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Wer braucht schon Codes?

HipHop muss sich gegen die herrschenden Ideen von Klasse, Rasse und Gender richten, sonst ist er überflüssig.

von jörg sundermeier

Wenn (die zumeist männlichen) Anhänger von HipHoppern sich zu dem Vorwurf äußern müssen, dass ihr Idol ein homophober (häufiger Vorwurf), ein sexistischer (häufigster Vorwurf) oder ein rassistischer (selten geäußerter, nicht immer unangebrachter Vorwurf) Arsch sei, so argumentieren sie zumeist folgendermaßen:

Wer solche Kritik äußert, versteht "die Ironie" nicht, das Idol meint das nicht so, 2) und sowieso ist jemand, der oder die das sagt, ein weibischer, dummer Weicharsch. Weil mit Aussage zwei Argument eins quasi widerlegt wird, ist zu schlussfolgern, dass diese Fans zumeist zu dumm fürs Fan-Sein sind. Sie haben ihre Idole nicht verstanden.

Denn es geht hier ja nicht um offen diskriminierende HipHopper, sondern um solche, die betonen, dass sie eine Sprechposition einnehmen, wenn nicht gar vorführen, dass sie also "uneigentlich" sprechen. Die eben mit "Ironie" arbeiten. Also um Leute wie Eminem. Oder, obwohl er weit weniger originell und begabt ist, um Kool Savas.

Diese Künstler reklamieren für sich, dass sie eine Rollenprosa sprechen, die nicht unbedingt ihre Meinung wiedergibt.
By the way: Im Falle von Savas wird gern darauf verwiesen, dass er alle ihm vorgeworfenen Äußerungen gemacht habe, ja, klar, aber seine Freundin produziere ihm immerhin die Beats, daher sei er eben kein Sexist, sondern könne sogar mit Frauen arbeiten. Mag sein. Im "Aber", mehr noch als im "Sogar", steckt der Sexismus der Argumentation, da dieses "Aber" nur angesichts einer heimlichen Akzeptanz der herrschenden Rollenklischees Sinn macht.
Hier soll nicht tumb spekuliert werden, was der Künstler wirklich denkt, sondern über Kunst geredet werden. Und da gilt: Eminem ist, was Musik und Flow angeht, einer der besten HipHopper, die zur Zeit arbeiten, Ähnliches lässt sich über Kool Savas bezüglich des deutschen HipHop sagen. Aber das heißt nicht viel.

Über gewisse Voraussetzungen will ich nicht streiten: HipHop ist eine Musik der Unterklasse und der Diskriminierten und schleppt gewisse Unarten mit sich. Er arbeitet in Deutschland vor allem mit einem Kanak-Hintergrund (der einzige andere HipHop-Versuch in Deutschland, der wenigstens halbwegs gelingt, ist der Fun-HipHop von Fanta 4 oder Fettes Brot).
Eminem wiederum reagiert auf Klassengegensätze in den USA. Doch ist nicht immer alles, was aus gutem Grund geschieht, gut.
Ich will annehmen, dass diese Künstler nicht billig lügen - sie parodieren also die Sprache der Straße (oder nehmen sie vielleicht auch nur auf), sie benutzen ironische Wendungen, sie repräsentieren vielleicht sogar eine Kunstfigur, wie Eminem immer wieder betont.
Gut, sie sprechen "uneigentlich". Sie sind "gebrochen" in ihrem Auftreten. Es waltet "Ironie". Wenn diese Künstler so argumentieren, ist das ihr künstlerisches Konzept. Doch dann sollte sich die Frage stellen, welchen Sinn dieses "uneigentliche Sprechen" hat.
Und da ist es, das Problem. Uneigentliches Sprechen macht nur Sinn, wenn es gegen einen dominanten Diskurs gewandt wird. Sonst verliert es seine Uneigentlichkeit. Befindet sich das Sprechen mit der vorherrschenden Meinung im Einklang, ist es mindestens irrelevant. Ist der Diss eines anderen Künstlers als schwul nicht homophob gemeint, dann ist er kein Diss. Also ein Lob? Irgendwas? Dada?

Das uneigentliche Sprechen hat dort, wo es sich nicht gegen bestehende Verhältnisse richtet, kein Gewicht. Glauben wir Kool Savas, dass er nicht homophob und sexistisch ist, so macht sein Dissen keinen Sinn. Es sei denn, es handelt sich um die Parodie des amerikanischen, vor allem schwarzen HipHop, und will jenen durch strategische Überaffirmation vorführen.
Das aber ist bei Savas' sonst stets affirmativem Bezug auf amerikanische Vorbilder nicht anzunehmen.
Ähnlich ist es bei Eminem: Er parodiert die zu Vorurteilen geronnenen Ängste weißer Mittelklasse-Idioten (was er gut macht), doch: Was soll das?
Denn hinter der Performance ist nichts weiter als eine weitere Performance, und es gibt keine Botschaft, nur Strategie. Das schmälert die künstlerische Leistung zwar keineswegs, aber einer aufklärerischen Ästhetik genügt das eben nicht.
Egal, wie codiert und wie oft codiert das alles ist.




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