baßboxen, er spart für die Zukunft. „Ich möchte da nicht wohnen”, sagt er über seine gemäldegeschmückte Zelle. „Ich fühl' mich da nicht zu Hause. Und ich möchte da nicht sterben.”

Wunsch nach Modellversuchen

Die Gefängnisse werden sich trotzdem ändern müssen. Wissenschaftler Greve regt eine länderübergreifende Arbeitsgruppe an, um Modellversuche vorzubereiten. Praktikerin Bennefeld-Kersten empfiehlt Seniorenbeiräte hinter Gittern. Und Anstaltsleiter Skirl verspricht schulterzuckend, sich beizeiten ein geriatrisches Lehrbuch anzuschaffen - „wenn das gewollt ist von der Gesellschaft”. Denn die demographische Entwicklung hat auch politische Ursachen.

Fachleute sind sich einig, daß de facto härtere und längere Strafen, der Ausbau der Sicherungsverwahrung und die stetig wachsenden Hürden auf dem Weg zur Entlassung zwar dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung tragen mögen, angesichts der realen Kriminalitätsentwicklung aber völlig übertrieben sind. Auch der steigende Altersdurchschnitt im Knast ist letztlich Teil der ewigen alten Frage, wieviel Risiko eine Gesellschaft zu tolerieren bereit ist. Skirl sagt: „Wenn es gelänge, die künftige Kriminalpolitik wieder auf eine rationale Grundlage zu stellen, dann wäre viel gewonnen.”

[  faz.net





15. January 2006
JVA Lauerhof soll wachsen: Der Knast braucht mehr Platz

Lübeck - Das Gefängnis in Lübeck ist chronisch überbelegt. Möglicherweise werden jetzt sogar die Knastmauern verlegt, um Platz für einen Neubau auf dem JVA-Areal zu schaffen.

Das Justizministerium in Kiel erwägt die Erweiterung der Justizvollzugsanstalt Lauerhof. "Es wird die Errichtung eines weiteren Hafthauses auf landeseigenen Freiflächen im südlichen Bereich der JVA Lübeck geprüft", heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Grünen-Fraktionschefin Anne Lütkes. Bisher war vorgesehen, das Haus D, das der Unterbringung der Untersuchungshäftlinge dient, um einen Anbau zu erweitern. Damit wäre innerhalb der bestehenden Anstaltsmauern gebaut worden. Nun aber sollen die zusätzlichen Haftplätze an anderer Stelle entstehen, wie das Ministerium erklärt. Zugleich soll die Anstaltsmauer im Norden verlegt werden.

"Es gibt Überlegungen, aber eine Entscheidung ist noch nicht getroffen", bestätigt Lübecks Anstaltsleiter Peter Brandewiede, der die Fortschreibung des Modernisierungsprogramms durchaus begrüßt. In den vergangenen Jahren wurde in Lauerhof eine neue Sozialtherapie und der Frauenvollzug neu errichtet. In diesem Jahr steht zudem die Einweihung eines neuen F-Hauses an, ein hochmodernes Multifunktionsgebäude. Im Erdgeschoss wird künftig der Hochsicherheitstrakt der JVA Platz finden. In zwölf besonders gesicherten und überwachten Einzelzellen sollen künftig besonders gefährliche Gewaltverbrecher verwahrt werden. Insgesamt wurden in die Um- und Neubauprojekte auf dem Gelände der im Volksmund "Lauerhof" genannten JVA in den vergangenen fünf Jahren mehr als 16 Millionen Euro investiert. Hintergrund für sämtliche bauliche Aktivitäten in der JVA sei die chronische Überbelegung der Anstalt, so Brandewiede. Zudem habe die Unterbringung in Gebäuden, die teilweise aus den Anfängen des vorigen Jahrhunderts stammen, nichts mit modernem Strafvollzug zu tun.

Nach Auskunft von Ministeriumssprecher Herbert Schnelle wird derzeit die Situation aller Haftanstalten im Land überprüft. "Geklärt werden muss, ob wir die Plätze in Lübeck brauchen", so Schnelle. Ein zentrales Hafthaus für Schleswig-Holstein ist nicht geplant. Sicher ist aber, dass sich die Zahl der Gefangenen im Land unverändert auf hohem Niveau bewegt. 1531 Menschen saßen Ende Dezember in den Haftanstalten ein, davon rund 540 in Lübeck - 479 Männer und 60 Frauen. Laut Brandewiede werde sich selbst durch einen zusätzlichen Neubau die beengte räumliche Situation in Lauerhof mittelfristig nicht ändern. Schließlich müssten in der Folge bestehende Gebäude saniert werden.

Bei seinem Antrittsbesuch in der JVA Lübeck hatte Justizminister Uwe Döring (SPD) millionenschwere Investitionen versprochen. Danach sollten für acht Millionen Euro 60 neue Haftplätze geschaffen werden. Für weitere sechs Millionen Euro soll die Anstaltsmauer aufgerüstet werden - nach modernsten Sicherheitserkenntnissen und mit einem Vorfeldzaun. Weil dazu die Mauer verlegt werden muss, ist vorgesehen, eine Fläche im Norden der JVA anzukaufen. Dabei handelt es sich nach LN-Informationen um eine Freifläche rechts vom Anstaltseingang am Marliring, die zwischenzeitlich auch als Baustellenzufahrt diente.

[  ln-online.de





13. January 2006
Auf Schilys Spuren
Datenschutzbeauftragter von Innenminister als weltfremd bezeichnet

Der schleswig-holsteinische Innenminister weist die datenschutzrechtliche Kritik am neuen Polizeigesetz zurück und greift dabei auf die Rhetorik Otto Schilys zurück. Die argumentative Auseinandersetzung bleibt dabei auf der Strecke.[...]

