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Die Bewacher

Du erlebst den Beamten nicht bloß als Bewacher. Dir wird auch klarge­macht , daß du von ihm abhangig bist. Er versorgt dich. Du kannst keine Bewegung vornehmen, ohne daß sie von einem Beamten ermöglicht und begleitet wird. Er hält dich nicht nur gefangen, er hält dich auch am Leben. Die Situation beschränkt sich nicht darauf, daß der Beamte etwas von dir will, sondern auch du willst etwas von den Beamten.

Im Umgang mit dem Bewacher wird man feststellen, daß es für jedes Zugeständnis, das er macht, auch einen Preis gibt. Und dieser Preis ist oft so hoch, bringt dich in eine solche ohnmächtige Rolle, daß es besser ist, auf die Vorteile zu verzichten und dafür so frei zu bleiben, wie man es als Gefangener sein kann, der vom Knast, von seinen künstlichen Quellen des Eebens, noch nicht abhängig ist. Ist man erst einmal davon abhängig, kann man im Knast noch viel unfreier werden.

Die innere Freiheit, der Stolz, die eigene Würde, deine eigene Geschichte -das alles ist für dein Leben und dein Weiterleben viel wichtiger als die "Vergünstigungen" und die kleinen schäbigen Möglichkeiten, die du in den Nischen der totalen Verwaltung dir noch zunutze machen kannst. Du solltest es jedenfalls vermeiden, daß ein Funktionär des Knasts teilnehmend, beobachtend, regulierend in deine Gefühle, Gedanken, Beziehungen zu anderen Menschen soweit eindringen kann, daß du ihm selbst eine solche Kontrolle über dich erlaubst, ihn darum auch noch bittest.

Man muß lernen, mit dieser Versuchung umzugehen. Man muß es in jeder Lage fertigbringen, auf seinem eigenen Schicksal zu bestehen. Dazu gehört auch die Fähigkeit zu leiden und sich nicht durch die hingeworfenen billigen Befriedigungen der primitiven Bedürfnisse, die man den Gefangenen unterstellt, bestechen zu lassen. Solche billigen Befnedigungen auszuschlagen ist jedesmal ein Sieg, und sie anzunehmen, und sei 's taktisch, bedeutet oft die wirkliche Aufgabe deiner Freiheit. Die Institution versucht alles, um dir das eigene Schicksal zu nehmen, dich schicksallos, geschichtslos, wesenlos zu machen, damit du zu einem willigen Gegenstand ihrer Verwaltung wirst. Dein eigenes Leben soll verstummen vor den mechanischen Formeln, die man ihm aufdrücken will. Alle Vorteile, die man dir bietet, dienen diesem Zweck - alle Strafen und Benachteiligungen, mit denen man dich zu erpressen versucht, sollen dich dahin bnngen. Gerade dieser Aufwand an Zwang und Frsatz-Leben beweist dir, wie stark du bist, wenn du dein Schicksal nicht preisgibst - wenn du deine totale Verwaltung verweigerst.

Die Absicht der Bewacher ist es, alles zu regeln. Alles kann ja auch geregelt werden. Aber damit ist alles tot. Dein Leben wird dir selber fremd, weil es dir nicht mehr gehört - nicht nur nach außen, sondern auch innen, in der Substanz. Dieser Verlust des Interesses an sich selbst ist die zentrale Gefahr, die auf einen Gefangenen zukommt. Und es ist nicht nurdie Folter der Isolation, die diese Gefahr auslöst, sondern noch mehr das bereitwillige Eingehen auf die scheinbaren Auswege, die sich anbieten. Eine Verweigerung ist nicht mit einer totalen Konfrontation zu verwechseln, die von den wenigsten nervlich durchgehalten werden kann. Sie bedeutet vielmehr, sich ein notwendiges Maß an Selbstbewußtsein und auch Selbstbestimmung zu erhalten oder zu erkämpfen. Das setzt voraus, daß man den Apparat wie die einzelnen Beamten in ihrer Rolle und in ihrer Persönlichkeit durchschaut.

Um sich gegen die eigenen Ohnmachtsgefühle zu behaupten, können dabei Mittel und Techniken nötig sein, mit der die eigene Phantasie den Gegner entmystifiziert, entwaffnet, lächerlich macht, seine Autorität, die seine Uniform, sein Gehabe und natürlich auch seine tatsächliche Macht uns spüren läßt, zu zerstören. Erst dann wird man es lernen, dieser Macht auch in Wirklichkeit zu widerstehen.


                    

Das Schema zeigt die Ober- und Unterordnung innerhalb der Hierarchie der Beamten. An der Spitze: der Anstaltsleiter, in seiner Stellung ähnlich einem mittelalterlichen Fürsten, unter sich ein Heer von Beamten aller Grade, Fabriken, landwirtschaftliche Gebäude, Arbeitslager, in denen die graue Masse der Gefangenen malocht.




[  Die "einfachen Beamten"
[  Die Aufgestiegenen
[  Die Beamtengesellschaft
[  Der hohe Bamtenstab, der Anstaltsleiter;
[  Der Beamtentyp
[  Der Sozialarbeiter
[  Der Psychologe
[  Psychologische Tests zu "Persönlichkeitserforschung"



Die "einfachen" Aufsichtsbeamten


Die einfachen Beamten, die Grünen, lassen sich grob vereinfacht in zwei Kathegorien einteilen: „gute" und „böse". Das Alter der Beamten spielt dabei eine gewisse Rolle. Ältere sind oft zugänglicher als Junge. Wobei sich die älteren auch in zwei Gruppen einteilen lassen: die, die schon während der Nazizeit dabei waren, sind oft fürchterlich kranke Typen; sie denken, fühlen und sprechen nur in Vorschriften .... Die Alten, die erst nach dem Krieg im Zuge einer Rezession in den Staatsdienst gingen - mit ihnen ist auszukommen. Meist nach der Devise: Läßt du mich in Ruh, laß ich dich in Ruh! Seit in zunehmendem Maße auch arbeitslose Akademiker in den Vollzug gehen, finden sich auch vermehrt jüngere Typen dabei, die noch an den Weihnachtsmann, d. h. an Resozialisierung glauben. Nach sehr kurzer Zeit jedoch legen auch die Naivsten von ihnen diese Rosinen ab, passen sich an, werden deformiert, vom Trott ergriffen. Dazu kommt, daß Vollzugsbeamten ohne die Kumpanei mit den anderen Beamten angeschissen sind, d. h. die Hölle erleben können. Deshalb springt auch manch einer lieber über seinen Schatten, als die "Achtung" seiner Kollegen zu verlieren.

Das äußere Verhalten der einfachen Aufsichtsbeamten gegenüber denGefangenen tritt im Knast in sehr vielfältiger Form auf:

als Korrektheit, Höflichkeit, ja sogar Freundlichkeit;

als Vertraulichkeit - etwa so wie das Verhältnis eines Hundebesitzers zu seinem Hund(so wie man nach einem Hund pfeift, pfeift der Grüne, wenn man z. B. aus einem verbotenen Fenster schaut,);

„väterlich" - wohlwollend; spöttisch-ironisch-zynisch ("Guten Appetit, der Herr!");

aggressive Arroganz, Rassismus („Hier hast du dein Fressen, Kanacke!");

Redseligkeit, Herzausschütten („Ich finde ja auch, daß hier im Knast ganz andere Leute sitzen müßten. Mich macht das ja auch alle's fertig, die Kollegen und so weiter.");

Respekt, Angst, Unterwürfigkeit („Jawohl Herr Soundso, das bring ich in Ordnung. Siehekommen das.").

So verschieden und widersprüchlich kann der Umgangston sein, mit dem man als Gefangener konfrontiert ist. Es gibt kein einheitliches typisches Beamtenverhalten; dennoch ist das Verhalten gerade in seiner Verschieden­heit typisch. Denn der Beamt ist nicht der funktionierende Bewachungs- und Unterdrückungsroboter, obwohl die Dienstvorschriften und seine Vorgesetzten dies eigentlich von ihm verlangen.

Was der Beamte will

Der Beamte will keinen Ärger mit seinen Vorgesetzten haben. - Er will befördert werden - was nur wenigen gelingt. Daraus entsteht auch unter den Beamten ein Klima der Konkurrenz und Rivalität. Er will seine Ruhe haben. - Das kann er nur, wenn er die Hausordnung auch mal Hausordnung sein läßt. Und zwar sowohl gegen dich, als auch fürdich. Anders als bei anderen Berufen bedeutet ein "Dienst nach Vorschrift" im Knast mehr Streß für die Beamten - und mehr Terror für die Gefangenen. Er will geachtet werden. - "Gefängniswärter" gilt als einer der niedrigsten Tätigkeiten. So mancher "prominente" Gefangene genießt in der Öffentlichkeit mehr Achtung als seine Wärter.

Er will keine Verantwortung tragen. - Die hat er zwar im Alltag auch nicht, er bekommt sie aber immer dann zugeschoben, wenn irgendwas schiefläuft, was die Knastbürokratie nicht mehr vertuschen oder decken kann: Er ist schuld, wenn ein Gefangener in der Zelle an einer erkennbaren Krankheit stirbt, nachdem er vergeblich um Hilfe gebeten hat. Wenn ein bekanntermaßen selbstmordgefährdeter Gefangener Selbstmord begeht. Wenn er mal etwas zu fest zugeschlagen hat. Er ist auch Schuld, wenn Drogen oder anderes in den Knast geschmuggelt werden. Er ist schuld, wenn ein Gefangener den Anstaltsleiter erschießt oder abhaut. Nichts von all dem, was er will, erreicht er.

Der Beamte versucht deshalb, seinen Unwillen an den Gefangenen auszulassen oder sich von ihnen die Achtung und Zuwendung zu verschaffen, die ihm sonst versagt bleibt:

Der Beamte braucht den Gefangenen

Der Beamte braucht ihn als gehorsamen Hund oder als folgsames Kind (damit noch jemand unter ihm ist); er braucht ihn als Verrückten (damit noch jemand unfähiger und dümmer ist als er); er braucht ihn, um seine Aggressionen und Wut auszulassen; er braucht ihn als bedürfnisloses Wesen (damit er "seine Ruhe" hat); als Zuhörer, Berater, Psychotherapeut (dem er sein Herz ausschütten kann, über den Knast, die Kollegen etc.); als Berater in den verschiedensten Lebenslagen (wenn er ihn für einen Fachmann hält); als Verbündeten (gegen seine Kollegen und vor allem gegen aufmüpfige Gefangene) und schließlich als Informant (z. B. Um mitzubekommen, ob was im Busch ist )

Wie man auf den Beamten reagiert

Das heißt natürlich nicht, daß dies alle Beamten so plump und offen zeigen. Sicher gibt es auch diejenigen, die sich mit Hilfe von psychologischen Tricks durchzusetzen versuchen. Als was dich der Beamte betrachtet und wie er dich behandelt, hängt zum einen Teil von seinen Vorurteilen gegen oder für dich ab (ob du Ausländer bist, ob du vor der Knastzeit angesehen warst, ob du vielleicht ein cleverer Betrüger, Millionenräuber oder ähnliches bist, etc.), zum großen Teil aber auch von deinem eigenen Verhalten. Die Konsequenzen, die man aus dieser Situation zieht, können sehr verschieden sein. Viele schlagen vor, die Beamten mit taktischem Geschick zu behandeln, zu funktionalisieren, auszuhorchen, ja einzelne Beamte fast zu beherrschen.

