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"Donīt Believe The Hype":
Antisemitismus im US-amerikanischen HipHop
Mit Songs wie "Fight the Power" agitierten die Rapper von Public Enemy seit Mitte der 80er Jahre gegen den Rassismus des weißen Amerika. Doch die von vielen Linken positiv aufgenommenen und als politische Botschaften verstandenen Parolen gerieten in Verruf, als sich antisemitische Äußerungen von Public Enemy-Mitgliedern häuften. An der antijüdischen Hetze von Teilen der afroamerikanischen Community hat sich bis heute nichts geändert.
Von Günther Jacob
1988: Die "Macht der Juden"
Die entscheidende Wende zur "Politisierung" des Rap ging Ende der 80er Jahre von einer Gruppe aus, die Anfang 1987 erst eine einzige Single veröffentlicht hatte und noch als Vorgruppe von LL Cool J und den Beastie Boys auftrat: Public Enemy. Deren Mitglieder Chuck D, Flavor Flav, Terminator X und Professor Griff knüpften der Form nach wieder stärker an die herkömmliche Band-Idee an, allerdings so, dass sie die klassischen Band-Rollen wie Gitarrist oder Schlagzeuger in politische Posten verwandelten: Griff fungierte als "Informationsminister", und Public Enemys Operettengarde "Security of The First World" war dem Sicherheitsdienst der afroamerikanischen, islamistisch orientierten Organisation Nation of Islam nachempfunden.
Die "Band" kümmerte sich hauptsächlich um Statements und Symbolik, bei der Musik verließ man sich weitgehend auf die Produzenten. Public Enemy instrumentalisierten von Anfang an das Interesse an Rap für ihre Black Consciousness-Propaganda - unter Berücksichtigung zwar der gängigen Konsumgewohnheiten, aber ohne all zu viel Rücksicht auf den üblichen Künstlergestus, die Bewertung historischer oder politischer Ereignisse nur metaphorisch anzudeuten und in schöne Poesie zu verpacken.
Doch nach einem spektakulären Aufstieg zur ton- und richtungsweisenden Rap-Gruppe gerieten Public Enemy 1989 überraschend in die Defensive, nachdem sie sich für zahlreiche antisemitische Äußerungen von Professor Griff öffentlich rechtfertigen mussten.
Im Mai 1988 hatte Griff dem britischen Musikmagazin Melody Maker zu Protokoll gegeben, was er von Israel hielt: "Wenn die Palästinenser sich bewaffnen, um nach Israel zu gehen und alle Juden zu töten, dann wäre das in Ordnung".
In einem weiteren Interview hatte er behauptet, dass die "Mehrheit der Juden" verantwortlich sei für "die Mehrzahl der Schweinereien auf dieser Welt". In der Washington Times verbreitete er sich im Mai 1989 über Analogien zwischen "Jews" und "Jewellers", ganz so wie z.B. Rechtsradikale von "JerUSAlem" sprechen. Und den Diktator Idi Amin lobte Griff so: "Er trieb alle Juden zusammen und tötete sie, als sie versuchten, nach Uganda einzusickern und das Land zu übernehmen."
Gegen diese antisemitischen Provokationen protestierten damals in den USA zahlreiche antirassistische Initiativen und jüdische Selbstverteidigungsgruppen.
Am Premierenabend des Spike Lee-Films "Do The Right Thing" im Juni 1989 fand in New York sogar eine Demonstration gegen Public Enemy statt; sie hatten den Soundtrack zum Film geliefert. Die öffentliche Auseinandersetzung um Griffs antijüdische Äußerungen hielt schließlich schon viele Monate an, als Chuck D im März 1990 Griffs Rauswurf bekannt gab: "Wir sind keine Antisemiten. Griff hat uns sabotiert, das war ein interner Absprachefehler..."
Allerdings veröffentlichte Public Enemy zur gleichen Zeit zwei Auskopplungen aus dem Album "Fear of a black Planet" mit verschlüsselten Erklärungen über die "Macht der Juden": Der Song "Terrordome" enthielt die Anspielung "Crucifixion ain't no fiction/ So called chosen frozen/ Apology made to who ever pleases/ Still they got me like Jesus". Und im Titel "Anti-Nigger-Machine" hieß es unter deutlicher Bezugnahme auf die Kritik an Griffs Äußerungen: "Once they never gave a fuck about/ what I said/ now they listen and they want my head".