[  heise.de

[  Zur Einführung des neuen Polizeirechts in Schleswig Holstein siehe auch hier





12.January 2005
Schleswig-Holsteins Datenschützer kritisieren Entwurf für neues Polizeirecht

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein kritisiert den Entwurf der Landesregierung für ein neues Polizeirecht. Er werde einigen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht, schreibt es in seiner nun erschienenen ausführlichen Stellungnahme[1]. Auch genüge der Entwurf nicht den Forderungen[2] des Bundesverfassungsgerichtes an den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei heimlichen polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen.

Die Datenschützer stoßen sich beispielsweise an geplanten Befugnissen der Polizei, wonach teilweise voraussetzungslos jeder kontrolliert werden könne. Diese verletzten das Recht jedes Menschen, vom Staat grundsätzlich in Ruhe gelassen zu werden. "Mit der akustischen Überwachung des öffentlichen Raumes oder dem Abgleich aller PKW-Kennzeichen-Schilder werden z.B. Eingriffsbefugnisse eingeräumt, die mit der klassischen Aufgabe der Polizei, konkrete Gefahren abzuwehren, nichts mehr zu tun haben", heißt es weiter.

Auch könne die Gesetzesnovelle nicht im Interesse der Polizei sein, denn statt einfacher und klarer Regelungen würden auslegungsbedürftige, unklare Begriffe und unübersichtliche Verweisungen benutzt. "Dadurch, dass der Entwurf die vorrangige Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Strafverfahren und für das Steuerrecht missachtet, macht sich das Gesetz zusätzlich verfassungsrechtlich angreifbar." So empfehlen die Datenschützer, wenigstens Abstand zu nehmen von Bild und Tonaufzeichnungen im öffentlichen Raum, der Kfz-Kennzeichenüberwachung, Telefon- und sonstiger Telekommunikationsüberwachung, der Erweiterung der Datenerhebungsbefugnis, Schleierfahndung und Erweiterung der Identitätsfeststellung und von der Aufhebung der Zweckbindung bei Steuerdaten.

Datenschützer und Wirtschaftsverbände hatten bereits im vergangenen November vor der Verabschiedung neuer Überwachungsklauseln in Schleswig Holstein, aber auch in Bayern gewarnt[3]. In beiden Ländern planen maßgebliche Politiker deutliche Verschärfungen der bestehenden Rechtslage.

[  heise.de

Links in diesem Artikel:

  [1] http://www.datenschutzzentrum.de/polizei/stellungnahme-lvwg.htm
  [2] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/62162
  [3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/65736



[  Stellungnahme zum Gesetzesentwurf
   zur Anpassung der gefahrenabwehrrechtlichen und verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen des LVwG
   vom datenschutzzentrum

[  Materialsammlungzur Novellierung des Polizeirechts
   Der Entwurf der Landesregierung für ein neues Polizeirecht steht der Öffentlichkeit
   bislang leider nicht zur Verfügung.Gleichwohl finden Sie hier Materialien zur Debatte um den Gesetzentwurf.





11 January 2006
Germany: politicians urge army’s deployment for World Cup

By Justus Leicht

Prominent politicians from the Christian Democratic Union (CDU) and Christian Social Union (CSU) are urging deployment of the German army during the World Cup finals being held this summer in Germany. To achieve this aim, they are demanding that the German constitution be amended to remove stipulations that restrict the use of the military for domestic security.

Interior Minister Wolfgang Schäuble (CDU), who for many years has sought to legalize the deployment of the army inside Germany, has seized the opportunity of the world soccer championship for a new offensive. Last month, he argued that “under unusual circumstances” the German army should be employed to back up the police. His position was echoed in remarks made by his Bavarian colleague, Günter Beckstein (CSU), who went so far as to warn that the World Cup would be endangered if the German army was not able to intervene. He intimated that such an intervention may be necessary in connection with a heightened “threat of terror”—but was unable to provide any evidence of such a threat.

Both Schäuble and Beckstein insisted that they did not want to place tanks inside sports stadiums but, in the words of the CSU expert for domestic affairs Stephan Mayer, there should be no “mind gag” over what might be done. Other conservative politicians have suggested that soldiers should be given the job of “protecting property,” for example, airports and the external borders of Germany. Schäuble had originally expressed his wish that the German army also guard football stadiums and team accommodations. Germany’s police trade union rejected the suggestions, arguing that soldiers are not trained for police tasks. Defense Secretary Franz Josef Jung (CDU) expressed himself in similar fashion. At the same time, however, Jung supported the proposal that lies at the heart of the debate; i.e., changing the German constitution to allow the domestic deployment of German troops.

Jung proposed waiting for a decision due this spring by the Federal Constitutional Court on the issue of air security legislation and then changing the constitution accordingly. “We have agreed in coalition negotiations [with the Social Democratic Party, SPD ] that we will then see where legal changes are necessary, also perhaps constitutional clarifications.” There is already agreement on the use of the German armed forces in disasters—something which is practiced during natural catastrophes. Bavarian Interior Minister Beckstein voiced confidence that the SPD would agree to a change in Germany’s constitution and indicated that there is already “relatively substantial agreement.” Beckstein told the Stuttgarter Zeitung that there had already been a “nod towards an agreement” by the SPD that the army should be used for every “disturbance that has the character of a disaster.” It was his impression that the SPD was also willing to negotiate over the issue of the army’s deployment in the face of a “threatened security disaster.”

Some SPD politicians declared their outrage at the suggestions made by Schäuble and Beckstein. That such indignation is not to be taken seriously, however, was made clear by an interview given to Die Welt by the social-democratic chairman of the parliamentary interior committee, Sebastian Edathy. Edathy accuses the conservative union parties of seeking a “militarization of internal security” and expressed his uncompromising opposition to the domestic deployment of the German army. At the end of the interview, however, he expressed his support for changing the constitution to allow the army to take over the tasks of the police when it is required for “preventing a particularly serious accident.” This is in fact the same line of argument used by Schäuble and Beckstein, who declare that, in the case of large gatherings or particularly important buildings, there is an extra danger of disasters or severe accidents arising from terrorist attacks, which can only be combated by mobilizing military forces.

