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18 July 2006
Die Ausdehnung der Anti-Terrorgesetze und der gläserne Nutzer

Laut dem Regierungsentwurf[1] (PDF-Datei) für das "Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz" (TBEG) sollen Geheimdienste zusätzlich zu Verbindungs- und Standortdaten aus dem Telekommunikationsbereich erstmals auch Bestands- und Nutzungsdaten von Online-Anbietern ohne große Eingriffshürden abfragen dürfen. Die Bundesregierung begründet den Vorstoß damit, dass "beispielsweise Vertragsdaten bei Internetauktionshäusern und ­Tauschbörsen etwa zum Handel und Vertrieb volksverhetzender Propagandamaterialien erhoben" und derlei Umtriebe besser verhindert werden könnten. Ebenfalls ins Visier der Nachrichtendienste geraten dürften nach Ausstellung der neuen Vollmachten insbesondere viel genutzte Suchmaschinen wie Google und Yahoo oder E-Commerce-Größen wie Amazon.

Die weitgehende Formulierung, die deutlich über die zuvor von der Großen Koalition bekannt gegebenen Eckpunkte der Novelle[2] hinausgeht, findet sich in Paragraph 8a des umstrittenen Gesetzesentwurfs[3]. Er bezieht sich zunächst auf den Verfassungsschutz. Dieser soll laut Absatz 5 bei Telediensteanbietern Auskunft einholen dürfen zu "Merkmalen zur Identifikation des Nutzers", zu "Angaben über Beginn und Ende sowie über den Umfang der jeweiligen Nutzung" sowie Informationen "über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Teledienste". Dies entspricht der vollständigen Definition von Nutzungsdaten aus dem Teledienstedatenschutzgesetz und würde komplette Server-Logdateien mit einschließen. Im Folgetext des Entwurfes werden die Befugnisse auch auf den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und den Bundesnachrichtendienst (BND) ausgedehnt, die beide im Zuge der Reform hinter dem Verfassungsschutz nicht länger zurückstehen sollen.

"Man glaubt es kaum: das Surfverhalten kommt auf den Präsentierteller und der gläserne Internetnutzer wird Realität", empört sich der Elmshorner Jurist Patrick Breyer über die Pläne. Und dies in Zeiten, in denen sich die Geheimdienste bei der Wahrung von Grundrechten immer wieder unzuverlässig gezeigt hätten. In der Sache würden sich die Begehrlichkeiten auf "alle Daten über die Telefon- und Internetnutzung" beziehen. Dazu komme, dass die Anbieter mit der anstehenden Umsetzung der EU-Richtlinie[4] zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten diese mindestens sechs Monate aufbewahren und den Nachrichtendiensten zugänglich machen müssten.

Die Anwendung der Bestimmungen will die Bundesregierung auf die Untersuchung von Bestrebungen und Tätigkeiten beschränken, "die bezwecken, zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören". Eingeschlossen werden sollen auch Fälle, in denen konkret Gewalt angewendet oder ihr Einsatz vorbereitet beziehungsweise dazu aufgerufen wird. Dies kann sich laut dem Entwurf auch auf die Unterstützung von Vereinigungen beziehen, "die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen". Anordnungen sollen über die entsprechenden Ministerien erteilt werden können. Teilweise ist vorgesehen, später die "G 10-Kommission[5]" des Bundestags, das parlamentarische Gremium zur Geheimdienstkontrolle, zu informieren.

In der Gesetzesbegründung argumentiert die Regierung, dass die Einsicht in die Bestandsdaten die bisher bestehende Auskunftsregelung zu Verkehrsdaten "abrundet". Mit Sorge verweist sie darauf, dass etwa eBay die Möglichkeit biete, "auf seiner Plattform einen eigenen virtuellen 'Verkaufsraum' einzurichten". Entsprechend wäre die Information relevant, ob eine Person dort als so genannter Powerseller registriert ist, also regelmäßig Waren in größerem Umfang an- und verkauft. Dies könne Rückschlüsse auf die Beschaffung von Finanzmitteln zulassen. Im Bereich der Spionageabwehr sieht die Regierung ferner "einen Bedarfsfall beispielsweise gegeben, wenn auf der Internetplattform eines Auktionshauses Patente und technische Zeichnungen eines proliferationsrelevanten dual-use-Produktes angeboten werden". Bei solchen möglichen Waffenhändlern wäre es interessant zu erfahren, "welche Person und/oder Firma sich hinter dem – üblicherweise verwendeten – Anbieterpseudonym verbirgt und ob Informationen über weitere Internetangebote dieser Person/Firma vorliegen".

Auch die bisherigen Auskünfte zu Post-, Telekommunikations- und Telediensten sollen künftig unter der neuen, etwa auch ein Vorgehen gegen Hassprediger erlaubenden Einsatzschwelle der Bestands- und Nutzungsdatenabfrage erteilt werden. Bisher waren diese an die strengeren Voraussetzungen des G 10-Gesetzes[6] gebunden, die einen konkreten Bezug etwa zu terroristischen Straftaten oder zur organisierten Kriminalität erforderten. Die Regierung hält die Erleichterung für angemessen, da "Auskunftsgegenstand keine Kommunikationsinhalte sind und insofern eine andere abstrakte Verhältnismäßigkeitsabwägung" als nach dem normalen Geheimdienstgesetz angezeigt sei. Dass Nutzungsdaten aus dem Web oft mehr Aussagekraft etwa über religiöse oder sexuelle Vorlieben und sonstige Interessen haben können als Gesprächsinhalte, thematisiert der Entwurf nicht. Der "spezifischen Sensibilität" der abgefragten Informationen will man allein "verfahrensmäßig" Rechnung tragen, indem die Kontrolle der Bespitzelung "insoweit bei den am G 10 orientierten Maßgaben bleibt".