Seither beschäftigten sich radikale afroamerikanische Nationalisten immer wieder mit Griffs Ende bei Public Enemy. Ein Jahr nach dem Rauswurf kam etwa Khalid Abdul Mohammed, ein Sprecher der Nation of Islam, wieder auf die Auseinandersetzung zu sprechen: "Professor Griff hatte Recht, als er an der Columbia Jew-niversity von Jew York City sprach."
Und im 1994 erstmals erschienenen, vom "Black African Holocaust Council" herausgegebenen Monatsmagazin "The Holocaust Journal" (bereits der Titel war eine bewusste antisemitische Provokation) warf der Black Muslim Adeeb Shabazz der jüdischen Community vor, die Popularität des "political, message-oriented rap" zerstören zu wollen: "Die Juden haben die profilierteste Musikgruppe der 80er Jahre zerstört, um einen Bruder dafür zu bestrafen, dass er die Wahrheit sprach"!
Die Wucht, mit der in diesen Jahren nicht einfach nur "Politik", sondern gerade das als besonders heikel empfundene Thema des Antisemitismus durch HipHop in den Pop drängte, erschütterte damals das in den 80er Jahren mühsam errichtete Style & Fashion-Gebäude der "subkulturellen" weißen Mittelschichtjugend. Doch nach einigen Irritationen wurde dann immerhin in den Popszenen der USA und Englands halbwegs begriffen, dass Professor Griff ein gesellschaftliches Geheimnis ausplauderte, indem er die im "harmlosen" Antisemitismus angelegten Konsequenzen offen thematisierte.
Die deutsche Easy Listening- und Black Music-Szene hingegen, die damals nicht mal vom Rassismus einen Begriff hatte - man sprach Anfang der 90er bestenfalls von "Ausländerfeindlichkeit" - , war auf die Auseinandersetzung mit antisemitischen Äußerungen überhaupt nicht vorbereitet.
Im "Fall Griff" setzte sie dann auch ganz andere Akzente als die US-amerikanische oder britische Pop-Presse. Den fanatischen Antisemitismus von Griff spielte sie herunter oder hielt den "Skandal" als "interessantes Phänomen" genüsslich in der Schwebe. Und nicht wenige verteidigten Public Enemy mit kaum verhüllten eigenen antisemitischen Argumenten.
Die Reaktion deutscher Popzeitschriften auf die Statements von Griff ist bemerkenswert. So wurde etwa in dem Black Music-Magazin "Network Press" (NP) von einigen Autoren der Antisemitismus von Griff zunächst mit der Behauptung relativiert, dass die notorische "Skandalnudel" doch nur generell provozieren wolle. Zugleich wurde die Anspielung, die Juden hätten Jesus umgebracht, zuerst als eine "umstrittene" Frage behandelt und dann als "Übertreibung" verworfen.
Statt Antisemitismus als irrationale Leidenschaft zu bewerten, als einen Welterklärungsfanatismus, der für alles Unverstandene eine antijüdische "Erklärung" bietet, fand man schließlich heraus, dass Griff schon deshalb kein Antisemit sein könne, weil er auch mit Juden Geschäfte mache. Den sich daran anschließenden Kommentaren zu den Boykottaufrufen "einflussreicher" jüdischer Gruppen war bereits die eigene Überzeugung von der Macht des "Weltjudentums" (NP) anzumerken.
Als sich jüdische Organisationen in den USA gegen den Antisemitismus von Public Enemy aktiv zur Wehr setzten, war in deutschen Popzeitschriften nicht nur von "Überempfindlichkeit und Dünnhäutigkeit" die Rede, sondern auch von "albernen" Leuten, die den Antisemitismus mit der Lupe suchen ("Wer suchet, der findet", NP). Am Ende erschien Professor Griff in deutschen Popmagazinen als verfolgte Unschuld.
1998: Comeback at 33 1/3
Neun Jahre nach dem spektakulären Streit um Professor Griff präsentierte sich Public Enemy wieder in der Originalbesetzung. Auf dem Album "He Got Game" (Soundtrack zu dem gleichnamigen Film von Spike Lee) war Professor Griff wieder dabei. Im Booklet der Platte wurde er bereits als reguläres Bandmitglied aufgeführt; lediglich bei den obligatorischen Grußadressen und auf dem Foto der Cover-Rückseite fehlte er noch.