Following widespread public criticism of Schäuble’s proposals, a new initiative is being launched over the use of AWACS (Airborne Warning and Control System) reconnaissance planes. The radar system inside the Boeing jet, which flies at a height of 9 km, carries out surveillance of all movements on the ground and in the surrounding air space, sending its data directly to ground-based operations centers. Schäuble has made a formal request to the Ministry of Defense for the deployment of such aircraft, which are under NATO command. The SPD and the Greens have already indicated their support for the use of such planes during the football championship. “This is self evident. With AWACS aircraft, the German army can supervise airspace and provide logistical aid,” explained the SPD speaker on domestic affairs, Dieter Wiefelspütz.

Schäuble evidently has learned from his experiences in the 1990s. At that time, the international deployment of the German army was just as controversial as its domestic deployment today. Then, the Green Party and some layers in the SPD had their doubts. The breakthrough came with the use of German military in AWACS flights over the Adriatic Sea, supervising the UN blockade of Serbia and Montenegro. It was argued, that this “merely” involved the deployment of a few personnel for the purpose of air surveillance. However, when the SPD and the Greens signaled their agreement to this operation, the first and most significant barrier had been breached, and within a short period the German army developed an international military presence. Today German troops are active in Bosnia, Kosovo, Afghanistan and many other parts of the world. In similar fashion, the deployment of German troops at the World Cup, so fervently urged by ruling circles, is aimed at systematically accustoming the German public to the sight of soldiers being used against civilians in a domestic context.

[  wsws.org

Schäuble und Beckstein wollen Bundeswehreinsatz bei Fußball-WM

Führende Politiker von CDU und CSU wollen die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland nutzen, um die Bundeswehr im Innern einzusetzen und das Grundgesetz entsprechend zu ändern. Dieses legt die Innere Sicherheit bislang grundsätzlich als Aufgabe der Polizei fest.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich seit vielen Jahren darum bemüht, den Einsatz der Armee im Innern zu legalisieren, hat die Fußball-Weltmeisterschaft zum Anlass für einen neuen Vorstoß in diese Richtung genommen. Bereits Mitte Dezember trat er dafür ein, die Polizei "unter außergewöhnlichen Umständen" durch den Einsatz der Bundeswehr zu entlasten.[...]

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06. January 2006
Jobcenter verheimlicht Terrorprüfungen

Die Behörden checken auch weiterhin, ob Arbeitslosengeld-Empfänger auf einer UN-Terrorverdachtsliste stehen. Allerdings informieren sie die Betroffenen in Zukunft nicht mehr darüber. Die Grünen halten diese Prüfpraxis für grundgesetzwidrig

Empfänger von Arbeitslosengeld II, die unter Terrorverdacht geraten, sollen in Zukunft überprüft werden, ohne dass sie davon etwas erfahren. Das sagte Dietmar Jarkow gestern der taz, der Geschäftsführer des Jobcenters in Neukölln. Sein Jobcenter hatte auch Mohammed H. betreut, durch dessen Fall die Überprüfungspraktiken der Job-Center publik wurden (taz berichtete).

Der 26-jährige Deutsche hatte über Monate keine Leistungen erhalten, weil sein Name angeblich auf einer Terrorverdächtigen-Liste der Vereinten Nationen stand. Hintergrund ist eine EU-Verordnung, nach der Finanzsanktionen gegen Personen und Organisationen verhängt werden, gegen die die Vereinten Nationen einen Terrorverdacht hegen. Die Verordnung schreibt vor, alle Gelder, Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen von Personen einzufrieren, "die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen, sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern."

Die Banken überprüfen mit einer speziellen Software, ob in Finanztransaktionen Namen von Verdächtigen aus der UN-Liste auftauchen. Handelt es sich dabei um Empfänger von Arbeitslosengeld I oder II, informieren sie die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Die gibt den Namen des Hilfeempfängers dann an die örtliche Arbeitsagentur und das zuständige Jobcenter weiter. Während die Betroffenen bisher über die Überprüfung ihrer Person als so genannte Embargo-Verdachtsfälle und die damit verbundene Einstellung der Zahlungen an sie schriftlich informiert wurden, soll der "Terror-Check" künftig ohne Wissen der Verdächtigten stattfinden.

Um festzustellen, ob es sich bei dem verdächtigten Arbeitslosengeldempfänger tatsächlich um die auf der UN-Liste aufgeführte Person handelt, übermittelt das örtliche Jobcenter Informationen wie Geburtsdatum oder -ort des Betroffenen an die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Wer dann die klärende Identitätsprüfung vornimmt, ist bei den zuständigen Behörden anscheinend nicht geklärt. Der EU-Verordnung zufolge ist dafür die Bundesbank zuständig. Die teilt auf Anfrage allerdings mit, die Arbeitsagentur selber überprüfe die Identität der Verdächtigen. Nach deren Auskunft wiederum sind es die beteiligten Banken, die die Überprüfung vornehmen - im Falle der Zustellung von Arbeitslosengeld ist das in erster Linie die Postbank.

Die will sich zu ihrer Prüfungspraxis nicht äußern. Man folge den gesetzlichen Bestimmungen, teilt die Postbank-Pressestelle mit. Die allerdings legen ganz klar fest, dass die Überprüfung der Embargomaßnahmen von einer Behörde durchgeführt werden muss. Dass private Unternehmen wie die Postbank solche Ermittlertätigkeiten übernehmen, hält auch der Grüne Bundestagsabgeordnete und Rechtsexperte Wolfgang Wieland für nicht korrekt. Derartige Überprüfungen seien staatliche Aufgaben, so Wieland. Als Skandal betrachtet er außerdem, dass Betroffenen kein Rechtsweg offen stünde, gegen die Verdächtigungen oder auch gegen die tatsächliche Aufnahme auf die UN-Liste vorzugehen. "Das Grundgesetz schreibt aber solche Klagemöglichkeiten vor", so Wieland. Er ist deshalb der Ansicht, "dass diese Überprüfungen nicht weiter praktiziert werden dürfen".