Andere dagegen raten dringend davon ab, sich überhaupt mit ihnen einzulassen, sei es auch nur wegen einer Kleinigkeit, da man doch stets den Kürzeren ziehen würde.
Was nun das vernünftigste Verhalten ist, hängt wohl auch davon ab, wie stark man selbst ist. Wenn man weiß, daß man nicht nein sagen kann, dann sollte man wirklich jeden Kontakt vermeiden. Andernfalls kann man sie ruhig reden lassen und auch zuhören. Man kann eine ganze Menge von den Beamten erfahren, allem dadurch, daß man ihnen zuhört - und zuhören kostet nichts und verpflichtet zu nichts, solange man seine eigene Freundlichkeit unter Kontrolle hat, d. h. solange man geduldig zuhört und nicht anfängt, dem Beamten, der gerade seine Sorgen und Nöte ausgebreitet hat, nun seinerseits die eigenen Probleme zu erzählen. Wird man in einer Situation, in der der Beamte sehr vertraulich wird, über sich selbst reden, so muß man wissen, daß dies sofort oder später gegen einen ausgespielt wird. Besonders wenn man in Isolationshaft sitzt, sind die Beamten manchmal die einzigen Zuträger von Informationen.

Auch ihren belanglosen Erzählungen kann man - wenn man "zwischen den Zeilen hört" - vielleicht wichtige Informationen entnehmen oder ihnen durch geschicktes Nachfragen entlocken. ABER: Gerade in der Isolation besteht eine ganz große Gefahr, wenn man die Beamten als Ersatz für die abgeschnittenen sozialen Kontakte gebraucht. Das kann der erste Schritt sein, dich kleinzukriegen - und das allein mit Hilfe ihrer "Freundlichkeit". In einer Situation, in der du dich wie nie zuvor danach sehnst. Isolation macht redselig. Du siehst nur noch, daß dir da einer zuhört – und wenn es der Ermittlungsbeamte ist, der deine Worte für den Prozeß mitstenographiert. Die Ermittlungsbehörden und die Justiz haben schon lange erkannt, wie "ermittlungsfördernd" die Isolationshaft sein kann.

Deshalb besonders für die Anfangszeit:

Die Beamten erst mal genau beobachten. Ihre Starken und ihre Schwachen studieren, Erkundungen bei Mitgefangenen darüber einholen. Von einem Beamten, den man durchschaut hat, läßt man sich nicht so leicht kränken und erniedrigen - und man geht seinen Tricks nicht so leicht auf den Leim. Man bleibt zwar objektiv in der schwächeren Position des Bewachten, aber man kann trotzdem eine gewisse Überlegenheit entwickeln. Schon durch die Tatsache, daß man sich sagen kann, ich kenn den besser, als der mich kennt. Er weiß gar nichts von mir, und ich habe ihn durchschaut. Die erste Zeit der Zurückhaltung ist aber auch nötig, um sich selbst zu beobachten, um festzustellen, wie leicht fall ich auf die herein. Denn es gibt kaum jemanden, der völlig dagegen gefeit ist.

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Die Aufgestiegenen

Gemeint ist die "Mittelschicht" der uniformierten "Unteroffiziere", also die höchsten Ränge, die für einen Stationsbeamten bzw. Aufsichtsbeamten noch erreichbar sind: der Verwalter und Oberverwalter, auch Elügelverwalter, Bereichsleiter genannt. Sie führen zum Teil sehr phantastische Titel, etwa "Obersekretär" oder dergleichen.

Diese "Unteroffiziere" sind meistens ältere Beamte, die zehn oder zwanzig Dienstjahre auf dem Buckel haben und vorher vielleicht auch noch nie etwas anderes getan haben als in einer Uniform zu stecken. Die Veteranen aus der Naziära haben inzwischen das Pensionsalter erreicht. Die "Unteroffiziere" sind nicht unbedingt die schlimmsten Beamten, sonst hätten sie ihren Aufstieg nicht geschafft (es gibt allerdings Ausnahmen). Sie besitzen meistens eine gewisse Fähigkeit der Zurückhaltung, und sie bemühen sich, ihre Vorstellungen nicht unmittelbar im Gespräch mit den anderen Grünen preiszugeben, um ihre Position als Vorgesetzte zu behaupten. Ihre Vorstellungen unterscheiden sich jedoch meistens kaum von denen der übrigen Uniformierten.

Eine Besonderheit, die wichtig ist, weil sie "taktisch" nutzbar gemacht werden kann, ist ihre Unsicherheit als Aufsteiger. Sie fühlen sich in ihrer Rolle nicht so recht wohl, weil sie sie ständig mit den Beamten aus dem höheren Stab, die öfters Akademiker sind, zusammenbringt, denen gegenüber sie sich unterlegen fühlen. Andererseits können sie sich auf keine zu große Vertraulichkeit mit den Stationsbeamten einlassen, um ihnen gegenüber ihre Autorität nicht zu verlieren. So sind sie eigentlich recht einsam und fühlen sich oft unverstanden. Sie suchen dann vielleicht Trost beim Seelsorger oder dem Psychologen oder in einer Kameraderie des „Unteroffiziers-Korps" eines Knastes.

Unter ihnen sind oft merkwürdige Charaktere, die sich in ihrer Bizarrheit nur in einer solchen extremen Ausnahmesituation wie im Knast entwickeln konnten.

Die folgende tabellenartige Aufstellung hat uns ein Gefangener zugesandt. Er schildert hierin verschiedene Knastszenen, Begegnungen und Konflikte mit Vollzugsbeamten und wie Gefangene darauf zu reagieren pflegen. Die geschilderten Verhaltensweisen sollen dabei nicht als Handlungsanweisungen mißverstanden werden. Es sollen hiermit nur die verschiedenen Konfliktstrategien dokumentiert werden, die im Knast gegenüber den aufsteigenden Beamten mehr oder weniger üblich sind.

>>  von oben herab
   > versuchen, von einer höheren Ebene auf den Beamten herunterzusprechen und ihn dadurch "emotional" zu drücken
   >  Der Beamte sagt: "Ich habe Ihnen die Zeitung aus der Zelle weggenommen und vernichtet!"
      Der Gefangene :"Warum haben Sie das nun eigentlich wieder gemacht? Was haben Sie sich dabei gedacht?"

>>  spalten
   > versuchen,die Beamten gegeneinander auszuspielen
   >  Der Beamte sagt: Das ist verbotent!"
      Der Gefangene :"Ihr Kollege sagt, das ist nicht verboten!Und er kennt die Bestimmungen wohl etwas besser als Sie!"
   >  Der Beamte sagt: Solange ich hier Bereichsleiter bin, ist das verboten!"
      Der Gefangene :"Ich habe aber gehört, daß X Ihren Posten übernehmen soll!"

>>  beschweren
   > versuchen,die Beamten durch Beschwerden unter Druck zu setzen
   >  Der Beamte sagt: "Das verbiete ich Ihnen!"
      Der Gefangene :"Dann werde ich eine Beschwerde gegen Sie schreiben"
   >  Der Beamte sagt: "Das läßt mich kalt!"
      Der Gefangene :"Wenn Ihre Personalakte von lauter beschwerden immer dicker wird, können sie aif Beförderung lange warten. Dann werden Sie eben nicht mehr befördert, weil Sie offensichtlich alles falsch machen"

>>  ignorieren
   > versuchen, ein Rätsel zu werden - jemand, vor dem sich die Beamten in acht nehmen
   >  Nie mit den Beamten reden, auch keine Beschwerden schreiben, dafür findet man bei Zellenkontrollen bei dir einen Zettelkasten mit Beobachtungen über das Verhalten der Beamten

>>  Falle stellen
   > versuchen, einen Beamten in die Falle zu locken
   >  Der Beamte sagt: "Sie sind doch Installatteur.Ich sorge dafür daß sie Aussenarbeit bekommen, und dann reparieren Sie mal die Außenrohre bei mir zuause"
      So geschieht es: der Gefangene repariert die Wasserrohre, hilft dem Beamten
      messingverschlüsse und Rohrteile aus dem Werkbetrieb zu klauen, indem er die passenden
      aussucht, die der Beamte dann in seiner Aktentasche nach Hause trägt, - bemerkt bei ihm
      in der Wohnnung, daß noch mehr von der JVA geklaut ist. ( ein üblicher Fall) - und hat
      von nun an jemand , der gelegentlich etwas für ihn tut, einen Brief rausbringt, etwas
      reinbringt usw. mitgefangen, mitgehangen

>>  überlasten
   > versuchen,die Arbeitskapazität eine Beamten auf die Zerreißprobe zu stellen
   >  indem man ihn mit Anträgen, Beschwerden, Anfragen usw überhäuft. Besonders erfolgreich wenn
      das mehrere Gefangene konzentriert tun. Wenn jeden Tag mehrere Gefangene einen ganzen
      Schwung von Anträgen über fehlende Hosenknöpfe etc verfassen, kann die ganze Tätigkeit
      eine Flügelchefs gelähmt werden. Weil es sich in der Regel um einen sinnlosen Pedanten
      handelt, wird er in der Zeit, die er braucht um sich in den Berg Anliegen zu versenken,
      um nichts anderes kümmern können. Außerdem kann man ihm so vor Augen führen, wohin es
      füht wenn er nie nachgibt.

>>  beobachten
   >  dem Flügelchef das Gefühl vermitteln, daß man ihn beobachtet
   >  Indem man Prtokolle über das Verhalten seiner Untergebenen und sein eigenes Verhalten
     verfasst, die man wiezufällig offen liegen läßt.Solche Papiere ,auch wenn man sie wirklich nach draussen schickt,
     sollte man nicht verbergen. Aber man sollte davon Abschriften machen. Und die sollte man gut verbergen

>>  von oben herab
   > versuchen, von einer höheren Ebene auf den Beamten herunterzusprechen und ihn dadurch "emotional" zu drücken
   >  Der Beamte sagt: "Ich habe Ihnen die Zeitung aus der Zelle weggenommen und vernichtet!"
      Der Gefangene :"Warum haben Sie das nun eigentlich wieder gemacht? Was haben Sie sich dabei gedacht?"

>>  von oben herab
   > versuchen, von einer höheren Ebene auf den Beamten herunterzusprechen und ihn dadurch "emotional" zu drücken
   >  Der Beamte sagt: "Ich habe Ihnen die Zeitung aus der Zelle weggenommen und vernichtet!"
      Der Gefangene :"Warum haben Sie das nun eigentlich wieder gemacht? Was haben Sie sich dabei gedacht?"



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Die Beamtengesellschaft

Es gibt die "grünen", uniformierten Beamten und die „zivilen" Beamten. Das ist der erste Unterschied, der einem auffallen wird, aber er ist etwas zu einfach und sagt im Grunde gar nichts.

Die Beziehungen der Bewacher untereinander sind viel komplizierter, als daß man sie von außen ohne weiteres, z. B. an den Rängen, erkennen könnte. Auch unter den Zivilen gibt es Untergeordnete, und unter den Uniformierten gibt es solche, die als einzelne oder in der Masse oder als Klüngel ein Gefängnis beherrschen. Es ist sehr viel wert, dieses komplizierte Geflecht der Beziehungen unter den Bewachem zu studieren. Nur hat man als Gefangener nicht allzu oft Gelegenheit dazu, tiefer in dieses Geheimnis einzudringen. Auch die Fachliteratur gibt über das Innenleben der Beamten und der Ge­fängnisverwaltung wenig Auskunft.

