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29. Dezember 2005
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 1/2006 vom 3. Januar 20065
Erneut Verfassungsbeschwerde gegen die
Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft erfolgreich
Die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten, der sich seit fünf Jahren
und zehn Monaten wegen des Verdachts der Verabredung zum Mord sowie
mehrerer Betäubungsmittel- und Waffendelikte in Untersuchungshaft
befindet, war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass der angegriffene Beschluss
des Oberlandesgerichts, mit dem die weitere Haftfortdauer angeordnet
wurde, den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht verletze. Das
Oberlandesgericht habe die der Justiz anzulastenden
Verfahrensverzögerungen nicht hinreichend gewürdigt.
Das Oberlandesgericht hat unter Beachtung der vom
Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Gesichtspunkte unverzüglich erneut
zu entscheiden. Dabei wird es zu beachten haben, dass die festgestellten
Verletzungen des Beschleunigungsgebotes eine weitere Fortdauer der
Untersuchungshaft nicht mehr rechtfertigen.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist lettischer und griechischer Staatsangehöriger.
Er befindet sich seit dem 17. Februar 2000 in Untersuchungshaft. Nach
Anklageerhebung fand gegen den Beschwerdeführer und zwei weitere
Angeklagte im Zeitraum zwischen August 2001 und September 2004 an 156
Verhandlungstagen vor dem Schwurgericht die Hauptverhandlung statt. Am
letzten Verhandlungstag sicherte die Staatsanwaltschaft dem
Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfahrensabsprache zu, bei tadellosem
Verhalten des Beschwerdeführers im Strafvollzug zum Zwei-Drittel-
Zeitpunkt einen Antrag auf bedingte Entlassung zu stellen. Mit Urteil
vom 1. September 2004 wurde der Beschwerdeführer zu einer
Freiheitsstrafe von 8 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Das Urteil wurde
unter fast vollständiger Ausschöpfung der gesetzlichen
Urteilsabsetzungsfrist nach 8 Monaten schriftlich begründet. Sechs
Wochen später wurde es dem Beschwerdeführer zugestellt. Gegen dieses
Urteil legte der Beschwerdeführer Revision ein, über die noch nicht
entschieden ist.
Der Antrag des Beschwerdeführers, den Haftbefehl aufzuheben, hilfsweise
außer Vollzug zu setzen, blieb vor dem Landgericht und dem
Oberlandesgericht ohne Erfolg. Die hiergegen gerichtete
Verfassungsbeschwerde war erfolgreich.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Es kann dahinstehen, ob die vom Beschwerdeführer angegriffene
Terminierungspraxis des Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer (nur ein
regelmäßiger wöchentlicher Sitzungstag) mit den Vorgaben des
Beschleunigungsgebotes in Haftsachen unvereinbar war. Offen bleiben kann
auch die hiermit im Zusammenhang stehende Frage, ob die eingetretenen
Verzögerungen Ausdruck einer auf Langfristigkeit angelegten
Verteidigungsstrategie gewesen sind und daher möglicherweise dem Gericht
nicht zugerechnet werden können. Jedenfalls verstoßen die nach Erlass
des Urteils des Landgerichts entstandenen Verfahrensverzögerungen gegen
das Beschleunigungsgebot und sind ausschließlich dem Gericht anzulasten.
Dies betrifft zum einen die Dauer der Erstellung der Urteilsgründe. Zwar
hat das Landgericht das Urteil innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist
schriftlich abgesetzt. Bei dieser Frist handelt es sich aber um eine
Höchstfrist, die, vor allem in Haftsachen, das Gericht nicht von der
Verpflichtung entbindet, die Urteilsgründe unverzüglich, das heißt ohne
vermeidbare justizseitige Verzögerungen, schriftlich niederzulegen.
Soweit das Landgericht darauf verweist, dass die Urteilserstellung nicht
stärker habe beschleunigt werden können, weil der berichterstattende
Richter inzwischen an ein anderes Gericht abgeordnet, und der zweite
berufsrichterliche Beisitzer zwischenzeitlich einer stark belasteten
Zivilkammer zugewiesen worden war, ist dies mit dem Beschleunigungsgebot
in Haftsachen nicht vereinbar. Ebenso wie sich aus dem
Beschleunigungsgebot die Pflicht des Gerichtspräsidenten ableitet, durch
Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte
Bearbeitung von Haftsachen sicher zu stellen, folgt daraus zugleich,
solche gerichtsorganisatorische Maßnahmen zu unterlassen, die einer
beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen.
Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, dass bis zur Zustellung des
Urteils an den Beschwerdeführer weitere sechs Wochen vergangen sind.
Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht maßgebliche Abwägungsgrundsätze
unbeachtet gelassen. Es hat der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer
bereits über einen Zeitraum von mehr als zwei Dritteln der verhängten
Strafe in Untersuchungshaft befindet und die Staatsanwaltschaft ihm im
Zuge einer Verfahrensabsprache zugesichert hat, bei tadellosem Verhalten
im Strafvollzug zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt einen Antrag auf bedingte
Entlassung zu stellen, keine Relevanz beigemessen. Vorliegend hätte aber
gerade die Zusage der Staatsanwaltschaft Anlass zu einer Prognose über
die Strafresterwartung geboten.
http://www.bverfg.de/entscheidungen
[ Beschluss vom 29. Dezember 2005 – 2 BvR 2057/05 –
5. Dezember 2005
Anordnung der Haftentlassung nach 8-jähriger Untersuchungshaft
wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots
Die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten, der sich seit über acht
Jahren wegen des Verdachts des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion
mit sechsfachem Mord und zweifachem Mordversuch in Untersuchungshaft
befindet, war erneut erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts stellte fest, dass die angegriffenen
Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Landgerichts den
Beschwerdeführer wegen Verletzung des in Haftsachen geltenden
Beschleunigungsgebots in seinem Freiheitsgrundrecht verletzen. Sie
wurden zusammen mit dem zu Grunde liegenden Haftbefehl aufgehoben. Das
Oberlandesgericht wurde angewiesen, den Beschwerdeführer unverzüglich
aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 2. August 1997 in
Untersuchungshaft. Ihm liegt zur Last, im Juli 1997 vorsätzlich eine
Gasexplosion herbeigeführt zu haben, die das dem Beschwerdeführer
gehörende Mietwohnhaus vollständig zerstörte, sechs Hausbewohner tötete
und zwei weitere schwer verletzte. Nach einer Verfahrensdauer von über
vier Jahren verurteilte ihn das Landgericht am 16. August 2001 wegen
Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge tateinheitlich
mit sechsfachem Mord und zweifachem Mordversuch zu lebenslanger
Freiheitsstrafe.
Auf die Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof am 24.
Juli 2003 die Entscheidung des Landgerichts wegen eines
Verfahrensfehlers auf. Die Angaben der Zeugin H. vor dem
Ermittlungsrichter hätten nicht im Urteil verwertet werden dürfen, weil
der Beschwerdeführer und sein damaliger Verteidiger entgegen den
strafprozessualen Bestimmungen nicht von dem Vernehmungstermin
benachrichtigt worden seien. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die neue
Verhandlung gegen den Beschwerdeführer hat am 6. Februar 2004 begonnen
und dauert an.
Der Antrag des Beschwerdeführers, den Haftbefehl außer Vollzug zu
setzen, blieb vor dem Landgericht und Oberlandesgericht ohne Erfolg. Auf
seine Verfassungsbeschwerde hin hob das Bundesverfassungsgerichts die
Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zu
erneuter Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück (Beschluss vom 23.
September 2005 – 2 BvR 1315/05 -; Pressemitteilung Nr. 94/2005 vom 30.
September 2005). Am 8. November 2005 verwarf das Oberlandesgericht die
Haftbeschwerde erneut. Die nochmalige Überprüfung der Verfahrensakten
habe keine der Justiz anzulastenden vermeidbaren Verfahrensverzögerungen
ergeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde
hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Das Oberlandesgericht hat unter Missachtung der Bindungswirkung der
vorausgegangenen Kammerentscheidung vom 23. September 2005 erneut nicht
berücksichtigt, dass durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils
und die Zurückverweisung der Sache eine dem Staat zuzurechnende
Verfahrensverzögerung schon deshalb vorliegt, weil das ergangene Urteil
verfahrensfehlerhaft war.
