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NEWS AROUND PRISON AND LAW  /  GERMANY




28. December 2005
Ex-RAF-Mann soll wieder in Haft

Den Haag macht Druck auf Berlin: Das Justizministerium fordert, Knut Folkerts müsse seine Strafe für den Tod eines niederländischen Polizisten im Jahr 1978 noch absitzen

BERLIN taz Geht es nach dem niederländischen Justizministerium, dann muss das frühere Mitglied der "Roten Armee Fraktion" (RAF), Knut Folkerts, zehn Jahre nach seiner Freilassung wieder in den Knast. Schon vor einigen Monaten forderte das Ministerium in Den Haag seine Berliner Kollegen auf, eine 1978 gegen Folkerts in Utrecht verhängte Freiheitsstrafe von zwanzig Jahren zu vollstrecken.

Folkerts war im Sommer 1976 in den Untergrund gegangen. Die niederländische Polizei stellte ihn im September 1977 während der Schleyer-Entführung. Bei seiner Festnahme erschoss Folkerts den holländischen Polizisten Arie Kranenburg und verletzte einen zweiten Beamten.

Zwei Monate später verurteilte ihn ein Gericht in Utrecht zu 20 Jahren Haft. 1978 wurde Folkerts nach Deutschland ausgeliefert - allerdings mit Einschränkungen, weil die holländischen Gerichte die Schleyer-Entführung als "Nötigung von Verfassungsorganen" (konkret: die versuchte Freipressung von RAF-Gefangenen) und damit als politisches Delikt werteten. Lebenslänglich erhielt er trotzdem. Vom Beifahrersitz eines Motorrads soll er am 7. April 1977 in Karlsruhe den damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen zwei Begleiter erschossen haben. Nach seiner Inhaftierung saß Folkerts vier Jahre in Einzelisolation, acht Jahre in einer Kleingruppe, er nahm an einem Dutzend Hungerstreiks gegen die Sonderhaftbedingungen teil. Folkerts gehörte mit seinen früheren Zellengenossen Lutz Taufer und Karl-Heinz Dellwo zu den Gefangenen, die den 1992 von der RAF erklärten Verzicht auf tödliche Anschläge unterstützten und damit das Ende der Roten Armee Fraktion einläuteten. Nach mehr als 18 Jahren Haft wurde Folkerts im Oktober 1995 "vorzeitig" aus der Justizvollzugsanstalt Celle entlassen.

Den Tod des niederländischen Polizisten hat der heute 53-Jährige inzwischen öffentlich bedauert. Gleichzeitig weist er die Forderung zurück, ihn deswegen erneut ins Gefängnis zu stecken. Mit seinen Anwälten erklärte er im niederländischen Fernsehen, es sei zwischen beiden Staaten vereinbart, dass nur die deutsche Strafe zähle. Der Witwe des getöteten Polizisten wolle er sagen: "Ich bedauere, dass ihr Mann durch mich umgebracht wurde. Ich kann das nicht mehr ungeschehen machen, es ist passiert." Dass er aber erneut ins Gefängnis solle, "ist nicht gerechtfertigt und wird auch nicht geschehen."

Nicht zuletzt auf Drängen von Joke Kranenburg, der Witwe des ermordeten Polizisten, richtete die niederländische Justiz ihr Rechtshilfeersuchen an Deutschland. Ihr Ziel: Folkerts soll das Urteil aus dem Utrechter Verfahren in der Bundesrepublik bis auf den letzten Tag verbüßen. Damit würde die niederländische Justiz die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Juli 2005 zum Europäischen Haftbefehl umgehen. Denn Karlsruhe hatte die Auslieferung deutscher Staatsbürger abgelehnt. Der Justizstreit zieht sich. Das Hamburger Landgericht wird nicht vor dem Frühjahr 2006 über das Rechtshilfeersuchen entscheiden. Es hat weitere Unterlagen aus den Niederlanden angefordert.

[  taz.de





28. December 2005
Maut-System: Ohne großen Aufwand zur Totalüberwachung geeignet

Das Satelliten-Maut-System ist ohne großen Aufwand zur Totalüberwachung geeignet. Das erklärte Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied im Innenausschuss, heute in Berlin. "Die politischen Begehrlichkeiten nach zweckfremden Daten waren von Anfang an riesig. Sonst hätten wir ein anderes Maut-System als das von Toll Collect", sagte sie.

Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat sich gegen eine Verwendung der erfassten Maut-Daten für Fahndungs-Zwecke ausgesprochen.Schon jetzt erfasst das deutsche System ausnahmslos jedes Fahrzeug, das auf Maut-Strecken fährt. Noch werden die Daten von Pkw herausgefiltert und gelöscht. Pau: "Aber es geht ohne großen Aufwand auch anders." Im Gesetz müsste lediglich ein Halbsatz geändert und im System die Software modifiziert werden und fertig sei die Total-Überwachung. Derzeit liefen laut Pau zwei Debatten: Die einen wollen Maut-Daten zur Fahndung nutzen. Die anderen wollen das Maut-System über das Autobahn-Netz hinaus ausweiten. Beide zusammen mündeten in einer Totalüberwachung. Big Brother lasse grüßen. (as)

[  internet.com





28. Dezember 2005
Gegen radikale Islamisten
Elektronische Fußfesseln

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat als Maßnahme im Kampf gegen den Terrorismus elektronische Fußfesseln für radikale Islamisten vorgeschlagen. "Damit lassen sich viele der etwa 3000 gewaltbereiten Islamisten in Deutschland, Hassprediger und in ausländischen Terrorcamps ausgebildete Kämpfer, überwachen", sagte Schünemann der Zeitung "Die Welt".

Die Fußfessel könne problemlos in das Ausländerrecht aufgenommen werden. "Dagegen gibt es keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die elektronische Fußfessel ist praktikabel auch für die gewaltbereiten Islamisten, die wir wegen drohender Folter nicht in ihre Heimatländer abschieben können", sagte Schünemann.

Nach einer Einschränkung der Bewegungsfreiheit dürften sich Islamisten nur noch in bestimmten Gebieten aufhalten. "Falls sie diese verlassen, ertönt sofort ein Warnsignal. Die Polizei weiß dann genau, wo diese Leute sind. Das bedeutet auf jeden Fall mehr Sicherheit", sagte der Minister.

Die Innenministerkonferenz wird die Neuerungen des Zuwanderungsgesetzes im Frühjahr 2006 neu bewerten. "In diesem Rahmen sollte man die Fußfessel beschließen", so Schünemann. Innenminister-Kollegen signalisierten ihm Zustimmung, denn im Strafvollzug habe man bereits viele positive Erfahrungen mit der Fußfessel gesammelt.

Mini-Sender in Hessen im Einsatz

Hessen hat als einziges Bundesland seit fünf Jahren die Möglichkeit, Straftäter zu Hause elektronisch mit dem Mini-Sender überwachen zu lassen. Viele Juristen sind jedoch skeptisch geblieben, so dass regelmäßig nur rund die Hälfte der 35 angeschafften Geräte in Benutzung ist.

Die in Hessen eingesetzte Fußfessel kontrolliert, ob sich ihr Träger zu den vorher festgelegten Zeiten in seiner Wohnung befindet. Sie enthält einen Miniatursender, der chiffrierte Signale an eine in der Wohnung installierte Databox schickt. Die Reichweite des Senders beträgt nach Angaben des Justizministeriums in Wiesbaden etwa 80 Meter. Am Arbeitsplatz soll kein weiterer Empfänger aufgebaut werden. Dort sei der Arbeitgeber verpflichtet, Verstöße gegen die Bewährungsauflagen den Behörden zu melden.

Die eigentliche Überwachung läuft im Rechner der zentralen hessischen Datenverarbeitung. Über das Telefonnetz setzt sich der Überwachungsrechner in geringen zeitlichen Abständen mit der Data-Box in Verbindung, um die Roh-Daten abzufragen. Stimmen die Aufenthaltszeiten des Beobachteten nicht mit dem gespeicherten Wochenplan überein, schlägt das System Alarm.

In anderen Bundesländern umstritten

Schünemanns Vorschlag ist in anderen Bundesländern auf ein geteiltes Echo gestoßen. Eine Fußfessel könnte ein geeignetes Mittel sein, um den Überwachungs- und Kontrollaufwand zu reduzieren, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums am Mittwoch. Das CDU-geführte Innenministerium in Thüringen sieht eine elektronische Fußfessel dagegen als "nicht hinreichend geeignetes Mittel an, um dem Problem der Hassprediger gerecht zu werden".

[  n-tv.de

Bei ntv durfte abgestimmt werden, ob man die elektronische Fußfessel für gut befinde. 75% der ntv-Leser stimmtem für die Einführung der Fußfessel.

[  zum Abstimmungsergebnis auf NTV





December 2005

Berlin, Justizvollzugsanstalt Tegel : Am 2 Dezember weigerten sich Gefangene nach der Freistunde wieder in ihre Zellen zurückzukehren. Im folgenden zwei unterschiedliche Stellungnahmen zweier Insassen und Zeitungsartikel.

Über die "Gefangenenmeuterei" liegt dem Team Planet Tegel ein Brief eines der Beteiligten vor. In ihm heißt es unter anderem:

Wir haben gewaltlosen Widerstand in der TA III gemacht und keine Meuterei, ich selber war aus Solidarischen Gründen und zur Deeskalation mit draußen auf dem Freistundenhof. Auch waren unsere bzw. meine Anliegen nicht das Essen und Playstation, sondern folgende Sachverhalte:

- der systematische Abbau der Möglichkeiten für den Erhalt sozialer Bindungen durch die TA III (Das Sprechzentrum hat ab 06 keine Sondersprechstunde mehr, für alle in der TA III (außer A3) gibt es keine Meetings mehr, keine Langzeitsprecher für Langstrafer mit Familie usw.)

- Gefordert wird die Aufhebung des Verwahrvollzugs in der TA III (es gibt keine sinnvolle Beschäftigungsgruppen für Erwachsene)

- Kranke mit Ansteckungsgefahr, z.B. Hepatitiskranke, machen z.T. Hausarbeiterjobs ohne Gesundheitspass.

- Der Resozialisierungsauftrag wird von Seiten der Gruppenleiter und Teilanstaltsleiter nicht wahrgenommen (Personalabbau, Überlastung, fast 50 Inhaftierte kommen auf einen GL)

- Leute werden auf den letzten Tag, ohne Wohnung und Arbeit, entlassen.

- Unterlassen von Entmündigungstaktiken und Psychoterror.