Diese Literatur ist natürlich aus der Sicht der Beamten - und von Beamten - geschrieben und deshalb schon für uns nicht sehr interessant.Wir sind also auf unsere eigenen Beobachtungen angewiesen, wenn wir dieses unbekannte Neuland betreten und uns mit den merkwürdigen Formen und Spielarten des Beamtenverhaltens befassen. Dieses Gebiet ist eine lohnende Aufgabe für alle Gefangenen, außerdem eine ganz unentdeckte Wissenschaft. Wieviel könnte man über den Charakter eines Staates, einer Gesellschaft erfahren, wenn man den Stiefel untersucht, mit dem man getreten wird.

Hier können wir uns natürlich nur auf einige auffällige und unvermeidliche Beobachtungen beschränken. Die Beamtengesellschaft - man kann ruhig von einer solchen sprechen, weil sie extrem „organisiert" ist - funktioniert in der Art einer Maschine. Man nennt sie auch deswegen „Apparat". Das bedeutet, daß sie nach einem generellen Plan entstanden ist. Der Plan weist allen ihren Teilen, wie den Glie­dern eines Tiers oder den mechanischen Teilen einer Maschine, bestimmte Aufgaben zu. Wie alles Geplante ist die Beamtengesellschaft angelegt auf reibungsloses Funktionieren. Und wie alles Geplante ist sie unnatürlich, unmenschlich. Sie ist jedoch immer noch zu menschlich, um fehlerlos zu funktionieren, und je unmenschlicher sie wird, umso mehr Fehler wird sie hervorbringen. Ihre Fehler liegen nicht im Apparat, sondern letztlich in seinem Zweck, dessen Unsinnigkeit im Grunde jeder spürt, auch die Beamten selbst.

Die einzelnen Beamten sind deshalb nicht besonders engagiert, sie funktio­nieren wie tote Schrauben und Räder. Die Bereiche, für die ein einzelner „zuständig" ist, sind eng und scharf begrenzt. Daraus können wir vorläufig zwei Vorteile ziehen:

1.Ein solches reibungsloses Funktionieren muß Enttäuschung und Unbefriedigung, Interesselosigkeit erzeugen. Der Apparat ist zwar (nach dem Vorbild der Maschine) vollkommen, aber gänzlich ohne Interesse, ohne soetwas wie Begeisterung, die man nur für eine gute Sache haben kann. Für eine Sache, die offensichtlich schlecht ist, die nichts weiter als Menschenschinderei ist, kann man nur das Gegenteil, eine trübe und interesselose Menschenverachtung entwickeln, oder sie zum Teufel wünschen.

2.Der Apparat ist zwar stark, beharrlich, perfekt -aber zugleich unstabil. Seine Teile sind zu wenig miteinander verbunden.Die vielen Ränge erzeugen zugleich äußerst viele und gefühlte Unterschiede unter den Beamten. Die untersten Beamten können sich mit den obersten Beamten nur noch mit Mühe identifizieren, und für die obersten Beamten sind die untersten kaum erreichbar, weil es zuviel Aufwand an Selbstüberwindung und Bescheidenheit kosten würde, sich mit ihnen auf die gleiche Ebene zu stellen.

Das bedeutet, daß es keine Solidarität aller Beamten gibt, sondern immer nur die Solidarität bestimmter Beamtengruppen, z. B. der niederen Uniformierten oder der obersten Zivilen. Tatsächlich erzeugt jeder Gefängnisaufstand auch einen Bruch in den Reihen der Bewacher und führt zum Beispiel in Frankreich und Italien oft zu einem Streik der niederen Beamten.

In Deutschland werden die Beamten vermutlich nicht streiken. Stattdessen ibt es hier eine Häufung von Selbstmorden auf der Seite der Bewacher – ein Anzeichen ihrer ehrlichen, tiefernst genommenen Pflichterfüllung und des strengen Gewissens der Justiz, das in ihrer Seele herrscht. Daraus könnte man eine dritte wesentliche Einsicht entnehmen: manche niedere Beamte sind gepeinigt von einem strengen Gewissen. Die Macht der Justiz erschöpft sich nicht in ihrem materiellen Dasein - sie begnügt sich nicht mit den geschundenen Leibern und Seelen der Gefangenen, sie kann auch einen Beamten den Strick nehmen lassen.

Manche Beamte sind "gewissenhaft" in einem nahezu religiösen Sinn. Allerdings hinkt der Vergleich etwas. Zur Religion gehört ein festgefügtes, unverrückbares "Weltbild", das keinerlei Zweifel zulaßt und das auch sehr bewußt vorstellbar, bis zur Halluzination "wirklich" werden kann. Das ist bei dem unbewußten Weltbild der Beamten keineswegs der Fall. Es ist tatsächlich unbewußt. Sie kennen es selbst nicht, weil es ein Ding ist, das in ihrem Unbewußten und in ihrem Charakter zuhause ist und nicht in ihrem Verstand. Es ist einer vernünftigen Ansprache oder überhaupt eines verbalen Ausdrucks nicht zugänglich. Im Gegenteil, es schämt sich ausgesprochen zu werden, und das zu Recht! Es ist also ein trübes, kaputtes Gefühl mit verschiedenen, je nach Lebensgeschichte ganz willkürlichen, einander widersprechenden Inhalten.

Daraus läßt sich zunächst wieder eine praktische Einsicht entwickeln: Das Weltbild der Beamten ist ihnen selbst etwas Fremdes. Sie verhalten sich oft wie Schizophrene, die gespalten sind in das, was sie sagen und das, was sie tun - im Denken und Fühlen, unter Umständen im Denken selbst. Das macht die Gefährlichkeit dieses Weltbilds aus. Es ist unberechenbar in seinen Folgen für das Verhalten, und die Folgen sind meistens negativ. Das Verhalten sucht den Schwächeren, auf dem sich herumtrampeln läßt. Es ist in einem tieferen Sinn rückständiger als eine reaktionäre politische Meinung - es ist unbewußt-primitiv, von Vernunft und Sittlichkeit nicht kontrolliert, höchstens am Aussprechen gehindert.

Die Beamten werden sich im allgemeinen also bei ihrem Verhalten gegenüber Gefangenen immer in einer Grenzsituation befinden: auf der Grenze zwischen zurückhaltenem Imzaumhalten und der unbewußten Explosion, die alle Regeln umwirft und Handlungen auslöst, die sich nicht mehr beherrschen lassen und die mit aller Macht zur Gewalt gegen Gefangene und auch in bestimmten Fallen gegen sich selbst, als Mord oder Selbstmord, drängen.



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Der hohe Beamtenstab, der Anstaltsleiter

Dein Verhalten gegenüber den höheren Beamten sollte noch zurückhaltener sein, als gegenüber den normalen Schließern. Gibt es bei letzteren noch welche, mit denen du gelegentlich „rumkumpeln" kannst, so sind erstere - also die höheren Beamten - grundsätzlich als deine Feinde einzuschätzen. NX äs Gutes kommt von ihnen selten. Eine Sonderstellung nehmen die Beamten ein, die nicht auf den Stationen Dienst tun, sondern auf der Kammer, in der Bucherei, m den Arbeitsbetneben etc. tätig sind. Zu ihnen herrscht im allgemeinen ein entspannteres Verhältnis. Der größte Feind des Gefangenen ist der Sicherheitsmspektor der „Spitz". Fr berät den Anstaltsleiter m allen Sachen, die nur im entferntesten mit der vielbesungenen Sicherheit und Ordnung der Anstalt zusammenhängen - und das ist im Prinzip alles. Von seiner XV'illkür hängt es ab, ob du bestimmte Bucher und Zeitschriften beziehen kannst, ob du Blumen auf der Zelle haben darfst, dir Musikinstrumente gestattet werden etc.. Fr ist die graue Fmmenz im Knast.

Die höheren Beamten sind in den meisten Fällen entweder Empor­kömmlinge aus der Verwaltung, also Nichtakademiker, und im selteneren Fall sogenannte Akademiker, die eine Universitätsausbildung mit all ihren Folgen für ihr Denken und Verhalten durchgemacht haben (so der Anstaltsleiter, der Psychologe, der Arzt).

Eine dieser Folgen ist wohl, daß dieser oberste Stab eines Gefängnisses in der Lage ist, unbewußte Primitivität und Grausamkeit mit einer höchst komplizierten juristischen oder medizinischen "Vernunft" zu umhüllen und sich einem gedachten System von Behauptungen gegenüber dem eigenen schlechten Gewissen hinzugeben, die schließlich das schlechte Gewissen davon überzeugen, daß es unrecht hat. Aber hat dieser oberste Stab soetwas wie ein moralisches Motiv? Um eine solche Frage beantworten zu können, müßte man das ganze komplizierte historische Gewebe der geistigen Herkunft und der Konflikte unter den höheren Justizbeamten in der Bundesrepublik zu verstehen versuchen. Wir können uns hier nur auf ein paar Vermutungen einlassen. Innerhalb der höheren Beamtenschaft gibt es offenbar einen Konflikt zwischen zwei verschiedenen Richtungen. Die einen sind die traditionell formaljuristisch oder auch reformerisch denkenden Beamten, die über ein ernstzunehmendes moralisches Konzept verfügen, ähnlich zwar dem unbewußten der niederen Beamten, jedoch, weil es ein bewußtes Konzept ist, "vernünftig" gemacht, diskutabel und mit einer allgemein zu akzeptierenden "Moral" versehen. Auf der anderen Seite stehen vor allem jüngere, erst nach 1945 ausgebildete, Beamte, die keinerlei Bedarf nach einer systematischen Begründung für ihr Handeln, weder logisch noch moralisch, mehr haben, sondern verwaltungsmäßig und opportunistisch vorgehen. Bei ihnen ist die Ähnlichkeit mit der unbewußten Mentalität der niederen Beamten auffallend: unter der Oberfläche verwaltungstechnischer Präzision, die ohne Moral und Gedanken ist, wuchert eine unbewußte, ungeordnete Brutalität, die sich dann in einem Verhalten äußert, für das höchstens, wenn es mal zu weit geht und selbst strafbar geworden ist, das in die Enge geratene schlechte Gewissen die besänftigenden Begründungen und Ausflüchte liefern muß.

Von dem "traditionellen" Typ, wenn es sich um einen Richter handelt, können überraschende, formaljuristische Freisprüche erwartet werden oder die zumindest subjektive Anerkennung des politischen Charakters eines Prozesses, eines Angeklagten. Von dem neueren Typ der geistlosen Verwalter kann man sowohl einen primitiven, halb unbewußten Fanatismus, wie einen blinden Opportunismus erwarten. Überraschungen sind hier weniger möglich: es werden immer die Scharfmacher sein, ob aus Opportunität oder aus Gehässigkeit.

Der "Chef"

Der Chef selber ist - zumindest in den größeren Knasten - für die Gefangenen ein unbekanntes Wesen. Zwar ist es vorgeschrieben, daß die Zugänge so bald wie möglich zum Zugangsgespräch dem Chef vorgeführt werden sollen – in großen Lagern ist das aber so gut wie nie der Fall. Wie mensch sich dem Chef gegenüber verhalten soll? Wichtig ist es, beim sogenannten Zugangsgespräch nicht auf das seiner Position innewohnende Imponiergehabe reinzufallen. Kleine psychologische Tricks können einfach unterlaufen werden: den angebotenen Besucherstuhl, der mindestens zehn Zentimeter niedriger ist als sein Chefsessel, ignorierst du am besten. Bleib stehen und glotz ihn an. Rede mit ihm so, wie du als Kind immer gerne mit dem Direktor deiner Schule geredet hättest

Der typische Anstaltsleiter könnte etwa so dem untypischen des „traditionellen" Typs gegenübergestellt werden:

Typischer Anstaltsleiteruntypisch traditionell
VerwaltungsfachmannTheoretiker, Reformer
deckt alles, kritisiert Beamtenverhalten
setzt auf Gewalt,Widerstand wird sofort mit Gewalt zu brechen versucht versucht Konflikte an Psychologen, Anstaltsarzt und Seelsorger weiterzugeben
verstärkt Sicherheitsmassnahmen verstärkt die Spaltung unter den Gefangenen
schafft Kapo-Ordnung schafft eine scheinbare "Mitverwaltung" von ausgesuchten Kollaborateuren unter den Gefangenen
führt alles aus was von oben angeordnet wird mildert bestimmte Anordnungen, in bestimmten Fällen ignoriert er sie
hat keine moralischen Skrupel - weiss aber von nichts wenn etwas schief geht ist moralisch zwiespältig, unsicher und entwickelt ein kompliziertes Begrundungessystem für seine Handlungen

Die Vertreter des "traditionellen" Typus sind im Strafvollzug die Aus­nahme. Leute, die sich tiefere Gedanken über den Sinn ihres Tuns machen, selbst wenn es Juristen sind, bringen es selten zur Position eines Anstaltsleiters.