Die Opposition kritisierte den Kabinettsbeschluss zum TBEG vergangene Woche scharf. Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz warf der Regierung vor, endgültig die Grenzen grundgesetzlicher Vorgaben zu überschreiten. Die bewährte Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei werde aufgehoben. Eine zunehmende Datenschnüffelei befürchtet auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Es sei unverfroren, wenn Schwarz-Rot Ausnahmegesetze zur Terrorismusbekämpfung zum Alltagsinstrumentarium der Geheimdienste machen wolle. Die nach dem 11. September 2001 erweiterten Befugnisse haben laut den Grünen nur Begehrlichkeit bei anderen Diensten geweckt.

Siehe dazu auch:

[  * Scharfe Kritik an geplanter Ausweitung der Anti-Terrorgesetze[7]

[  Datenschützer kritisieren geplante Befugniserweiterung der Nachrichtendienste[8]

[  Große Koalition über Verschärfung der Anti-Terrorgesetze einig[9]

[  Bundesinnenminister: "Auskunftsgesuche erbrachten relevante Informationen"[10]

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Gesetze/Entwurf__Terrorismusbekaempfungsergaenzungsgesetz,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Entwurf_Terrorismusbekaempfungsergaenzungsgesetz.pdf
[2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/75059
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/75301
[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/75063
[5] http://www.bundestag.de/parlament/gremien/kontrollgremien/g10/index.html
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_Beschränkung_des_Brief-,_Post-_und_Fernmeldegeheimnisses
[7] http://www.heise.de/newsticker/meldung/75301
[8] http://www.heise.de/newsticker/meldung/75193
[9] http://www.heise.de/newsticker/meldung/75059
[10] http://www.heise.de/ct/hintergrund/meldung/59465

[  heise.de





11 July 2006
Otto-Katalog, Teil III

Die Große Koalition bringt ein neues Anti-Terrorpaket auf den Weg. Sie will damit Lehren aus London und Madrid ziehen. DIE ZEIT dokumentiert exklusiv den Gesetzentwurf

Manchmal scheint es, als bediene sich der Antiterrorgesetzgeber selbst der „Schläfer“-Taktik. Da hört man jahrelang gar nichts von ihm – und plötzlich lässt er es krachen. Bombastisch jedenfalls kommt der Titel des neuen Sicherheitspaketes der Großen Koalition daher. „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ nennt sie es sperrig.

Der frühere Innenminister dürfte allenfalls ganz leise granteln, wenn wir es der Schlichtheit Willen in „Otto-Katalog III“ umtaufen. Denn genau das ist es. Und wie schon bei den Antiterrorpaketen vom Januar 2002 bestehen seine Autoren darauf, dass sie nur auf veränderte Bedrohungslagen reagieren.

Dies will die Regierung: Alles, was im Inland bisher nur der Verfassungsschutz durfte, soll künftig auch der Bundesnachrichtendienst dürfen. Bei Fluglinien nachfragen, wer wohin reist. Einblick in Kontobewegungen nehmen. Telefon-, Internet- und Postverbindungen überwachen. Mobiltelefone orten. Außerdem sollen beide Geheimdienste künftig nicht mehr nur mögliche Terroristen ausforschen, sondern auch solche Leute, die andere womöglich zu Terroristen machen. Der rechtsextreme Propagandist und der islamistische Hassprediger können auch dann die Optik geraten, wenn sie selber keine Anschlagspläne hegen. Beobachtet werden sollen künftig auch Personen, die "zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören."

Außerdem soll der BND die Möglichkeit erhalten, auf Kfz-Halterdaten beim Kraftfahrtbundesamt zuzugreifen. Das darf er zwar bisher schon – aber nur per Fax-Anfrage. In Zukunft sollen die Pullacher selbstständig per Online-Verfahren Einblick nehmen, und zwar auch nach Geschäftsschluss in Flensburg.

BfV, BND und MAD sollen sich auch ins Schengen-Fahndungssystem einloggen können, allerdings nur passiv. Die Geheimen können "Marker" in die Dateien setzen lassen, wenn sie an Reisebewegungen von bestimmten Personen interessiert sind. Werden diese Leute dann polizeilich kontrolliert, erhalten die Geheimdienste eine Meldung über ihren Aufenthaltsort.

Noch in dieser Woche will das Kabinett die Gesetzesinitiative beschließen. Nach der Sommerpause soll sie dann ins Parlament.

Der komplette Text des Gesetzentwurfs ist ZEIT-exklusiv [  hier zu sehen.