- Gefordert wird auch mehr 2/3-Entlassung für Ersttäter und mehr Lockerungen entsprechend dem Strafvollzugsgesetz.

Über seine eigene Situation schreibt er folgendes: Er hat in 7 Haftjahren 9 verschiedene Sozial- bzw. Gruppenleiter gehabt, was dazu führte, dass 4,5 Jahre in immer neuen "Kennenlernphasen" verstrichen, in denen keinerlei (und somit vor allem keine positive) Beurteilung für eine weitere Vollzugsetappe abgegeben wird. Dies ist durchaus typisch. (Kann ich bestätigen, ich habe schon Halbstrafe hinter mir und bin bisher nur in "Kennenlernphasen" gewesen, werde wohl bis kurz vor der Entlassung in solch einer "Kennenlernphase" bleiben. I.S.)

Der Haupttenor des Protestes: Es findet in der TA III keine Resozialisierung der Inhaftierten statt.

[  planet-tegel.de


Meuterei Teil II
Gegendarstellung bzw. Richtigstellung

27 Dezember '05

Nachdem dem Planet Tegel ein Brief vorlag in dem ein Inhaftierter aus seiner Sicht berichtet hat, haben div. Recherchen ergeben, das einiges von dem was behauptet wird nicht stimmt, nur zum Teil stimmt oder falsch wieder gegeben wurde.

Das ganze war nur durch ein paar Inhaftierte organisiert, die und das muss deutlich gesagt werden nur eigene Interessen vor Augen hatten, nicht aber etwas für alle zu ändern, das erkannten auch viele Inhaftierte so. Als die Aktion begann waren es ca. 60 Inhaftierte, übrig blieben 29 der Rest konnte und wollte nichts mit der Art und Weise zu tun haben. Das die ganze Aktion gewaltlos abgelaufen ist, hat aber auch mit der schnellen gleich großen Präsenz der Beamten zu tun, einige sind durchaus bereit gewesen auch mit Gewalt ihre Ziele durchzusetzen, das traurige daran, diese Inhaftierten sind dafür bekannt und bei acht war nicht das erste Mal , das heißt es sind immer die gleichen und nur deren Interessen standen im Vordergrund!

Unrichtig ist das ein Teil der Sprechstunden wegfallen sollen! Es gibt nach wie vor zwei Regel- und zwei Sondersprechstunden. Richtig ist das der Freitag im Sprechzentrum vollständig gestrichen wird, das ist notwendig um den Mangel an Beamten im Pfortenbereich auszugleichen , die Sprechstunden sollen auf die anderen Tage verlegt werden, fest stehen dürfte das es sehr wohl zum Nachteil ist, da nur an der Zeit d. h. der Besuchslänge gespart werden kann, somit also die sozialen Bindungen eingeschränkt werden. Das betrifft alle Teilanstalten außer der SothA (Sozialtherapeutische Anstalt) . Falsch ist es auch das es keine Meetings und keine Langzeitsprecher mehr gibt, in den TA en I- III (TA = Teilanstalt) gab es diese noch nie! Richtig ist, das die Station A3 der TA III Meetings erhält, diese sind aber im Konzept der Station eingebunden. Langzeitsprecher gab es auch hier nicht.

Fakt ist , in des TA I-III sitzen derzeit 1000 Inhaftierte ein, bei denen weder eine Sozial- noch Resozialisierung erfolgt, zum Teil liegt das an dem Personalabbau, Krankenstand, oder schlicht an der Überbelegung, aber auch an einer durch die Politik und Öffentlichkeit hervor gerufener Angst, es kann nicht sein das es keine Lockerungen gibt nur weil ein Gruppenleiter Angst hat seinen Job zu verlieren. Nur und das sollte auch deutlich hervor geheben werden eine wieder Eingliederung in die Gesellschaft kann nur dann Funktionieren, wenn alles zusammen vorhanden ist, d. h. die sozialen Bindungen genauso, wie genug Gruppenleiter. Es kann nicht sein das in Folge von Krankheitsfällen, die Gruppenleiter bis zu 150 Inhaftierte haben. Ein Beispiel ist hier die TA III, im laufe des Jahres 2005 gab es Zeiten wo es nur zwei Gruppenleiter gab und das für 360 Inhaftierte. Die Politik, die Gesellschaft und die Anstalt muss sich die Frage gefallen lassen: “ wie soll so eine vernünftige Arbeit getan werden, für wichtige Dinge wie z. B. Tataufarbeitungsgespräche bleibt so keine Zeit! “ Dieser Zeitmangel führt dann auch zu den gesamten anderen Problemen die angeführt wurden. Es ist leider keine Seltenheit das Inhaftierte am letzten Tag vor der Anstaltstür standen, weder Wohnung noch sonst was hatten, es ist auch eher traurig das Zweidrittel Anträge nicht bearbeitet werden und das es viele Entscheidungen gibt, die dem der Entmündigung gleich kommt. Das sind aber alles Probleme die der Politik bekannt sind, nur dagegen machen möchte keiner etwas, nur die Öffentlichkeit, die Justiz und nicht zu letzt auch die Presse wundern sich, das es im Vollzug nicht klappt und ziehen daraus weitere negative Meinungen und fordert sogar noch höhere Strafen. Fakt ist aber, mit einem Vollzug der in allen Bereichen funktioniert gäbe es eine Vielzahl von Rückfalltätern erst gar nicht, höhere Strafen lösen das Grundproblem nicht.

Unrichtig ist es auch, das es Hausarbeiter gibt die an Hepatitis erkrankt sind und mit Lebensmitteln arbeiten, wäre es an dem macht sich nicht nur der Inhaftierte strafbar, sondern auch die JVA Tegel, und die Konsequenzen aus solch einem Verfahren sind alles andere als angenehm. Sollte es dennoch so sein so steht es jedem Inhaftierten zu, eine Strafanzeige zu stellen. Die dann entsprechend verfolgt und verurteilt wird.

Fazit vom Ganzen: “ es muss vieles getan werden um diese Missstände zu beseitigen, und jeder Bürger unabhängig ob in Freiheit oder hinter Gitter ist davon betroffen und genauso gefordert daran aktiv mit zu wirken! “

Frolo

[  planet-tegel.de


Kaum Kontrolle über Häftlinge
Personalnot: Justizbedienstete warnen vor kritischen Situationen - Protestierende Gefangene mit Mühe beruhigt

08.12.05

Der Vorsitzende des Landesverbandes der Berliner Justizbediensteten, Udo Schwarze, warnt vor der angespannten Situation in den Berliner Justizvollzugsanstalten. Durch den seit Jahren praktizierten Personalabbau gebe es "eine Entwicklung, die sehr schnell zu dramatischen Ereignissen führen" könne. Als Beispiel nannte Schwarze einen Vorfall, der sich am vergangenen Freitag im Haus III der Justizvollzugsanstalt Tegel ereignete. 39 zumeist zu lebenslänglichen oder sehr hohen Gefängnisstrafen verurteilte Strafgefangene hatten sich geweigert, nach der sogenannten Freistunde wieder ins Haus zu gehen. Das habe sich, so Schwarze, von 16 Uhr bis 17.35 Uhr hingezogen. Die Gefangenen hätten durch diese Aktion "eine Art Plattform für eine Diskussion" erreichen wollen. Der Leiter der Teilanstalt III habe die Situation jedoch mit Fingerspitzengefühl beruhigen können. "Er hat den Leuten klar gemacht, daß sie sich wegen Gefangenmeuterei strafbar machen, wenn sie nicht umgehend zurück in die Zellen gehen", sagt Schwarze, "das hat dann auch sofort funktioniert." Letztlich sei diese Drohung aber "zumindest für die aktuelle Situation auch die Ultimo Ratio" gewesen: "Vor Jahren", so Schwarze, "hatten wir noch genügend Personal vor Ort, um gegebenenfalls auch handfest eingreifen und die Strafgefangenen überwältigen zu können." Das sei heute jedoch nicht mehr der Fall. "Die Besetzung in Tegel reicht nicht einmal aus, um regelmäßig die Zellen nach verbotenen Gegenständen durchsuchen zu können." Sporadisch würde es diese Kontrollen natürlich dennoch weiterhin geben.

Als "sachlich und menschlich nicht nachvollziehbar" wertete Schwarze eine Meldung, nach der am vergangenen Donnerstag abend in der Justizvollzugsanstalt Tegel ein Gefangener von sechs Bediensteten brutal zusammengeschlagen worden sei. Einen kleinen Aufruhr, so Schwarze, habe es an jenem Tag tatsächlich in dem vor allem für Täter von Drogendelikten vorgesehenen Haus gegeben. Anlaß sei eine Störung der zentralen TV-Empfangsanlage gewesen, was die Insassen zur üblichen Protestaktion verleitet habe. Die meisten, so Schwarze, hätten sich jedoch mit der sachlichen Erklärung der Ursache beruhigen lassen. Ein offenbar unter Drogeneinfluß stehender Gefangener habe dennoch weiter geklopft und geschrieen und sei deswegen von Bediensteten angesprochen worden. Was sich anschließend ereignete, wird derzeit von der Kriminalpolizei untersucht. Merkwürdig sei indes, so Schwarze, daß der Gefangene am nächsten Tag zunächst Mitgefangene beschuldigte, ihn geschlagen zu haben. Erst nach seinem Transport ins Gefängniskrankenhaus Moabit habe er behauptet, sechs Bedienstete seien die Täter gewesen. Der Gefangene habe keinerlei sichtbare Hämatome oder andersartige Verletzungen gehabt. Auch Röntgenaufnahmen und die Untersuchung durch einen Chirurgen hätten keinen Befund ergeben.

Schwarze vermutet in der Anschuldigung "die Not, der Verfolgung durch Mitgefangene zu entgehen". In den vergangenen Monaten hätten Informationen über Gefangene, die von Mithäftlingen genötigt, beleidigt und mißhandelt werden, die Schulden durch sexuelle Handlungen abzahlen müssen oder die sogar Selbstmord begehen wollten, dramatisch zugenommen. Ursache, so Schwarze, sei "die extreme Überbelegung und damit die verbundene Überbelastung der Beteiligten".

[  morgenpost.de

Häftlinge in Tegel stehen kurz vor der Meuterei
Gefangene verweigerten Rückkehr in die Zellen / Gewerkschaft warnt vor angespannter Situation in den überfüllten Gefängnissen

Berlin - In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel haben sich am vergangenen Freitag 39 Gefangene des Hauses III nach der sogenannten Freistunde geweigert, zurück in die Zellen zu gehen. Die zumeist zu lebenslänglichen oder hohen Gefängnisstrafen verurteilten Insassen wollten eine Diskussion mit dem Leiter der Vollzugsanstalt erreichen. Ein leitender Justizbediensteter konnte die Situation nach 90 Minuten beruhigen.