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Der Beamtentyp

Die Neugierde, mit der man als Gefangener die Beamten beobachtet, hat ihren triftigen Grund. Als Gefangener ist man den Launen und der Willkür der Beamten relativ hilflos ausgeliefert. Deswegen versucht man, den Charakter der einzelnen Beamten herauszufinden und teilt instinktiv die Beamten in Charaktergruppen ein. Man kennt den "guten" Beamten und den "schlechten" Beamten. Der Unterschied zwischen beiden ist so einschneidend, daß man in einem Fall sich wie auf Urlaub vorkommen kann, wenn der "gute" Beamte auf der Station Dienst hat, und im anderen Fall die schlimmste Zeit durchmacht, wenn der "schlechte" Kollege auf der Station ist. Er kann das normalerweise friedliche Leben einer ganzen Station zu einer unerträglichen Hölle machen. Man hört den ganzen Tag sein Gebrüll, man hört wie geprügelt wird, wie man Leute in die B-Zellen schleift, man merkt seine Schnüffelei, seine heimlichen Zellenkontrollen während man im Hof ist. Lr provoziert dich, er stellt dir Fallen - all das kann dich über \Vochen ziemlich fertig machen.

Man stellt also fest, daß es zwischen den Beamten erhebliche Unterschiede gibt, was das Verhalten gegenüber den Gefangenen angeht. Für diese Unterschiede interessiert man sich, weil man fühlt, daß man von ihnen abhängt. Fs sind Unterschiede im Charakter. Ohne daß wir in den Fehler verfallen wollen, eine wissenschaftliche „Charaktertypologie" der Beamten zu versuchen, wollen wir hier am Beispiel der hohen Beamten aufzeigen, mit welchen „Typen" man rechnen muß. Ihre Art zu „reagieren" bekommt man als Gefangener auch dann zu spüren, wenn man sie selbst kaum zu Gesicht bekommt.

Dazu wollen wir einige der vielfältigen Maschen, die ein hoher Beamter bzw. Anstaltsleiter beherrscht, hinter denen sich oft genug seine Macken verbergen, beschreiben:

Der Uninformierte

Fr kann ursächlich uninformiert sein, out r er kann vorgeben, nicht informiert zu sein. Meistens wird es daran liegen, daß er sich nicht informieren lassen will , weil ihm die Information unangenehm ist. Das ist sein wunder Punkt. Fr wird angreifbar, wenn die Information, die er unterdrückt, nach außen dringt, wenn sie sich sogar in der Nachbarschaft des Knasts, in den Schulen, in den Kneipen, in den Läden verbreitet. Deshalb: jeden Vorgang von Bedeutung schriftlich festhalten, solche Vorgänge sammeln, untereinander Notizen darüber austauschen und diese Berichte nach draußen schicken. Dabei sollte man sich nicht auf einen Vorgang beschränken, sondern etwas systematisch vorgehen und die Vorgange durch Zeugenunterschrif­ten bestätigen lassen.

Der Raffinierte

Fr stellt Fallen. Sein wunder Punkt ist, daß er sich, weil er daraus eine geheime Befriedigung zieht, vielleicht zu sehr damit beschäftigt.Man sollte ihm entgegen kommen. Man sollte ihm selbst eine Falle stellen, von der er glaubt, es ist die seine. Fs gibt viele Möglichkeiten, das zu tun; )eder Gefangene hat sie. Man muß sie sich nur überlegen. Vielleicht verliert man einen Kassiber, in dem sein Name auftaucht -falls es nicht der Anstaltsleiter selber ist. Wenn es der Anstaltsleiter ist, muß man versuchen, ihn "von außen" zu Fall zu bringen - oder zum Nachgeben. Je mehr man sich mit seiner Person beschäftigt, umso mehr wird einem deutlich, was man machen muß.

Der Reformer

Das Falscheste wäre, auf sein Geschwätz hereinzufallen. Versuche vielmehr zu ergrunden, womit er solche moralischen Schwierigkeiten hat. Er ist in gewissem Sinn das gefährlichste Exemplar von allen, weil er der einzige ist, der Einfluß auf die Gefangenen haben kann. Das bedeutet: mehr Abwiegelung, mehr Spaltung, mehr Denunzianten. Jedoch müssen seine vorgetragenen Ansichten in den meisten Fällen seinen Handlungen widersprechen. Versuche, diese Widersprüche herauszufinden und ändern klarzumachen. Die Reformer reagieren meistens allergisch auf Veröffentlichungen in der Presse. Sie bemühen sich, in der Öffentlichkeit als Denkmal der Reform zu erscheinen, als eine Art Albert Schweitzer in Lambarene, umgeben von Aussätzigen und Bösewichtern, deren sie sich annehmen. Weist man ihnen nach, daß sie das nicht sind und daß ihre Methoden es nur fertigbringen, daß statt geprügelt abgespritzt wird, trifft man auch bei ihnen einen wunden Punkt. Sie werden vielleicht alles tun, um ihren Ruf als Reformer zu behalten. - Allerdings, die Zeit der echten und falschen Reformer ist eigentlich schon vorbei, und viele von ihnen sind inzwischen aus dem Strafvollzugsdienst ausgeschieden. Aber es gibt sie noch.

Der Zyniker

Sein wunder Punkt ist oft seine Vergangenheit. Er ist oft ein Aufsteiger aus den untersten Rängen, ein rabiater Emporkömmling, der in seiner früheren Laufbahn einige dunkle Stellen hat. Seine Taten, die früheren wie die heutigen, sollten möglichst genau festgehalten werden. Es gibt immer Gefangene, die erstaunlich gut über die Vergangenheit gewisser Beamter informiert sind. Außerdem ist dieser Typ unvorsichtig. Er verheimlicht nicht, was er tut und wie er denkt, sondern es drängt ihn, es auch auszusprechen. Wenn er zu weit geht, kann man ihn vielleicht damit zu Fall bringen, zumindest aber in Schwierigkeiten. Unter den respektableren und "seriösen" Gestalten der Justizverwaltung ist dieser Rabauke nicht sehr beliebt. Er verdirbt ihnen den Anschein.

Der Wehleidige

Er ist ein Hypochonder, der ständig Mitleid zu erwecken versucht. Er beschwert sich darüber, wie schlecht ihn alle Welt behandelt. Im Grunde ist er etwas infantil und daher leicht verletzbar, und das ist wohl auch die Ursache tur seinen oft schlechten Gesundheitszustand, Lr ist auch unberechenbar, weil er sich standig angegriffen fühlt und dann glaubt, sich verteidigen zu müssen. Und wie! Er verteidigt ja viel mehr als nur eine Verordnung. Er schlägt wild um sich und verfolgt ein Phantom, das ihn umbringen will. Seine Lbersturztheit und Neigung zur Verzweifelung macht ihn unfähig, eine Situation zu übersehen. Fr überlegt nicht lange. Jemand, der nicht lange überlegt, ist ein schwacher Gegner, er sieht nur sich, er sieht die Welt verkehrt herum. Sie ist nur wegen ihm so. Man kann ihn andererseits nicht so leicht zum Aufgeben bringen, er enttaltet eine fürchterliche energie. er beschäftigt sich dann aber mit Dingen, die völlig außerhalb seiner Kompetenz liegen. Zum Beispiel kann es sein, daß er sich mit seitenlangen Erklarungen (und Klagen!) in den Briefwechsel der Getangenen einmischt. Dadurch vurd er, wenn sich sein psychopathisches Wesen seinen Vorgesetzten nicht sowieso bald als untragbar erweist, zumindest angreifbar. Außerdem ist er immer völlig überarbeitet, was kein Wunder ist.

Der Lügner

Wie jeder notorische Lugner ist er unsicher. Lr traut sich nicht zuzugeben, wie er in Wirklichkeit denkt. Lr macht Ausfluchte. Im Gegensatz zum Raffinierten ist er schwach, sein schlechtes Gewissen und sein hin- und hergeworfenes Wesen treiben ihn zu ständig neuen Lügen. Wenn das Lügen bei ihm keine Überlegung, sondern eine Art Tnebhaftigkeit ist, weiß man auch seinen wunden Punkt: er hält eine direkte Konfrontation, Äug um Äug, wo er Larbe bekennen muß, nicht aus. Lieber gibt er dann nach oder überläßt den ändern Beamten das Leid. Verletzbar ist er durch die von ihm standig produzierten Widersprüche. Da er sich hinter seinem Schreibtisch verschanzt und sich nicht gern auf Gespräche mit Gefangenen einläßt, produziert er seine Widersprüche auch noch schriftlich. Man hat damit unter Umstanden schlagende Beweise in der Hand.

Der Sicherheitsfanatiker

Er ist der Perfektionist unter den Angehörigen des obersten Beamtenstabs. Lr hat für alles eine einfache Lösung: die Sicherheit! mehr Sicherheit! Damit wird er zum Quell aller Unsicherheit, denn statt durch geeignete Ventile den Druck im Kessel eines Knasts auf einem ertragbaren Quantum zu halten, schafft er alle Ventile ab und bringt den Kessel schließlich zur Explosion. Die Beamten fühlen sich nicht allein nur von den Gefangenen bedroht, sondern auch vom Klima des Mißtrauens und der Denunziation in ihren eigenen Reihen. In verhältnismäßig kurzer Zeit schafft er es, daß die paar hundert Quadratmeter, die er regiert, so unsicher werden wie eine Bananenrepublik: gegenseitige Denunziation, Intrigen, Beamtenverschwörungen, geheime Zellen der Gefangenen, ein sich ausbreitender Untergrund mit verheißungsvoller Gefährlichkeit und Entzündlichkeit! Das alles ist von ihm verursacht, weil er nicht psychologisch denkt.

Er hält einfach alles für unsicher, deshalb will er alles verbieten. Durch seine Verbote aber wird meistens erst alles unsicher, nur entzieht es sich dann seiner Kontrolle, da er es ja verboten hat. So tappt er schließlich im Dunkeln und hält jeden Schatten für eine schreckliche Bedrohung. Er fühlt sich verfolgt und überträgt seinen Verfolgungswahn auf alles um ihn herum.