Mit der Wandlung al-Qaidas von Organisation zur Idee geht ein Wandel des Feindbildes einher. Die Zielfigur von heute ist nicht mehr, wie nach dem 11. September 2001, der Mudschahedin vom Hindukusch, sondern der „homegrown terrorist“ aus der Nachbarstraße. Nach den Anschlägen von New York und Washington hatten die Sicherheitsbehörden solche Fanatiker im Visier, die von bin Laden dirigiert wurden. 2006, nach London und Madrid, fürchten sie jene, die vom großen Schreckensmann bloß inspiriert werden. Mithin müsse der Auslandsnachrichtendienst auch schon mal im Inland spionieren dürfen.

„Man muss wissen, mit wem telefoniert ein Verdächtiger, wovon lebt er, wohin reist er, welche Auslandsverbindungen hat er“, sagt Clemens Binninger, Sicherheitsfachmann der CDU und einer der Architekten des Gesetzes.

Das freilich können die Geheimdienste schon mit den bestehenden [  Gesetzenherausfinden. Erst am Wochenende nahm die Polizei in Hamburg einen jungen Moslem fest, der von Kiel aus al-Qaida-Hilfsdienste geleistet haben soll. Auf die Schliche kamen ihm die Fahnder aus genau der Kombination von Auffälligkeiten, die das neue Gesetz beschwört: Verdächtige Geldflüsse, Internetchats, eine Reise in ein algerisches Terrorcamp. Es klappt offenbar – solange BKA, BfV und BND artig kooperieren.

Ob es also unbedingt ein neues Gesetz braucht, um die Terroristenhatz effektiver zu machen, bleibt zweifelhaft. Eigentlich sollten die alten Otto-Kataloge nach fünf Jahren evaluiert werden. Stattgefunden hat lediglich eine hausinterne Bewertung durch das Bundesinnenministerium. Alles bestens verhältnismäßig, lautete der wenig überraschende Befund. Eine unabhängige Überprüfung der Zweckmäßigkeit der alten Gesetze hat es nie gegeben. Immerhin hier verspricht der Otto-Katalog III Besserung. Nach fünf Jahren läuft auch er wieder aus. Und dann, so verspricht es das Gesetz, sollen die Regelungen „unter Einbeziehung wissenschaftlichen Sachverstandes“ überprüft werden. Hoffen wir's.

[  blogg.zeit.de





11 July 2006
Freibrief für Schlapphüte
Bundesregierung beschließt am Mittwoch neue massive Eingriffe in die Bürgerrechte

Freibrief für Schlapphüte

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat in vielfältiger Weise Recht und Gesetz gebrochen. Er hat kritische Journalisten bis ins Privatleben hinein observiert, so dar sich sogar der BND-Präsident bei Betroffenen dafür entschuldigen mußte. Die Rolle des BND bei der Entführung des deutschen Staatsbürgers Al Masri durch die CIA wird gerade von einem Untersuchungsausschuß des Bundestags überprüft. Und, so hat sich dabei herausgestellt: der BND führte Befragungen in Foltergefängnissen durch. Trotz aller diese Skandale will die große Koalition aus CDU/CSU und SPD dem BND, aber auch dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) neue Befugnisse zuweisen – gewissermaßen als Dank für illegale Spitzeleien.

Die Geheimdienste des Bundes (BND, MAD und Bundesamt für Verfassungsschutz – BfV) sollen forciert zu geheimen Ermittlungsbehörden ausgebaut werden, die ihre Ergebnisse mit denen der Polizei abgleichen können. Damit wird die gesetzlich verlangte Trennung von Geheimdiensten und Polizei noch weiter abgebaut. Das ist rechtsstaatlich höchst bedenklich, denn die Geheimdienste unterliegen keiner normalen gerichtlichen Kontrolle, so dar Betroffene ihnen machtlos gegenüberstehen; die parlamentarische Kontrolle der Dienste ist bekanntlich eine Farce.

Permanente Datenabfrage

Mit dem sogenannten Terrorismusbekämpfungsgesetz 2002 (»Otto-Katalog«, benannt nach dem damaligen SPD-Innenminister Schily) wurden unter dem Vorwand, auf den 11. September 2001 reagieren zu müssen, im Eiltempo die Bürgerrechte massiv eingeschränkt. Die Geheimdienste der BRD erhielten damit so viele Befugnisse wie nie zuvor. Sie dürfen zur »Terrorismusbekämpfung« bei Kreditinstituten, Luftverkehrsunternehmen, Post- und Kommunikationsdienstleistern jederzeit Daten abfragen und Auskünfte einholen; in Privatwohnungen können sie Lausch- und Spähangriffe durchführen. Alle Personen, die in sicherheitsempfindlichen Einrichtungen arbeiten, werden seit 2002 vom Verfassungsschutz geheim überprüft. Von diesen Marnahmen erfahren die Betroffenen aber erst dann, wenn »eine Gefährdung der Aufgabenstellung der Sicherheitsbehörden nicht mehr zu besorgen ist«, meistens also gar nicht.