Diese nicht weiter begründete "Rehabilitation" eines engagierten Antisemiten blieb 1998 in der deutschen Pop-Presse, die sich inzwischen "Antirassismus"-Buttons und "Pop & Politik"-Logos angeheftet hatte, unkommentiert.
Auch die ganz unabhängig von Professor Griff existierenden antisemitischen Momente der preach & teach-Strategie von Public Enemy, wie sie erneut auch auf "He Got Game" in der Werbung für den islamistischen Antisemiten Louis Farrakhan zum Ausdruck kommen, wurden nicht kritisiert.
Bundesdeutsche Popmedien, die ohnehin alles, was sie für eine "schwarze Äußerung" halten, als "politisch progressiv" bewerten, empfanden Public Enemy nur 1994 als problematisch, als Chuck D auf "Muse Sick N Hour Mess Age" aus nationalistischer Perspektive den Gangster-Rap angriff. Rap-Fans, die mit dem kulturellen Black Nationalism bis dahin nie ein Problem hatten oder sogar den Führer der Nation of Islam, Louis Farrakhan, verteidigten (wie etwa der damalige "Spex"-Redakteur Diedrich Diederichsen), entdeckten damals einen gewissen "nationalistischen Moralismus" bei Public Enemy.
Doch als Griff 1998 wieder zum Line up gehörte, sahen sie lediglich ihre alte These bestätigt, dass es Griff seinerzeit nicht um die Juden ging, sondern um eine Skandalstrategie, die sein erstes Soloalbum, das zwei Wochen nach seinem Rauswurf auf dem Markt war, bekannt machen sollte.
Doch abgesehen davon, dass dann eben die Wahl des "Skandalthemas" antisemitisch wäre - andere Musiker demolieren einfach ein Hotelzimmer - , wurde Griffs Rauswurf 1990 immerhin von anderen Rap-Gruppen als Markierung einer Grenze verstanden, die zu überschreiten für die weitere Karriere nicht folgenlos sein würde.
Mit der praktischen Rehabilitierung von Professor Griff wurde diese Markierung wieder aufgehoben. Dass dieser Backlash in den inzwischen "politisierten" Popszenen zum öffentlichen Thema nicht mehr taugte, ist bezeichnend. Die "Pop-Rebellion" via Rap hatte ihre Aura schon lange eingebüßt. 1998 behauptete kaum ein Rapper noch, er würde das selbe tun, was seinerzeit Malcolm X auf den Straßen von Harlem tat, nur eben massenwirksamer und finanziell einträglicher.
Die Konjunktur des Agit-Pop war vorbei, die standardisierten Politparolen des "schwarzen" Kulturnationalismus deutlich als Trademark-Zeichen zu erkennen, die sich glatt in den neoliberalen Diskurs einfügten. Mit der von keiner Seite weiter kommentierten 1998er Reunion von Public Enemy entwirklichten Musiker und Konsumenten nachträglich die einst heftige Auseinandersetzung um Antisemitismus im HipHop. Doch bei dieser "pragmatischen" Antwort auf die Kritiker sollte es nicht lange bleiben.
2002: There's a Poison goin on...
1992 wurde im Crown Height-Viertel von Brooklyn nach dreitägigen antisemitischen Ausschreitungen ein jüdischer Anwohner von einem Afroamerikaner erstochen.
Gerechtfertigt wurde dieser Mord durch ein von Black Power-Aktivisten und Rap-Musikern gestreutes Gerücht: Die lokale jüdische Ambulanz hatte angeblich die medizinische Versorgung eines schwarzen Jungen verweigert, der von einem jüdischer Autofahrer angefahren worden war und später seinen Verletzungen erlag.
In dem damals entstandenen Video der Rap-Gruppe X-Clan über die "Utika Avenue" ist diese antijüdische Propaganda von "afrozentrischen" und islamistischen Rap-Nationalisten in Pop gekleidet worden.
Dabei hatte die antisemitische Radikalisierung im HipHop damals ihren Höhepunkt noch längst nicht erreicht. Zwei Jahre nach der Pogromhetze von Crown Height richtete die traditionsreiche schwarze Bürgerrechtsorganisation NAACP unter ihrem Vorsitzenden Benjamin Chavis die Institution eines "black-leadership summit" ein, zu der erstmals auch Louis Farrakhan geladen war, den man zuvor wegen seines Antisemitismus auf Distanz gehalten hatte.