Für Udo Schwarze, Vorsitzender des Bundes der Berliner Strafvollzugsbediensteten, ist der an Gefangenenmeuterei grenzende Vorfall ein Zeichen für die angespannte Situation in den Berliner Justizvollzugsanstalten. Die Gefängnisse seien seit Jahren hoffnungslos überbelegt, gleichzeitig habe es einen drastischen Personalabbau gegeben. So hätte es seiner Meinung nach am vergangenen Freitag wegen der geringen Personalstärke auch keine Möglichkeit gegeben, die Gefangenen nach der Freistunde gewaltsam in die Zellen zurückzubringen.

Bereits einen Tag zuvor soll es in der JVA Tegel einen weiteren Vorfall gegeben haben. Ein Gefangener behauptete, von sechs Justizbediensteten mißhandelt worden zu sein. Er erlitt aber keine Verletzungen. Die Anstaltsleitung erstattete - wie bei solchen Behauptungen üblich - Strafanzeige. Die Beamten sind jedoch nicht suspendiert. Die Sprecherin der Berliner Justizverwaltung, Juliane Baer-Henney, wollte "wegen des laufenden Verfahrens" keine Stellungnahme abgeben.

Zahlen Berlin hat acht Justizvollzugsanstalten (JVA), eine Jugendarrest- und eine Jugendstrafanstalt.

Belegung Die größten JVA befinden sich in Tegel (1654 Gefangene) und Moabit (1239 Gefangene).

Anstieg Von 1996 bis Ende 2004 sind die Gefangenenzahlen in Berlin um 21 Prozent gestiegen.

[  morgenpost.berlin1.de





26. December 2005
Kafka in Europa

Das Konto wird gesperrt, die Versicherung gekündigt, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und das alles mit dem Hinweis, man stehe auf einer Liste für Terrorverdächtige. Doch aus Sicherheitsgründen seien weitere Auskünfte nicht möglich

Vor allem die Gründe, warum man denn nun auf diese ominöse Liste kam, dürfen dem Betroffenen auf keinen Fall genannt werden, was ihm auch die Möglichkeit nimmt, sich zu verteidigen. Es wahrlich kafkaesker Albtraum – doch er ist schon Realität in verschiedenen europäischen Ländern und auch in Deutschland. Der im Berliner Stadtteil Neukölln lebende Mohammed H. gehörte plötzlich, wie die taz berichtete (1) zu den Betroffenen. Weil sein Arbeitslosengeld nicht mehr überwiesen wurde, wandte er sich an das für ihn zuständige Jobcenter. Was er dort erfuhr, ließ ihn aus allen Wolken fallen.

"Sie sind ein so genannter Embargofall. Das heißt, dass sich Ihre Daten in einer Liste, in welcher terroristenverdächtige Personen geführt werden, befinden", wurde ihm von seiner Sachbarbeiterin schriftlich als Grund für die Sperrung der Geldzahlungen bestätigt. Weitere Informationen verweigerte man ihm jedoch. Der in Berlin geborene Deutsche mit arabischen Vorfahren hat nur eine vage Vorstellung, wie sein Name auf die Terrorliste gekommen ist. Er habe mit seinen Vater eine Neuköllner Moschee besucht, deren Imam ins Visier der Terroristenfahnder geraten war.

So aberwitzig sich diese vagen Verdachtsmomente im ersten Augenblick auch anhören mögen, so kann, wer an die Praxis des sogenannten Radikalenerlasses (2) in den 70er Jahren denkt, eine gewisse Plausibilität erkennen. Damals mussten sich Lehramtskandidaten auf ihre Verfassungstreue befragen lassen, weil beispielsweise ihr Auto vor einer Kneipe geparkt war, in der auch Kommunisten verkehren, weil sie in eine Wohngemeinschaft mit Kommunisten bildeten oder einen Leserbrief in einer den Kommunisten nahestehenden Zeitung veröffentlichten. Bei der Jagd auf vermeintliche Islamisten ist es dann eben ein Moscheebesuch mit dem falschen Imam.

Der Geschäftsführer des für Mohammed H. zuständigen Jobcenters in Neukölln bestätigte (3) denn auch gegenüber der taz, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt. "Wir zählen die Fälle nicht, aber das ist im Schnitt einer pro Woche. Also seit es das Jobcenter gibt, etwa 50 Fälle hier in Neukölln." Dass diese Praxis erst jetzt öffentlich wurde, dürfte mit der Angst vieler Betroffener zusammenhängen, durch eine offensive Öffentlichkeitsarbeit schnell stigmatisiert zu werden. Denn gemeinhin gilt als gefährlicher Islamist, wer auf einer solchen Liste steht. So wurde dem in Hamburg auf seine Auslieferung nach Spanien wartenden Islamisten Mamoun Darkazanli ( Dürfen sie oder dürfen sie nicht? (4); "Schlüsselfigur" von al-Qaida in Europa (5)) jede finanzielle Unterstützung mit der Begründung gestrichen, er könnte damit terroristische Organisationen finanzieren. Auch seiner deutschen Frau wurde die Sozialhilfe gestrichen, weil sie damit Darkazanli helfen könnte. Diese von Juristen als Praxis des Aushungerns bezeichneten Erlasse wurden inzwischen allerdings zurückgenommen.

Pilotprozess in Dänemark

Doch auch in anderen europäischen Ländern werden massive Einschränkungen von persönlichen Rechten wegen des Eintrags auf Terrorlisten (6) praktiziert. Betroffen sind vor allem politische Oppositionelle. Größere Aufmerksamkeit erhielt der Fall des im holländischen Exil lebenden philippinischen Kommunisten Jose Maria Sison (7). Nicht nur seine Konten wurden gesperrt. Auch seine Bewegungsfreiheit wurde massiv eingeschränkt. Er muss nach Erklärungen seiner Anwälte quasi unter Hausarrest leben. Dabei hat Sison in Europa nie gegen ein Gesetz verstoßen. Doch er hat die maoistische Kommunistische Partei der Philippinen mitgegründet, die nach dem 11. September 2001 auf US-Terrorlisten kam. Niemand behauptet, dass die philippinischen Maoisten in die Anschläge involviert waren. Aber sie kämpfen gegen eine US-freundliche Regierung und das reicht als Begründung, um auf die Liste zu geraten.

Demnächst entscheidet erstmals ein Gericht in einem europäischen Land, ob man bestraft werden kann, wenn man Organisationen unterstützt, die auf einer solchen Terrorliste stehen. Dabei geht es um den Prozess gegen ein Mitglied der linken Gruppe Rebellion (8) in Dänemark. Sie unterstützt unter anderem die auch bewaffnet agierenden politischen Gruppierungen FARC in Kolumbien und PFLP in Palästina. Beide Organisationen stehen auf der US- und der EU-Terrorliste. Deswegen gab es umfangreiche Fahndungsaktionen gegen dänische Antiimperialisten, die in der Festnahme eines Aktivisten von Rebellion gipfelten. Sein Computer wurde schon vorher beschlagnahmt. Im Februar 2006 soll gegen ihn der Prozess wegen Unterstützung von terroristischen Organisationen beginnen. Dieses europäische Pilotverfahren wird auch außerhalb Dänemarks genau beobachtet (9). Juristen halten es für eine Gefährdung der Demokratie, wenn diese ohne juristisches Prozedere allein nach politischen Opportunitäten zustande gekommenen Listen als Grundlage für politische Verfolgung auch in Europa herhalten sollen.

Links

(1) http://www.taz.de/pt/2005/12/22/a0288.nf/text

(2) http://www.berufsverbote.de/

(3) http://www.taz.de/pt/2005/12/22/a0285.nf/text

(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/19/19896/1.html

(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/18/18597/1.html

(6) http://www.statewatch.org/news/2004/jun/terr-list-eu.pdf

(7) http://bethge.freepage.de/sisondt.htm

(8) http://www.opror.net

(9) http://www.stop-terrorkrigen.dk/

[  telepolis.de





22. Dezember 2005
Kinder schützen Väter vor Abschiebung

Ausländische Väter dürfen nicht abgeschoben werden, wenn das dem Wohl ihres in Deutschland lebenden Kindes widerspricht. Das gilt laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von diesem Donnerstag auch, wenn die Väter nicht mit ihren Kindern zusammenleben und sie nur alle zwei Wochen treffen. Die Karlsruher Richter gaben damit einem Ausländer Recht, der in den Kosovo abgeschoben werden sollte. Er hatte sich dagegen gewehrt, weil er nach einer Abschiebung die Beziehung zu seiner fünfjährigen Tochter nicht aufrechterhalten könne.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte eine Klage gegen die Abschiebung im März 2004 abgewiesen. Da der Vater nach der Scheidung von seiner Frau in einer anderen Stadt als seine Tochter lebe, könne von einer "familiären Lebensgemeinschaft" nicht gesprochen werden. Das Bundesverfassungsgericht fällte ein anderes Urteil. Wenn Vater und Tochter eine intakte Beziehung hätten, stehe der im Grundgesetz verbürgte Schutz der Familie einer Abschiebung entgegen. Eine verantwortungsvolle Beziehung zwischen Vater und Kind lasse sich nicht nur anhand der Häufigkeit und Dauer von persönlichen Treffen beurteilen, so die Richter. Die Regensburger Richter müssen erneut über die Abschiebung entscheiden. (N24.de, Netzeitung)

[  n24.de





19. Dezember 2005
Weihnachtsbaum-Verbot im Gefängnis

Häftlinge haben kein Anrecht auf einen Weihnachtbaum in ihrer Zelle. Ein Berliner Gericht hat das Aufstellen einer Tanne aus Angst vor Schmuggel verboten. Strafgefangene haben nach einem Urteil des Berliner Kammergerichts keinen Anspruch auf einen Tannenbaum in ihrer Zelle. Das Gericht wies den Antrag eines Häftlings mit einer langjährigen Freiheitsstrafe auf einen Weihnachtsbaum ab.

Die Begründung: Rauschgift könnte ins Gefängnis geschmuggelt werden – und zwar in den Ästen und dem Stamm der Tanne. Denn diese ließen sich ohne großen Aufwand aushöhlen und später wieder mit Leim verschließen. Der Kontrollaufwand für die Justizbediensteten wäre unzumutbar, so die Richter. Außerdem spreche eine erhöhte Brandgefahr gegen den Baum in der Zelle. Ein toter Nadelbaum trockne in einer beheizten Zelle schnell aus und könne leicht Feuer fangen. Ein Weihnachtsbaum als Topfpflanze wäre aber auch keine Alternative, da in der Erde unerlaubte Gegenstände versteckt werden könnten.