Dem kann, anders als das Oberlandesgericht meint, nicht mit Erfolg
entgegengehalten werden, dass die Verfahrensverlängerung aufgrund der
Aufhebung des ersten Urteils im Revisionsverfahren Ausprägung einer
rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelsystems sei und deshalb
einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht
begründen könne. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
die infolge der Durchführung eines Revisionsverfahrens verstrichene Zeit
nicht der ermittelten Überlänge eines Verfahrens hinzuzurechnen. Hiervon
ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn das Revisionsverfahren der
Korrektur eines offensichtlich der Justiz anzulastenden
Verfahrensfehlers gedient hat. Entgegen der Auffassung des
Oberlandesgerichts kommt es nicht darauf an, ob es sich um einen
„eklatanten“ Verfahrensfehler handelt. Maßgebend ist allein, in wessen
Sphäre der Verfahrensfehler wurzelt, in der des Beschwerdeführers oder
in der der Justiz. Da vorliegend nur die Justiz von der bevorstehenden
ermittlungsrichterlichen Vernehmung der Zeugin H. Kenntnis hatte, konnte
auch nur die Justiz der Benachrichtigungspflicht genügen. Der aus dem
Unterlassen dieser Verpflichtung und der aus der späteren Verwertung der
Aussage des Ermittlungsrichters resultierende Verfahrensfehler ist daher
allein der Justiz anzulasten.
Angesichts der dadurch bedingten Verfahrensverlängerung von nahezu 25
Monaten (von der Einlegung der Revision gegen das erstinstanzliche
Urteil vom 16. August 2001 bis zur Rückkehr der Akte zur
Staatsanwaltschaft nach Abschluss des Revisionsverfahrens am 4.
September 2003 gerechnet) kann auch von einer lediglich kleinen
Verzögerung, die entsprechend dem Gewicht der zu ahndenden Straftaten
eine Fortdauer der Untersuchungshaft noch rechtfertigen könnte, keine
Rede mehr sein. Damit ist allein schon aus diesem Grunde eine Verletzung
des Beschleunigungsgebots in Haftsachen gegeben, die zwingend zur
Aufhebung des Haftbefehls wegen Unverhältnismäßigkeit führen muss.
Dessen ungeachtet weist das Verfahren eine Vielzahl weiterer
gravierender Verletzungen des Beschleunigungsgebots in Haftsachen auf,
die jede für sich, aber erst recht in ihrer Gesamtheit zur Aufhebung der
Untersuchungshaft zwingen.
[ Zum Beschluss vom 5. Dezember 2005 – 2 BvR 1964/05 –
23. November 2005
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Ablehnung einer
gerichtlichen Sachentscheidung über Haftraumbedingungen
Die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen, der vergeblich eine
gerichtliche Entscheidung darüber erstrebt hatte, ob es zulässig war,
dass er während seiner Haftzeit zusammen mit einer weiteren Person in
einem Haftraum von weniger als 8 Quadratmetern mit nur durch einen
Vorhang abgetrennten Sanitätsbereich untergebracht war, hatte Erfolg.
Das Oberlandesgericht hatte seine Beschwerde gegen die
Haftraumbedingungen als unzulässig verworfen, da der Beschwerdeführer
während der Dauer des Rechtsstreits aus der Haft ins Ausland abgeschoben
worden war und ein Interesse an nachträglicher Feststellung der
Rechtswidrigkeit seiner Unterbringung nicht bestehe. Es bestehe weder
Wiederholungsgefahr noch sei ein Rehabilitationsinteresse erkennbar. Die
2. Kammer des Zweiten Senats stellte fest, dass der Beschluss des
Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf
wirksamen Rechtsschutz verletzt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ist es zwar prinzipiell
vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem fortbestehenden
Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Daher ist es grundsätzlich
nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte bei Erledigung des
Verfahrensgegenstandes einen Fortfall des Rechtsschutzinteresses
annehmen. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein
Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung aber fortbestehen, wenn das
Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in
besonderer Weise schutzwürdig ist. In Verfahren, die die
Haftraumunterbringung eines Gefangenen betreffen, entfällt das
Rechtsschutzinteresse nicht mit der Beendigung der beanstandeten
Unterbringung, wenn eine Verletzung der Menschenwürde durch die Art und
Weise der Unterbringung in Frage steht. Dies war hier der Fall. Von
weiteren Voraussetzungen war das Rechtsschutzinteresse des
Beschwerdeführers daher nicht abhängig.
[ Zum Beschluss vom 23. November 2005 – 2 BvR 1514/03 –
29. November 2005
Aufrechterhaltung eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls bei
ungewissem Verfahrensfortgang mit Freiheitsgrundrecht unvereinbar
Die Verfassungsbeschwerde eines Angeklagten, dessen Hauptverhandlung
wegen des gesetzlichen Mutterschutzes der beisitzenden Richterin auf
unbestimmte Zeit ausgesetzt wurde, gegen die Aufrechterhaltung des
(bereits außer Vollzug gesetzten) Haftbefehls war erfolgreich. Die 3.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte fest,
dass die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts den
Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht verletzt. Lassen sich
Strafverfahren, in denen ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist, nicht
in angemessener Zeit durchführen, weil der Staat der Pflicht zur
Ausstattung der Gerichte – vor allem in personeller Hinsicht – nicht
nachkommt, habe das unabweisbar die Aufhebung von Haftentscheidungen zur
Folge. Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und
gewerbsmäßiger Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele angeklagt. Er
befand sich deshalb seit September 2003 in Untersuchungshaft. Nach
Beginn der Hauptverhandlung im September 2004 setzte das Landgericht den
Haftbefehl gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 Euro sowie
gegen eine Meldeauflage außer Vollzug. Der Beschwerdeführer kam auf
freien Fuß. Nach 44 Verhandlungstagen setzte das Landgericht die
Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer unter gleichzeitiger
Aufhebung des Haftbefehls und des Haftverschonungsbeschlusses im Juni
2005 auf unbestimmte Zeit aus, da das Verfahren bis zum Beginn des
gesetzlichen Mutterschutzes der beisitzenden Richterin nicht mehr zu
Ende geführt werden könne.
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft setzte das Oberlandesgericht
den Haftbefehl und den Verschonungsbeschluss im September 2005 mit der
Maßgabe wieder in Kraft, dass die Meldeauflage entfalle. Die Aussetzung
des Verfahrens beruhe nicht auf einer Missachtung des
Beschleunigungsgebots, sondern auf der sachlich nicht zu beanstandenden
Erwägung, dass das Verfahren bis zu dem bevorstehenden Beginn des
Mutterschutzes der Beisitzerin nicht mehr habe beendet werden können.
Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Bei der Prüfung der Frage, ob ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl
aufrechtzuerhalten ist, ist – ebenso wie beim vollstreckten Haftbefehl –
eine Abwägung zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch und dem
Freiheitsinteresse des Beschwerdeführers vorzunehmen. Denn auch wenn die
Untersuchungshaft nicht vollzogen wird, kann allein schon die Existenz
eines Haftbefehls für den Beschuldigten eine erhebliche Belastung
darstellen. Das Oberlandesgericht hat in die erforderliche Abwägung
nicht alle relevanten Gesichtspunkte einbezogen sowie Bedeutung und
Tragweite des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers verkannt.