Gestärkt durch diese Anerkennung der etablierten Kräfte konnte die Nation of Islam ihren Einfluss unter der afroamerikanischen Jugend vervielfältigen und 1995 den "Million Man March" in Washington anführen. Erst nach diesem spektakulären Mobilisierungserfolg, der sich so leicht nicht wiederholen ließ, verlor die offen antisemitische Strömung des Black Nationalism vorerst an Dynamik - und mit ihr auch der "politische HipHop".
Auch um Public Enemy war es ab 1995 sehr ruhig geworden. Musikalisch längst nicht mehr tonangebend, aber hoch respektiert, musste vor allem Chuck D nach neuen Terrains Ausschau halten. Inzwischen ist aus ihm ein vielbeschäftigter Redner und Dozent an Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen geworden.
Die Platten aber, die Public Enemy seither veröffentlichten, waren allesamt nicht mehr erfolgreich. Der Soundtrack "He got Game" war die letzte Public Enemy-Platte bei dem legendären Label Def-Jam und das 1999 veröffentlichte Album "There's a Poison goin on..." schaffte es nicht einmal in die Billboard-Charts. Hitsampler ("Bring the Noise 2000") und Soloprojekte von Flavor Flav ("It's about Time", 2000) sowie von Chuck D & Professor Griff (Confrontation Camp: "Objects In The Mirror A", 2000) wurden ebenfalls zu Ladenhütern.
Doch auch ohne kommerzielle Erfolge gelang es Public Enemy, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Als 1999 das Album "There's a Poison goin on..." erschien, wurde endgültig deutlich, dass es sich beim Antisemitismus von Public Enemy nicht um kalkulierte Pop-Skandale handelt, sondern um eine Obsession, die sich diesmal in dem Track "Swindlers Lust" niederschlug. Die Verszeile "More dollars, more cents for the big six/ Another million claiming they innocence'" unterstellte den Juden, aus dem Holocaust ("the big six") nachträglich Profit zu ziehen.
Die jüdische Anti-Defamation League (ADL) kommentierte das so: "Das ist jene rassistische Sprache, die zuvor schon von Louis Farrakhan und der Nation of Islam innerhalb der schwarzen Community benutzt wurde." Besonders empört war die ADL darüber, dass Public Enemy schon im Songtitel Otto Schindler verunglimpfte, dem Steven Spielberg wenige Jahre zuvor ein filmisches Denkmal gesetzt hatte. Doch nur ein Jahr nach "Swindlers Lust" leistete sich Chuck D eine weitere ironische Bezugnahme auf den Holocaust, als er gemeinsam mit Professor Griff eine Rock-Rap-Gruppe unter dem Namen "Confrontation Camp" gründete - eine Anspielung, die auch vom amerikanischen Musikmagazin "Rolling Stone" umgehend verurteilt wurde.
Deutsche Fans ignorierten hingegen auch diese erneute Radikalisierung des Antisemitismus. Wo Public Enemy die Juden für die Lage der Afroamerikaner verantwortlich machen und US-Fans das auch so verstehen, wie es gemeint ist ("It's your white/jewish owners who are really getting paid" heißt es etwa in einer auf der Homepage der Band veröffentlichten Fan-Zuschrift), interpretierte man das in deutschen Musikzeitschriften einheitlich als subkulturellen Widerstand.
Das auch in linken Kreisen gern gelesene Magazin "Spex" beispielsweise schrieb: "Public Enemy bläst zum Angriff gegen die Musikkonzerne!"
Währenddessen wurde in den USA die alljährliche HipHop-Messe vorbereitet, die im Juni 2001 unter dem Motto "Will We Take Responsibility - The Hip Hop Summit" stand. Als Hauptredner trat dort erneut "the Honorable Minister Louis Farrakhan" auf, diesmal flankiert von linken Intellektuellen wie Cornel West oder Tricia Rose. Unter den Zuhörern befanden sich Rap-Pioniere wie DJ Kool Herc, Grandmaster Flash, Afrika Bambaataa und Red Alert, außerdem bekannte Rap-Stars wie Redman, Sista Souljah, LL Cool J, Dead Prez, Sean Combs und Wyclef Jean.
Chuck D, der nach Farrakhan sprach, warb für die bevorstehende UN-Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit im südafrikanischen Durban, wo afroamerikanische Delegationen die Forderung nach Reparationen für die Zeit der Sklaverei erheben wollten. Dass diese Konferenz dann daran scheiterte, dass arabische und muslimische Länder, aber auch 3.000 NGOs Israel als "rassistischen Apartheidstaat" anklagten, der systematisch rassistische Verbrechen, Völkermord und ethnische Säuberung begehe, konnte Chuck D und seine Anhänger nur in der Überzeugung bestärken, dass die Juden den Afroamerikanern übel mitspielen wollen.