Auch das Auswärtige Amt kritisiert die derzeitige Praxis. Zu den Kritikpunkten gehören dabei die unklare legale Basis der Beschlüsse über eine Aufnahme auf die Liste sowie die Tatsache, dass Personen, die auf die Terrorverdächtigen-Liste aufgenommen werden, weder darüber informiert noch dazu selbst angehört werden. Zu den Ergebnissen eines 2003 gemeinsam mit Schweden durchgeführten Workshops der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der UN gehört deshalb unter anderem die Forderung, eine Art Ombudsmann zu installieren, an den sich Betroffene wenden können. Auch der Rechtsschutz von Opfern von Namensverwechslungen wie dem Neuköllner Mohamed H. soll so verbessert werden. Derzeit bereitet das Auswärtige Amt eine Studie sowie ein weiteres Seminar zu den UN-Terrorverdachtslisten vor.

[  taz.de





06. January 2006
Fußball-WM: Sicherheitspolitische Höhenflüge in der Kritik

Der Berliner Datenschützer Alexander Dix hält die Überprüfung von Beschäftigten im Umfeld der WM-Stadien für sehr bedenklich und überzogen. Dies erklärte Dix gegenüber dem Berliner Tagesspiegel[1]. Während Bewerber bei einem polizeilichen Führungszeugnis die Möglichkeit haben, die Angaben zu prüfen, gebe es keinerlei Möglichkeiten, bei Verfassungsschutzanfragen eine Gegenprüfung zu machen, wenn beispielsweise auch Propagandadelikte herangezogen werden wie die Verteilung von politischen Flugblättern. Gegen die Darstellung von Dix argumentierte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums: "Wer vor 20 Jahren in einer WG mit jemandem wohnte, der später Terrorist wurde, wird nicht automatisch ausgesiebt." Beim WM-Probelauf Confederations Cup[2] habe es bei einer fünfstelligen Zahl von Überprüften gerade ein bis zwei Ablehnungen gegeben. Das Fehlen jeglicher Widerspruchsmöglichkeit wurde in der Zeitung auch von Wolfgang Wieland, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für innere Sicherheit, kritisiert. "Die Menschen haben das Recht zu erfahren, wieso sie als potenzielle Bombenleger eingestuft werden."

Bei der Fußball-WM werden nach einer Prognose des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK) im Umfeld der WM-Stadien bis zu 60.000 Arbeitsplätze geschaffen, von denen allerdings nur ein Drittel langfristige Arbeit garantieren. Bei etwa 40.000 Kurzzeitarbeitsplätzen in und um die Stadien (Ordnungskräfte, Catering usw.) ist nach Einschätzung der WM-Stabsstelle beim Bundesinnenministerium eine Sicherheitsüberprüfung in Form einer Datenbankabfrage notwendig. Auch die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und den Rettungsdiensten[3] werden überprüft, dazu die Transporteure, die Waren in die Nähe der Stadien oder der Mannschaftsquartiere bringen. Alle Transporte müssen 48 Stunden vorher telefonisch beim örtlichen Lagezentrum angemeldet und in einer Datenbank erfasst werden.

Auf Kritik sind auch Überlegungen von Bundesinnenminister Schäuble gestoßen, zur WM AWACS-Aufklärungsflugzeuge[4] über Deutschland patroullieren zu lassen. Im Verein mit Schäubles Forderung, die Bundeswehr zur Fußball-WM einzusetzen, sieht etwa die Linke.PDS[5] ein Horrorszenario kommen: "Tausende junger, schlecht ausgebildeter Rekruten mit scharfen Waffen patrouillieren in den Städten und kontrollieren jeden Rucksackträger, die Luftwaffe kreist über den Stadien und schießt alles ab, was zu nahe kommt, und im Hintergrund stehen die Panzer bereit." Entsprechend forderte Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion die Bundesregierung auf, dem Treiben von Innenminister Schäuble "ein Ende zu machen". (Detlef Borchers)

Links in diesem Artikel:

  [1] http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/06.01.2006/2275219.asp
  [2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/61251/
  [3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/65033/
  [4] http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=1167066
  [5] http://www.presseportal.de/story.htx?nr=770139

[  heise.de





4. January 2006
Jeder zehnte Häftling ist jünger als 21 Jahre

Derzeit sitzen in der Justizvollzugsanstalt Ossendorf 1074 Gefangene in 17 Hafthäusern ein. Während die Situation bei den männlichen Häftlingen laut Gefängnisleitung „relativ entspannt“ ist, seien die Frauenhafthäuser zu knapp 40 Prozent überbelegt. Etwa jeder zehnte Insasse ist ein jugendlicher oder heranwachsender männlicher Untersuchungshäftling. Nach einer Verurteilung verbüßen minderjährige Täter ihre Strafhaft zum Beispiel in Heinsberg oder Siegburg. Die JVA Köln ist die einzige in Nordrhein-Westfalen, in der weibliche Minderjährige ihre Strafhaft absitzen, derzeit sind es 61. (ts)

[  ksta.de





03. January 2006
Lassen sich deutsche Richter von den Medien beeinflussen?

Deutschlands Strafverteidiger haben ein vernichtendes Urteil über die Objektivität der Richter gefällt. Nach einer bundesweiten repräsentativen Umfrage von Wilmes Kommunikation (Agentur für Public Relations) sind 72,1 Prozent der befragten Strafverteidiger der Meinung, dass Berufsrichter sich bei ihrer Urteilsfindung von den Medien beeinflussen lassen.

Noch schlechter fällt das Ergebnis für die Staatsanwaltschaften aus: 83,9 Prozent der befragten Strafverteidiger sind der Meinung, dass der öffentliche Druck dazu führen kann, dass die Staatsanwaltschaft statt eines Strafbefehls Anklage erhebt und dem Beschuldigten nur deshalb der Prozess gemacht wird.

Sobald ein Ermittlungsverfahren öffentlich bekannt wird, beginnt für den Beschuldigten die Vorverurteilung. Dieser Meinung sind 85,6 Prozent der befragten Strafverteidiger.