So hat das Oberlandesgericht die Hintergründe der
Aussetzungsentscheidung nicht aufgeklärt. Es hat nicht festgestellt,
warum der Einsatz eines Ergänzungsrichters nicht in Betracht kam und
weshalb der Abbruch der Hauptverhandlung – nach immerhin 44
Verhandlungstagen – unumgänglich war und auch durch einen
überobligationsmäßigen Einsatz der Richterbank, etwa durch zusätzliche
Verhandlungstermine in den Abendstunden oder gegebenenfalls auch am
Wochenende (samstags), vor dem Eintritt der Beisitzerin in den
Mutterschutz nicht mehr vermieden werden konnte. Der inhaftierte
Beschuldigte hat es nicht zu vertreten, wenn seine Strafsache nicht
binnen angemessener Frist zum Abschluss gebracht werden kann, weil
familiär bedingte personelle Veränderungen auf der Richterbank mit einer
ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in Haftsachen
kollidieren. Es handelt sich insoweit weder um einen unvorhersehbaren
Zufall noch um ein schicksalhaftes Ereignis. Jede andere Beurteilung ist
mit der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen
Freiheit unvereinbar. Dies gilt auf Grund der mit der Existenz des
Haftbefehls verbundenen Belastungen und Beschränkungen der persönlichen
Freiheit auch dann, wenn der Haftbefehl wie hier – bereits außer
Vollzug gesetzt ist.
Zudem besteht für die Einschätzung des Oberlandesgerichts, das Verfahren
gegen den Beschwerdeführer werde im Februar 2006 neu beginnen, keine
tragfähige Grundlage. Der Vorsitzende der für die Hauptverhandlung
zuständigen Strafkammer hat in seiner Stellungnahme lediglich erklärt,
dass derzeit nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Sache vor
Februar 2006 verhandelt werden könne. Von einem Verfahrensbeginn im
Februar 2006 ist in der Stellungnahme nicht die Rede. Zudem hat der
Vorsitzende seine Aussage ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt,
dass keine neuen Haftsachen bei der Kammer eingehen. Da die Kammer nach
der Mitteilung des Präsidenten des Landgerichts jedoch nicht mit einer
Entlastung rechnen kann, besteht kein Grund für die Annahme, die Kammer
werde vom Eingang neuer Haftsachen verschont bleiben. Sind aber Beginn,
Dauer und Beendigung des Verfahrens gegenwärtig in keiner Weise zeitlich
konkret absehbar, so ist dies bei der gebotenen Abwägung nicht mehr
hinnehmbar und muss zur Aufhebung des Haftbefehls und des
Aussetzungsbeschlusses führen.
Die Überlastung eines Gerichts fällt in
den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft. Der
Staat kann sich dem Beschuldigten gegenüber nicht darauf berufen, dass
er seine Gerichte nicht so ausstattet, wie es erforderlich ist, um die
anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abzuschließen. Lassen
sich Strafverfahren, in denen ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist,
nicht in angemessener Zeit durchführen, weil der Staat der Pflicht zur
Ausstattung der Gerichte – aus welchen Gründen auch immer – nicht
nachkommt, hat das unabweisbar die Aufhebung von Haftentscheidungen zur
Folge. Die mit der Haftprüfung betrauten Gerichte verfehlen die ihnen
obliegende Aufgabe, den Grundrechtsschutz der Betroffenen zu
verwirklichen, wenn sie angesichts des Versagens des Staates, die Justiz
mit den erforderlichen personellen und sächlichen Mitteln auszustatten,
die im Falle einer Verletzung des Beschleunigungsgebots gebotenen
Konsequenzen nicht ziehen.
Die Aufhebung allein der Meldeauflage trägt dem Freiheitsanspruch des
Beschwerdeführers nicht hinreichend Rechnung. Denn schon die Existenz
des Haftbefehls begründet neben der Beschränkung der Freizügigkeit und
den mit der Stellung der Kaution verbundenen finanziellen Nachteile eine
erhebliche Belastung, die dem Beschwerdeführer angesichts der völligen
Ungewissheit des Verfahrensfortgangs nicht weiter zugemutet werden kann.
[ Zum Beschluss vom 29. November 2005 – 2 BvR 1737/05 –
13. November 2005
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) sowie die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Überprüfungsverfahren gemäß § 67 d Abs. 2, § 67 e StGB, § 463 Abs. 3 und § 454 StPO.
[ Beschluss vom 13. November 2005
28. Oktober 2005
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen
die Dauer von "Organisationshaft"
Pressemitteilung Nr. 105/2005 vom 28. Oktober 2005
Das Bundesverfassungsgericht hat sich erstmals zur Zulässigkeit der sog.
Organisationshaft geäußert.
Das Strafgesetzbuch ordnet in § 67 StGB an, dass in den Fällen, in denen
die Unterbringung im Maßregelvollzug neben einer Freiheitsstrafe
angeordnet wird, grundsätzlich die Maßregel vor der Strafe vollzogen
wird. Organisationshaft liegt vor, wenn ein Verurteilter, für den nicht
sofort ein Unterbringungsplatz im Maßregelvollzug zur Verfügung steht,
die Zwischenzeit in der "normalen" Strafhaft verbringt.
Der Beschwerdeführer wurde wegen Betäubungsmitteldelikten zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; zugleich wurde seine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Da ein
Unterbringungsplatz in einer Entziehungsanstalt nicht gleich zur
Verfügung stand, verblieb der Beschwerdeführer nach Eintritt der
Rechtskraft des Urteils zunächst in der Justizvollzugsanstalt. Drei
Monate später wurde er schließlich in einer Entziehungsanstalt
untergebracht. Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen die Dauer der
"Organisationshaft" blieben vor dem Landgericht und dem
Oberlandesgericht ohne Erfolg. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt er,
die Fortdauer der "Organisationshaft" verletze ihn wegen des Fehlens
einer darauf bezogenen gesetzlichen Regelung in seinen Grundrechten:
Während des Wartens auf das Freiwerden eines Platzes im Maßregelvollzug
dürfe er nicht in Haft gehalten werden.
Auf seine Verfassungsbeschwerde hin stellte die 3. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts fest, dass die angegriffenen
Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Freiheit der
Person verletzen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
ist die "Organisationshaft" zwar nicht grundsätzlich verfassungswidrig.
Die Gerichte hätten hier jedoch – in der irrigen Annahme einer festen
Zeitspanne von drei Monaten für die Organisation der Unterbringung –
nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Vollstreckungsbehörde
unverzüglich die Überstellung des Beschwerdeführers in den
Maßregelvollzug hätte herbeiführen müssen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Die Freiheitsstrafe und die Maßregel der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt verfolgen unterschiedliche Zwecke. Anders als die
Freiheitsstrafe ist die Maßregel der Unterbringung auf eine Therapie hin
ausgerichtet. Beide Maßnahmen können deshalb auch nebeneinander
angeordnet werden. Das Grundrecht auf Freiheit der Person erfordert es
aber, sie einander so zuzuordnen, dass die Zwecke beider möglichst
weitgehend erreicht werden.
Nach der gesetzlichen Regelung ist die Maßregel grundsätzlich vor der
Strafe zu vollziehen, um die „therapeutisch fruchtbare Zeit“ zu nutzen.
Die "Organisationshaft" dient der Vorbereitung der Maßregel. Sie führt
aber dann zu einer gesetzeswidrigen und dem zu vollstreckenden Urteil
widersprechenden Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge, wenn die
Vollstreckungsbehörde nicht unverzüglich die Überstellung des
Verurteilten in den Maßregelvollzug einleitet und herbeiführt. Denn in
der Justizvollzugsanstalt kann die durch die Maßregelanordnung bezweckte
Behandlung des Verurteilten nicht gewährt werden.
Die von Verfassungs wegen noch vertretbare Organisationsfrist kann nicht
allgemein, sondern nur im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung
der Bemühungen der Strafvollstreckungsbehörde um eine beschleunigte
Unterbringung des Verurteilten im Maßregelvollzug bestimmt werden. Im
Hinblick auf das Freiheitsgrundrecht ist es verfassungsrechtlich
geboten, dass die Vollstreckungsbehörden auf den konkreten, von der
Rechtskraft des jeweiligen Urteils abhängigen Behandlungsbedarf
unverzüglich reagieren und die Überstellung des Verurteilten in eine
geeignete Einrichtung beschleunigt herbeiführen.