Die große Koalition hat sich nun auf ein »Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz« geeinigt, das am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden soll. Damit werden die am 9. Januar 2002 befristet eingeführten Regelungen für weitere fünf Jahre verlängert. Aber das Ergänzungsgesetz geht noch weiter: Der BND, der eigentlich für die Auslandsspionage zuständig ist, erhält Befugnisse im Inland. Der MAD bekommt die gleichen Eingriffsmöglichkeiten wie der Verfassungsschutz. Vor allem aber sollen bereits bestehende Auskunftsrechte der Nachrichtendienste zur Terrorbekämpfung künftig auch dann gelten, wenn »verfassungsfeindliche Aktivitäten in Deutschland beobachtet werden, falls diese eine Bereitschaft zur Gewalt fördern«. Mit diesem schwammigen Begriff der »verfassungsfeindlichen Aktivitäten« werden Ausnahmebestimmungen, die angeblich nach dem 11. September 2001 nur vorübergehend gelten sollten, für die Alltagsarbeit aller Geheimdienste übernommen. Da schwer definierbar ist, was eigentlich unter »verfassungsfeindlichen Aktivitäten« zu verstehen ist, kommt dieser Gesetzentwurf einem Freibrief für die Schlapphüte gleich.

Die Bundesregierung führt in ihrem Gesetzentwurf aus, die »bewährten Befugnisse« des BfV würden künftig auch bei »volksverhetzenden und militanten Bestrebungen« gelten. Dieselben Auskunftsrechte wie der Verfassungsschutz »erhalten ebenso der Militärische Abschirmdienst (MAD), der die Verfassungsschutzaufgaben im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung wahrnimmt, und der Bundesnachrichtendienst (BND), der zur Auslandsaufklärung unter Umständen auch auslandsbezogene Sachverhalte in Deutschland klären muß«.

Weiter heißt es im Vorblatt zum Gesetzentwurf wörtlich: »Die Nachrichtendienste können Auskünfte zu Fahrzeug- und Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister auch automatisiert abrufen. Sie erhalten die Ausschreibungsmöglichkeit nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen. Die Löschungsprüffristen des BND werden an seine speziellen Aufgaben angepaßt. Die bisherige Befugnis zur zollamtlichen Sicherstellung bei Geldwäscheverdacht wird auf Fälle des Terrorismusfinanzierungsverdachts übertragen.«

Ferner wird der Einsatz des IMSI­Catchers, einem Spezial-Abhörgerät, zur Identifikation von Mobiltelefonen ausgeweitet. Die Geheimdienste sollen später zusätzlich die Möglichkeit erhalten, online im automatisierten Verfahren Auskünfte zu Konto-Stammdaten von Bankkunden abzurufen, wie dies die Finanzbehörden, BAföG- und Sozialämter jetzt schon tun dürfen. Da gegen diese Schnüffelei in den Bankkonten eine Verfassungsklage läuft und die Karlsruher Richter schon angedeutet haben, dar Änderungen notwendig sind, will die Bundesregierung das zu erwartende Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten. Danach soll der online-Zugriff auf die Bankkonten auch den Geheimdiensten ermöglicht werden.

»Frech und anmaßend«

Die Humanistische Union sprach von einer »Ohrfeige für alle Parlamentarier«, die sich um die Aufklärung der BND-Affäre bemühten. Es verhöhne den Rechtsstaat, Befugnisse von Geheimdiensten auszudehnen, die sich nicht an Gesetze hielten. Aber dar CDU/CSU und SPD noch eins draufsetzen und gerade jetzt weitere Grundrechtseingriffe vornehmen, zeugt – wie Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Juli 2006 kommentierte – von einem ungewöhnlich hohen Maß an »Unverschämtheit, Frechheit und Anmaßung«.

Reaktionen: Das sagt die Opposition

Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erklärte, die geplante Ausweitung der Befugnisse sei inhaltlich »durch nichts gerechtfertigt«. Sie halte es für abwegig, »einen BND, der sich in der größten Krise seiner Geschichte befindet, der sich offenkundig rechtswidrig verhalten hat, jetzt auch noch mit neuen Befugnissen auszustatten«. Max Stadler, Obmann der FDP im BND-Untersuchungsausschuß, verurteilte das Vorgehen der Koalition als »empörend«. Gesetze mit Ausnahmecharakter würden nun zur Regel gemacht.

»«Das ist das Gegenteil dessen, was notwendig wäre.«

Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Petra Pau, nannte die Pläne der Bundesregierung einen »Angriff auf das Grundgesetz«. Wolfgang Neskovic, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE., äußerte die Befürchtung, mit dem Gesetzentwurf schreite die Bundesregierung »ein großes Stück voran auf ihrem Marsch in den Überwachungsstaat«. Für ein vages Sicherheitsversprechen bezahle die Bevölkerung einen hohen Preis. »Während Sicherheitsgewinne äußerst ungewiß sind, stehen weitere schwere Grundrechtsverluste für breite Bevölkerungsteile bereits fest,« betonte der frühere Richter am Bundesgerichtshof. Bestehende flächendeckende Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger würden auf weitere Lebensbereiche ausgedehnt. Neskovic sagte voraus: »Eine weitere Schlappe der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht zeichnet sich ab.«

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach von einem falschen Signal. Die große Koalition wolle »fröhlich Freibriefe an die Geheimdienste zu verstärkter Datenschnüffelei verteilen«. Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, forderte die Koalition auf, »vom BND gesetzgeberisch erst einmal die Finger zu lassen«. Man müsse zunächst den Nachrichtendienst wieder so weit in den Griff bekommen, »daß er sich an seine Aufgaben und die Gesetze hält«. Der BND sei in dieser Hinsicht »ein notorischer Rückfalltäter«.