Damit bringt er schließlich alles fertig, daß die Gefangenen gegen ihn wirklich revoltieren und daß die Schatten, die vorher nur Sträucher waren, sich als Verschwörer entpuppen. Er erreicht auch, daß sich die Schar der Kollaborateure, die Denunzianten, Spitzel, "Gefangenenvertreter", immer mehr lichtet - weil er auch sie für unsicher hält und am liebsten sich mit Gefangenen überhaupt nicht abgeben möchte, sondern sie nur sicher hinter Gitter haben will. Es bleibt ihm damit also auch kein Werkzeug in der Hand, womit er eine Revolte beschwichtigen könnte. Wenn es dazu kommt, revoltieren auch die "Gefangenenvertreter" und sogar die Beamten gegen ihn, letztere mit Gleichgültigkeit oder Indiskretionen. Aus all dem geht hervor, daß dieser Typ am ehesten angreifbar ist und unter allen anderen Typen von hohen Beamten der schwächste ist.

Der Unzuständige

Er ist so unselbständig, daß er immer "oben" anfragt, was er tun soll. Gibt man ihm von oben keine Direktiven, weiß er nicht, wie er sich verhalten soll und ergreift vor dem Problem die Flucht. Es kommt darauf an, immer schneller zu sein als seine Direktiven und dafür zu sorgen, daß ihn die Probleme einholen. Dann wird man vielleicht feststellen, daß er überhaupt nicht weiß was er will und nur will, daß man ihn in Ruhe läßt. Er hat immer neben sich jemanden, der für ihn alles entscheidet. Ihm ist er ausgeliefert wie ein Mündel seinem Vormund. Obwohl er beeinflußbar ist, wird er immer auf seinen Vormund hören, und das verringert die Chance, mit ihm fertigzuwerden.

Der ängstliche

Er hat Angst, daß etwas herauskommt. Er ist dann fähig, jemanden, der an die Presse geschrieben hat, in den Bunker bringen zu lassen, um ihn am Schreiben zu hindern, und in eine Anstalt zu verlegen. Die Waffe gegen ihn ist die, die er am meisten fürchtet: das Licht der Medien. Wie man es gerade auf ihn richten kann, darüber steht etwas im Abschnitt "Presseerklärungen"???????????????????.

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Der Sozialarbeiter

Die Bedeutung des Sozialarbeiters ist sehr verschieden. In U-Haft hält sie sich in Grenzen. In Strafhaft hat er schon viel größere Bedeutung, sowohl für den Gefangenen wie für den Knast, und also auch mehr Macht. Und die wichtigste Rolle spielt der Sozialarbeiter im Jugendvollzug. Natürlich ist das auch vom jeweiligen Knast abhängig. Die Regel wird wohl sein, daß man als Gefangener nicht sehr viel von der Anwesenheit der Sozialarbeiter spuren wird.

Welche Rolle er im Knast spielt

Der Sozialarbeiter wird oft dargestellt als dein Wegbereiter, dein Förderer oder dein Helfer. Ist er wirklich mehr als bloß ein getarnter Überwacher? Vor allem im Jugendvollzug übernimmt der Sozialarbeiter nicht selten die Postkontrolle. Das sind Momente, wo klar wird, daß auch er ein Teil des Knasts ist. Die Sozialarbeiter gewinnen im Gegensatz zu den Uniformierten leicht das Vertrauen von Gefangenen, weil sie oft den Eindruck machen, gegen die Grünen und gegen die Anstaltsleitung zu arbeiten, und manchmal tun sie es auch tatsächlich in kleinen Dingen.

Es gibt tatsächlich welche, die ihr Wissen nicht gegen dich ausspielen und die gegen die Anstaltsleitung arbeiten. Was ist die Motivation dieser Leute, und wonach kann man einen Sozialarbeiter einschätzen? Vielleicht kann man einen solchen "Oppositionellen" im Vollzug als gutwilligen Illusionär bezeichnen. Aber wie sehr kann man sich auf seinen guten Willen verlassen? Der Sozialarbeiter hat irgendwann diesen Beruf aus einem bestimmten Motiv ergriffen. Dieses Motiv kann bei einem solchen Beruf nicht einfach ein zufällig äußerliches, also grade eine Gelegenheit gewesen sein. Das gibt es natürlich auch, aber die meisten Sozialarbeiter werden den Beruf als eine Art von caritativer Tätigkeit ansehen oder angesehen haben - jedenfalls zu dem Zeitpunkt, wo sie ihn ergegriffen haben. Es muß in ihnen so etwas wie eine "soziale Ader" gewesen sein, irgend so eine Art von sich selber aufopfern, den ändern helfen usw. Und diese moralischen Motive sind dann in ihrer Tätigkeit konfrontiert worden mit den Zwängen, die ganz andere Ergebnisse hervorgebracht haben als sie es sich dachten. Dann dauerte es meist nicht mehr lange, bis den Sozialarbeiter die guten Vorsätze verlassen haben - oder der Sozialarbeiter den Knast. Wie er dann darauf reagiert, ist meistens so, wie man es von vielen Beamten kennt, nimhch mit Zynismus - mit Verachtung gegenüber denjenigen, mit denen er umgeht. Als seien sie nicht gut genug für das, was man für sie tun will, und als läge es an ihnen, wenn alles nicht klappt. Das ist die augenzwinkernde Übereinstimmung aller Beamten - daß man es hier rrut Leuten zu tun hat, die eben ein für allemal verpfuscht sind und an denen alle Anstrengung vergeblich ist.

So entsteht der Charakter des zynischen, ablehnenden, auch offensichtlich faulen Sozialarbeiters, der keinen Sinn dann sieht, dir irgendwas zu erklären oder irgendwas für dich zu tun, was uberdas Nötigste des von ihm Abverlangten hinausgeht. Er wird vielleicht sogar bei sich denken, daß es eigentlich nur gut sein kann, wenn er überhaupt nichts tut.

Die Angst des Sozialarbeiters

Die Sozialarbeiter leben gefährlich, wenn sie sich auf eine Opposition gegen den Knast einlassen. Sie sind dauernd in Gefahr, entdeckt und rausgeworfen zu werden. Sie versündigen sich gegen den Korpsgeist der Beamten. Solche Außenseiter werden im Strafvollzug gewöhnlich sehr bald entdeckt, man mißtraut ihnen. Man schließt sie von den Beamten­konferenzen aus, man spinnt Intrigen gegen sie, man will sie loswerden und man wird sie gewöhnlich auch los. Sie müssen sich deshalb sehr vorsichtig verhalten, und je vorsichtiger sie sind, desto angepasster werden sie sich auch verhalten. Sie werden also nach außen das Bild geben, das man von ihnen verlangt, nämlich des distanzierten Umgangs mit Gefangenen und der ständigen Verweigerung von Forderungen. Man kann sich schlecht denken, daß jemand, der wirklich seine guten Motive behält und der sieht, was um ihn herum vorgeht und der sich nicht anpasse, im Strafvollzug weiter mitmachen kann. Hier bleiben immer nur die übrig, die sich, nach einer mehr oder weniger langen Zeit des Widerwillens, schließlich doch anpassen und auf moralische Motive, auf irgendeine Aussicht der Verbesserung schließlich verzichten - oder die sich ein abstruses Begründungssystem ihrer eigenen Unmoral zurechtlegen, um sie nicht mehr bemerken zu müssen.

Im Folgenden werden die verschiedenen Aufgaben des Sozialarbeiters im Knast beschrieben - und die Bedeutung, die er dabei für einen Gefangenen haben kann.

Mitwirkung bei der "Persönlichkeitserforschung" im Aufnahmevollzug

Die Aufgabe des Sozialarbeiters bei der „Persönlichkeitserforschung" konzentriert sich darauf, eine Anamnese, eine Art Lebensgeschichte als „Krankheitsvorge­schichte" aufzustellen - also dich über dein Leben auszufragen. Das geschieht normalerweise nur m Strafhaft, bei Jugendlichen aber auch schon in U-Haft, t r wendet weniger psychologische Tests an, sondern versucht das Leben des Gefangenen aufzurollen. Das Ergebnis kann dann wiederum vom Psychologen zur Auswertung seiner Tests und zu seiner psychologischen Analyse mitverwendet werden. Der Sozialarbeiter selbst geht aber zunächst mal nur informationssammelnd vor. Für ihn mag die Information über dein Leben dazu dienen, dich und deine "kriminelle Karriere" besser zu verstehen. Der Anstaltsleitung und den Richtern geht es weniger darum, deine Vergangenheit zu verstehen, sondern deine Zukunft vorauszusehen, z. B. zur Beurteilung deiner Lignung, nach 2/3 der Strafe freigelassen zu werden. Hier kann deine Offenheit gegen dich zurückschlagen.

Die Aufstellung, Durchführung und Weiterentwicklung des sogenannten Vollzugsplan

Line weitere strafvollzugsspezifische Aufgabe des Sozialarbeiters ist seine Mitwirkung bei der Aufstellung des Vollzugsplans. Fr hat bei der Gestaltung des Knastablauts mitzureden. Das ist ein Punkt, der im Abschnitt Aufnahmeprozedur schon behandelt worden ist. Dieser Vollzugsplan ist das Ergebnis aus der Persönlichkeitserforschung. Weniger problematisch sind die anderen Aufgabenbereiche. Hier kannst du leichter vom Sozialarbeiter Unterstützung fordern, ohne daß du dafür etwas geben mußt.

Die Sicherstellung von Hab und Gut

Das ist eine Aufgabe, die U-Haft und Strafhaft gleichermaßen betrifft. Sie ist dann sinnvollerweise in Anspruch zu nehmen, wenn du keine Angehörigen oder Freunde hast, die es für dich zuverlässig übernehmen. Unter das Stichwort Sicherstellung von Hab und Gut gehört zum Beispiel die Räumung von angemieteten Wohnungen, den Verkauf oder Unterbringung von Pkws zu übernehmen, Restlöhne vom Arbeitgeber einzutreiben und ähnliche Sachen.

Die Einzelberatung

Du kannst vom Sozialarbeiter Beratung fordern über Sozialversicherung, Steuersachen, Pfändungsangelegenheiten, Krankenversicherung usw. - also formale Sachen.Du mußt einfach nur zu ihm hingehen und dein formales Problem, das du hast, ihm schildern, ohne daß du etwas von dir hergeben mußt. Mancher Sozialarbeiter ist auch ansprechbar auf persönliche Probleme. Da wird es jedoch dann problematisch, wenn man ihn als Ersatz für den sozialen Entzug, unter dem man leidet, benutzt und anfängt, ihm das Herz auszuschütten, ihm also seine familiären, sexuellen und anderen Probleme anvertraut. Du mußt davon ausgehen, daß ihn trotz - oder wegen - seiner Ausbildung viele der Probleme der Gefangenen wahrscheinlich egal sein werden oder ihn überfordern.

Er wird einem auf jedes Problem mit etwas antworten, was seinem Beamtenverstand entspricht. Er wird demjenigen, der Eheprobleme hat, raten zum Psychologen zu gehen, und der Psychologe wird ihm raten, daß er Urlaub beantragen soll, und der Richter wird diesen Urlaub nicht genehmigen, weil kein tnfftiger Grund vorliegt. Das Problem, das man hat, wird sich immer nur für die andere Seite, die Justiz, die Institution, losen. Aus einem menschlichen Problem wird ein administratives. Das administrative Problem kann, wie alle administrativen Probleme, durch Maßnahmen gelöst werden. Dein Problem bleibt ungelöst. Du hast dich an die falsche Stelle gewandt, und vielleicht kannst du das Problem überhaupt nur selbst lösen. Außerdem: Oben wurde bereits gesagt, daß die Person des Sozialarbeiters oft gespalten ist - man weiß nie, mit welcher Hälfte von ihm man es gerade zu tun hat. Ein vertrauliches Gespräch mit ihm bleibt dann oft nicht lange vertraulich.