Der Entscheidung ging ein längerer Rechtsstreit voraus. Schon vor Weihnachten 2004 hatte der Chef des Gefängnisses Berlin-Tegel den Antrag des Gefangenen abgelehnt. Dieser wandte sich ans Landgericht und bekam zunächst Recht. Der Anstaltsleiter setzte sich nun aber beim Kammergericht endgültig durch. Nach Angaben eines Gerichtssprechers müssen die Gefangenen in der deutschlandweit größten Justizvollzugsanstalt aber nicht auf die weihnachtliche Atmosphäre verzichten. In den Gemeinschaftsräumen wurden Weihnachtsbäume aufgestellt oder Kränze angebracht. (nz)

[  netzeitung.de





18. Dezemebr 2005
BKA übernimmt bayerisches Fahndungsprogramm Easy

Das Bundeskriminalamt übernimmt das Ermittlungs- und Analysesystem Easy des bayerischen Landeskriminalamtes. Wie das Nachrichtenmagazin 'Focus' (aktuelle Ausgabe) berichtet, testen Abteilungen für Wirtschaftskriminalität und Staatsschutz bis März das derzeit weltweit leistungsstärkste Fahndungsprogramm.

Live-Mitschnitte aller Telefonate, der gesamte Internet-Verkehr, Geld-Transfers und Bewegungsmuster von Verdächtigen - die Fahnder erhalten durch das Programm verschiedenste Informationen auf Knopfdruck. Sie können auch bundesweit Vernehmungsprotokolle oder Angaben bei der Ausländerbehörde abfragen. Allein das bayerische Landeskriminalamt verknüpft mit dem System zwölf Millionen Datensätze von organisierten Kriminellen und Terrorverdächtigen. Auch Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein verwenden bereits Easy. (ck)

[  internet.com

[  easy / ccc

[  Verkaufsbroschüre von Rola

[  Websiteder Firma Rola

[  Bayern jagt mit "polizeilichem Google" Verbrecher / 6.04.2005





17. December 2005
Miese Haftbedingungen
Bundesverfassungsgericht stärkt Schutz für Insassen

Strafgefangene können auch nach dem Ende ihres Gefängnisaufenthalts Rechtsschutz gegen menschenunwürdige Haftbedingungen verlangen. In einem jetzt veröffentlichten Beschluss gab das Bundesverfassungsgericht (BVG) einem Ex-Häftling Recht, der anderthalb Jahre mit einem Mitgefangenen in einer rund acht Quadratmeter großen Zelle leben musste. Die Toilette war nur durch einen Vorhang abgetrennt. Dies verletzte, so die Karlsruher Richter, möglicherweise seine Menschenwürde.

Und die, so das BVG, sei ein Höchstwert in der Verfassung. Daher müssten Gerichtsverfahren, die menschenunwürdige Haftbedingungen betreffen, auch dann fortgesetzt werden, wenn die Betroffenen sich nicht mehr im Gefängnis befänden. Bereits 2002 hatte das Bundesverfassungsgericht einen effektiven Grundrechtsschutz für Häftlinge angemahnt. Und der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im November 2004 Häftlingen grundsätzlich Schmerzensgeldansprüche zuerkannt, wenn die Art und Weise ihrer Unterbringung ihre Menschenwürde verletze. Der BGH hatte dabei nicht allein auf die Zellengröße, sondern auch auf die Gestaltung des Sanitärbereichs abgestellt. dpa

[  taz.de





15. December 2005
Klage gegen Ausweitung der Telefonüberwachung in Bayern angekündigt

Die Ausweitung der Telefonüberwachung in Bayern wird im kommenden Jahr das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Der frühere SPD-Landtagsabgeordnete und Rechtsexperte Klaus Hahnzog kündigte am Donnerstag eine Klage in Karlsruhe an. Er halte das Gesetz für eine nicht hinnehmbare Regelung, die die Grundrechte verletzte, sagte Hahnzog auf Anfrage. Die CSU zeigte sich optimistisch, dass die ab 1. Januar nächsten Jahres geltende Regelung der Klage standhält.

Nach der am Mittwoch verabschiedeten Neuregelung[1] kann die bayerische Polizei ab 1. Januar nächsten Jahres auch ohne Verdacht einer konkreten Straftat vorbeugend Telefone und Internetverkehr anzapfen. Damit will die Staatsregierung vor allem die Planung von Terroranschlägen verhindern. Bisher darf die Polizei erst nachträglich abhören, wenn eine Straftat bereits begangen wurde.

Zwar gibt es eine Reihe von Einschränkungen, doch diese sind nach Hahnzogs Ansicht zu vage formuliert. "Das geht weit in den Vermutungsbereich hinein", sagte er. "Das hat nichts mehr mit den rechtsstaatlichen Erfordernissen zu tun." Die Staatsregierung habe zudem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ähnlich gelagerten Abhör-Plänen in Niedersachsen nicht ausreichend beachtet.

Die CSU hingegen betonte, dass das neue Gesetz ein "ebenso unerlässliches wie notwendiges" Instrument zur Terrorabwehr sei. Organisierte Kriminalität, Terroristen und Menschenhändler planten ihre Taten mit modernsten Mitteln, sagte Jakob Kreidl, der Vorsitzende des Innenausschusses im Landtag. Es sei nicht Ziel des Gesetzes, unbescholtene Bürger mit Überwachungsmaßnahmen zu überziehen. "Das Gesetz entspricht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts", sagte Kreidl. "Darauf haben wir sehr genau geachtet." (dpa) /

[  heise.de


Ausweitung der Telefonüberwachung in Bayern beschlossen

Die bayerische Polizei darf künftig auch ohne Verdacht auf eine konkrete Straftat vorbeugend Telefone und Internetverkehr anzapfen. Die CSU-Mehrheit im bayerischen Landtag[1] beschloss am heutigen Mittwoch die Ausweitung der Telefonüberwachung[2] im Freistaat. Damit will die Staatsregierung die Polizei im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität schlagkräftiger machen. SPD und Grüne warnten bei der Verabschiedung des Gesetzes vor einer Aushöhlung der Bürgerrechte.

"Aus meiner Sicht ist es wichtiger, terroristische Anschläge zu verhindern als die Täter zu bestrafen", sagte Innenminister Günther Beckstein (CSU). Bei Selbstmordattentätern seien Strafandrohungen ohnehin nutzlos. Die CSU hatte nach mehr als zweijährigem Streit ihre ursprünglichen Abhörpläne abgemildert[3]. Grund waren die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff[4] und zum niedersächsischen Polizeigesetz[5], die der Überwachung Grenzen gesetzt hatten.

Vorbeugend abhören darf die bayerische Polizei nur, wenn die Ermittler die Planung einer schweren Straftat vermuten. Geschützte Berufsgruppen wie Anwälte, Priester, Abgeordnete und Ärzte dürfen nicht belauscht werden. Bisher sind Abhörmaßnahmen nur erlaubt, wenn die Ermittler davon ausgehen, dass eine Straftat bereits begangen wurde. Außerdem soll die Polizei das Abhören einstellen, wenn die Belauschten mit Familienmitgliedern über Privates sprechen. Nach dem Ende der Überwachung sollen die Betroffenen von der Polizei über die Maßnahme informiert werden. "Wir haben eine Lösung gefunden, die verantwortbar ist", sagte Jakob Kreidl (CSU), der Vorsitzende des Innenausschusses im Landtag. Die Opposition warnte, die CSU schieße über das Ziel hinaus.

"Wir haben die Pflicht, darauf zu achten, dass die Demokratie nicht scheibchenweise stirbt", sagte Christine Stahl, die rechtspolitische Sprecherin der Grünen. "Es gibt keinen Lebensbereich, in dem es noch eine Garantie gibt, nicht Objekt der Beobachtung zu werden – wenn auch zufällig und gut gemeint", meinte der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler. Notwendig seien nicht mehr Befugnisse für die Polizei, sondern eine Modernisierung der veralteten Ausrüstung. "Viel wichtiger wäre es, dass die Polizei nicht mit Oldtimern auf Verbrecherjagd geht", sagte Schindler. Die SPD hatte ihren Abgeordneten Enthaltung empfohlen. Die Polizei erhielt außerdem das Recht, Elektroschockgeräte ("Taser") als neue Waffe einzusetzen. Zudem wurde die automatisierte Überwachung von Autokennzeichen in dem überarbeiteten Polizeiaufgabengesetz geregelt. (dpa) / (jk[6]/c't) (jk/c't)

Links in diesem Artikel:

  [1] http://www.bayern.landtag.de/

  [2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/65736

  [3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/65943

  [4] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/45223

  [5] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/62162

[  heise.de





10. Dezember 2005
Schlösser im Gefängnis funktionieren nicht

Billwerder: Pannenserie reisst nicht ab. Umzug von rund 400 Häftlingen verzögert sich voraussichtlich bis Februar. SPD verlangt Aufklärung über Kosten und Ursachen.

Die Pannenserie beim Neubau der Justizvollzugsanstalt Billwerder reißt nicht ab. Jetzt gibt es Probleme ausgerechnet mit dem, was in Gefängnissen zum Wichtigsten zählt: den Schlössern. Schon mehrfach mußte der zunächst für Oktober vorgesehene Termin der Inbetriebnahme verschoben werden, weil Setzrisse den Beton durchzogen und die Fenster nicht fachgerecht versiegelt worden waren. Die Justizbehörde hofft nun, daß der Neubau in der ersten Februarwoche "ans Netz" gehen kann.

Nach Angaben von Behördensprecher Carsten Grote sind technische Störungen beim Einsatz elektromechanischer Schlösser ausschlaggebend für die erneuten Verzögerungen. Die Probleme, die im ersten Bauabschnitt bemerkt wurden, seien zwar inzwischen behoben. Allerdings dauert der Einbau dieser Schlösser länger als die Installation herkömmlicher mechanischer Schlösser. Deswegen sind laut Behörde die Bauarbeiter derzeit dabei, in die Hafthäuser des zweiten Bauabschnittes der JVA Billwerder zunächst einmal nur mechanische Schlösser einzubauen.