[  jungewelt.de





9 July 2006
Neues Anti-Terror-Gesetz schafft unkontrollierbare Befugnisse für Geheimdienste
Koalition schafft unkontrollierbare Befugnisse für Geheimdienste Humanistische Union kritisiert Entwurf für neues Anti-Terror-Gesetz

Die große Koalition will die außer Kontrolle geratenen Geheimdienste mit weiteren operativen Befugnissen ausstatten. Darin sieht die Humanistische Union (HU) eine "Ohrfeige für die Bemühungen der Opposition um Aufklärung schwerer Grundrechtseingriffe durch Geheimdienste". Das erklärte der Bundesvorstand der Bürgerrechtsorganisation am Sonntag (9.7.) in Berlin.

Nach dem vorliegenden Referentenentwurf sollen die im sogenannten "Schily-Katalog" nach dem 11. September 2001 verabschiedeten Geheimdienstbefugnisse nicht nur um weitere fünf Jahre verlängert, sondern noch ausgeweitet werden. Das Kabinett will den Entwurf am Mittwoch (11.7.) beschließen.

Dazu erklärt Rechtsanwalt Dr. Fredrik Roggan, stellvertretender Bundesvorsitzender der HU: "Mit Terrorismusbekämpfung, und das in einem rechtsstaatlichen Sinne, haben die Befugnisse nichts mehr zu tun. Die geplanten Auskunftsmöglichkeiten der Geheimdienste zur Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Inland eröffnen einer unkontrollierbaren Schnüffelpraxis Tür und Tor. 'Anti-Terror' wird nun zum Vorgehen gegen vermeintliche Verfassungsfeinde jeglicher Couleur ohne klar umrissenen Tatbestand herangezogen. Dem Gesetz fehlen hier die notwendige Normenklarheit und Normbestimmtheit. Das ist klar verfassungswidrig."

Als geradezu unseriös bezeichnet Roggan die Tatsache, dass die bestehenden Befugnisse bislang nicht evaluiert wurden. Die als "Bericht zu den Auswirkungen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes" bekannt gewordene Zusammenfassung der Bundesregierung zur bisherigen Anwendungspraxis erfülle nicht einmal ansatzweise die Erfordernisse einer Evaluation, die diesen Namen auch verdient. Überdies sei der Bericht noch nicht vom Bundestag beraten worden.

Bevor die Geheimdienste auch Auskunft über Kontostammdaten einholen dürfen, will die Koalition die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde gegen die Kontostammdaten-Auskunft abwarten. "Dann sollte der Gesetzgeber auch die anhängige Beschwerde der HU gegen den Einsatz des IMSI-Catchers im Strafverfahren abwarten, bevor er den Einsatz erweitert", fordert Fredrik Roggan. Denn auch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde Präzedenz-Wirkung für jeglichen Einsatz dieses Instruments entfalten.

"Es ist schon ein starkes Stück, wenn bei der derzeitigen Diskussion um die Skandale der Dienste nun ein ganzes Paket von Befugnis-Erweiterungen für solche Behörden beschlossen werden soll, von denen aktenkundig ist, dass sie sich nicht an gesetzliche Vorgaben halten", kritisiert Roggan.

Für Rückfragen:
Martina Kant (Bundesgeschäftsführerin)
Tel.: (030) 204 502 56
E-Mail: info@humanistische-union.de

[  humanistische-union.de





06 July 2006
Überarbeitete Anti-Terror-Gesetze
Grüne fürchten "sicherheitspolitischen Dammbruch"

Die Grünen haben die von der großen Koalition geplante Aufgabenerweiterung der Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf scharf kritisiert. Die Gesetze seien nach den Anschlägen auf die USA zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus erlassen worden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Jetzt würden sie auch auf Menschen ausgedehnt, die gar keine Gefahr für das Land darstellten wie etwa Mitglieder linksradikaler Splittergruppen.

Beck sprach von einem "sicherheitspolitischen Dammbruch", wenn in Zukunft auch der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD) Auskünfte bei Fluggesellschaften, Banken und Telekommunikationsunternehmen einholen dürften. Diese Eingriffe in die Grundrechte seien unverhältnismäßig. Den Geheimdiensten würden trotz des BND-Skandals, in dem Journalisten bespitzelt worden waren, neue Befugnisse förmlich nachgeworfen.

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, rügte die Pläne der großen Koalition ebenfalls. Er halte dieses Vorhaben für "sehr kritisch", da es außerdem die Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendienst auflöse, sagte er der "Frankfurter Rundschau".

Ausweitung auf "verfassungsfeindliche Bestrebungen"

Der Entwurf des Innenministeriums, der tagesschau.de vorliegt, sieht eine erhebliche Kompetenzerweiterung aller Geheimdienste vor. Er sieht unter anderem vor, dass die Auskunftspflichten von Banken, Post- und Telekommunikationsunternehmen sowie Fluggesellschaften gegenüber den Nachrichtendiensten zur Anti-Terror-Bekämpfung auf "verfassungsfeindliche Bestrebungen" im Inland ausgeweitet werden. Hierbei kann es sich um links- und rechtsextreme Umtriebe ebenso handeln wie um Hasspredigten islamistischer Fundamentalisten. Bisher darf lediglich das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen abfragen.

Das Bundeskabinett will kommenden Mittwoch über den Referentenentwurf befinden. Nach der Sommerpause soll die Fortschreibung der Terrorismusbekämpfungsgesetze dann dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden.