Diesen Anforderungen haben die angegriffenen Entscheidungen nicht
Rechnung getragen. Auf der Grundlage der Annahme einer festen Zeitspanne
von drei Monaten für die Organisation der Unterbringung haben die
Gerichte im Ergebnis lediglich deren Einhaltung, nicht aber die Umstände
für das Zustandekommen einer nahezu dreimonatigen Organisationsfrist
geprüft. Die fachgerichtliche Behauptung, die Vollstreckungsbehörde habe
sich in der gebotenen Zeit und mit der gebotenen Intensität um einen
Unterbringungsplatz gekümmert, wird in den Beschlussgründen nicht
erläutert und deckt sich nicht mit dem tatsächlichen Ablauf der
Organisation der Unterbringung des Beschwerdeführers.
Da der Beschwerdeführer trotz zwischenzeitlicher Überstellung in eine
Entziehungsanstalt ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung hat,
ob die gegen ihn vollzogene "Organisationshaft" grundrechtswidrig war,
wird die Sache zu erneuter Entscheidung an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen.
[ Beschluss vom 26. September 2005 – 2 BvR 1019/01 –
12. Oktober 2005
Pressemitteilung Nr. 98/2005 vom 12. Oktober 2005
Trotz Nichtannahme erfolgreiche Verfassungsbeschwerden –
Verpflichtung der Fachgerichte zur Belehrung über die
Möglichkeit der Wiedereinsetzung
Die Beschwerdeführer sind Strafgefangene. Ihre getrennt voneinander
eingelegten Verfassungsbeschwerden wurden zu gemeinsamer Entscheidung
verbunden. Im fachgerichtlichen Verfahren hatten sie jeweils eine
Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die
für die Aufnahme zuständigen Rechtspfleger hatten die Niederschriften
mit einer beigefügten privatschriftlichen Begründung des jeweiligen
Beschwerdeführers an das jeweils zuständige Oberlandesgericht
weitergeleitet. Die Oberlandesgerichte verwarfen die Rechtsbeschwerden
als unzulässig, weil der Rechtspfleger gestaltend an der Abfassung der
Rechtsmittelschrift mitwirken und für deren Inhalt selbst die
Verantwortung übernehmen müsse. Ein in der Niederschrift enthaltener
Hinweis auf die dem Protokoll als Anlage beigefügte privatschriftliche
Begründung des Beschwerdeführers reiche dafür nicht aus. Eine
Wiedereinsetzung von Amts wegen komme nicht in Betracht.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügten die Beschwerdeführer eine
Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren. Eine fehlerhafte
Aufnahme ihrer Rechtsbeschwerde durch den Rechtspfleger dürfe nicht
ihnen zur Last gelegt werden. Die 1. Kammer des Zweiten Senats nahm die
Verfassungsbeschwerden zwar nicht zur Entscheidung an. Aus der
Begründung der Nichtannahmeentscheidung ergibt sich jedoch, dass die
Gerichte in Fällen wie den vorliegenden einem Rechtsuchenden den Weg
weisen müssen, auf dem vermieden werden kann, dass er wegen eines auf
Seiten der Justiz unterlaufenen Fehlers einen Rechtsverlust erleidet:
Die Verfassungsbeschwerde sei nicht zur Entscheidung anzunehmen, da der
Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Da eine durch Fehler der
aufnehmenden Justizbediensteten bedingte Unzulässigkeit der
Rechtsbeschwerde nicht auf einem Verschulden des Beschwerdeführers,
sondern auf einem Fehler der Justiz beruhe, hätten die Beschwerdeführer
die Möglichkeit, zunächst bei den Fachgerichten Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu beantragen. Eine Wiedereinsetzung scheide hier nicht
wegen Fristablaufs aus. Jedenfalls dann, wenn der
Wiedereinsetzungsgrund, wie hier, in einem den Gerichten zuzurechnenden
Fehler liege, fordere der Grundsatz fairer Verfahrensführung eine
ausdrückliche Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeit der
Wiedereinsetzung. Ohne eine solche Belehrung, die hier bislang
unterblieben sei, beginne die Wiedereinsetzungsfrist nicht zu laufen.
Daher könnten die Beschwerdeführer innerhalb einer Woche ab Zustellung
des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts durch eine von einem
Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift oder zur Niederschrift der
Geschäftsstelle bei dem jeweils zuständigen Landgericht erneut
Rechtsbeschwerde einlegen, indem sie gleichzeitig Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand beantragen.
[ Zum Beschluss vom 27. September 2005
– 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 –
26. September 2005
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen
gegen seine Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt
Pressemitteilung Nr. 102/2005 vom 19. Oktober 2005
Der seit 1998 inhaftierte Beschwerdeführer wurde im Jahr 2003 in eine
andere Justizvollzugsanstalt verlegt. Dadurch verlor er einen fünf Jahre
lang innegehabten Arbeitsplatz. Die Verlegung wurde damit begründet,
dass einige Stationsbedienstete gegen den Beschwerdeführer, nachdem ihm
die Erlaubnis zum Besitz einer Schreibmaschine entzogen worden war,
nicht eingeschritten seien, als dieser unrechtmäßig die Schreibmaschine
eines Mitgefangenen in Besitz gehabt habe. Dies begründe Zweifel an der
notwendigen Distanz der Bediensteten zum Beschwerdeführer. Rechtsmittel
des Beschwerdeführers gegen seine Verlegung waren erfolglos.
Seine Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts stellte eine Verletzung des
Beschwerdeführers in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG fest. Die
gegen seinen Willen erfolgende Verlegung eines Strafgefangenen könne für
diesen mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen verbunden sein, da alle
seine innerhalb der Anstalt entwickelten sozialen Beziehungen praktisch
abgebrochen würden. Eine zusätzliche Beeinträchtigung ergebe sich, wenn
der Wechsel der Anstalt mit dem Verlust einer Arbeitsmöglichkeit
verbunden sei. § 85 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) ermögliche die
Verlegung eines Strafgefangenen in eine andere Anstalt nur für den Fall,
dass dessen Verhalten eine Gefahr für die Anstaltssicherheit oder
-ordnung begründe, der in dieser Justizvollzugsanstalt nicht angemessen
begegnet werden könne. Eine Verlegung des Gefangenen zur Abwehr von
Gefahren, die durch Fehlverhalten des Vollzugspersonals begründet sind,
sei dagegen weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck des § 85 StVollzG
gedeckt.
[ Zum Beschluss vom 26. September 2005 – 2 BvR 1651/03 –
12. Mai 2005
2 BvR 570/03 vom 12.5.2003 Der Antragsteller, der sich in Untersuchungshaft befindet, begehrt die einstweilige Aussetzung einer Besuchssperre, die für Besuche seiner Verlobten verhängt wurde, weil diese mit dem Antragsteller unerlaubten Kontakt über die Gefängnismauer aufgenommen hatte.
[ Beschluss vom 12. Mai 2005
29. März 2005
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Untätigkeit
Pressemitteilung Nr. 30/2005 vom 7. April 2005
Die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Strafgefangenen gegen die
Untätigkeit des Landgerichts (LG) Hamburg in einer ihn betreffenden
Vollzugssache war erfolgreich. Die 1. Kammer des Zweiten Senats stellte
fest, dass die Untätigkeit des LG den Beschwerdeführer (Bf) in seinem
Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt.
Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hatte bei der Justizvollzugsanstalt erfolglos die
Gewährung eines so genannten Schülerstatus zur Aufnahme eines
Fernstudiums an der Universität Hagen beantragt. Im Juli 2000 stellte er
in dieser Angelegenheit beim LG Hamburg Antrag auf gerichtliche
Entscheidung. Nachdem das LG diesen Antrag abgelehnt und der Bf
hiergegen Rechtsbeschwerde eingelegt hatte, hob das Oberlandesgericht
(OLG) mit Beschluss vom 11. September 2001 die Entscheidung des LG auf
und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück. Im
Oktober 2001 vermerkte die damals zuständige Richterin beim LG, sie sehe
sich wegen starker Belastung nicht in der Lage, in der Sache eine
Entscheidung zu treffen. In der Folgezeit wechselte, wie dem Bf auf
Sachstandsanfrage mitgeteilt wurde, mehrfach die Besetzung der
betreffenden Richterstelle.
