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Ratgeber für Gefangene
mit medizinischen und juristischen Ratschlägen

Vorbemerkung

Wie dieses Buch entstanden ist

Es ist ein Versuch, die Grenzen einer bloß beschreibenden Darstellung der Situation der Gefangenen zu überschreiten, indem hier nicht nur Erkenntnisse über diese Institution verbreitet werden sollen, sondern vor allem unmittelbar verwertbare, brauchbare Informationen für diejenigen, die ihr unterworfen sind.

Unsere ursprüngliche Idee beschränkte sich auf die Themenbereiche juristischer und medizinischer Ratschläge. Einen Rundbrief als Aufruf zur Mitarbeit schickten wir zunächst nur an einige uns bekannte Gefangene, um erstmal zu sehen, ob ein solches Buchprojekt überhaupt durchführbar ist bzw. im Knast auf Interesse und Unterstützung trifft. Obwohl wir nur wenige angeschrieben hatten, antworteten zahlreiche Gefangene aus verschiedenen Knasten, die davon gehört hatten und mitarbeiten wollten. Es kamen viele Ergänzungsvorschläge, so daß schließlich alle möglichen Bereiche des Knasts und nicht nur juristische und medizinische Probleme bearbeitet wurden.

Draußen - außerhalb des Knasts - sind Gruppen entstanden, die sich in Zusammenarbeit mit Gefangenen und ehemaligen Gefangenen mit speziellen Themenbereichen beschäftigten. Wir haben über alle Fragestellungen dieses Buches mit ehemaligen und beurlaubten Gefangenen diskutiert und Interviews auf Tonband aufgenommen. Diese Gesprächsprotokolle waren zusammen mit Beiträgen und Briefen von Gefangenen der Grundstock für die einzelnen Kapitel. Dazu kamen Beiträge von Medizinern, Juristen, Knastgruppen, ehemaligen Anstaltspfarrern und vielen anderen.

Wer dieses Buch lesen soll

Natürlich in erster Linie die unmittelbar und mittelbar Betroffenen, die Gefangenen und ihre Angehörigen und Freunde. Dabei hoffen wir, daß dieses Buch - wie auch immer - die Gefangenen erreichen wird.
Brauchbar soll der Ratgeber aber auch für die Nichtgefangenen sein: Wer sich politisch oppositionell betätigt, wer gegen die staatlichen Institutionen arbeitet - sei es in der Knastarbeit, in der Bewegung gegen die Atomkraftwerke, in der Frauenbewegung, als linker Drucker oder Buchhändler oder auch als Teilnehmer einer Demonstration - muß inzwischen damit rechnen, mit Polizei und Justiz in Berührung zu kommen.

Das Buch ist aber vor allem auch für diejenigen wichtig, die, ohne sogenannte Politische zu sein, das Strafgesetzbuch verachten und mißachten.
Wir sehen es dabei nicht allein als ein technisches Handbuch, sondern auch als einen Beitrag zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Knast. Ein Beitrag, der die Gefangenen nicht als bloße Opfer der Unterdrückung darstellt, sondern der von den Tatsachen und Möglichkeiten des täglichen Überlebenskampfes - ohne den Preis der Selbstaufgabe - ausgeht.

Die Probleme und Grenzen eines solchen Ratgebers

Ein solches Projekt beinhaltet eine ganze Reihe von Problemen: Der Ratgeber könnte als "die zehn Gebote" für Gefangene mißverstanden werden. Es werden zum Teil handfeste Verhaltensvorschläge gemacht, die als Anweisungen zum "richtigen" Verhalten erscheinen könnten.
Ein solches allgemeingültig richtiges Verhalten gibt es natürlich im Knast genausowenig wie draußen. Wenn es im Text heißt "Du solltest. . .", dann ist das so aufzufassen wie der Ratschlag eines Knasterfahrenen an einen Neueingelieferten.
Dieser wird jedoch, wenn er einen zweiten Knasterfahrenen fragt, möglicherweise einen ganz anderen Rat erhalten. Die unterschiedlichen Erfahrungen und Überlebensstrategien der Gefangenen kommen auch in diesem Buch zum Ausdruck:
Du wirst einige sich widersprechende Ratschläge finden, z.B. zu der Frage, wie man sich den Bewachern gegenüber verhält.

Welches Verhalten jedoch für den einzelnen in der speziellen Situation das "Richtige" ist, kann in einem Buch gar nicht erfaßt werden - dafür sind die Situationen und die Menschen zu verschieden. Allerdings sehen wir dort eine klare Schranke möglicher Überlebensstrategien, wo sie sich auf Kosten von Mitgefangenen durchsetzen.
Eine allgemeine Konzeption zur politischen Organisierung des Widerstands im Knast wird man in diesem Buch nicht finden - obwohl die politischen Meinungen der einzelnen Verfasser in den Texten nicht ausgeblendet sind.

Die Brauchbarkeit der Ratschläge wird für den einzelnen sehr unterschiedlich sein: Vieles wird für einen Gefangenen selbstverständliche Binsenweisheit sein.
Manches wird vielleicht als übertrieben pessimistisch, anderes vielleicht als zu rosig dargestellt erscheinen.
Das liegt dann daran, daß zwar alle eingeflossenen Erfahrungen authentisch - also echt - sind, sie sind aber nicht alle unbedingt verallgemeinerbar, nicht auf alle Knaste übertragbar - unter Umständen sogar Ausnahmefälle.
Scheinbar zu optimistische, naive Ratschläge sollen auf die kleine Chance hinweisen, die auch in hoffnungs- und auswegslos erscheinenden Situationen noch gefunden werden kann.

Wie man den Ratgeber lesen kann

Man kann ihn natürlich wie ein Buch von vorn bis hinten durchlesen. Das wird aber wahrscheinlich ziemlich anstrengend und bei manchen Kapiteln vielleicht auch langweilig, wenn man sie nicht akut braucht.
Die Texte sind so verfaßt, daß man jedes Kapitel - je nach Interesse - für sich lesen kann. Daneben sind manche Kapitel und Abschnitte in erster Linie zum Nachschlagen gedacht (man erkennt sie daran, daß sie kleiner gedruckt sind) - so vor allem der Rechtsmittelteil. Man kann aber auch das ganze Buch wie ein Lexikon benutzen.

Im Anhang findest du viele nützliche Kontaktadressen sowie eine Liste mit Buchempfehlungen zu den verschiedenen behandelten Problemen. Wir haben uns bemüht, in einer verständlichen Sprache zu schreiben. Das ist aber nicht so einfach, wenn so viele Leute daran mitgeschrieben haben.
Sollte der eine oder andere Abschnitt zu abstrakt und unverständlich geschrieben sein, so wirf das Buch nicht gleich weg, sondern lies in einem anderen Abschnitt weiter.

Wie man den Ratgeber verändern kann

Für uns ist der Ratgeber kein vollkommenes und vollendetes Werk, sondern ein Experiment, das sicher noch sehr unfertig und fehlerhaft ist und auch sein muß. Sollte sich dieses Buch als brauchbare Überlebenshilfe erweisen, so sollte es sich längerfristig weiterentwickeln.
Wir bringen das Buch als Loseblattsammlung heraus, damit wir die Erfahrungen der Gefangenen mit diesem Buch durch Ergänzungen und Veränderungen berücksichtigen können. Das setzt voraus, daß die Leser den Ratgeber selbst verändern: Kritik, Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge und natürlich auch Zustimmung sollte deshalb an die folgende Kontaktadresse geschickt werden: XXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Redaktion Knastratgeber

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