"Beide Schloßtypen sind gleichermaßen sicher", sagt Behördensprecher Grote. Die aufwendigeren elektromechanischen Schlösser sollen dann im laufenden Anstaltsbetrieb schrittweise eingebaut werden. Dieser Schloßtyp ist für Außen- und Stationstüren vorgesehen, nicht für die Zellentüren. Die Beseitigung der Mängel des ersten Bauabschnitts geht offensichtlich zügig voran. "Der Bauträger hat bereits 80 Prozent der Setzrisse behoben und ist zuversichtlich, die Arbeiten bis Ende Dezember zu beenden", sagt Grote. Wie berichtet, waren die Schäden in den Fertigteilen der Hafthäuser und des Haupthauses entstanden. Die Fenster der Werkhallen und des Haupthauses, an denen sich Schimmelpilz gebildet hatte, sind vollständig versiegelt.

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Wolfgang Dressel will mit einer kleinen Anfrage Ursachen und zusätzliche Kosten der Verzögerungen klären. "Wir werden genau nachprüfen, ob sich das Weglaufgefängnis Billwerder zum Pannenknast entwickelt", sagt Dressel. Justizsenator Roger Kusch (CDU) hatte die ursprünglich für den offenen Vollzug gebaute Anstalt in eine geschlossene umgewandelt. Aus dem bereits genutzten Trakt waren mehrere Insassen geflohen.

Die verspätete Inbetriebnahme des Neubaus führt auch dazu, daß rund 200 Männer und Frauen, die ihre Strafhaft im Untersuchungsgefängnis verbüßen, länger auf ihren "Umzug" warten müssen. Mehrfach hatten Strafvollstreckungskammern Kusch gerügt, weil die Unterbringung von rechtskräftig Verurteilten in der U-Haft nicht zulässig ist. Unter anderem fehlt den Häftlingen die im Regelvollzug übliche Eingangsuntersuchung, und es gibt keinen Vollzugsplan. Die Justizbehörde sieht die Verschiebung der Inbetriebnahme gelassener. "Bei einem Projekt dieser Größenordnung sind kleinere bauliche Verzögerungen durchaus normal", sagt Behördensprecher Grote. Der Gefängnis-Neubau - zur Zeit einer der größten in Deutschland - wird Platz für 403 Gefangene bieten.

[  abendblatt.de





9. Dezember 2005
Reizgas zur Abschreckung von Zigaretten-Dieben
Nach montelanger Einbruchserie und einem Schaden von mindestens 100 000 Euro sichert Kaiser's seine Ware -
Gewerkschaft fürchtet um Gesundheit von Polizisten

Berlin - Die Unternehmensgruppe Tengelmann hat etliche ihrer 150 Kaiser's-Filialen in Berlin mit Reizgas bestückt - nicht im Verkauf, sondern zur Sicherung ihrer Zigarettenautomaten. Anlaß war die steigende Anzahl von Einbrüchen zu Jahresbeginn. "Wir hatten fast jede Nacht Alarm", sagt Kaiser's-Regionalleiter Tobias Tuchlenski. Diese Serie habe monatelang angehalten. "Wir haben Ware im Wert von mindestens 100 000 Euro verloren", sagt Tuchlenski. Dazu kämen die Kosten für zerschlagene Fenster und eingefahrene Türen. Bei der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) stößt die zur Abschreckung von Zigarettendieben gedachte Vorrichtung auf wenig Gegenliebe. "Die Maschine unterscheidet nämlich nicht zwischen Dieb und Polizist", sagt Mario Markgraf, stellvertretender DPolG-Vorsitzender "Viele Kollegen fürchten, daß sie bei ihrer Arbeit eine Ladung Reizgas ins Gesicht bekommen." Die Interessenvertreter fordern, das Reizgas zu entfernen. Die Polizeibehörde will sich mit Hinweis auf laufende Gespräche nicht dazu äußern, sagt Pressesprecher Klaus Schubert.

"Nachdem Kaiser's-Tengelmann die Polizeibehörde über das Vorhaben informiert hatte, wurde überlegt, alle Funkstreifen mit Atemschutzgeräten auszustatten", sagt Markgraf. Doch das wurde verworfen. "Jetzt sind die Kollegen in den Abschnitten gehalten, bei Einbrüchen in Kaiser's-Filialen vor dem Geschäft zu warten, bis ein Verkäufer oder Filialleiter kommt, der die Reizgasvorrichtung abschalten kann", sagt Markgraf. Das dauere Minuten bis Stunden, also wertvolle Zeit, die für andere Einsätze verlorengehe. Zudem sei eine solche Anlage möglicherweise nicht verhältnismäßig, kritisiert Markgraf. "Muß man einen Zigarettendieb mit Reizgas besprühen, also auf Diebstahl mit Körperverletzung reagieren?", fragt der Gewerkschaftler.

"Wir haben von einer renommierten Anwältin für Verwaltungs- und Strafrecht ein Gutachten erstellen lassen, das besagt, daß unser Vorgehen rechtens ist", betont Tuchlenski. Schließlich halte man sich an Auflagen. So seien die Ausgabeautomaten mit der Alarmanlage gekoppelt. "Wird diese ausgelöst, ertönt im Verkaufsraum eine Tonbandansage, die auf deutsch und englisch vor dem Betreten des Warenbereichs warnt", sagt der Regionalleiter. Auch die Senatsverwaltung für Justiz spricht nicht pauschal von einer Straftat: "Sollten Kunden oder Verkäufer durch Reizgas versehentlich verletzt werden, wäre zu prüfen, ob die Firma ihre Sorgfaltspflicht verletzt hat", sagt die Sprecherin der Senatsverwaltung, Juliane Baer-Henney. Bislang soll es in Berlin erst drei Alarmierungen gegeben haben, bei denen die Anlagen ausgelöst worden seien. "Glücklicherweise wurde niemand verletzt - es wurde aber auch kein Täter gefaßt", sagt Markgraf. Tuchlenski hingegen spricht von einem Erfolg: "Seit Einbau der Reizgasanlagen sind die Einbruchszahlen fast auf Null gesunken."

Schutz durch Nebelmaschinen und Netze

Sicherheitssysteme auf Reizgasbasis sind auch zur privaten Eigenheimsicherung erhältlich. Bei einem Produkt einer Sonderbaufirma wird jeder Eindringling schriftlich vor der Anlage gewarnt. Beschädigt er Zäune, Fenster oder Türen, wird unter Geknalle Gas verschossen. Daß Geschäftsleute versuchen, sich vor Dieben zu schützen, ist kein neues Phänomen. So hat ein Tankstellenpächter aus Reinickendorf vor fünf Jahren mit einer Nebelmaschine einen Einbrecher irritiert. Der stand, nachdem er durchs Fenster in den Shop geklettert war, plötzlich im Nebel und irrte minutenlang im Laden umher - bis ihn die alarmierte Polizei festnahm.

Eine Leipziger Sicherheitsfirma sichert Tresore oder Vitrinen mittels einer Blackbox, die bei Bewegungen Seile und Netze aktiviert. Die Seile schießen hinter Scheuerleisten und unter Zwischendecken hervor und umwickeln die Füße, das Netz fällt auf den Dieb und umschlingt ihn. Der Betreiber der Sicherheitsanlage muß aber nach spätestens 20 Minuten am Tatort sein, weil ein Mensch nur einen bestimmten Zeitraum gegen seinen Willen festgehalten werden darf.

[  welt.de





09.December 05
Viele Unschuldige in Arbeitsdatei "Politisch motivierte Kriminalität"
Baden-Württembergs Datenschützer schlägt Alarm

Die von der baden-württembergischen Polizei seit 2003 betriebene Arbeitsdatei "Politisch motivierte Kriminalität" ist mangelhaft und bedarf einer grundlegenden Überarbeitung. Hierauf hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Zimmermann, anlässlich der Vorstellung des 26. Tätigkeitsberichts seiner Dienststelle heute in Stuttgart hingewiesen. "Die ursprünglich zur Abwehr des Terrorismus entstandene Datei (abgekürzt: AD PMK) hat sich offenbar zum beliebten Sammelbecken für alle möglichen Informationen entwickelt, die dem Staatsschutz aufhebenswert erschienen", erläuterte Zimmermann.

"Nicht nur, dass in der Datei mittlerweile 40.000 Mitbürgerinnen und Mitbürger, also jede 250. Person im Lande, gespeichert sind, bei unserer umfangreichen Stichprobe, bei der uns anfangs sogar Steine in den Weg gelegt wurden, haben wir auch festgestellt, dass viele Fälle gar nicht in die Datei hineingehört hätten." So seien viele Personen erfasst, ohne dass der Anlass hierfür festgehalten worden sei. Ein türkischstämmiger Gastwirt und sein Stellvertreter wurden in der Arbeitsdatei für politisch motivierte Kriminalität gespeichert, weil der Stellvertreter in der Sperrzeit noch acht Gäste bewirtete und beide deshalb angezeigt wurden. Ein Asylbewerber aus Kamerun wurde erfasst, weil er den räumlichen Geltungsbereich seiner Aufenthaltsgestattung verlassen hatte.

Ein aus Ägypten stammender, hier als Arzt tätiger Mann wurde ebenso wie weitere 187 Personen nach dem Besuch des traditionellen Freitagsgebetes in einer Moschee in der Datei als "andere Person" gespeichert, weil die Polizei an jenem Tag eine Razzia durchführte und alle Moscheebesucher einer Personenkontrolle unterzog. "Es drängt sich der Eindruck auf", ergänzte Zimmermann, "dass bei Behördenkontakten schon eine fremde Staatsangehörigkeit oder ein entsprechendes Aussehen ausreichen können, um voreilig und pauschal unter Verdacht gestellt zu werden."

Da die Staatsschutzdienststellen in ganz Baden-Württemberg online auf die Datei zugreifen können, könnten die Folgen für die Betroffenen ganz erheblich sein. "Ich gehe davon aus, dass wir bei unserer stichprobenartigen Überprüfung nur die Spitze eines Eisbergs aufgedeckt haben. Die Polizei sollte diese fragwürdige Datei insgesamt dringend auf den Prüfstand stellen", fügte Zimmermann hinzu. (as)

[  internet.com





5. December 2005
Gesetzesänderung zur Terrorabwehr geplant
Behörden sollen ohne Verdacht ermitteln können

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat gesetzliche Neuregelungen zur besseren Bekämpfung des Terrors angekündigt. Bei einem Symposium des Bundesamts für Verfassungsschutz kündigte er an, die Bundesregierung werde in Kürze eine Gesetzesänderung in die Wege leiten, mit der Bundesbehörden zur Abwehr des Terrorismus bereits vorbeugend tätig werden könnten. Damit würde eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages umgesetzt.