Am 6. September 2002 legte der Bf beim LG
Untätigkeitsbeschwerde ein. Das LG leitete diese Beschwerde, ebenso wie
eine nachfolgende Sachstandsanfrage, nicht an das OLG weiter. Nachdem
der Bf eine erneute Sachstandsanfrage direkt dem OLG zukommen ließ,
forderte dieses die Akten vom LG an. Erst auf die dritte Anforderung des
OLG übersandte das LG die Verfahrensakten. Mit Beschluss vom 2. Januar
2003 stellte das OLG die Rechtswidrigkeit der Untätigkeit des LG fest.
Ungeachtet dessen traf das LG bisher keine Entscheidung in der Sache.
Mit seiner Vb rügt der Bf die Verletzung seines Rechts auf effektiven
Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Darüber hinaus beanstandet er, dass es
keinen wirksamen Rechtsschutz gegen eine derartige richterliche
Untätigkeit durch ein Fachgericht gebe. Er fordere deshalb, dass es von
Verfassungs wegen ermöglicht wird, das übergeordnete Fachgericht mit
Entscheidungsmacht auszustatten, gegen ein willkürlich untätiges
Untergericht vorgehen und selbst entscheiden zu können.
Auf Anfrage des Bundesverfassungsgerichts beim LG, ob mittlerweile eine
Entscheidung ergangen sei, und zweimaliger schriftlicher
Aktenanforderung erfolgte keine Reaktion. Erst nach mehrmaliger direkter
telefonischer Aufforderung des zuständigen Richters beim LG wurden die
Verfahrensakten dem Bundesverfassungsgericht zugeleitet.
Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg erklärte, von einer
Stellungnahme abzusehen, wies aber darauf hin, dass der Bf allein im
Jahr seines streitgegenständlichen Antrags insgesamt 54
Vollzugsverfahren beim LG Hamburg anhängig gemacht habe.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
Das Grundgesetz (Art. 19 Abs. 4 GG) gewährleistet wirksamen
Rechtsschutz. Wirksam ist nur ein zeitgerechter Rechtsschutz. Gründe,
die es rechtfertigen könnten, dass auf den Beschluss des OLG vom 2.
Januar 2003 hin nicht alsbald eine Entscheidung getroffen wurde, liegen
nicht vor. Auf Umstände, die innerhalb des staatlichen
Verantwortungsbereichs liegen, kann sich der Staat zur Rechtfertigung
der überlangen Dauer eines Verfahrens nicht berufen. Welche
Verfahrensdauer noch angemessen ist, hängt von den Umständen des
Einzelfalles - unter anderem von der Bedeutung der Sache, den
Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, der
Schwierigkeit des Falles und dem Verhalten der Beteiligten - ab. Dem
Richter steht für die Bearbeitung anhängiger Verfahren grundsätzlich ein
Ermessensspielraum zu, innerhalb dessen er aufgrund eigener Gewichtung
solcher Faktoren Prioritäten in Abweichung von der Reihenfolge des
Eingangs setzen kann.Inwieweit dabei auch der Umstand, dass ein Kläger
die Justiz durch eine Vielzahl von Anträgen in besonderem Maße
beansprucht, Zurücksetzungen rechtfertigt, ist im vorliegenden Fall
nicht zu entscheiden. Jedenfalls besteht ein diesbezüglicher
Gestaltungsspielraum des Richters nicht mehr, wenn ein übergeordnetes
Gericht festgestellt hat, dass bereits die bisherige Untätigkeit in dem
betreffenden Verfahren rechtswidrig war.
Soweit sich die Vb dagegen wendet, dass auch im Falle festgestellter
rechtswidriger Untätigkeit eines Gerichts das übergeordnete Gericht
nicht die Möglichkeit hat, die festgestellte Rechtsverletzung zu
beenden, indem es die Entscheidung an sich zieht, ist sie unbegründet.
Der Bf wendet sich hier der Sache nach gegen ein Unterlassen des
Gesetzgebers. Durch die beharrliche Untätigkeit des LG im vorliegenden
Fall wird nicht belegt, dass bereits die gesetzlichen Rahmenbedingungen
nicht den Anforderungen aus Art. 19 Abs. 4 GG entsprechen. Verletzt ein
Gericht durch Untätigkeit seine Pflicht zur Gewährung effektiven
Rechtsschutzes, so bestehen neben der in vielen Fällen eröffneten
Möglichkeit der Untätigkeitsbeschwerde weitere Möglichkeiten, auf ein
pflichtgemäßes Verhalten der Justiz hinzuwirken.
[ Beschluss vom 29. März 2005 – 2 BvR 1610/03 –
21. März 2005
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die rechtlichen Folgen der Aufnahme einer Rechtsbeschwerde durch eine gemäß § 24 Abs. 1 RPflG hierzu nicht befugte Justizbedienstete.
1. Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener. In einem Verfahren, das er gegen die Justizvollzugsanstalt wegen Nichtaushändigung eines Buches aus seiner Post angestrengt hatte, lehnte das Landgericht R. mit Beschluss vom 24. Februar 2003 seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet ab. Gegen diesen Beschluss erhob der nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführer am 19. März 2003 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Rechtsbeschwerde. Die Rechtsbeschwerde wurde von einer Justizangestellten als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle aufgenommen. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 2. Mai 2003 verwarf das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil sie nicht in der Form des § 118 Abs. 3 StVollzG erhoben worden sei. Für die Aufnahme der Erklärung über die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde bei Gericht sei nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. a RPflG ausschließlich der Rechtspfleger zuständig. Die von einem unzuständigen Beamten aufgenommene Erklärung sei unwirksam. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers sei jedoch ausweislich der Niederschrift vom 19. März 2003 durch eine Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle erfolgt. Diese sei senatsbekannt keine Rechtspflegerin und auch nicht als solche tätig geworden. Auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wies das Oberlandesgericht den Beschwerdeführer nicht hin.
2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG. Es könne nicht von ihm erwartet werden, dass er die Unzuständigkeit einer Mitarbeiterin, zu der er in den Räumen der Geschäftsstelle geführt worden sei und die ihm erklärt habe, dass er bei ihr die beabsichtigte Rechtsbeschwerde form- und fristgerecht einlegen könne, erkenne. Das Landgericht habe seine Fürsorgepflicht verletzt. Da die Entscheidung des Oberlandesgerichts abschließend sei, bleibe ihm nur die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Neben der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses beantragt der Beschwerdeführer, ihm von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren vor dem Oberlandesgericht zu gewähren.(...]
[ Beschluß vom 21. März 2005
30. Dezember 2004
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen das Anhalten
einer an einen Strafgefangenen adressierten
Informationsbroschüre zum Strafvollzug
Pressemitteilung Nr. 118/2004 vom 30. Dezember 2004
Auf die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Hochschullehrers und Leiters
des Strafvollzugsarchivs einer Universität, der sich gegen das Anhalten
einer an einen Strafgefangenen gerichteten Informationsbroschüre zum
Strafvollzug wandte, hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts den ablehnenden Beschluss des Landgerichts
(LG) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das
Landgericht zurückverwiesen. Der Beschluss des LG verletzt den
Beschwerdeführer (Bf) in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Sachverhalt:
Auf die Bitte eines Strafgefangenen hin adressierte der Bf an diesen ein
Exemplar der Broschüre „Positiv in Haft“. Die 128 Seiten umfassende
Broschüre wird von der Deutschen Aidshilfe e.V. herausgegeben. Sie
enthält neben einem medizinischen Teil auch einen Teil zu rechtlichen
Fragen des Strafvollzugs, der als praktische Hilfestellung für Gefangene
konzipiert ist und unter anderem „Musteranträge“ enthält. Der Bf ist im
Impressum der Informationsschrift nicht aufgeführt. Die Einleitung zum
rechtlichen Teil der Broschüre enthält jedoch den ausdrücklichen
Hinweis, dass die nachfolgenden Informationen aus der Arbeit des
Strafvollzugsarchivs der Universität hervorgegangen seien.
Die Justizvollzugsanstalt hielt die Broschüre an und leitete sie nicht
an den Strafgefangenen weiter, da die Broschüre Informationen enthalte,
die die Gefangenen zu einem vollzugsablehnenden Verhalten und zu einer
missbräuchlichen Handhabung des Beschwerderechts veranlassen könnten.