Dieses Nichtverstehen und Nichtvertrauen wird beim Psychologen noch viel deutlicher zu spüren sein. E^s ist ein gegenseitiges. Beim Sozialarbeiter handelt es sich meistens um ganz formale Dinge, die man von ihm will, also von vorherein schon etwas, was mit Behörden zu tun hat - die Erledigung der administrativen Seite der eigenen Probleme. Hierbei wird er einem unter Umständen auch ein wenig „helfen" können. Wobei natürlich das, was du als „Hilfe" an dir siehst, nichts anderes ist, als daß sich die Bürokratie selbst hilft. Ohne Rechtsanwälte, Sozialarbeiter und die vielen anderen, die stellvertretend für ihre Klienten administrative Probleme regeln, würde die Administration nicht mehr funktionieren. Zuviel Unlösbares würde sich ansammeln. Niemand würde vielleicht dann mehr daran denken, die Dinge so zu sehen, wie sie von den Bürokraten gesehen werden. Niemand mehr würde sich der absurden juristischen Sprache bedienen, um sein Problem klarzumachen. Damit würden sich aber alle Probleme, die die Bürokratie nicht mehr lösen kann, zu politischen Auseinandersetzungen zuspitzen. Um solche politischen Auseinander­setzungen zu verhindern und gefügige "Stellvertreter" anstelle der Betroffenen zu finden, gibt es diese Berufe, zu denen auch der Sozialarbeiter gehört.

Gruppenarbeit

Der Sozialarbeiter hat Einfluß auf die Gemeinschaftsgruppen im Knast. Oft leitet er sie sogar. Wenn man ganz bestimmte Gruppen durchsetzen will, ist es vielleicht sinnvoll, sich an den Sozialarbeiter zu wenden. Oft besteht die Möglichkeit, daß einzelne Gefangene bestimmte Gruppen ms Leben rufen können, wenn sie aus dem „Sozialstab" des Knasts einen Beamten dafür interessieren können.

Förderung der Beziehungen nach draußen

Hier geht es darum, daß man sich zum Beispiel beim Sozialarbeiter dafür einsetzen kann, daß man Sonderbesuch bekommt, wobei der Sozialarbeiter dann natürlich fragen wird, warum. Und sich dann möglicherweise in Sachen hineinzuhängen versucht, die ihn absolut nichts angehen.+

Hier ergibt sich aber die gleiche Problematik wie oben schon beschrieben. Wenn der Sozialarbeiter jemand ist, der vorgibt auf deiner Seite zu stehen, dann muß er sich für den Sonderbesuch einsetzen, ohne daß er von dir verlangt, daß du ihm alle deine Probleme anvertraust.

Meist ist es jedoch so, daß sich der Sozialarbeiter nicht darum reifst, sich in deine Privatangelegenheit einzumischen, Er wird oft dazu gar keine Zeit haben. Er ist dann damit zufrieden, wenn du an ihn klipp und klar eine Forderung richtest und er sich mit deinem Problem nicht weiter abgeben muß. Vielleicht ist das ein Moment, das einen davor schützt, vom Sozialarbeiter allzu sehr verwaltet zu werden.

Ausführung, Ausgang, LJrlauh, Haftunterbrechung, Gnadengesuche, vorzei­tige Entlassung (Strafhaft) Die Entscheidung über diese Maßnahmen ist auch abhängig von dem, was der Sozialarbeiter im einzelnen Fall dazu meint. Der Sozialarbeiter wird w ahrscheinlich vorher ein Gespräch mit dir darüber führen. Auch hier kann man wieder den Anspruch an den Sozialarbeiter richten: Wenn du, wie du behauptest, mir helfen willst, dann muß ich von dir erwarten können, daß du es auch ohne eine Vorleistung der Anpassung tust. Eine positive Begründung für Ausgang, für Urlaub, für vorzeitige Entlassung kann man immer finden. Man kann aus allen Sachverhalten eine positive Begründung fabrizieren, egal welche Informationen man hat - und besonders mit der Wendigkeit und der Kenntnis eines Sozialarbeiters.

Berufsausbildung, Schulabschlüsse

Auch hier redet der Sozialarbeiter mit. Dabei ist es sinnvoll, möglichst seine eigenen Interessen zu formulieren und den Sozialarbeiter zu ihrer Durchsetzung einzusetzen, wenn er dazu bereit ist - aber daß man sich nicht von ihm eine bestimmte Berufsausbildung aufschwatzen läßt.

Soziale Hilfe für die Entlassung

Dazu gehören Unterkunft, Arbeitsplatz, Orientierung über Arbeitslosengeld,Sozialhilfe, hntlassungsbekleidung, Arbeits- und Ausweispapiere, Reisekosten, Startkapital, erste Monatsmiete.

Im übrigen sind das Punkte, wo die Beziehung zum Sozialarbeiter auch relativ unproblematisch sein kann. Es ist nur ein Problem des Umfangs dessen, was er einem zubilligen will.

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Der Psychologe

Für die Bedeutung der Person des Psychologen gilt eigentlich ähnliches wie oben schon zum Sozialarbeiter gesagt. Er hat eine geringere Bedeutung in U-Haft als in Strafhaft und eine größere Bedeutung im Jugendvollzug. Aber seine Methoden und Techniken sind überall die gleichen. Ahnlich wie den Sozialarbeitern gelingt es dem Psychologen oft, vor allem im Jugendvollzug, das Vertrauen der Gefangenen zu gewinnen. Auch er tritt als dein Helfer auf. Während du aber beim Sozialarbeiter konkrete Hilfe, etwa in Erledigung von Formalkram erwarten kannst, ist die "Hilfe" des Psychologen viel komplizierter und undurchsichtiger. Viele Psychologen sind durchaus in der Lage zu erkennen, was im Knast abläuft und sitzen dann, ähnlich wie manche Sozialarbeiter, zwischen den Stühlen. Doch auch hier ist nicht klar, ob und in welcher Situation sie sich für einen der beiden Stühle entscheiden - und für welchen. Die Tatsache, daß ein Psychologe möglicherweise gegen den in seinem Knast herrschenden Vollzug oppositionell auftritt, heißt noch lange nicht, daß er auf deiner Seite steht.

Innerhalb des Vollzugs gibt es eine Richtung, die weg vom traditionellen und hin zu einem moderneren und "psychologischen" Vollzug geht. Es gibt innerhalb der Beamtenschaft Strömungen, die sich gegeneinander richten - die veralteten Strafvoll­zugsmethoden gegen die modernen Strafvollzugsmethoden - und die Angehörigen von veralteten Berufen im Strafvollzug gegen die Angehörigen moderner Berufe im Strafvollzug. Und ein solcher moderner Beruf ist der Psychologe, während Arrestaufseher und Pfarrer eher veraltete Berufe im Strafvollzug sind. Die Ablösung von veralteten Methoden drückt sich auch in der Architektur der Gefängnisse aus.

Die von den Reformern geplanten modernen Gefängnisse haben in der Mitte nicht mehr die Kirche, die den alten Gefängnissen ein klösterliches Aussehen gibt, sondern das "Therapie-Zentrum", das "Diagnostikzentrum" oder das "Kommunikations­zentrum". Diese neuen Gefängnisse sehen eher Kliniken ähnlich. Dann drückt sich das Prinzip und die Richtung dieses Wandels und dieses Gegensatzes aus, m dem der Psychologe eine Rolle spielt. Man kann allerdings nicht sagen, daß sich dieser "moderne" Strafvollzug zur Zeit tatsächlich durchsetzt.

Die Begegnung mit dem Psychologen

Besonders im Jugendstrafvollzug wird ein Ausweichen schwer möglich sein. Dort kann man auch auf den Psychologen stoßen, der aus dem Leben eines Menschen, der ihm ausgeliefert ist, ein Muster von negativen Bewertungen macht, die dann von dem Jugendlichen übernommen werden und zu Richtlinien seines Verhaltens auswachsen. Diese negativen Bewertungen wird der Jugendliche dann vielleicht sein ganzes Leben lang mitschleppen. Deshalb ist es so wichtig, einem solchen Psychologen, wo es nur möglich ist, auszuweichen und eine Mitarbeit an deiner Bewertung zu verweigern .

Wenn es nicht möglich ist, den Psychologen zu umgehen, dann wenigstens noch der dringende Rat: ihn nicht ernst nehmen! Das heißt, die Ergebnisse von irgendwelchen Tests oder die Behauptungen in seinem Gutachten nicht für sich anerkennen. Dort heißt es oft, daß man abartig sei, unnormal, minderwertig. Laß dich von den in wissenschaftliche Begriffe gekleideten Beleidigungen nicht beeindrucken - sie sind ebensoviel wert wie Beleidigungen sonst auch, nämlich nichts! Das einzige, was sie von den Beschimpfungen anderer unterscheidet, ist ihre "wissenschaftliche" Sprache, mit der es sich aber noch empfindlicher beleidigen läßt. Denn sie wird einerseits ernstgenommen, und enthält gleichzeitig die unverschämtesten Herabsetzungen.

Wenn sie dir damit kommen, versuche dir klarzuwerden, daß man immer genauso ist, wie man in seiner sozialen Umgebung am zweckmäßigsten aufgewachsen ist und sich auch zweckmäßig verhält - genauso wie es andere, ebenso zweckmäßige Menschentypen geben muß in anderen Lebensumgebungen: andere Klassen, andere Sprachen, andere Nationalitäten, andere Arten des Körperbaus und Mentalitäten, Temperamente, Traditionen - so muß es auch dich geben. Und es ist dein Recht, darauf zu bestehen, daß du gegenüber allen anderen Menschen gleichwertig bist -weil es für deine Umgebung deines Lebens nur dich gibt und du infolgedessen genauso ideal" für dein Leben bist wie andere für ihres.

Niemand ist dir überlegen. Höchstens kann man dir sagen, daß die Umgebung deines Lebens verändert werden muß. Aber man kann dir nicht vorwerfen, daß du nicht jemand anders bist. Wenn du anderes wärst, wrürdest du der Umgebung deines Lebens gar nicht entsprechen und nicht mehr damit zurecht kommen. Das heißt natürlich nicht, daß ein Mensch nicht in der Lage ist, sich zu ändern. Aber dafür ist der Psychologe ein ungeeigneter Ratgeber - denn er will genauso wie der Sozialarbeiter alle deine Probleme zu etwas umwandeln, das sich im Sinne der staatlichen Zweckmäßigkeit (und damit der Herrschenden) „lösen" läßt.

Wenn er etwas an dir auszusetzen hat, dann ist das seine Parteilichkeit, die mit seiner Funktion als ein staatlicher Korrektor der Seelen zu tun hat. Er ist der Aufseher deines Inneren. Gerade weil er ein Agent des Staates in deinem Inneren sein soll, solltest du dein Inneres vor ihm verschlossen halten und ihm so formalrechtlich wie nur möglich begegnen, indem du ihm eine mit deinem grundgesetzlich garantierten Persönlichkeitsrecht begründete Verweigerung entgegenhältst. Hier noch etwas zu den konkreten Aufgabenbereichen des Psychologen:

Die Aufnahmeuntersuchung und der Vollzugsplan

Dieser Bereich hat in der Regel nur in der Strafhaft Bedeutung. Lediglich bei Jugendlichen gibt es bereits in der U-Haft soetwas wie eine "Aufnahmeuntersuchung". Welche Rolle der Psychologe dabei spielt, kannst du im Abschnitt Aufnahmeprozedur lesen.