[  tagesschau.de





5 July 2006
Mehr Rechte für alle Geheimdienste

Im Kabinett steht eine Neufassung der Anti-Terror-Gesetze auf der Tagesordnung. Der Referentenentwurf, der tagesschau.de vorliegt, sieht eine erhebliche Kompetenzausweitung für alle Geheimdienste vor. Sie sollen künftig bei "verfassungsfeindlichen Bestrebungen" umfangreiche Informationen abfragen dürfen.

Die Bundesregierung will die nach dem 11. September 2001 beschlossenen Anti-Terrorismus-Gesetze verlängern und ausweiten. Nach einem Referentenentwurf, der tagesschau.de vorliegt, sollen künftig alle deutschen Nachrichtendienste Auskünfte bei Fluggesellschaften, Banken sowie Post- und Telekommunikationsunternehmen einholen dürfen. Bislang durfte lediglich das Bundesamt für Verfassungsschutz bei allen diesen Stellen Informationen abfragen. Nun können auch Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) auf die Datenbestände zugreifen. Der nun ausgearbeitete Gesetzesentwurf verdoppelt zudem die Prüffrist, in der der BND gespeicherte Personendaten erneut beurteilen muss. Künftig soll der deutsche Auslandsgeheimdienst nach zehn Jahren Datensätze überprüfen. Bislang war eine Frist von fünf Jahren vorgeschrieben.

Opposition warnt vor "Überwachungsstaat"

Eine weitere Neuerung des Gesetzesentwurfs sieht vor, dass die drei Nachrichtendienste des Bundes auch gegen "verfassungsfeindliche Bestrebungen im Inland, die die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt fördern", ermitteln dürfen. In dem tagesschau.de vorliegenden Papier heißt es zwar mehrfach, dass mit dieser Aufgabenerweiterung so genannte Hassprediger und rechtsextremistische Aktivitäten gemeint seien, die Opposition schlägt aber trotzdem Alarm.

Wolfgang Neskovic von der Fraktion Die Linke wähnt die Bundesregierung auf den "Weg in einen Überwachungsstaat". " Während Sicherheitsgewinne äußerst ungewiss seien, so Neskovic, stünden weitere schwere Grundrechtsverluste für breite Bevölkerungsteile bereits fest. Hans-Christian Ströbele von den Grünen sieht die allgemeine Sorge vor islamischen Terrorismus von der Regierung missbraucht. Die Grünen hätten immer befürchtet, dass die Sondervorschriften und erweiterten Befugnisse der Nachrichtendienste, die allein zur Terrorismusbekämpfung gedacht gewesen seien, nach einiger Zeit auch auf andere Aufgabengebiete ausgeweitet würden, teilte Ströbele mit. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte gegenüber tagesschau.de, die Befugniserweiterung sei vollkommen überzogen und rechtspolitisch nicht geboten. "Ich halte es für eine Frechheit, dass in einer Situation, in der die bestehenden Rechte des BND von einem Untersuchungsausschuss überprüft werden, nun eine Rechtsausweitung geplant ist, die in die sensiblen Bereiche der Bürger hineingeht", sagte die FDP-Politikerin.

Dienste dürfen bei Gewaltbereitschaft nachfragen

Konkret heißt es in dem Gesetzentwurf: Auskünfte bei Fluggesellschaften, Banken sowie Post- und Telekommunikationsunternehmen dürfen nur eingeholt werden, wenn zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt, die Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden angegriffen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt gefördert und der öffentliche Frieden gestört wird. Im selben Paragraphen ist jedoch auch zu lesen, dass die Auskunftsrechte ebenfalls gelten, wenn "tatsächliche Anhaltspunkte" dafür vorlägen, dass Gewalt gegen Personen oder Sachen angewendet, vorbereitet, unterstützt, befürwortet oder angedroht wird.

Castor-Gegner künftig im Visier der Dienste?

Vertreter der Koalition und des Innenministeriums sehen in der Erweiterung der Terrorismusgesetze keine Bedrohung für Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht. Gegenüber tagesschau.de sagte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, dass beispielsweise die bekannten Anti-Castor-Proteste am Zwischenlager Gorleben nicht in die Gesetzeserweiterung fielen. Demonstranten, die sich an Bahngleise ketteten, würden nicht von den Nachrichtendiensten durchleuchtet. Auch ein Sprecher des Innenministeriums sagte, diese Art des Protests sei eher strafrechtlich relevant und nicht verfassungsfeindlich. Dieter Wiefelspütz, der für die SPD im Innenausschuss des Bundestages sitzt, vertrat dagegen gegenüber tagesschau.de die Ansicht, wenn Demonstranten Bahnanlagen beschädigten, dadurch ein Zug entgleise und Menschen zu Schaden kämen, dann sei jene Schwelle der Gewaltbereitschaft überschritten, die vom Gesetz gemeint sei.

Gesetze sind zunächst auf fünf Jahre befristet

Die Überarbeitung der Terrorismusbekämpfungsgesetze ist notwendig, weil die Gesetze Ende dieses Jahres auslaufen. Die ehemalige rot-grüne Bundesregierung hatte eine Überprüfung festgeschrieben. Die jetzige schwarz-rote Koalition befand in der so genannten Evaluation, dass die seit Anfang 2002 geltenden Gesetze sich bewährt hätten, aber angepasst werden müssten. Auch im aktuellen Entwurf ist eine Überprüfung der Gesetze nach spätestens fünf Jahren vorgesehen.