Der gegen das Anhalten der Broschüre gerichtete Antrag des Bf blieb vor
dem Landgericht und dem Oberlandesgericht ohne Erfolg.
Mit seiner Vb rügt der Bf eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit (Art.
5 Abs. 1 Satz 1 GG).
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Die Verbreitung der in der Broschüre abgedruckten Informationen fällt
sachlich in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Der Bf ist auch
selbst in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit betroffen. Dem steht
nicht entgegen, dass er im Impressum der Broschüre nicht aufgeführt ist.
Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der Äußerung und Verbreitung von
Meinungen auf der einen, die Informationsfreiheit auf der anderen Seite.
Dies sind einander ergänzende Elemente eines Kommunikationsprozesses.
Übersendet jemand einem anderen zu dessen Information und
Meinungsbildung einen gedruckten Text, so hängt der
kommunikationsrechtliche Schutz nicht davon ab, dass es sich um einen
vom Übersender verfassten, herausgegebenen oder auf andere Weise
mitverantworteten Text handelt. Der Bf hat die Broschüre einem
Strafgefangenen auf dessen gezielte Bitte um Information hin übersandt.
Damit erfolgte die Übersendung in einem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten
Kommunikationszusammenhang. Der Bf hat als Leiter der Einrichtung, aus
deren Arbeit der rechtliche Teil der Broschüre hervorgegangen ist, auch
nicht nur in der Rolle eines interesselosen Vermittlers und damit nicht
außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 GG gehandelt.
2. Die Entscheidung des Landgerichts trägt der Bedeutung von Art. 5 Abs.
1 GG für die Auslegung und Anwendung des Strafvollzugsgesetzes
(StVollzG) nicht hinreichend Rechnung. Nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG
darf einem Gefangenen der Besitz von Büchern und anderen Gegenständen
zur Fortbildung verwehrt werden, wenn anderenfalls das Ziel des Vollzugs
oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Wird ein
Strafgefangener in sachlicher, vollständiger und juristisch vertretbarer
Weise in einer Broschüre über seine Rechte informiert, so begründet dies
keine Gefahr im Sinne des § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG. Um verbotene
Rechtsberatung handelt es sich im vorliegenden Fall unstreitig nicht.
Information, die den Gefangenen über seine Rechte belehrt, stellt auch
nicht schon aus diesem Grund – etwa weil sie die Einlegung von
Rechtsbehelfen durch Gefangene wahrscheinlicher machen und damit für die
Anstalt Arbeitsaufwand erzeugen kann – eine Gefahr im Rechtssinne dar.
Das LG hat seine Beurteilung der angehaltenen Broschüre als gefährlich
vor allem auf die darin enthaltenen Informationen zur rechtlichen
Behandlung der Flucht gestützt. Diese könne bei den Gefangenen den
Eindruck erwecken, Flucht sei eine richtige Handlungsweise. Diese
Schlussfolgerung des LG findet im Text der Broschüre keine Stütze. In
der Broschüre wird lediglich die herrschende Auffassung zur
Sanktionierbarkeit von Flucht in Zweifel gezogen. Dies schließt nicht
die Bewertung des fraglichen Verhaltens als richtig ein.
Im Übrigen hat sich das Gericht auch nicht mit der Frage auseinander
gesetzt, ob der von ihm angenommenen Gefahr nicht durch mildere Mittel –
etwa durch Schwärzen oder durch Entfernung der beanstandeten Passage aus
der umfangreichen Broschüre – hätte begegnet werden können.
[ Beschluss vom 15. Dezember 2004 – 2 BvR 2219/01 –
19. November 2004
Zur regelmäßigen Überprüfung der Sicherungsverwahrung
Pressemitteilung Nr. 102/2004 vom 19. November 2004
Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der
Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Beschwerdeführers (Bf), der sich gegen
das Überschreiten der Zweijahresfrist bei der turnusmäßigen Überprüfung
der Fortdauer der Sicherungsverwahrung wendet, stattgegeben und
festgestellt, daß die Fristüberschreitung das Grundrecht des Bf auf
Freiheit der Person (Art. 2 Absatz 2 Satz 2 GG) verletzt.
1. Zum Sachverhalt:
Der Bf wurde seit 1976 mehrfach wegen Körperverletzungen, sexueller
Nötigungen, Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigungen verurteilt.
Seit 1993 befand er sich erneut in Untersuchungs- und Strafhaft. Seit
Januar 2001 wird die Sicherungsverwahrung vollzogen. Die
Strafvollstreckungskammer hat vor dem Ende des Vollzugs der
Freiheitsstrafe im August 2002 geprüft, ob die Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung noch erforderlich ist. Über die Fortdauer der
Sicherungsverwahrung ist sodann jeweils vor dem Ablauf von zwei Jahren
zu entscheiden (§ 67 e Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Strafgesetzbuch; StGB).
Die Überprüfungsentscheidung zum Ablauf der ersten zwei Jahre hat die
Strafvollstreckungskammer bislang nicht getroffen. Der Antrag des Bf
festzustellen, dass die Verzögerung der Entscheidung rechtswidrig sei,
blieb vor dem Landgericht (LG) und dem Oberlandesgericht (OLG)
erfolglos. Mit seiner dagegen gerichteten Vb hat der Bf den Antrag
verbunden, seine sofortige Freilassung einstweilen anzuordnen.
2. In den Gründen der Entscheidung heißt es:
LG und OLG haben das Grundrecht des Bf auf Freiheit der Person verletzt,
weil die Gerichte nicht innerhalb der gesetzlichen Frist geprüft haben,
ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch erforderlich ist.
Die Sicherungsverwahrung stellt einen erheblichen Eingriff in das
Freiheitsgrundrecht dar. Die Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs wird
durch verfahrensrechtliche Sicherungen und durch eine inhaltliche
Ausgestaltung des Vollzuges der Freiheitsentziehungen erreicht.
Verfahrensrechtlich muss gewährleistet sein, dass das
Vollstreckungsgericht die Notwendigkeit weiterer Maßregelvollstreckung
regelmäßig überprüft und dabei besonderen Anforderungen an die
Wahrheitserforschung gerecht wird.
Die Vorschriften über die regelmäßige
Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung, über
die dazu regelmäßig erforderliche Anhörung des Betroffenen und über die
zur Vorbereitung einer etwaigen Aussetzung gebotene sachverständige
Begutachtung dienen der Wahrung des Übermaßverbotes bei der Beschränkung
des Freiheitsgrundrechts. Ihre Missachtung kann dieses Grundrecht
verletzen, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung
gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf
eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des
Grundrechts schließen lässt.
Das LG hat die Zweijahresfrist in nicht mehr vertretbarer Weise
missachtet. Die Untätigkeit ist nicht zu rechtfertigen. Der
Geschäftsgang der Kammer muss in der Verantwortung entweder des
Vorsitzenden oder eines Berichterstatters eine Fristenkontrolle
vorsehen, die die Vorbereitung einer rechtzeitigen Entscheidung vor
Ablauf der Zweijahresfrist sicherstellt. Dabei muss berücksichtigt
werden, dass in aller Regel der Betroffene persönlich anzuhören ist und
dass auch für eine sachverständige Begutachtung ausreichend Zeit
verbleibt, wenn die Kammer eine Aussetzung der weiteren Vollstreckung
erwägen sollte. Die vorgesehene Entscheidungsfrist von zwei Jahren seit
der letzten Überprüfungsentscheidung lässt dafür ausreichend Raum.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Bf mehr als zwei Monate nach
Fristablauf angehört. Selbst danach ist nicht zu erkennen, dass sie die
Angelegenheit wenigstens als eilbedürftig angesehen hätte, um die
Fristüberschreitung so gering wie möglich zu halten. Stattdessen wurde
die Entscheidung weiter hinausgezögert. Einem solchen Vorgehen hätte
unter bestimmten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung innerhalb des
Zweijahresintervalls (§ 67e Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StGB)
vorgezogen werden müssen.