Auf seiner Homepage erklärte er am 15. Oktober 2001 Israel und die Juden zum Stigma der heutigen Welt: "Wieviele Amerikaner wissen schon, dass die amerikanische Delegation die Rassismuskonferenz verlassen hat, als das Thema der israelisch-palästinensischen Konfliktes auf die Tagesordnung kam? Der Mittlere Osten, den sie das Heilige Land nennen, hat die ganze Welt in Gefahr gebracht".
Und seine Fans griffen das begierig auf: "Lieber Chuck, gehe ich richtig in der Annahme, dass Israel - ein Land, das auf Vergewaltigung, Gewalt und Terrorismus aufgebaut wurde - zum großen Teil von den USA unterstützt wurde?"
Chuck D weiß sich in seinen antisemitischen Verschwörungstheorien einig mit großen Teilen der afroamerikanischen "HipHop Nation". Doch als islamistische Selbstmordattentäter am 11. September 3.000 Menschen im World Trade Center töteten, bewirkte der Schock dieses Massenmordes einen nachhaltigen Bruch im Lager des Cultural Black Nationalism.
Die Zustimmung bleibt, wo es gegen Israel und die Juden geht, aber die damit verbundene positive Bewertung des Islamismus überzeugt plötzlich viele nicht mehr, weil sie sich nun in ihrer eigenen Lebenswelt bedroht fühlen. Nicht nur die Nation of Islam wird seither auch von vielen HipHop-Fans mit anderen Augen gesehen.
Auch die symbolische Militanz etlicher Rap-Gruppen stößt auf Vorbehalte. Dass die Rapper von The Coup kurz vor dem 11. September ein Album-Cover entworfen hatten, auf dem der Rapper Boots mittels Zeitzünder die Twin Towers explodieren lässt, finden jetzt nur noch wenige lustig.
Dieser Stimmungsumschwung hat sich in überraschend kurzer Zeit auch im HipHop niedergeschlagen.
KRS-One, einer der bekanntesten Rapper der ersten Stunde, der dem Islamismus der Nation of Islam durchaus nicht abgeneigt war, veröffentlichte vier Monate nach dem 11. September mit "Spiritual Minded" ein Gospel-Rap-Album. In dem Song "Tears" sucht er eine christliche Antwort auf den 11. September - mit dem Matthäus-Evangelium gegen Terroristen und Bush.
Die ganz großen Rap-Stars haben sich wiederum in eine andere Richtung vom sogenannten "conscious HipHop" entfernt. Dr. Dre und andere Stars spendeten Millionen Dollar für das US-amerikanische Rote Kreuz. Sub Verse, ein HipHop-Label, dessen Büro in der Nähe des zerstörten WTC liegt, organisiert Benefizkonzerte. Rapper wie Nas oder Fred Durst von Limp Bizkit machten mit bei der U2-Version von Marvin Gayes "Whats Going On" - zusammen mit den Backstreet Boys, Britney Spears und Destinys Child. Wycliff Jean's "Redemption Song" erschien auf dem Sampler "America: A Tribute to Heroes". Dr. Dre, Jay Z. und P. Ditty arbeiten an patriotischen Reimen, in denen Bin Laden so gedisst wird, wie nur Rap dissen kann. Ghostface Killah droht Osama Bin Laden schwere Vergeltung an und spricht dabei über den Krieg gegen den Terrorismus wie vorher über die Fehden zwischen Gangs.
Ein neuer patriotischer "spirit of togetherness" hat nach den Terroranschlägen die Rap-Szene erfasst. Wenig Chancen hat derzeit beispielsweise die palästinensisch-amerikanische Rap-Gruppe Arab Assassins, die um Verständnis für die Selbstmordattentate wirbt.
Den nationalistischen "Polit-Rappern", die ihre Felle davon schwimmen sehen, gilt der "schwarze Antisemitismus" daher umso mehr als kultureller Code, der allein die Differenzen in der afroamerikanischen Community überbrücken kann. Der kalifornische Rapper Paris kann daher durchaus Zustimmung erwarten, wenn er in seinem neuen Song "What Would You Do" alle seit dem 11. September gängigen Verschwörungstheorien kolportiert und schließlich die Pro-Israel-Position der USA geißelt, um am Ende den neuen Patriotismus der Rap-Szene zu verurteilen: "Now even niggas waiving flags like they lost they mind/ Everybody got opinions but don't know the time."