Die "psychologische Sonderfallbetreuung"

Sie baut auf dem Wissen auf, das der Psychologe von dir besitzt. Dazu hat er an der Universität eine Reihe von Techniken und Schemata gelernt, die er an dir anwendet. Er ist dabei darauf angewiesen, daß du ihm alles erzählst, was er von dir wissen will. Er wird also immer sagen: "Ich kann dir nur helfen, wenn du alles erzählst, die Tests mitmachst usw." Über Art und Zweck der einzelnen Tests wird im Anschluß an diesen Abschnitt noch etwas gesagt.

Hier zunächst vier Warnungen, die man immer im Kopf haben sollte, wenn man einem Psychologen gegenübersitzt:

Erstens: Psychologen können sehr geschickt sein. Sie können harmlose Gespäche führen und etwas ganz anderes beabsichtigen. Ein Psychologe wird dich oft, um mehr aus dir herauszubekommen, in irgendeiner Art betrugen: durch "harmlose" Gespräche, durch Tricks, durch Tests...

Zweitens: Sie sind oft sehr unberechenbar. Sie sind undurchschaubar. Du kannst mit ihnen nicht "normal" reden. Sie werden dir immer ein Rätsel bleiben, weil sie von sich selbst absolut nichts preisgeben. Du weißt nicht, was sie denken, was sie mit dir vorhaben.

Drittens: Ein Psychologe, der schon sehr lange im Knast arbeitet, ist verdächtig. Zu einem Psychologen, der ganz unerfahren ist, der neu im Knast ist, kannst du unter Umständen ein einigermaßen "sicheres" Verhältnis herstellen - sicher insofern, als du bei ihm eher weißt, wie du mit ihm dran bist. Bei einem, der schon über Jahre im Justizdienst ist, wird man das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht können. Viertens: Du kanrfst dich beim Psychologen auf keine Schweigepflicht gegenüber der Anstaltsleitung verlassen. Überleg dir also, ob du deine Probleme nicht lieber mit Mitgefangenen, mit deinem Anwalt, über Briefe oder notfalls mit dem Anstaltsgeistlichen besprichst - oder eben allein löst.

Die gutachterlichen Stellungnahmen

Die Gutachten des Psychologen haben - hier wieder vor allem im Jugendstrafvollzug - ein ganz entscheidendes Gewicht bei Anträgen auf Teilnahme an Gemein­schaftsveranstaltungen, vorzeitigen Entlassungen etc.. Du mußt damit rechnen, daß in den Gutachten alles auftaucht, was der Psychologe von dir weiß oder glaubt von dir zu wissen. Spätestens hier wirst du merken: auch sogenannte "vertrauliche Gespräche" sind oft plötzlich nicht mehr vertraulich, sondern in schriftlicher Form der Justiz zugänglich. Der Psychologe hat, das ist auch wichtig zu wissen, in seinen Interpretationen deiner Persönlichkeit, die er in den Gutachten beschreibt, die Freiheit, eine Maßnahme für oder gegen dich gut oder schlecht zu heißen, hs ist wichtig sich hier zu erinnern, daß die gutachterliche Stellungnahme nichts sein sollte, von dem man sich beeindrucken läßt - daß also die Ablehnung eines Antrags oder die negative Stellungnahme des Psychologen zu einem Antrag, den du gestellt hast, nicht etwa bedeutet, daß die Maßnahme, die du beantragt hast, für dich nicht geeignet ist, sondern nur bedeutet, daß der Psychologe gegen dich ist, sich gegen dich gewandt hat. Und es muß dir klar sein, daß er genausogut zum ändern Ergebnis hätte kommen können, wenn er auf "deiner Seite" gewesen wäre.

Gibt er vor, auf "deiner Seite" zu sein, so muß er dein Mißtrauen akzeptieren und sich trotzdem in seinem Gutachten für dich einsetzen.

Das ist eine Forderung, die man an einen Psychologen, der den Anspruch erhebt vertrauenswürdig zu sein, ruhig stellen kann.

Der Einsatz des Psychologen in Konflikten

Von einem Psychologen, der sich in erster Linie um die Probleme der Beamten kümmert, ist natürlich kaum etwas Positives zu erwarten. Oft spielen die Psychologen auch die Rolle, mit Tricks die Beamten vor Spannungen und Reibereien mit Gefangenen zu bewahren. Sie werden oft als Vermittler eingesetzt, wenn zum Beispiel eine Station in Hungerstreik getreten ist oder wenn ein Gefangener droht, wenn bestimmte Forderungen nicht erfüllt werden, vom Dach zu springen. Versprechungen der Anstaltsleitung werden jedoch nicht dadurch glaubwürdiger, daß sie von einem Psychologen übermittelt werden.

Der Psychologe wird in einem Konfliktfall versuchen, jedes Problem auf den seelischen Zustand der Beteiligten zurückzuführen. Fr klammert dabei seine Seite völlig aus. Fr berücksichtigt natürlich nicht den seelischen Zustand des Anstaltsleiters, der einen Konflikt mit brutaler Gewalt niederschlägt, und er sieht das auch nicht als Aggressivität. Diese Seite ist aus seiner Vorstellung ausgeblendet. Dafür ist er blind. Fr sieht auf der anderen Seite eine Gruppe von Finzelnen, die in einem seelischen Zustand der Aggressivität, oder wie er das immer nennt, irgendetwas tun, was er von seinen Begriffen und seiner ganzen Einsatzfunktion her für unnormal halten muß oder zumindest als solches behandeln muß. Die Gefahr ist dabei, daß man auf diese Denkweise des Psychologen, weil man ihr nichts entgegenzusetzen hat, hereinfällt — daß man seine Begriffe benutzt statt die möglichen eigenen.

Bei Aktionen von Gefangenen gegen den Knast ist das Mittel der Öffentlichkeit das einzige, wenn es überhaupt eines gibt, das die Chance bietet, etwas durchzusetzen. Fine Aktion, die auf den Anstaltspsychologen baut, ist dagegen von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil sie keinen Druck ausüben kann. Versprechungen sind in dem Fall nichts wert. Das einzige, was also nützen kann, ist die Einschaltung der Kontakte nach draußen oder irgendwelcher Institution draußen. Es ist falsch, zu glauben, der Psychologe wäre schon eine Institution, die man einschaltet. Man wird hinterher feststellen, daß da eigentlich niemand war, der zwischen Anstaltsleitung und Gefangenen gestanden hat.

Es ist vielleicht sogar gefährlicher, im Konfliktfall mit dem Psychologen zu sprechen als mit dem Anstaltsleiter. Der Psychologe wird psychologisch, der Anstaltsleiter dagegen ziemlich schematisch, also durchsichtig reagieren. Eine solche durchsichtige Reaktion ist aber einer solchen vorzuziehen, bei der man überhaupt nicht weiß, was mit einem angefangen wird. Der Anstaltsleiter hat vielleicht einen üblen Charakter. Der Psychologe dagegen hat eine üble Methode, mit der er versucht, dich zu überrumpeln und aufs Kreuz zu legen. Er ist methodisch bereits geprüft auf den Erfolg seines Einsatzes in solchen Fällen. Er wird nie sagen, was er tut, und vielleicht nie tun was er sagt.

Wie man ihm gegenübertreten kann

Wir gehen hier - wie schon im bisher Gesagten - von dem Psychologentyp aus, mit dem man schlimmstenfalls rechnen muß. Dabei ist uns klar, daß es auch andere gibt. Es ist auch nicht die Regel, daß dich der Psychologe ständig bedrängt. Im Gegenteil. In der Regel wirst du ihn kaum zu Gesicht bekommen.

Eine mögliche Verhaltensstrategie gegenüber dem Psychologen ist vielleicht, sich alles erklären zu lassen und zürn Beispiel vom Psychologen zu fordern, daß er dir den Psycho-Test erklärt. Er wird es nicht tun und er wird es auch nicht können. Aber es ist eine Möglichkeit, ihm seine Autorität wegzunehmen. Vielleicht wird er versuchen, auch dieses Verhalten von dir zu vermerken, indem er dem Mißtrauen als Symptom einordnet. Aber, dem kann man vorbeugen, indem man gleich im nächsten Atemzug fragt, ob er eigentlich vorhat, diese Erage als Symtom zu bewerten. Dazu gehört eine gewisse Schlagfertigkeit und Sachkenntnis, die allerdings die meisten nicht haben werden.

Man müßte also Methoden finden, die jeder anwenden kann, auch ohne spezielle Kenntnisse in der Psychologie. Die allgemeinste und einfachste Methode ist die Verweigerung . Man kann eine P>klärung abfassen, in der steht, daß man diese Testmethoden als einen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte betrachtet, die nach dem Grundgesetz geschützt sind, und daß man deswegen überhaupt jede Beteiligung daran verweigert. Die Erklärung könnte etwa so aussehen:

>>
Ich lehne eine Mitwirkung an einer psychologischen Untersuchung ab, weil ich die dabei angewendeten Methoden als einen Eingriff in meine Persönlichkeits-rechte betrachte, da ich weder erkennen kann, was sie beinhalten, noch wozu ihre Ergebnisse verwendet werden. Gezeichnet XXXXXXX

Den Zettel unterschreibt man und gibt ihn dem Psychologen. Soll er ihn dann in seine Mappe heften. Auf weiteres Fragen von ihm, warum man die Mitwirkung verweigert, darf man dann allerdings nicht mehr antworten. Wenn ihm klar ist, daß man nicht mehr mit ihm reden will, wird eres nicht mit Gewalt versuchen. Reden ist nicht zu erzwingen. Damit ist seine Tätigkeit an dir praktisch ausgeschaltet. Er kann höchstens noch ein graphologisches Gutachten von deiner Schrift anfertigen oder anfertigen lassen. Dagegen wehrst du dich, indem du alles mit Maschine schreibst oder in Blockbuchstaben.

Was auch beim Versuch der Psychiatrisierung gilt (siehe dazu Kapitel 19. "Verhalten bei drohender Psychiatrisierung"), trifft hier genauso zu: sich der Behandlung nicht wortlos zu entziehen versuchen, sondern erklären, daß der Beamte (Psychologe, Psychiater) dein Vertrauen nicht hat und daß du deswegen die Untersuchung verweigerst. Das ist auch die einzige Ver­haltensmöglichkeit, die nicht als "Symptom" bewertet werden kann. Gutachter, Ärzte und auch Psychologen, werden sehr schnell bereit sein, deinen Fall wieder abzugeben, wenn du ihnen erklarst, daß sie dein Vertrauen nicht haben - weil sie sich, wenn es nicht grade Justizbeamte sind, nicht leisten können, durch Zwangsmethoden in Verruf zu kommen. Denn solche Methoden schaden dem wissenschaftlichen Anschein, der sie umgibt.



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Psychologische Tests zur „Persönlichkeitserforschung"

Nur wenige schaffen es, eine konsequente Verweigerung gegenüber dem Psychologen durchzuhalten. Vor allem bei der Aufnahmeuntersuchung ist die Unsicherheit und die Angst, für ein "Fehlverhalten" langfristig büßen zu müssen, sehr groß. Wir wollen deshalb hier noch einiges zu den Testmethoden sagen, um sie etwas durchsichtiger zu machen und ein paar Tips geben, wie man sich bei den Tests am geschicktesten verhält. Dabei ist Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber dem Psychologen nicht immer das geschickteste Verhalten.

Die Testsituation

Zwei Menschen sitzen sich gegenüber. Einer stellt Fragen. Er heißt Testleiter und ist Diplompsychologe. Er hat studiert, um Fragen stellen zu dürfen. Er hat einen Auftraggeber, für den testet er andere. Er wird dafür bezahlt, daß er Fragen stellt, das ist sein Hauptinteresse. Und daß er seinen Auftraggeber zufriedenstellt. Er fragt private und intime Dinge, die würde man einem Fremden nie erzählen.