Auch eine Überlastung der Strafvollstreckungskammer könnte nicht
verfangen. Die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Frist (§ 67e StGB)
ist einzuhalten. Gerät die Fristwahrung trotz vollständigen
Ausschöpfens der Arbeitskraft der beteiligten Richter in Gefahr, muss
sich der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer an das Präsidium des
Gerichts wenden, damit dieses, gegebenenfalls mit Unterstützung durch
die Landesjustizverwaltung, für Abhilfe sorgen kann. Der
Grundrechtsschutz der von langjähriger Freiheitsentziehung Betroffenen
erfordert auch Maßnahmen der Personalführung, die eine effiziente Arbeit
der Strafvollstreckungskammern sicherstellen.
Die Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Bf durch die Untätigkeit der
Strafvollstreckungskammer bei der Überprüfung der weiteren Fortdauer der
Sicherungsverwahrung führt nicht zu dessen Freilassung. Das mit dem
Maßregelvollzug verfolgte Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu
erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen tritt noch nicht zurück,
wenn das grundrechtlich gebotene Verfahren erst um einige Monate
verzögert wurde.
[ Beschluss vom 16. November 2004 – 2 BvR 2004/04 –
6. Oktober 2004
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anwendung deutschen Verjährungsrechts auf den Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685, 953) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2002 (BGBl II S. 1054).
[ 1 BvR 414/04 vom 6.10.2004
10. August 2005
In dem Verfahren
über
den Antrag
des Herrn F... ,
im Wege der e i n s t w e i l i g e n A n o r d n u n g
a) das Landgericht Halle zu verpflichten, über den Antrag des Antragstellers vom 28. März 2004 im dortigen Verfahren 27 StVK 43/04 innerhalb von sieben Tagen eine Entscheidung zu treffen,
b) die Justizvollzugsanstalt Halle I zu verpflichten, den Antragsteller gemäß § 18 StVollzG und Nr. 14. 1. der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze während der Ruhezeiten einzeln unterzubringen,
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Jentsch,
den Richter Broß
und die Richterin Lübbe-Wolff
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 10. August 2004 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antrag, das Landgericht Halle zu einer Entscheidung innerhalb von sieben Tagen zu verpflichten, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil eine einstweilige Anordnung dieses Inhalts in unzulässiger Weise die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen würde. Die Beschlussfassung, zu der das Landgericht mit einer derartigen Anordnung verpflichtet würde, hätte keinen vorläufigen Charakter
Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht gewährt werden könnte (vgl.BVerfGE 108, 34 , m.w.N.). Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn beantragt wird, ein Fachgericht im Wege der einstweiligen Anordnung auf einen Entscheidungstermin zu verpflichten. Wirksamer vorläufiger Rechtsschutz kann in solchen Fällen grundsätzlich dadurch gewährt werden, dass - sofern die Voraussetzungen hierfür vorliegen - eine einstweilige Anordnung zur vorläufigen Sicherung des im Verfahren vor dem Fachgericht verfolgten materiellrechtlichen Anspruchs ergeht. Die Terminierung fachgerichtlicher Entscheidungen entzieht sich daher der Regelung durch einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Jentsch
Broß
Lübbe-Wolff
[ Beschluß vom 10. August 2005
12. Mai 2004
Verfassungsbeschwerde gegen unterschiedliche Entlohnung
von Straf- und Untersuchungsgefangenen ohne Erfolg
Pressemitteilung Nr. 48/2004 vom 12. Mai 2004
Es liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz darin, dass
nach dem Strafvollzugsgesetz für die Arbeit von Untersuchungsgefangenen
nicht dasselbe Entgelt gezahlt wird wie für die Arbeit von
Strafgefangenen. Dies hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts auf die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines
ehemaligen Untersuchungsgefangenen (Beschwerdeführer; Bf) festgestellt
und dessen Vb mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Zum Sachverhalt:
Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 1998
zur Entlohung der Pflichtarbeit von Gefangenen hat der Bundesgesetzgeber
durch Gesetz vom 27. Dezember 2000 das Arbeitsentgelt für Strafgefangene
erhöht. Das Entgelt für die von erwachsenen Untersuchungsgefangenen
geleistete Arbeit blieb unverändert. Der Bf verlangte eine Berechnung
des Entgelts für Arbeit, die er als Untersuchungsgefangener geleistet
hat, nach den für Strafgefangene geltenden Sätzen. Das Kammergericht
Berlin verneinte den geltend gemachten Anspruch auf ein nach diesen
Sätzen berechnetes, erhöhtes Entgelt. Mit der hiergegen gerichteten Vb
rügt der Bf insbesondere einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
2. In den Gründen des Beschlusses heißt es:
Der Strafvollzug ist vom verfassungsrechtlich verankerten
Resozialisierungsgebot geprägt. Arbeit im Strafvollzug ist für das
Resozialisierungskonzept des Strafvollzugsgesetzes von zentraler
Bedeutung. Die Verpflichtung des Strafgefangenen zur Arbeit soll ein
positives Verhältnis zur Arbeit fördern und ihn damit auf ein
eigenverantwortetes und straffreies Leben in Freiheit vorbereiten.
Die Untersuchungshaft nach den Grundsätzen des Erwachsenenvollzugs dient
dagegen der Sicherung des Strafverfahrens und einer eventuellen
Strafvollstreckung und ist auf diesen Sicherungszweck beschränkt. Für
dessen Verwirklichung kommt es nicht darauf an, dass der
Untersuchungsgefangene Arbeit verrichtet. Untersuchungsgefangene sind
daher nach dem Strafvollzugsgesetz, anders als Strafgefangene,
jedenfalls im Erwachsenenvollzug zur Arbeit nicht verpflichtet.
Mit Rücksicht auf die unterschiedliche Bedeutung, die der Arbeit nach
der Zweckbestimmung von Untersuchungs- und Strafhaft zukommt, war der
Gesetzgeber nicht gehalten, die von erwachsenen Untersuchungsgefangenen
geleistete Arbeit in gleicher Weise wie die Arbeit von Strafgefangenen
anzuerkennen.
[ Beschluss vom 15. März 2004 – 2 BvR 406/03 –
4. Mai 2004
Zum Rechtsschutz gegen den Vollzug
eines Vollstreckungshaftbefehls
Pressemitteilung Nr. 47/2004 vom 4. Mai 2004
Ein Beschwerdeführer (Bf), der zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe
verurteilt worden war, hatte mit seiner Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen
den Vollzug eines Vollstreckungshaftbefehls teilweise Erfolg. Die 3.
Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den
Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) München aufgehoben, soweit er den
Bf durch das fehlerhafte Verneinen eines
Fortsetzungsfeststellungsinteresses in seinem Grundrecht aus Art. 19
Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt. Insoweit wird die Sache an das
OLG zur Nachholung der Sachprüfung zurückverwiesen. Im übrigen ist die
Vb nicht zur Entscheidung angenommen worden. Der vom Bf weiter gestellte
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat sich damit erledigt.
1. Zum Sachverhalt:
Der zunächst für den 9. Dezember 2002 vorgesehene Strafantritt durch den
Bf wurde antragsgemäß von der Staatsanwaltschaft um knapp vier Monate
aufgeschoben. Auf ein Gnadengesuch des Bf stellte die Staatsanwaltschaft
die Vollstreckung vorläufig ein. Bis zur Entscheidung über das Gesuch
werde von der Anwendung von Zwang abgesehen. Das Gnadengesuch wurde
abgelehnt. Am Abend des 3. Juni 2003 erhielt der Bf den ablehnenden
Bescheid und wurde auf Grund des Vollstreckungshaftbefehls der
Staatsanwaltschaft vom selben Tage festgenommen.
Auf Betreiben seines
Verteidigers wurde er wieder freigelassen. Absprachegemäß begab er sich
am nächsten Morgen zur Staatsanwaltschaft. Diese vollstreckte den
Haftbefehl, und der Bf verbüßt seitdem die Freiheitsstrafe. Der Bf
beantragte festzustellen, dass Erlass und Vollzug des Haftbefehls
rechtswidrig gewesen seien und dass er im Vollzug wie ein Selbststeller
zu behandeln sein. Das OLG hat beide Anträge als unzulässig verworfen.
Dem Bf fehle mangels Feststellungsinteresses das Rechtsschutzinteresse.