Man kann davon ausgehen, dass Paris nur vorweg nahm, was nun auch von Public Enemy zu erwarten ist. Auf dem ab Ende August 2002 auch in Deutschland erhältlichen neuen Public Enemy-Album "Revolverlution" ist erneut Professor Griff dabei, der drei der acht neuen Tracks produzierte.
Die erste Singleauskopplung "Gotta Give The Peeps What They Need" featured den Verschwörungstheoretiker Paris.
Dass Public Enemy, Paris und andere "Consciousness-Rapper" vorerst trotz ihrer populären antisemitischen Codes nicht allzu viel Zustimmung gewinnen werden, lässt sich kulturnationalistischen Magazinen wie "Youth Outlook (YO!)" entnehmen, die ihre Seiten mit Klagen über den "Bewusstseinsverfall" ihrer Kundschaft seit dem 11. September füllen.
Unter Überschriften wie "How Hip Hop destroyed Black Power" beschweren sie sich etwa über "young brothas", die T-Shirts mit íBin Ladin Wanted Dead or Alive'-Aufdrucken tragen oder über HipHop-Radiostationen, die Gag-Jingles über Bin Ladens Mutter abspielen.
Nur ganz wenige stellen hingegen die Frage, wie der Antisemitismus in der afroamerikanischen Community überhaupt so stark werden konnte. Henry Louis Gates, Jr. hat den Antisemitismus der Black Nationalists als eine Überbietungstaktik im Wettbewerb um das "radikalere" Image beschrieben. Der linke afroamerikanische Theoretiker Julius Lester, der 1982 zum Judentum konvertierte, fügt dem eine psychoanalytische Erklärung hinzu: Eine subalterne Gruppe, die sich "Nigger" schimpfen lassen muss, kann versuchen, die Demütigung umzukehren und die Weißen "Honky" nennen. Sie wird aber bemerken, dass Unterlegene die Mächtigen nicht wirklich treffen können.
Ganz anders ist es bei den (weißen) Juden. Diese können nicht verbergen, dass antisemitische Beschimpfungen ihnen reale Wunden zufügen. Man fühlt daher Macht, wenn man sie beleidigt.
Die Wirkung des "schwarzen Antisemitismus" ist allerdings nicht auf die USA beschränkt.
Er findet seit nunmehr 15 Jahren über die Pop-Massenmedien ein weltweites Publikum und schreibt sich dort in eigenständige antisemitische Kommunikationsweisen ein. Die Haltung der deutschen Pop- und Rap-Szenen zum Antisemitismus kam bisher meist nur indirekt zum Ausdruck - indem man den (islamistischen) Antisemitismus bei den US-Rappern "übersah", verniedlichte oder verharmloste.
Seit die Kritik an Israel in Deutschland und Europa immer häufiger offen antisemitisch ausfällt, lässt sich jedoch erahnen, wie rasch aus einer Ambivalenz Eindeutigkeit werden kann.
Über einen denkbaren popkulturellen Anschluss an den allgemeinen Trend berichtete die "Tageszeitung" anlässlich der großen Berliner Anti-Israel-Demo am 14. April 2002: "Im vorderen Teil der Demonstration versuchte unterdessen auf dem Lautsprecherwagen ein Einpeitscher sein Glück. Im Sprechgesang und HipHop-Sound versuchte er vor allem die Jugendlichen mitzureißen: "PLO, Israel no, Intifada bis zum Sieg, Palästina, Palästina", rief er immer wieder..."
Erschienen in: Iz3w, Blätter des Informationszentrums 3. Welt, September 2002, Ausgabe 263, S. 32-35 Günther Jacob, in den 90ern HipHop- und Soul-DJ, Popjournalist (u.a. "Network Press") und Kritiker der Poplinken, ist freier Autor mit den Schwerpunkten NS-Zwangsarbeit, Wehrmacht und Kritik der deutschen Erinnerungskultur. In dem Buch "Pop & Mythos" (Schliengen 2002) erschien sein Beitrag "Pop als Teil des Gründungsmythos der íBerliner Republik'". Die ersten beiden Abschnitte dieses Textes basieren auf Beiträgen in "Spex" (1990) und in "Jungle World" (1998
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