Schäuble: Bisheriges Verfahren zu umständlich

Wie Schäuble erläuterte, darf derzeit etwa das Bundeskriminalamt erst aktiv werden, wenn es einen "strafprozessualen Anfangsverdacht" gebe. Diese Bedingung soll nun wegfallen. Zur Begründung sagte Schäuble, der Weg von Erkenntnissen des Verfassungsschutzes über die Landespolizei zum BKA sei zu umständlich. Der Minister zeigte sich zuversichtlich, für diese Änderung die Zustimmung der Länderkollegen zu erhalten.

[  tagesschau.de





4. December 2005
Deutsche Geheimdienste hören ohne richterliche Genehmigung ab
Ohne Verschlüsselung keine sichere Kommunikation möglich

Deutsche Geheimdienste wie Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst hören oft ohne jede richterliche Genehmigung ab. Das erklärte der Experte Frank Rieger, technischer Geschäftsführer der Gesellschaft für Sichere Mobile Kommunikation (GSMK), heute in Bielefeld, auf einer Veranstaltung der FoeBuD, einer Organisation, die sich für Bürgerrechte, Datenschutz und Privatsphäre engagiert. "Die Dienste machen, was sie wollen", so der Referent gegenüber de.internet.com. "Die 'Kontrolle' der Dienste findet in der Parlamentarischen Kontrollkommission statt, die de facto ein zahnloser Tiger ist." Ist keine richterliche Genehmigung erhältlich, so weiche man eben auf Partnergeheimdienste aus, die in Grauzonen oder in der Illegalität agieren, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Unverschlüsselt gebe es keine Form der abhörsicheren, elektronischen Kommunikation.

Die technischen Einrichtungen (Abhörboxen) bei Kommunikationsbetreibern wie Mobilfunkunternehmen und Internet-Providern besitzen zudem Schnittstellen, auf die die Geheimdienste völlig unbemerkt zugreifen können.

Der Überwachte selbst merkt nichts davon. "Es werden nur noch Bits kopiert. Es ist kein Nachhallen, Knacken oder Echo auf der Leitung." Die Beschäftigten bei den Mobilfunkbetreibern machen sich zudem persönlich strafbar und haftbar, wenn sie ein Opfer der staatlichen Observation über die Machenschaften informieren. Rieger: "Internet-Provider helfen hier oft gerne unbürokratisch und schnell, auch ohne richterliche Anordnung, die im Normalfall meist per Fax eingeht", so Rieger, dessen Unternehmen an abhörsicheren Mobiltelefonen und der entsprechenden Software arbeitet.

In TK-Anlagen in Großbetrieben gibt es zudem nicht dokumentierte Features mit wohlklingenden Bezeichnungen wie "Zeugenfunktion" oder "Babyüberwachungsfunktionen" einfachen und schnellen Zugang zu allen Kommunikationsdaten der Beschäftigten, warnt Rieger. Auch das Ausweichen auf Telefonzellen bringt hier keine Abhilfe: "Diese werden oft abgehört, um beispielsweise Drogendealer zu schnappen," sagte er. Gehen dann gleich noch ein paar Umweltaktivisten oder Streikende ins Netz, nennt der Staatsanwalt dies einen "Beifang".

Über das Mobilfunknetz kann der Betreiber zudem auf die Daten im Adressbuch des Nutzers zugreifen. Ein israelischer Geheimdienst soll laut Rieger bereits einmal ein elektronisches Telefonbuch auf einem Handy gelöscht haben, nachdem das Gerät dem Chef der Organisation zuvor gestohlen wurde, berichtet Rieger. Wer also wirklich vertraulich kommunizieren will, sollte ein Gespräch im Park einem Handytelefonat vorziehen, so der Ratschlag. E-Mail-Kommunikation, die man mit 4096 Bit-Keys verschlüsselt, sei zudem weiterhin sicher.

"Der Sozialstaat ist nicht mehr finanzierbar, also wird der Polizeistaat immer weiter ausgebaut", so seine Schlussfolgerung. (as)

[  internet.com





3. December 2005
LVZ: ZYPRIES GEHT AUF RECHTSPOLITISCHEN GEGENKURS ZU ZAHLREICHEN UNIONS-FORDERUNGEN / MINISTERIN ZEIGT SICH ABER "ERGEBNISOFFEN" BEI DER VERWENDUNG VON MAUT-DATEN IM ZUSAMMENHANG MIT DER STRAFVERFOLGUNG

Leipzig (ots) - Auf strikte Ablehnung stößt bei Bundesjustizministerin Brigitte Zyrpies (SPD) die Absicht der Union, für gewaltbereite Islamisten das Instrument der vorbeugenden Sicherheitsverwahrung einzuführen. Zugleich bekräftigte die Politikerin, dass die SPD nicht dazu bereit sei, durch eine Grundgesetzänderung den Einsatz der Bundeswehr im Inneren in erweitertem Umfang zu ermöglichen. Als "ergebnisoffen" bezeichnete die Ministerin allerdings ihre eigene Position gegenüber der Anregung von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Maut-Daten aus der Lkw-Erfassung zukünftig in bestimmten Fällen bei der Strafverfolgung einzusetzen.

Die Koalition habe sich darauf verständigt, "das zu prüfen", meinte Zypries. "Es geht um die Frage, ob Strafverfolgungsbehörden auf Daten Zugriff bekommen können, die bei der Mautkontrolle anfallen. Ich bin dabei ergebnisoffen. Wenn man das erlaubt, sieht die Strafprozessordnung eine Vielzahl von rechtstaatlichen Verfahrenssicherungen vor, wie z.B., dass ein Zugriff auf diese Daten nur mit einem richterlichen Beschluss möglich ist. Allerdings sei "der Satz, Datenschutz geht nicht vor Täterschutz, in dieser Allgemeinheit so falsch wie richtig", hob Zypries hervor. Unter Bezug auf die Forderung aus Unions-Kreisen, angesichts der anhaltenden Terrorgefahr in Deutschland die vorbeugende Sicherungshaft für gewaltgeneigte und gewaltbereite Islamisten in Deutschland einzuführen, erklärte die sozialdemokratische Justizministerin: "Mit mir wird es keine Regelung geben, nach der Menschen inhaftiert werden können, nur weil man vermutet, sie könnten gefährlich sein, ohne konkrete Anhaltspunkte für strafrechtlich Relevantes zu haben. Ich halte das für verfassungsrechtlich nicht zulässig." Aus guten verfassungsrechtlichen Gründen sei "ein vorbeugender Gewahrsam zur Gefahrenabwehr nach den Polizeigesetzen der Länder auch nur unter engen Voraussetzungen zulässig - nämlich regelmäßig nur dann, wenn der Gewahrsam unerlässlich ist, um den Betroffenen von einer unmittelbar bevorstehenden Straftat abzuhalten".

Mit Blick auf die Unions-Forderung nach einer Grundgesetz-Änderung, um der Bundeswehr einen erweiterten Einsatz im Inneren zu ermöglichen, zeigte sich Zypries zurückhaltend bis ablehnend: "Nach der Staatspraxis kann die Bundeswehr nicht nur bei der Beseitigung einer Katastrophe helfen, sondern auch dazu eingesetzt werden, eine Katastrophe zu verhindern." Die Koalition habe sich darauf verständigt, vor einer abschließenden Bewertung die Entscheidung des Verfassungsgerichtes zum Luftsicherheitsgesetz abzuwarten. "Politisch hat die SPD keinen Zweifel daran gelassen, dass Kriminalitätsbekämpfung - und dazu gehört auch der Terrorismus - Sache der dafür ausgebildeten Polizei ist. Es ist auch nicht Aufgabe der Bundeswehr U-Bahn-Bahnhöfe und zivile Gebäude zu bewachen", unterstrich Zypries.

Im Zusammenhang mit der Debatte um die nachträgliche Sicherheitsverwahrung in bestimmten Fällen auch für jugendliche Straftäter, hob Zypries hervor, "bereits das geltende Recht ermöglicht es, nach Erwachsenenstrafrecht verurteilte, hochgefährliche Straftäter wegzusperren - und zwar für immer, wenn nötig". Anders sehe es aus bei denen, die nach Jugendstrafrecht verurteilt würden. "Die Koalition plant die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung auch für diese Tätergruppe, sofern sie wegen schwerster Straftaten gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperliche Unversehrtheit verurteilt wurden - also nicht bei Vermögensstraftaten."

[  presseportal.de





01. December 2005
Bodensee-Region soll sicherer werden

FRIEDRICHSHAFEN/BREGENZ (sig) Heute tritt zwischen Deutschland und Österreich ein Vertrag in Kraft, der auf eine gesicherte Grundlage stellt, dass deutsche Polizeibeamte in Österreich und österreichische in Deutschland ermitteln können. Landespolizeipräsident Erwin Hetger sprach gestern von einem "Vertrag der neuen Generation". Schon bisher gab es eine Zusammenarbeit mit dem Nachbarland. Doch sie baute nicht auf eine gesetzliche Grundlage. Es war von den jeweiligen Beamten abhängig, ob sie den schmalen Grat des "kleinen Dienstwegs" betraten und Gefahr liefen, Gesetze zu übertreten. Das ist jetzt anders. Zu Demonstrationen wie jüngst von Rechts und Links in Friedrichshafen können die Beamten vor Ort ab sofort die Kollegen in Bregenz nicht mehr nur um die Unterstützung durch "Verbindungsbeamten" bitten. Österreicher können in Absprache mit ihren deutschen Kollegen (und umgekehrt) hier (wie dort) Hoheitsaufgaben wahrnehmen, das heißt fahnden, ermitteln (auch verdeckt) und/oder vollstrecken.

Vertrag mit Schweiz steht Pate

Vor allem im Bereich des Rauschgiftschmuggels sieht der Polizeipräsident gute Chancen, in die Transitkorridore des zusammenhängenden Aktionsraums Baden-Württemberg, Vorarlberg und Schweiz besser eingreifen zu können. Mit der Schweiz gibt es einen Vertrag seit 1999; er stand Pate für das Abkommen mit Österreich, für dessen Zustandekommen die Bundesebene 25 Jahre gebraucht hat.