Geschäftsführer Frank Wilmes: "Während die Staatsanwälte alle Tricks der Öffentlichkeitsarbeit beherrschen, sind die Anwälte kaum in der Lage, die Position ihres Mandanten ausreichend darzustellen. Sie verlassen sich auf das Gericht, das sich vielfach aber auch von der Öffentlichkeit beeinflussen lässt. Dieser Teufelskreis ist gefährlich für ein gerechtes Verfahren".

Wilmes Kommunikation hat 427 Fachanwälte für Strafrecht befragt. Es handelt sich hierbei um alle Mitglieder des Verbandes "Deutsche Strafverteidiger e.V." und Anwälte, die nicht Mitglied dieses Verbandes sind, aber in Deutschland zu den so genannten "Promianwälten" zählen. 114 Anwälte haben sich an dieser repräsentativen Umfrage beteiligt. Das sind 26,7 Prozent.

[  medienhandbuch.de





03. January 2006
Telefonüberwachung auch ohne Verdacht  

Seit Jahresbeginn gilt in Bayern neues Polizeiaufgabengesetz. 50000-Volt-Elektroschocks mit Tasern erlaubt. Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt   Auch ohne einen konkreten Verdacht auf eine Straftat darf die bayerische Polizei seit Jahresbeginn Telefone und Internetverkehr kontrollieren. Bislang war eine Überwachung nur möglich, wenn der Verdacht auf eine bereits begangene Straftat bestand. Das jetzt in Kraft getretene neue Polizeiaufgabengesetz erlaubt das Abhören von Telefonaten und Abfangen von E-Mails schon, wenn die Polizei die Planung einer schweren Straftat nur vermutet. Durch das Gesetz wird zudem die bisher bei der Einleitung von Abhörmaßnahmen mitentscheidende Staatsanwaltschaft umgangen. Jetzt kontrolliert ein Richter oder – bei Gefahr im Verzug – zunächst die Polizei allein die Abhörmaßnahme. In der Vergangenheit waren Lauschangriffe des öfteren am Einspruch der Staatsanwaltschaft gescheitert

Grenzen gesetzt

Geschützte Berufsgruppen wie Ärzte, Anwälte, Priester und Abgeordnete dürfen nicht abgehört werden. Die Betroffenen müssen zudem nach dem Ende der Maßnahme darüber informiert werden. Außerdem muß die Abhörmaßnahme ausgesetzt werden, wenn der Überwachte mit Familienangehörigen über private Angelegenheiten spricht. Wie dies technisch funktionieren soll, ist unklar. Ursprünglich sollte das Überwachungsgesetz schärfer ausfallen, doch nach Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes zum großen Lauschangriff und zum niedersächsischen Polizeigesetz, die der Überwachung Grenzen setzten, mußte die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag zurückrudern.

Während die Grünen Mitte Dezember im Landtag gegen die Novelle votierten, enthielten sich die SPD-Abgeordneten lediglich mehrheitlich der Stimme. Die Neuerungen seien nicht zwingend notwendig, eine präventive Telefonüberwachung aber bei der Suche nach Vermißten sinnvoll, hatte SPD-Rechtsexperte Franz Schindler die Stimmenthaltung begründet. Dagegen hat der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Klaus Hahnzog Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt. Das präventive Abhören von Telefonen aus unbestimmtem Anlaß verletze das in Artikel 10 des Grundgesetzes verankerte Grundrecht auf Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses, so der Jurist Hahnzog.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein hatte die Gesetzesnovelle damit begründet, so »terroristische Angriffe schon im Planungsstadium aufdecken zu können«. Doch bayerische Staatsanwälte und Richter hatten bei Expertenhearings im Landtag deutlich gemacht, daß eine Ausweitung der Abhörbefugnisse dafür nicht nötig sei. Schließlich ermöglichen bereits die bislang gültigen Gesetze im Bereich des Terrorismus und anderer schwerer Verbrechen das Abhören schon im Stadium der Verabredung.

Skeptisch gegenüber den Änderungen des Gesetzes ist auch die Gewerkschaft der Polizei. Zwar wurde die Ausweitung der Überwachungsbefugnisse ausdrücklich begrüßt. »Aber wir haben weder das Personal noch die Geräte, um die Maßnahmen durchführen zu können«, beklagte der bayerische Landesvorsitzende Harald Schneider.

Tote durch Taser

Angeblich zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität wurden am 1. Januar auch automatisierte Kennzeichenerkennungssysteme in Betrieb genommen, die an Autobahnen und Grenzübergängen sämtliche Autokennzeichen erfassen und mit dem Bestand im Fahndungscomputer vergleichen. Dabei sollen nur Kennzeichen, nach denen polizeilich gefahndet wird, gespeichert bleiben. »Eine flächendeckende und lückenlose Speicherung der überprüften Kennzeichen findet nicht statt«, verspricht das Innenministerium.

Eine weitere Neuerung im Polizeiaufgabengesetz betrifft den vorerst zeitlich befristeten Einsatz von Tasern durch Polizisten. Diese auf einer Distanz von fünf Metern einzusetzenden Schußwaffen sollen Angreifer durch einen Stromimpuls von 50000 Volt aus zwei Pfeilelektroden außer Gefecht setzen. Durch den Stromschlag erlahmen die Muskeln, der Getroffene geht zu Boden und kann überwältigt werden. Beckstein preist Taser als nichttödliche Alternative für Pistolen an. Doch die unter anderem bei der Polizei in Großbritannien, Frankreich und den USA verwendeten Taser umstritten. So zeigte Amnesty International rund hundert Todesfälle in Verbindung mit Tasern auf. Möglicherweise ist mit dem Einsatz von Tasern schon anläßlich der alljährlichen Proteste gegen die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar sowie zur Fußball-WM zu rechnen.