Hiergegen richtet sich die Vb. Der Bf sieht sich in seinen Grundrechten
aus Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs.
4 GG verletzt.
2. In den Gründen der Entscheidung heißt es:
a) Mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz ist es vereinbar, dass
das für die Gewährung von gerichtlichem Rechtsschutz erforderliche
Rechtsschutzinteresse eine gegenwärtige Beschwer, eine
Wiederholungsgefahr oder eine fortwirkende Beeinträchtigung voraussetzt.
Darüber hinaus sind Anordnungen einer Wohnungsdurchsuchung und einer
Freiheitsentziehung einer gerichtlichen und verfassungsgerichtlichen
Überprüfung auch dann zugänglich, wenn die angeordnete Maßnahme
inzwischen durchgeführt und beendet ist.
Insoweit handelt es sich um
schwerwiegende Grundrechtseingriffe, bei denen der Betroffene regelmäßig
die gerichtliche Entscheidung in dem von der maßgeblichen Prozessordnung
vorgesehenen Verfahren kaum erlangen kann, solange die direkte Belastung
andauert. Wegen der sachlichen Nähe zum Freiheitsrecht ist eine
nachträgliche gerichtliche Überprüfung möglich, wenn der Betroffene ein
am Maßstab einfachen Rechts so eklatant fehlerhaftes Vorgehen eines
Hoheitsträgers geltend machen kann, dass objektive Willkür nahe liegt.
Indem das OLG den Feststellungsantrag des Bf als unzulässig verworfen
hat, hat es das Grundrecht des Bf auf effektiven Rechtsschutz verletzt.
Zwar hat das OLG im Ergebnis zu Recht eine Verletzung des
Freiheitsrechts des Bf (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs.1 und 2
GG) verneint. Die Freiheitsentziehung hat in dem zu vollstreckenden
Strafausspruch eine ausreichende Grundlage. Auch das Gebot der Achtung
der Menschenwürde ist nicht verletzt.
Zum bloßen Objekt der
Verbrechensbekämpfung unter Verletzung des verfassungsrechtlich
geschützten Wert- und Achtungsanspruchs wird ein Verurteilter nicht
schon dann, wenn ihm die Möglichkeit des Selbststellens genommen wird.
Das OLG hätte aber prüfen müssen, ob das Vorgehen der Staatsanwaltschaft
in einem Maße unverhältnismäßig und damit rechtsstaatswidrig gewesen
sein könnte, dass das Willkürverbot verletzt wäre. Auch wenn für den
Eingriff in ein Grundrecht eine verfassungsrechtlich zureichende
Grundlage besteht, ist bei deren Anwendung und Durchsetzung dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Einen angemessenen
Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse, die Vollstreckung der
verhängten Freiheitsstrafe sicherzustellen, und dem Interesse des
Verurteilten stellen die Bestimmungen der Strafprozessordnung und der
Strafvollstreckungsordnung her.
Ein Vollstreckungshaftbefehl darf danach
erst ergehen, wenn der Verurteilte der Ladung zum Strafantritt ohne
ausreichende Entschuldigung nicht folgt oder Fluchtverdacht besteht. Der
Bf hatte bisher eine wirksame Fristsetzung oder Terminbestimmung nicht
missachtet. Es bestand auch kein Fluchtverdacht. Deshalb war es grob
unverhältnismäßig, Zwangsmaßnahmen vorzunehmen, ohne ihm zuvor die
Gelegenheit zu geben, sich dem Strafantritt freiwillig zu stellen. Er
durfte bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Gnadengesuchs auf die
vorläufige Einstellung der Vollstreckung vertrauen. Das rechtsstaatliche
Gebot der Vorausschaubarkeit und Abwendbarkeit von Zwangsmaßnahmen hätte
eine erneute Ladung und Fristsetzung zum Strafantritt erfordert.
b) Soweit das OLG den weiteren Feststellungsantrag des Bf, dass er im
Strafvollzug wie ein Selbststeller zu behandeln sei, als unzulässig
verworfen hat, liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Vb zur
Entscheidung nicht vor. Der Bf hat nicht dargelegt, welche Nachteile er
derzeit hinzunehmen hätte, weil er aufgrund des Haftbefehls der
Justizvollzugsanstalt zugeführt wurde. Sollte es zukünftig etwa bei der
Entscheidung über Vollzugslockerungen darauf ankommen, dass er aufgrund
eines nicht erforderlichen Vollstreckungshaftbefehls der
Justizvollzugsanstalt zugeführt wurde, kann er etwaige nachteilige
Entscheidungen der Vollzugsbehörden und Vollstreckungsgerichte
fachgerichtlich überprüfen lassen.
[ Beschluss vom 8. April 2004 - 2 BvR 1811/03 -
22. März 2004
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Unterbringung eines Straftäters nach Vollverbüßung der Freiheitsstrafe auf Grund des Bayerischen Gesetzes zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern (BayStrUBG) vom 24. Dezember 2001 (BayGVBl S. 978 f.).
[ 2 BvR 1097/02 vom 22.3.2004
15. März 2004
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Unterbindung von Videotextempfang in der Strafhaft durch Widerruf der Besitzerlaubnis für einen zum Empfang erforderlichen Gegenstand.
[ 2 BvR 669/03 vom 15.3.2004
[
4. April 2001
Die Verfassungsbeschwerde und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffen - bei zum Teil unterschiedlichem Sachstand nach zwischenzeitlicher Verlegung des Beschwerdeführers in einen anderen Haftraum - die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Haftzelle, die er im Blick auf ihre Größe, das Vorhandensein einer nicht abgetrennten Toilette, der Überwachungsmöglichkeit durch Öffnungen in der Zellentür und der Verschmutzung des Raumes als unzumutbar ansieht.
[ 2 BvQ 6/01, 2 BvR 471/01 vom 4.4.2001
21. August 2000
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Haft zur Erzwingung des Zeugnisses gemäß § 70 Abs. 2 StPO gegen den Beschwerdeführer.
[ 2 BvR 1372/00 vom 21.8.2000
6. August 1999
1. Der Antragsteller verbüßt seit 1991 eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes.
Am 25. Juni 1999 wurde er aus der Justizvollzugsanstalt Geldern in die Justizvollzugsanstalt Werl verlegt, nachdem er während einer Ausführung zu einem Fußballspiel am 9. Juni 1999 geflohen war und erst zwei Tage später wieder hatte aufgegriffen werden können. In der Vollzugsanstalt Werl wurde der Antragsteller zunächst vom 25. bis 29. Juni 1999 in strenge Einzelhaft genommen. Seit dem 29. Juni 1999 unterliegt er einer Reihe besonderer und allgemeiner Sicherungsmaßnahmen, so der Unterbringung in einem besonders gesicherten Einzelhaftraum, dem Verbot des Besitzes von Gegenständen, die ihm zur Flucht dienen können, dem Entzug der Freizeit- und Sportkleidung, häufigeren Durchsuchungen, der Fesselung bei Aus- und Vorführungen und der besonderen Kontrolle seines Schrift-, Besuchs-, Paket- und Telefonverkehrs. An Gemeinschaftsveranstaltungen und am Umschluß sowie am Arbeitseinsatz darf er nur unter besonderer Aufsicht teilnehmen. Außerdem ist seine Haftraumtür mit einem Schild für erhöhte Fluchtgefahr gekennzeichnet.
[ 2 BvQ 34/99 vom 6.8.1999
17. Juni 1999
1. Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Straubing eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes.Zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeantrags verwahrte er seit drei Jahren diverse Aktenordner mit Verfahrensunterlagen auf seinem Haftraum, ohne daß dies bei einer der regelmäßig stattfindenden Haftraumkontrollen beanstandet wurde. Zur Herstellung der Übersichtlichkeit des Haftraums und zur Verringerung der Brandgefahr (vgl. § 19 Abs. 2 StVollzG) wurden dann 26 Aktenordner aus dem Haftraum entfernt und in einen gesicherten Raum verbracht. Zwölf Aktenordner wurden dem Beschwerdeführer belassen, wobei ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, diese nach bestimmten Modalitäten auszutauschen.
[ 2 BvR 1454/98vom 17.6.1999
[
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