Das Bundeskabinett will kommenden Mittwoch über den Referentenentwurf befinden. Nach der Sommerpause soll die Fortschreibung der Terrorismusbekämpfungsgesetze dann dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden.

[  tagesschau.de





5 July 2006
Interview mit CSU-Innenpolitiker Uhl
"Man muss den Tätern zuvorkommen"

Die Bundesregierung will mit die nach dem 11. September 2001 beschlossenen Befugnisse für die Sicherheitsbehörden erweitern. Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, der an der Ausarbeitung eines nun vorliegenen Gesetzesentwurfes beteiligt war, verteidigt im tagesschau.de-Interview das Regierungsvorhaben.

tageschau.de: Herr Uhl, warum soll das Terrorismusbekämpfungsgesetz verlängert werden?

Hans-Peter Uhl: Das Terrorismusbekämpfungsgesetz war die logische, notwendige Antwort auf die entsetzlichen Anschläge am 11. September 2001. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily hatte eine ganze Reihe von Maßnahmen in Gesetzesform packen lassen. Da man aber nicht wusste, ob diese neuen Maßnahmen und Befugnisse sich bewähren, zu weit gehen oder zu kurz greifen, hat man eine Befristung auf fünf Jahre festgelegt. Diese Befristung wird nun, nachdem fünf Jahre vorbei sind, um weitere fünf Jahre verlängert. In einigen Punkten wird auch eine Ergänzung vorgenommen.

tageschau.de: Heißt das, dass sich das Terrorismusbekämpfungsgesetz bewährt hat?

Uhl: Das Gesetzespaket, das damals gemacht wurde, hat sich bewährt.

tageschau.de: Können Sie Beispiele nennen, in welchen Punkten sich die Gesetze bewährt haben?

Uhl: Die Überwachung der terrorismusverdächtigen Szene hat konkrete Anhaltspunkte über Gefährdungslagen gebracht. Die haben dazu geführt, dass die Sicherheitsorgane tätig werden und Festnahmen durchgeführt werden konnten. Möglicherweise konnten auch Vorbereitungshandlungen für mögliche Anschläge, sei es im Inland oder Ausland, unterbunden oder gestört werden.

tageschau.de: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Uhl: Mir ist kein Fall bekannt. Aber ich kann nicht ausschließen, dass es Fälle geben hat, wo Anschläge oder deren Planung aufgrund von Verfasssungsschutz-Informationen verhindert worden sind.

tageschau.de: Warum sollen die Befugnisse der Dienste ausgeweitet werden?

Uhl: Diese Maßnahmen sind gerechtfertigt und unablässlich. Ein feiger, terroristischer Bombenanschlag lässt sich in einer mobilen Gesellschaft, wie wir sie vor allem in Großstädten leben, nicht mit letztendlicher Sicherheit verhindern. Das bedeutet, es gibt nur eine Chance: Man muss während der Vorbereitung der Handlung den Tätern mit nachrichtendienstlichen Mitteln zuvorkommen. Wenn der Täter mit der Bombe unterwegs ist, dann ist es in aller Regel zu spät.

tageschau.de: Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass die Auskunftsbefugnis der Nachrichtendienste sich auch auf Personen oder Gruppen erstreckt, die Gewalt befürworten oder begünstigen. Die Opposition warnt diesbezüglich vor einem tiefen Eingriff in die Bürgerrechte. Ist diese Kritik berechtigt?

Uhl: Nein. Die Gefahr besteht nicht. Die Bürgerrechte werden nicht tangiert. Es geht darum, dass der demokratische Rechtsstaat wehrhaft sein muss. Das heißt, die freiheitlich demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland muss erhalten bleiben. Wer dagegen verstößt, wer die Grundordnung bekämpft, der muss seinerseits mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Es gibt nicht nur terroristische Anschläge, es gibt auch die geistige Brandstiftung, die zu dem Terroranschlag führt. Wer fremde Gewalt, Volksverhetzung oder einen Umsturz der freiheitlich demokratischen Grundordnung herbeireden will, wünscht, will oder vorbereitet, gegen den muss vorgegangen werden können. Die müssen überwacht werden können.

tageschau.de: Also ist die Oppositionskritik gänzlich unberechtigt?

Uhl: Die Opposition kann diese Gesetze im Detail noch nicht kritisieren, weil sie jetzt erst von den Koalitionsfraktionen in der vergangenen Woche im Einzelnen fertiggestellt wurden. Wenn die Opposition diese Formulierungen haben wird, dann müssen wir uns der Kritik stellen. Ich weise nochmals daraufhin: Auch die fortgeschriebenen Gesetze sind wiederum für fünf Jahre befristet. Sollte die Opposition mit irgendwelchen Bedenken Recht bekommen, dann können wir die Paragraphen in fünf Jahren wieder abschaffen.

[  tagesschau.de





5 July 2006
Interview mit Wiefelspütz zu Anti-Terror-Gesetz "Wir haben nur unseren Job gemacht"

Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz hat an der Überarbeitung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes maßgeblich mitgewirkt. Im tagesschau.de-Interview bezeichnete er Überlegungen, wonach auch Demonstranten vom Gesetz betroffen sein könnte als abwegig. "Wir wollen ein Terrorismusbekämpfungsgesetz machen und kein Extremismusbekämpfungsgesetz", so Wiefelspütz.

tagesschau.de: Braucht Deutschland ein Terrorismusbekämpfungsgesetz?