[  jungewelt.de





03. January 2006
Nur für Bundesbehörden
Informationsfreiheitsgesetz in Kraft getreten

Am 1. Januar ist das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG) in Kraft getreten. Damit erhält jeder ein Recht auf freien Zugang zu amtlichen Informationen der öffentlichen Stellen des Bundes. Dazu gehören neben den Ministerien unter anderem auch die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung und die bundesunmittelbaren Krankenkassen und Unfallversicherungsträger. Der Anspruch auf Informationszugang umfasst alle Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen, also sowohl Schriftstücke als auch Daten, die in Computersystemen gespeichert sind.

"Der Anspruch auf Informationszugang stärkt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und macht staatliches Handeln transparenter", sagte der Bundesdatenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragte Peter Schaar. Das Informationszugangsrecht biete zugleich der Verwaltung Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Bürgernähe und zur Modernisierung ihrer Arbeitsabläufe. Verschiedene Verbände hatten seit längerem ein Informationsfreiheitsgesetz gefordert. Journalisten und Wissenschaftlern kann es beispielsweise die Arbeit erleichtern. Auch die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International forderte ein solches Gesetz. Die dadurch mögliche öffentliche Kontrolle sei ein wirksames Mittel gegen Bestechung. Der Zugang kann durch Akteneinsicht bei der Behörde, Übersendung von Aktenauszügen als Kopie oder mündliche oder schriftliche Auskunft gewährt werden. Es reicht ein formloser Antrag bei der Behörde, die über die begehrte Information verfügt. Die gewünschten Informationen sind dem Antragsteller so schnell wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von vier Wochen zugänglich zu machen. Hierfür können die Behörden Kosten berechnen, die je nach Aufwand maximal 500 Euro betragen können. Einfache Auskunftsbegehren sind dagegen kostenlos.

Nur in Ausnahmefällen darf der Informationszugang ganz oder teilweise verweigert werden, etwa zum Schutz besonderer öffentlicher Belange (z.B. der inneren und äußeren Sicherheit oder der Durchführung von Gerichts- und Ermittlungsverfahren), personenbezogener Daten, des geistigen Eigentums oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Werden die gewünschten Informationen verwehrt, muss die öffentliche Stelle dies begründen. Gegen ablehnende Entscheidungen sind Widerspruch und Klage möglich. Die Behörden müssen Verzeichnisse der bei ihnen vorhandenen Informationen, Organisations- und Aktenpläne und andere geeignete Materialien in elektronischer Form allgemein zugänglich machen. Die Veröffentlichung erfolgt im allgemeinen im Rahmen der jeweiligen Web-Angebote. Das Bundesgesetz gilt allerdings nur für Bundesbehörden. Landes-Informationsfreiheitsgesetze gibt es bisher nur in wenigen Bundesländern. Jeder kann sich an den Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit wenden, wenn er sein Recht auf Informationszugang nach dem neuen Gesetz als verletzt ansieht. Diese neue Funktion hat jetzt auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz inne.

[  ngo-online.de





02. January 2006
Humanistische Union erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Abhörbefugnis des Zolls
Will Gesetz bis zur Entscheidung blockieren

Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, ein Journalist der 'Berliner Zeitung' und ein Rechtsanwalt haben Verfassungsbeschwerde gegen das zum Jahreswechsel in Kraft getretene "Zollfahndungsdienstgesetzes" erhoben. Damit wurde das Zollkriminalamt für weitere zwei Jahre ermächtigt, die Post und die Telekommunikation präventiv zu überwachen. Zugleich haben sie beantragt, das Gesetz bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nicht vollziehbar zu erklären.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die gängige Abhörpraxis am 3. März 2004 kritisiert und die Gesetzgeber aufgefordert, die Rechtsgrundlage zu konkretisieren. Dabei ging es generell um den "großen Lauschangriff" und damit implizit auch um den Zoll. Dazu erklärt Rechtsanwalt Dr. Fredrik Roggan, der zugleich stellvertretender Bundesvorsitzender der Humanistischen Union ist: "Es ist ein besonderer Vorgang, dass der Gesetzgeber ein Gesetz verabschiedet, das sich bewusst über Maßgaben aus Karlsruhe hinwegsetzt. Damit wird letztlich die grundgesetzliche Ordnung in Frage gestellt."

Die Beschwerdeführer rügen, dass das angegriffene Gesetz - wie auch die bis heute geltende Regelung - diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht einmal ansatzweise genüge. Auch werden bestimmte Berufsgruppen, etwa Geistliche, Rechtsanwälte und Ärzte nicht von einer Überwachung ausgenommen.

Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied im Innenausschuss, erklärte: "Die Klage ist logisch und konsequent. Bundestag und Bundesrat haben das vom Bundesverfassungsgericht monierte Zollfahndungsgesetz verlängert, anstatt es zu ändern. Das war ein Affront gegen 'Karlsruhe' und Bürgerrechte." Im Kern ginge es darum, ob der Zoll das Post- und Fernmelde-Geheimnis missachten und in die Privatsphäre der Bürger eindringen darf. (as)

[  internet.com

Humanistische Union erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Zollfahndungsdienstgesetz

31.12.2005

Mit Schriftsatz vom 31.12.2005 haben die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, ein Journalist der Berliner Zeitung sowie ein Rechtsanwalt, der auch Verfahrensbevollmächtigter vor dem Bundesverfassungsgericht ist, Verfassungsbeschwerde gegen das heute in Kraft getretene "Erste Gesetz zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes" vom 22.12.2005 erhoben. Zugleich haben sie beantragt, das Gesetz bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nicht vollziehbar zu erklären.