Der, der die Fragen beantworten soll, heißt der "Proband", oder die "Versuchsperson" oder der "Klient". Er sitzt nicht freiwillig da, er wird nicht bezahlt dafür, über ihn soll etwas herausgefunden werden. Zum Beispiel wie schnell er wütend wird, wann er unsicher wird. Auch ob er zu Gewalttätigkeiten neigt, ob er Angst hat, ob er seine Fehler einsieht, ob er sich anpassen kann. Der, der die Fragen stellt, bestimmt Anfang und Ende des Tests. Er verteilt Fragebögen und Bildchen, die kein normaler, vernünftiger Mensch ausfüllen und ordnen würde, sondern als lächerliches Spiel beiseite schieben würde. Hier ist es kein Spiel mehr, es gibt feste Regeln, die nur einer kennt und durchschaut, der andere muß sich daran halten. Was mit den Antworten und den ausgefüllten Fragebögen geschieht, erfährt derjenige, den es am meisten betrifft, nie.

Was verraten die Testergebnisse

Darüber, was man mit Testbögen alles rauskriegen kann, streiten sich die Wissenschaftler. Die einen glauben, daß man damit alle geheimen guten und schlechten Anlagen herausfinden kann, andere glauben, daß man etwas über die sozialen Beziehungen und Kontaktschwierigkeiten entnehmen kann.

Es gibt aber auch Wissenschaftler, die sagen, man kann überhaupt nichts mit diesen Tests anfangen und rauskriegen.

Diejenigen, die Tests benutzen, glauben jedoch daran. Das ist das Gefährliche an den Tests. Weil sie dich damit reinlegen können. Mit Farben, Formen, Klecksen, dümmlichen Fragen, Lügenfallen, Kontrollfragen usw. meinen sie, deine W'esenszüge beleuchten zu können. Manche Psychologen brauchen diese Hilfsmittel nicht und machen "nur ein rein persönliches Gespräch". In diesem Gespräch versuchen die heimlich dasselbe rauszukriegen, nur ist es nicht so offensichtlich wie die Testbögen. Bei den Testbögen weißt du wenigstens so ungefähr, worauf sie hinaus wollen, die sind unpersönlicher, du kannst dich besser rausziehen, als im "vertrauten Gespräch". Die wichtigsten dieser Tests wollen wir nun kurz vorstellen:

Intelligenztests

Niemand weiß, was Intelligenz wirklich ist. Viele Psychologen sagen: " Intelligenz ist, was ein Intelligenztest mißt". Aber es gibt Erwartungen und Annahmen darüber, wie ein intelligenter Mensch sich verhält bzw. welche Aufgaben er lösen kann. Psychologen haben sich also Fragen überlest, auf die jemand intelligent antworten kann (das sind die Intellegenztests). Dabei gingen in die Fragen natürlich ihre eigenen Vorstellungen und Normen ein, die von ihrem Milieu, ihrer Schichtzugehörigkeit und ihrer (Schul-) Bildung geprägt sind.

Es gibt durchaus verschiedenartige Intelligentests. Weil man aber annimmt, daß sich Intelligenz aus verschiedenen Fähigkeiten zusammensetzt, sind sie zumeist aus verschiedenen Einzelaufgaben aufgebaut, von denen jede eine solche Fähigkeit „testen" soll.

Da wird z.B. in dem sehr häufig benutzten HAWIE (Hamburg-Wechsler Intelligenztest für Erwachsene) nach deinem "allgemeinen Wissen" gefragt (z.B. was ist ein Globus), du sollst Oberbegriffe (z.B. für Apfel und Banane) finden, deine Konzentrationsfähigkeit unter Beweis stellen,Rechenaufgaben lösen, aber auch dein „soziales Verständnis" beweisen, indem du auf die Frage: "Warum zahlen wir Steuern" eine sozial akzeptierte Antwort zu geben weißt.

Wichtig bei diesen Tests ist es, die Ruhe zu bewahren, auch wenn der Psychologe mit der Stopuhr vor dir sitzt, denn häufig wird dir für eine Aufgabe nur eine bestimmte

Zeit zur Verfügung gestellt. In der hast du vielleicht aber erst drei von fünf Rechenaufgaben gelöst. Es wird aber auch gar nicht erwartet, daß du alles löst -schließlich darf nicht jeder einen „Intelligenzquotient" (IQ) von 140 haben, weil bereits festgelegt ist, daß die Norm (d.h. die Ergebnisse des Hauptteils der Bevölkerung) bei einem IQ von 90 - 110 liegt.

Persönlichkeitstests

Bei Persönlichkeitstests unterscheidet man zwischen solchen m Eragebogenform, wo du auf Fragen mit "ja" oder "nein" bzw. „trifft zu" oder „trifft nicht zu", "stimmt" oder "stimmt nicht" antworten sollst und solchen, wo man nicht durch Fragen, sondern durch Kleckse oder Bilder eine Reaktion von dir bekommen will. Ein häufig eingesetzter Personlichkeitsfragebogen heißt "FPI":

Der "FPI - Test"

FPI bedeutet "Freiburger Persönlichkeitsinventar". Der Test beinhaltet 212 verschiedene Fragen nach deinen Gewohnheiten, körperlichen Beschwerden, nach deinem Verhalten, deinen persönlichen Einstellungen usw.. Aus den Antworten soll ein Bild über den Getesteten entstehen, aus dem man ablesen können will, wie schnell er aggressiv, nervös, erregbar wird, wie gesellig er ist, ob er Schwierigkeiten einigermaßen meistert.

Die Frage:" Ich weiß nicht warum, aber manchmal möchte ich etwas kurz und klein schlagen", soll deine Aggressivität testen und die Frage solltest du möglichst nicht mit ja beantworten. Es gibt in diesem Test - wie auch in anderen - Fangfragen, die deine Offenheit prüfen sollen und ob du lügst oder nicht, z.B. "Hm und wieder gehe ich ein bißchen an". Das kannst du ruhig zugeben, wer behauptet, daß er das nie tut, ist nicht offen und lügt für den Tester. Auch die Behauptung, man habe noch nie ein unwahres Wort in seinem ganzen Leben gesagt, ist eine Lügenfalle. Man erkennt diese Falle meistens daran, daß "niemals" oder "immer" dann vorkommt. Auch: "Ich würde lieber gewinnen, als verlieren", "Manchmal möchte ich fluchen", "Ich mag nicht jeden Menschen leiden, den ich kenne", "Ich werde manchmal wütend", kannst du ruhig bejahen.

In einem Test zu täuschen und nur solche Antworten zu geben, die ein gutes Bild von dir zeigen, ist fast unmöglich. Trotzdem solltest du einige Sachen beim Test beachten:

Du mußt nicht immer ehrlich sein. Denke immer daran, für wen der Psychologe die Fragen stellt. Fragen, die deine Intimsphäre verletzen, zum Beispiel Fragen nach den sexuellen Gewohnheiten, solltest du als unzumutbar ablehnen. Im übrigen solltest du darauf hinweisen, daß der Psychologe nicht dein Vertrauen besitzt und du deshalb derart persönliche Dinge lieber nicht mit ihm besprechen willst.

Der "Rosenzweig-Test"

Beim "Rosenzweig-Test" werden dir Zeichnungen vorgelegt, auf denen sich zwei oder mehr Personen in einer ärgerlichen Situation befinden, zu der eine der Personen eine beleidigende oder enttauschende Bemerkung macht, die du m einer Sprechblase lesen kannst. In die leere Sprechblase einer anderen Person sollst du deine Antwort auf diese Bemerkung reinschreiben. Natürlich wird angenommen, daß du jetzt persönlich reagierst und dich z.B. angegriffen fühlst. Deshalb wird aus deinen Antworten Ausmaß und Richtung (gegen Gegenstände, gegen Menschen oder gegen dich selbst) deiner Aggression geschlossen. Ein Gefangener, der aggressiv ist, wird in jedem Fall als gefährlich eingestuft!

Am ungefährlichsten ist es, wenn du dich möglichst nicht identifizierst, sondern sachlich reagierst oder Klischeeanrworten gibst, aus denen sich nichts schließen läßt, weil sie jeder geben könnte.

Der Farbtest

Der Farbtest gehört zu den schwierigeren Tests, die keine konkrete Fragen stellen und keine einfachen Antworten fordern. Du wirst einfach aufgefordert, Farben in der Reihenfolge zu legen, wie du sie magst. Psychologen meinen, daß jede Farbe eine seelische Bedeutung hat. In dem Farbtest gibt es 8 Farben. Am günstigsten ist die Reihenfolge: rot, grün, gelb, blau, braun, grau, violett, schwarz; da schneidest du am besten ab.

Der Klecks-Test

Beim Klecks-Test sollst du zu Blättern mit grauen und bunten Klecksen jeweils sagen, was das sein könnte. Faß dich vor allem nicht verunsichern, daß du keine präzisen Fragen gestellt bekommst, sondern angeblich sagen darfst, was du willst und was dir einfällt. Dich zu verunsichern ist nämlich die Absicht dieses Tests. Zeige keine äußere Reaktion wie Verwunderung, Belustigung oder Erschrecken über die Bilder. Der Sinn dieses Tests ist, von dir "unbewußte" Antworten zu erhalten. Das ist eine verfeinerte Methode des Fangfragens. Statt Fangfragen stellt man dir mit Hilfe der Klecksbilder scheinbar "neutrale" Fragen, die mit deinem Leben nichts zu tun haben. Ohne deine seelischen Probleme zu berühren, versucht man an deiner Reaktion auf bestimmte "Reize" etwas über deine Ängste und Konflikte, Wünsche und Vorstellungen herauszubekommen, aus denen dann auf dein mögliches Verhalten geschlossen wird

"Vermasseln" kannst du den Test kaum. Wenn du nicht überhaupt ablehnst, ihn mitzumachen, solltest du möglich wenig Material liefern. Eine kurze Antwort pro Klecksbild genügt, denn wenn du insgesammt wenig sagst, läßt sich einfach nicht soviel herausziehen. Du solltest aber zu jeder Tafel etwas sagen, denn zu einer nichts zu sagen, gilt als "Versagen" und als besonders bedenklich.

Ein Hilfsmittel kann sein - wenn du dich nicht in der Lage fühlst, den Test abzulehnen - jedes Bild nur kurz zu beschreiben: ein großer dunkler Tintenklecks; ein dunkler und zwei kleinere rote Kleckse etc.. Ehrlicherweise müßte der Psychologe dann von sich aus den Test abbrechen oder zugeben, daß das Ergebnis nicht auszuwerten ist. Aber sicher kannst du da nicht sein. Wenn er bösartig ist, diagnostiziert er „Verarmung in der Phantasie" oder „Blockierung der Denkfähigkeit" oder „Konkretismus und Perseveration".

Manche Psychologen versuchen, nach dem Test in ein Gespräch mit dir zu kommen und dabei etwas über deine Lebensgeschichte zu erfahren. Wenn du z.B. in einem Klecks einen großen starken Mann gesehen hast, der einen anderen (unterlegenen) schlägt, wird er versuchen, etwas über deine Beziehung zu deinem Vater rauszufmden. Ein solches Gespräch kannst du in jedem Fall verweigern. Tests, bei denen du zu mehr oder weniger deutlich erkennbaren Bildern Geschichten erzählen sollst, funktionieren nach demselben Prinzip. Es ist nicht zu verhindern, daß die Geschichten, die du erzählst, was mit dir zu tun haben. Du kannst aber versuchen, möglichst distanziert zu bleiben und kurze, einfache, banale und logische Geschichten zu erfinden. Drei Sätze reichen.



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