Der deutsch-österreichische Vertrag "über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten", wie er offiziell heißt, ist nach Ansicht Erwin Hetgers "die optimale Grundlage für eine umfassende und effektive Sicherheitspartnerschaft". Der Vorarlberger Sicherheitsdirektor Dr. Elmar Marent rechnet damit, dass der Vertrag "deutlich mehr Sicherheit in die Bodensee-Region" bringt. Die bisherige Zusammenarbeit, sagte er gestern im Graf-Zeppelin-Haus, "wurde jetzt in einen Rechtsrahmen gegossen". Er verspricht sich nicht zuletzt für sein Bundesland mehr Sicherheit, denn bei Großveranstaltungen sei man oft an personelle Grenzen gestoßen.

Beispiel für Europa

Hetger und Marent sind sich einig, dass dieser "Vertrag der neuen Generation" weit über die bisherigen Möglichkeiten durch die Schengener Verträge hinausgeht und deshalb auch ein Modell für die zukünftige Zusammenarbeit in Europa ist. So könnten künftig gemeinsame Einheiten der Polizeien für Fahndungskontrollen und Observationen eingesetzt und bei Ermittlungsverfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen gemeinsame Ermittlungsgruppen gebildet werden. Um den Polizeivertrag in der Praxis mit Leben zu erfüllen, wurde bereits gemeinsam eine umfassende Fortbildungskonzeption ausgearbeitet.

[  szon.de

DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHER POLIZEI-UND JUSTIZVERTRAG

Baden-Württemberg und Vorarlberg werden die bisher schon hervorragende und vertrauensvolle grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizeien weiter ausbauen. Grundlage dafür ist der am 10. November 2003 unterzeichnete deutsch-österreichische Vertrag „über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten“, der nach Abschluss der innerstaatlichen Gesetzgebungsverfahren zum 1. Dezember 2005 in Kraft tritt. „Der Vertrag ist die optimale Grundlage für eine umfassende und effektive Sicherheitspartnerschaft“, betonte Landespolizeipräsident Erwin Hetger bei einem Treffen mit dem Sicherheitsdirektor des Bundeslandes Vorarlberg, Dr. Elmar Marent, am Mittwoch, 30. November 2005, in Friedrichshafen.

Die praktischen Erfahrungen der Polizeidienststellen vor Ort seien in die Vertragsverhandlungen eingebracht worden. Mit den Partnern in Österreich und speziell in Vorarlberg bestehe Einvernehmen, dass der neue Polizei- und Justizvertrag hervorragende Voraussetzungen schaffe, um die bereits seit vielen Jahren enge, vertrauensvolle und pragmatische Zusammenarbeit weiter auszubauen und zu intensivieren. Dies gelte in besonderem Maß für die Bodensee-Region, wo die grenzüberschreitenden Verbindungen besonders eng seien.

Die offene Grenze hätte aber auch Schattenseiten. Dies zeige sich beispielsweise beim Handel und Schmuggel von Rauschgift, bei Straftaten reisender Tätergruppen oder bei der rechtsextremistischen Szene, wo insbesondere Skinheads ihre Konzerte wegen des hohen polizeilichen Verfolgungsdrucks immer wieder ins benachbarte Ausland verlegten. „Deshalb ist es in der Region besonders wichtig, dass die Polizei schnell, direkt und unbürokratisch zusammenarbeitet“, betonte Erwin Hetger.

Dr. Marent unterstrich die bisherige gute und bewährte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. So habe man beispielsweise intensiv Daten über die Kriminalitäts- und Sicherheitslage in der Region ausgetauscht. Der neue Vertrag eröffne aber vielfältige neue Möglichkeiten für ein gemeinsames und grenzüberschreitendes polizeiliches Handeln. Damit fördere und erleichtere er vor allem die praktische Zusammenarbeit der Polizeidienste beider Länder erheblich. „Daraus ergibt sich deutliche mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in der Bodensee-Region“, sagte Sicherheitsdirektor Dr. Elmar Marent. Wichtig sei nun, dass die neuen Instrumente, die früher kaum vorstellbar gewesen seien, in der täglichen polizeilichen Arbeit entschlossen und konsequent eingesetzt würden.

Sie seien sich einig, dass dieser „Vertrag der neuen Generation“ weit über die bisherigen Möglichkeiten der Zusammenarbeit durch die Schengener Verträge hinausgehe und deshalb auch ein Modell für die zukünftige polizeiliche Zusammenarbeit in ganz Europa sei. So könnten künftig gemeinsame Einheiten der Polizeien für Fahndungskontrollen und Observationen eingesetzt und bei Ermittlungsverfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen gemeinsame Ermittlungsgruppen eingesetzt werden. Bei polizeilichen Einsätzen könnten der eigenen Einsatzleitung im Bedarfsfall auch Polizeibeamte des anderen Vertragsstaates unterstellt werden, die auf fremdem Hoheitsgebiet polizeiliche Vollzugsaufgaben wahrnehmen und dabei hoheitlich tätig werden könnten. Besondere Bedeutung habe dies unter anderem für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz, wenn es beispielsweise bei öffentlichen Life-Übertragungen von Spielen zu gewalttätigen Ausschreitungen komme, an denen Fans aus dem Nachbarland beteiligt seien. Die polizeilichen Befugnisse bei grenzüberschreitenden Observationen und bei der Verfolgung von Straftätern über die Grenze hinweg seien deutlich erweitert worden. So sei es beispielsweise dabei und bei anderen grenzüberschreitenden polizeilichen Einsätzen möglich, Polizeihubschrauber und -boote einzusetzen. Personen könnten außerdem ins Nachbarland verfolgt werden, wenn sie sich einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen versuchten und dort von den verfolgenden Polizeibeamten festgehalten werden. Dies gelte auch für Verkehrsteilnehmer, die unter Einfluss von Alkohol oder Drogen am Straßenverkehr teilnehmen würden. Zulässig sei auch der grenzüberschreitende Einsatz Verdeckter Ermittler zur Strafverfolgung und zur Verhinderung von Straftaten. Darüber hinaus könnten mit gegenseitiger Unterstützung bei Großveranstaltungen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen Spezialisten in das Nachbarland entsandt und Ausrüstungsgegen-stände zur Verfügung gestellt werden.

Für die polizeiliche Ermittlungsarbeit von besonderer Bedeutung sei die Möglichkeit, künftig gegenseitig DNA-Profile und -Identifizierungsmuster sowie anderes Spurenmaterial zu übermitteln und abzugleichen und solches für die Ermittlungen im eigenen Land benötigte Material im anderen Land erheben und untersuchen zu lassen. Schließlich könnten Ersuchen um beweissichernde Maßnahmen, beispielsweise die körperliche Untersuchung eines Beschuldigten oder Wohnungsdurchsuchungen, im Eilfall von der Polizei unverzüglich auf direktem Weg an die Polizei des anderen Landes gerichtet und damit schnellstmöglich vollzogen werden, bevor Beweismittel beiseite geschafft worden seien.

Die bisherigen vertraglichen Grundlagen der Zusammenarbeit hätten häufig nur ein abgestimmtes Nebeneinander polizeilicher Maßnahmen ermöglicht. Der operative Mehrwert des neuen Vertrages liege im Wesentlichen darin, dass er die Handlungsspielräume der Polizeien wesentlich erweitere und künftig in viel stärkerem Maße ein gemeinsames grenzüberschreitendes Handeln möglich sei.

„Neben den bereits seit einigen Jahren geltenden Verträgen zwischen Deutschland und der Schweiz sowie zwischen Schweiz und Österreich wurde jetzt der bislang fehlende dritte Eckpfeiler für eine trinationale Sicherheitspartnerschaft in der Mitte Europas geschaffen. Damit sind wir für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die effektive Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität mit all ihren Facetten optimal gerüstet“, so Landespolizeipräsident Erwin Hetger.

Nach Auffassung von Hetger und Dr. Marent komme es nun darauf an, den Polizeivertrag in der polizeilichen Praxis mit Leben zu erfüllen. Deshalb sei gemeinsam eine umfassende Fortbildungskonzeption ausgearbeitet worden. So werde sichergestellt, dass die Polizeibeamtinnen und -beamten sowohl mit den vertraglichen Grundlagen als auch mit den jeweiligen nationalen Eingriffsbefugnissen vertraut seien.

[  Quelle: Innenministerium





30. November 2005
Braunschweiger Hooligans während der WM überwacht

Meldeauflagen: Polizei will im Sommer keine Gewalttäter aus der Stadt lassen

BRAUNSCHWEIG. Die Braunschweiger Hooligans genießen einen zweifelhaften Ruf. Kaum eine Gruppe in Deutschland ist gewalttätiger. Zwei Braunschweiger wurden am Wochenende nach der Massenschlägerei zwischen 43 Deutschen und 55 Polen in der Nähe von Frankfurt/Oder von der Polizei aufgegriffen. "Vor mir Braunschweiger, hinter mir Bullen. Ich hab’ die Prügel meines Lebens bekommen. Ein Wahnsinnserlebnis!" Diese Sätze eines Szenemitglieds sind im Zusammenhang mit einem früheren Zwischenfall im Internet zu lesen.

Die Braunschweiger Hooligans sind aktiv, viel aktiver als etwa die in Hannover. Bundesweit am auffälligsten sind Dresdener, Berliner und Leipziger. Die Polizei schätzt den harten Braunschweiger Kern auf 25 Personen. 100 Stadionverbote sind erteilt.

Etwa einmal pro Monat, schätzt die Polizei, sind die straff organisierten Braunschweiger an Massenschlägereien beteiligt. "Dabei geht es um Anerkennung in der Szene, ähnlich wie bei den Rechten", sagt Holger Dreyer, Leiter der szenekundigen Beamten in Braunschweig. Mit Blick auf die WM im eigenen Land machen vor allem deutsche Hooligans Sorgen. Rund 6000 von ihnen gibt es. "Die Prügeleien nehmen schon stark zu," erklärt Dreyer.

Ausreisebeschränkungen, wie bei der EM 2000 in Holland/Belgien, greifen nicht. Holländer, Engländer oder Italiener, die auf der internationalen Hooligan-Liste stehen, dürfen nicht reisen. Geplant sind vom Innenministerium auch temporäre Grenzkontrollen.

Was aber planen deutsche Gewalttäter? "Während der WM wird es starke Polizeipräsenz geben. Die bekannten Hooligans werden überwacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer durchrutscht", meint Dreyer. Meldeauflagen oder auch Gewahrsamnahmen registrierter Gewalttäter sind präventive Mittel. Die große Unbekannte sind Hooligans aus Osteuropa. "Dort sind schon Waffen dabei", weiß Dreyer. Während der WM wird er in der Polizeizentrale in Neuss sitzen.