Dieter Wiefelspütz: Wir haben die Terrorismusbekämpfungsgesetze von 2002 gemacht, in der Reaktion auf internationale terroristische Bedrohungen. Deutschland ist nicht einmal ansatzweise ein Überwachungsstaat geworden, das wollen wir auch nicht. Wir bekämpfen Terrorismus im Rahmen des Rechtsstaates. Man wird aber immer wieder neu betrachten müssen, was dazu nötig ist.

tagesschau.de: Lässt sich die Effektivität der Terrorismusbekämpfungsgesetze belegen?

Wiefelspütz: Das ist nicht leicht zu beweisen. Eins ist aber sicher: Wir haben eine terroristische Bedrohung. Terroristische Anschläge gab es nicht nur in den USA, sondern auch in London und Madrid. Der ein oder andere mag das vergessen. Deutschland ist keine Insel der Seligen, die von der virulenten terroristischen Bedrohung nicht betroffen ist. Wir müssen uns gut aufstellen und wir haben das mit sehr viel Augenmaß getan. Wir wollen kein Extremismusbekämpfungsgesetz

tagesschau.de: Warum wird so genannten Hasspredigern in der Gesetzesergänzung soviel Augenmerk gewidmet?

Wiefelspütz: Es gibt sehr unterschiedliche Feinde der Demokratie. Wir unterscheiden Terroristen von Extremisten, die normalerweise nicht gewaltbereit sind. Terroristen sind zwar auch Extremisten, aber von besonders gefährlicher Art, da sie zur Anwendung von Gewalt bereit sind. Wir wollen ein Terrorismusbekämpfungsgesetz machen und kein Extremismusbekämpfungsgesetz. Es muss in dem großen Bereich von Extremismus jener kleinerer Bereich identifiziert werden, der die Brücke hin zum Terrorismus darstellt. Darunter fallen jene, die wir landläufig als Hassprediger bezeichnen. Das sind aber nicht nur islamistische Fundamentalisten, die unter einem religiösen Deckmantel agieren, das können auch rechtsextremistische Agitatoren sein. Das Entscheidende ist die Absicht, direkt oder indirekt zu Gewalt aufzurufen. Sorgsamer Umgang mit neuen Befugnissen

tagesschau.de: Können Sie den vorliegenden Gesetzesentwurf mit gutem Gewissen vertreten?

Wiefelspütz: Wir sind sorgfältig darauf bedacht, nur die Instrumente in Anspruch zu nehmen, die auch nötig sind. Dabei muss sehr aufgepasst werden, dass wir nicht über das Ziel hinausschießen. Die Bürger haben ein Recht auf Sicherheit. Sie haben auch ein Recht darauf, dass wir im Rahmen des Rechtsstaats das Menschenmögliche tun, um ihre Sicherheit zu verbürgen. Das bisherige Terrorismusbekämpfungsgesetz läuft am 31.Dezember 2006 aus, und wir müssen jetzt die Entscheidungen treffen. Wir haben nur unseren Job gemacht. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass wir mit diesem Gesetz voll im Bereich des Grundgesetzes und der Rechtsstaatlichkeit bleiben. Wir verlängern im Wesentlichen nur die seit 2002 bestehenden Gesetze. Die Sicherheitsbehörden sind mit den neuen Befugnissen sehr behutsam umgegangen, das haben die Erfahrungsberichte der Bundesregierung belegt.

tagesschau.de: Zugespitzt gefragt: Können Sie garantieren, dass das Gesetz beispielsweise nicht gegen Anti-Castor-Demonstranten angewendet wird?

Wiefelspütz: Diese Vorstellung halte ich für völlig abwegig. Ebenso zugespitzt könnte man einen Vergleich zu den militanten Abtreibungsgegnern in den USA ziehen, die in ihrer verirrten Vorstellung Ärzte ermorden. Wenn das kein Einzelfall ist, dann kann es Terrorismus sein. Sollten Atomkraftgegner soweit gehen, dass sie nicht nur blockieren, sondern in Kauf nehmen, dass Menschen getötet werden, dann ist das für mich Terrorismus. So etwas habe ich bei Castor-Transporten aber nie erlebt. Deshalb müssen wir dort nicht mit Instrumentarien der Terrorismusbekämpfung vorgehen. Bundestag entscheidet voraussichtlich im Herbst

tagesschau.de: Wie sieht das weitere Prozedere aus?

Wiefelspütz: Wir haben in der großen Koalition eine politische Einigung erzielt. Ich gehe davon aus, dass in den nächsten Tagen das Kabinett diesen Gesetzentwurf beschließt. Damit beginnt das förmliche Gesetzgebungsverfahren. Dann wird die Öffentlichkeit sich sehr kritisch über den Gesetzentwurf beugen können. Ingesamt benötigt das Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause mindestens zwei bis drei Monate, die ganze Sache wird also im Oktober oder November zu Ende sein. Vor Ablauf einer Frist von fünf Jahren soll die Wirksamkeit wieder überprüft werden. Dann kann der Bundestag abschließend entscheiden, ob und was wir an Terrorismusbekämpfungsgesetzen benötigen.

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