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die bewusste Missachtung des sog. "AWG-Beschlusses" des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004. In dieser Entscheidung hatte das Gericht in nicht interpretationsfähiger Weise verlangt, dass auch bei der Telefon- und Postüberwachung durch das Zollkriminalamt ein Kernbereich privater Lebensgestaltung unantastbar ist. Hierfür hatte das Gericht ursprünglich eine Frist bis zum 31.12.2004 gesetzt. Die Beschwerdeführer rügen, dass das angegriffene Gesetz - wie auch die bis heute geltende Regelung - diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht einmal ansatzweise genügt. Auch werden bestimmte Berufsgruppen, etwa Geistliche, Rechtsanwälte und Ärzte nicht von einer Überwachung ausgenommen.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird damit begründet, dass durch die Verabschiedung des angegriffenen Gesetzes eine Missachtung des einen Verfassungsorgans durch ein anderes deutlich wird. Dazu erklärt Rechtsanwalt Dr. Fredrik Roggan, Verfahrensbevollmächtigter der Beschwerdeführer und stellvertretender Bundesvorsitzender der Humanistischen Union: "Es ist ein besonderer Vorgang, dass der Gesetzgeber ein Gesetz verabschiedet, das sich bewusst über Maßgaben aus Karlsruhe hinwegsetzt. Damit fügt der Bundestag dem Ansehen des Verfassungsgerichts großen Schaden zu, denn er beschädigt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Verbindlichkeit der Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts. Damit wird letztlich die grundgesetzliche Ordnung in Frage gestellt."

Zum Hintergrund:

"Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden."
§ 31 Absatz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes

Rückfragen an:

Martina Kant (Bundesgeschäftsführerin) oder Dr. Fredrik Roggan

Tel.: (030) 204 502 56

E-Mail: info@humanistische-union.de

[  humanistische-union.de





02. January 2006
"Bayern will den Rechtsstaat light"

Mit seinem neuen Polizeigesetz ermöglicht der Freistaat das vorbeugende Abhören von Telefonen ohne Verdacht auf eine konkrete Straftat. Der SPD-Politiker und Rechtsexperte Klaus Hahnzog will dagegen beim Bundesverfassungsgericht klagen

INTERVIEW MAX HÄGLER

taz: Herr Hahnzog, sie werden in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) einreichen, das gestern in Kraft getreten ist. Warum?

Klaus Hahnzog: Weil die Polizei danach auch aus unbestimmtem Anlass Telefone präventiv abhören kann. Damit wird das Grundrecht auf Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses verletzt, das aus Artikel 10 des Grundgesetzes hervorgeht.

Es gab bereits zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu sehr ähnlichen Fällen. Zuletzt wurde im Juli 2004 ein niedersächsisches Gesetz gestoppt. Reichen diese Entscheidungen nicht aus?

Wenn die bayerische Staatsregierung klug gewesen wäre, hätte sie das Gesetz zurückgezogen, vor allem mit Blick auf das Niedersachsen-Urteil. Sie meint aber, mit allerlei kosmetischen Änderungen dieses Urteil umgehen zu können. Der bayerische Innenminister möchte mit dem Gesetz ganz konkret Terroristen und Kinderschänder noch vor ihrer Tatausführung erwischen. Das klingt doch redlich. In den zwei Experten-Hearings im Landtag haben bayerische Staatsanwälte und Richter klar gesagt: Wir brauchen das nicht. Denn gerade im Bereich des Terrorismus und anderer Verbrechen ist der Begriff der Strafbarkeit bereits umfassend - und ermöglicht Abhören etwa bereits im Stadium der Verabredung.

Was ist dann der Grund für das Gesetz, wenn die präventive Terrorismusabwehr bereits jetzt gewährleistet ist?

Der Wunsch, der hinter dem Gesetz steht, ist das Ausschalten der Staatsanwaltschaft, die bisher stets über Abhörmaßnahmen mitentscheidet - und durchaus oft ablehnt. Die deutsche Staatsanwaltschaft wird nicht umsonst die objektivste Behörde der Welt genannt, sie stellt die Hälfte aller Verfahren ein. Die bayerische Staatsregierung und die CSU wollen eben einen Rechtsstaat light, der die Anwendung der bereits bestehenden Möglichkeiten vereinfacht.

Wer ist noch an der Kontrolle der Abhöraktionen beteiligt?

Nur noch der Richter, und wenn Gefahr im Verzug ist, kann die Polizei fürs Erste auch ganz allein abhören. Das klingt rechtsstaatlich, aber wir kennen die Zahlen von der bisherigen repressiven Überwachung: Knapp 30.000 Abhörfälle in Deutschland mit insgesamt mindestens einer Million einzelnen Gesprächen gibt es jährlich. Und jetzt soll noch mehr abgehört werden - das kann nicht rechtsstaatlich sein. Die Freiheit stirbt zentimeterweise: In den letzten Jahren hat sich der Paragraf 100 der Strafprozessordnung bis auf Paragraph 100i gedehnt, weil immer neue Möglichkeiten eingebaut wurden. Wir müssen die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit beachten. Viele Bürger geben aber der Sicherheit den Vorzug. Sie sagen: Ich bin unbescholten, mir kann es egal sein, ob mich die Polizei abhört.

Wenn viele Informationen gesammelt werden, kann auch der unschuldige Bürger negative Folgen zu spüren bekommen. Ein Beispiel ist die ehemalige bayerische Familienministerin Barbara Stamm: Vor einer Wahl wurde versucht, ihr einen Skandal anzuhängen, weil sie im Kriminalaktennachweis verzeichnet ist. Die Information hatten wohl innerparteiliche Gegner der Presse gesteckt - und sie war auch richtig. Ein Arbeitsloser hatte sie wegen Rechtsbeugung angezeigt, diese Strafanzeige kam dann in das Register. Der Fall wurde eingestellt, die Information aber versehentlich nicht aus der Datenbank gelöscht. Aber es geht nicht nur um die verfassungsmäßig geschützte Privatheit. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass die unbefangene Kommunikationsfreiheit zu den Grundlagen der Demokratie gehört.

[  taz.de





2. January 2006
JVA nicht mehr zu 100 Prozent belegt
Dieter Münzebrock nennt dem CDU-Stadtverband aktuelle Zahlen zu Belegung und Arbeitsmarkt

WOLFENBÜTTEL. "Erstmals seit 1988 ist die Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel nicht zu 100 Prozent ausgelastet." Das berichtete der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA), Dieter Münzebrock, Vorstandsmitgliedern des CDU-Stadtverbandes, die die Einrichtung Silvester besuchten. Viele Gefangene seien in die neue JVA nach Sehnde gebraucht worden. "Das hat uns große Entlastung gebracht", so Münzebrock weiter. In der Vergangenheit sei die JVA Wolfenbüttel mit einer Überbelegung von bis zu 130 Prozent belastet gewesen. Allerdings sei die neue Anstalt in Sehnde auch schon wieder voll belegt. Weiter berichtete der Leiter der JVA, dass in den Jahren 2004 und 2005 alle Dienststellen-Anwärter übernommen worden seien. Jetzt herrsche allerdings Einstellungsstopp. In der JVA Wolfenbüttel hätten 60 Prozent der Gefangenen Arbeit. 40 Prozent seien arbeitslos. Viele seien auch nicht in der Lage zu arbeiten, zumal 90 Prozent der Inhaftierten suchtabhängig seien. In der Einrichtung gibt es eine eigene Suchtberatung. "Wir haben in allen Unterkunftsbereichen anerkannte Suchtkrankenhelfer", so Münzebrock weiter. 40 neue Arbeitsplätze würden demnächst zur Verfügung stehen. "Wir nehmen draußen niemandem einen Arbeitsplatz weg. Es handelt sich um Arbeitsplätze, die sonst ins Ausland abgewandert wären", veranschaulichte Münzebrock. Weitere Themen waren die langen Staus auf der Wallstraße, die sich in unmittelbarer Nähe der JVA befindet, und eine mögliche Öffnung der Engen Straße. Thomas Pink, CDU-Bürgermeisterkandidat, betonte, er könne keine Versprechungen machen, die Themen würden aber angegangen werden.[...]

[  newsclick.de





1. January 2006
Ein Redebeitrag zu Sicherungshaft – ein neues Wegsperrmodel des neuen Innenministers Schäuble

Wie einige wahrscheinlich bereits in den Zeitungen mitverfolgen konnten verlangt nach dem ehemaligen Innenminister Otto Schily jetzt auch Schäuble die Einführung der vorbeugenden Sicherungshaft für Terrorverdächtige Migrantinnen, die er selbst Gefährder nennt.

Schäuble geht es dabei um Fälle, bei denen es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Straftat gibt und daher kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden kann,( sprich, die nach deutschem Recht unschuldig sind.) Diese Menschen möchte Herr Schäuble wenn er sie schon nicht abschieben kann doch wenigstens in den Knast stecken dürfen. Er nennt dies dann Gefahrenabwehr und Sicherheit der Bevölkerung!

Schily war mit seinen Plänen noch an einem relativ großen Widerstand innerhalb der damaligen Koalition gescheitert, daher versucht es Schäuble nun mit einem strafrechtlichen Ansatz. Während es Schily um die so genannte „ Abwehr zukünftiger Gefahren durch potenzielle islamistische Terroristen“ ging, will Schäuble bis dato legales! vergangenes Verhalten nachträglich sanktionieren.

Während es bei Schily jedoch ca. 300 Menschen waren die inhaftiert werden sollten, spricht die CDU inzwischen von 3.000 – 5.000 so genannten „terrorverdächtigen Ausländern“.

Schon seit den Gesetzesänderungen von 2002, die Schily auch damals mit dem Schreckgespenst „Terrorismus“ durchsetzen konnte, ist die Mitgliedschaft in einer als terroristisch bezeichneten Gruppe auch dann strafbar, wenn diese nicht in Deutschland tätig ist. Künftig sollen aber auch Verhaltensweisen bestraft werden können, die unterhalb der Schwelle einer solchen Mitgliedschaft liegen. Das wären dann z.B. das Herunterladen von Bauanleitungen für Bomben, Verteilen von Flugis, Spenden, aber auch eventuelle Besuche in Ausbildungslagern u.v.m.

Inhaftiert werden sollen in erster Linie Migrantinnen, die nicht abgeschoben werden können, weil ihnen in ihren Herkunftsländern Folter und/oder Tod drohen. Schäuble hat inzwischen jedoch festgestellt, dass selbst Migrantinnen die abgeschoben werden könnten in den deutschen Knästen sicherer hinter Schloß und Riegel zu halten sind, denn nach geltendem Recht können Migrantinnen die Verdächtigt werden Terroristische Akte begangen zu haben sehr wohl auch dann abgeschoben werden, wenn ihnen Folter und Tod drohen. Wenn mensch dann erst einmal Verdächtigt wird, kann er unter Polizeiaufsicht gestellt, in eine bestimmte Uinterkunft eingewiesen oder an einen bestimmten Aufenthalstort gebunden werden. Sogar das Telefon kann einem verboten werden.

Darüber hinaus sollen nach einem Bericht des Spiegel auch die Insassen in den Knästen genauer beobachtet werden. Damit soll angeblich verhindert werden, dass Muslime in den Knästen fundamentalistische Netzwerke aufbauen oder für spätere Anschläge rekrutiert werden. Daher sollen Knastleitung und Wärter die Insassen noch genauer bespitzeln und jegliche vermeintliche „radikale Gesinnung“ an die Polizei weitermelden. Dazu zählt dann u.a. wenn deutsche Konvertiten, also Menschen die ihre Religion gewechselt haben, einen arabischen Vornamen annehmen oder wenn Muslime ihren Glauben auffällig streng ausüben. Was das bitte schön bedeuten soll, bleibt der Willkür des deutschen Knastpersonals überlassen.... na danke auch!

Wie sich unschwer erkennen lässt, bedeutet Sicherungshaft vor allem das Wegsperren von Menschen, gegen die man keine Stichhaltigen Beweise hat. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass davon tatsächlich, in Anführungsstrichen, nur, so genannte Islamisten betroffen sein werden. Schon für Schily war klar, dass die Gesetzesänderungen nicht nur auf ausländische Täter angewandt werden sollten.

So wie heute islamistische Extremisten, könnte morgen jede linke Gruppe als gefährlich verfolgt und kriminalisiert werden.

Keine Sicherungshaft für Niemand - Schäuble halt’s Maul !!

Redebeitrag von a.r.a.p. auf der Sylvesterdemo gegen Knäste am 31.12.2005





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