"Das Problem sind nicht die Stadien", beruhigt er Fußball-Fans. Registrierte Hooligans erhalten keine Karten. Brutal geprügelt wird an so genannten Dritt-Orten. Per Telefon wird sich verabredet, geklärt wie stark die Truppen sind und dann im Mietwagen angereist. Hooligans wollen unerkannt unter sich prügeln. "Übergriffe auf Polizisten hat es seit Lens 1998 nicht mehr gegeben", so Dreyer. Nach den schweren Verletzungen des französischen Polizisten Daniel Nivel habe es in der Szene "Betroffenheit" und einen gewissen Ehrenkodex gegeben. Von am Boden Liegenden habe man, so Polizist Dreyer, abgelassen. "Das hat sich aber wieder gelegt", sagt er.

Dabei sind Hooligans nicht dumm. "Sie haben oft seriöse Berufe", sagt Dreyer. Der in Frankfurt/Oder erwischte Karl-Heinz E. wirke fast sympathisch. Seit 1996 gilt er als einer der übelsten Hooligans...

[  newsclick.de





30. November 2005
Aufenthaltsrecht nicht verwirkt Erfolg für "Bremer Taliban"

Der so genannte Bremer Taliban Murat Kurnaz darf innerhalb von drei Monaten nach einer Entlassung aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo nach Bremen zurückkehren. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des in Bremen geborenen Türken sei nicht erloschen, entschied das Bremer Verwaltungsgericht am Mittwoch. Kurnaz habe die vorgeschriebene Verlängerung wegen der Inhaftierung nicht beantragen können. Der 23-Jährige wird seit fast vier Jahren in dem Lager auf Kuba festgehalten.

Das Gericht folgte dem Antrag der Kurnaz-Anwälte und wies die Auffassung des Innenressorts zurück. Nach Behördenmeinung war Kurnaz Aufenthaltserlaubnis ein halbes Jahr nach seiner Ausreise aus Deutschland erloschen. Dies ergebe sich aus dem Ausländergesetz, denn der junge Mann habe versäumt, die Genehmigung zu verlängern oder dies über seine Mutter zu beantragen.

Demgegenüber argumentierte das Gericht, Kurnaz müsse aus Gründen der Nachsichtgewährung so gestellt werden, als habe er die Verlängerung fristgerecht beantragt. Diese Ausnahme habe der Gesetzgeber auch für Ausländer vorgesehen, die in der Heimat ihre Wehrpflicht leisten müssten. So dürfen Ausländer im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung bis zu drei Monate nach Beendigung des Dienstes zurückkehren, ohne die Genehmigung verlängern zu müssen.

Der heute 23-Jährige war im Oktober 2001 nach Pakistan gereist. Dort wurde er als angeblicher Taliban-Kämpfer verhaftet. Nach eigenen Angaben wurde er zunächst nach Afghanistan gebracht und gefoltert. Die Misshandlungen setzten sich seinen Anwälten zufolge ab Januar 2002 im Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba fort. Lange bleiben zwei kurze Postkarten und ein Formbrief das einzige Lebenszeichen. Im Oktober 2004 durfte ihn erstmals ein US-Anwalt besuchen.

[  n-tv.de





29. November 2005
Gewerkschaft der Polizei: Maut-Daten nur zur Aufklärung schwerster Straftaten nutzen
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Als "sinnvolle Maßnahme zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität" bewertete der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, den Vorstoß des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble, die vom Autobahnmautsystem erhobenen Daten auch für die polizeiliche Fahndung zu nutzen. Freiberg gestern in Berlin: "Bei besonders schweren Straftaten wie Terrorismus und in den Fällen, wo die Polizei für die Strafverfolgung persönliche Daten über die Telekommunikationsüberwachung ermitteln darf, sollte es auch möglich sein, Zugriff auf Maut-Daten zu haben." Zur Aufklärung von Ordnungswidrigkeiten und weniger schweren Straftaten dürften die Maut-Daten allerdings nicht genutzt werden.

Es sei, so Freiberg, aus polizeilicher Sicht geradezu fahrlässig, auf die Prüfung der Effektivität und Effizienz solcher Datenerhebungssysteme für die polizeiliche Fahndung zu verzichten. Datenschutzrechtliche Bedenken sollten durch die hohen rechtlichen Hürden eines solchen Daten-Zugriffs ausgeräumt sein. Freiberg: "Die politisch Verantwortlichen sollten sich aber von der Faszination moderner, technischer Möglichkeiten nicht blenden lassen." Immer noch werde Personal bei der Polizei abgebaut. Deren Arbeit könnten Maschinen und Software-Systeme beileibe nicht übernehmen.

Heute sollen die Mautdaten nur zur Bekämpfung des Terrorismus sowie der Organisierten Kriminalität verwendet werden, morgen werden sie dann wohl auch zur Verfolgung von Fällen einer "mittleren Kriminalität" verwendet, kritisierte dagegen der stellvertretende Landesbeauftragte für den Datenschutz in Schleswig-Holstein Johann Bizer den Vorstoß. Folgen würde dann die Verhinderung von "Sozialmissbrauch", "Schwarzarbeit" und die Verfolgung von Unterhaltspflichtigen. (as)

[  internet.com





26 November 2005
Rechte Attacke im Gefängnis

Extremisten versuchen von außen Einfluß auf Gefangene zu nehmen

Nach wie vor bemühen sich rechtsextreme Organisationen um Einflussnahme in den Gefängnissen. Wie Justizministerin Beate Blechinger (CDU) mitteilte, sind solche Bestrebungen in den Justizvollzugsanstalten Spremberg und Brandenburg/Havel spürbar geworden. Eine Organisation, die sich "Kommissarische Reichsregierung" nennt, hat Blechinger zufolge in Spremberg versucht, Kontakt zu rechtsextremistisch gesinnten Häftlingen herzustellen.

Ebenfalls darum bemüht gewesen sei eine "Justiz-Opfer-Initiative". Im Brandenburger Gefängnis seien einzelnen Gefangenen die "HNG-Nachrichten" zugestellt worden, das ist die Abkürzunge für "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige". (...) Dennoch musste die Ministerin bestätigen, dass rechtsextremes Propagandamaterial in Gefängniszellen gelangen konnte. So seien in Spremberg vier CD‘s, 16 Musikkassetten und ein "Rundbrief für nationale Inhaftierte" sichergestellt worden. Das galt auch für diverse, von Gefangenen entworfene Tatoo-Motive und Zeichnungen. In Brandenburg/H. wurden CD‘s sichergestellt und das Bild eines SS-Offiziers entfernt. Auch in der JVA Wrietzen seien Tonträger mit rechtsextremem Inhalt gefunden worden. Etwa ein Drittel der einsitzenden Jugendlichen in Brandenburg bekennt sich zu einer rechtsextremen Gesinnung, weniger als zehn Prozent müssten dem "harten Kern" zugerechnet werden.

[  akdh.ch





25. November 2005
Aachener JVA notorisch überbelegt

Die Aachener Justizvollzugsanstalt (JVA), eine der größten im ganzen Land, ist das ganze Jahr notorisch überbelegt gewesen. Erst in den vergangenen Tagen habe sich die Lage entspannt, so Anstaltsleiter Hans-Joachim Gries.Oftmals mussten sich Untersuchungshäftlinge in «Notgemeinschaften» eine Zelle teilen, was eigentlich vom Gesetz her gar nicht vorgesehen ist.Die Aachener JVA hat nach ihrem Ausbau rund 770 Plätze, meist wurde aber rund 830 Gefangene gezählt.Im Aachener Strafvollzug sitzen vornehmlich Schwerkriminelle ein. Darunter auch rund 60 Gefangene mit lebenslangen Haftstrafen und etwa 50 mit zusätzlicher Sicherheitsverwahrung.Zwei Untersuchungshäftlinge nahmen sich in diesem Jahr das Leben, Ausbrüche gab es in Aachen keine. Ein Gefangener kehrte nicht von einem Freigang zurück, konnte aber später verhaftet werden.

[  aachener-zeitung.de





November 2005
Verurteilung nach Paragraph 129a

"Das Oberlandesgericht Naumburg verurteilte am 22. November 2005 den Antifaschisten Daniel W. zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung nach Paragraph 129a und folgte damit dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft. Nachdem bereits 2003, mit dem Freispruch von Carsten S. das Konstrukt der „Terroristischen Vereinigung“ vom Tisch war und Marco H. und Daniel W. wegen Brandstiftung zu zweieinhalb beziehungsweise zwei Jahren verurteilt wurden, plädierte die Bundesanwaltschaft im, von der Verteidigung angestrengten, Revisionsverfahren überraschend auf eine Verurteilung nach Paragraph 129a. Zur Urteilsverkündung machten sich über 70 Leute zum Justizzentrum in Halle auf. Sie wurden von einem massiven Polizeiaufgebot empfangen. Trotz Protesten der Verteidigung und des Publikums konnten jedoch nur gut die Hälfte der Urteilsverkündung wegen „Platzmangels“ beiwohnen. Im Anschluss nahmen zirka 100 Leute an einer Demonstration durch die Hallesche Innenstadt teil, um gegen das Gesinnungsurteil zu protestieren. Weg mit den Urteilen gegen Daniel W. und Marco H.! Weg mit Paragraph 129a/b!"

Gegeninformationsbüro

[  gegeninformationsbuero.de / Artikel zum Prozess





November 2005

das folgende zum Thema Fussfessel ist alles schon ein bischen älter, aber nicht uninteressant

An der elektronischen Leine

Florian Rötzer 25.04.2005

In Hessen feierte man den Versuch mit der elektronischen Fußfessel für Straftäter kürzlich als großen Erfolg, ein britischer Bericht zweifelt an der Effizienz und an der angeblichen Kosteneinsparung Im März hat das hessische Justizministerium bekannt (1) gegeben, dass sich die elektronische Fußfessel, die vor fünf Jahren vor allem bei Straftätern auf Bewährung eingeführt wurde, bewährt hat ( Hessen testet als erstes deutsches Bundesland elektronische Fußfessel (2)). Die Erfolgsquote liege bei 90 Prozent. Der Sender, der am Unterschenkel befestigt wird und wie eine Armbanduhr aussieht, ermögliche eine "engmaschige" Überwachung. Kontrolliert werden kann, ob sich der Überwachte zu vorgeschriebenen Zeiten in der Nähe seines Telefons aufhält. Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass der Überwachte wöchentlich mindestens 20 Stunden einer "sinnvollen Tätigkeit" nachgeht.

Mit der elektronischen Fußfessel, so das Justizministerium, würde die Begehung neuer Straftaten verhindert und die Resozialisierung gefördert. Die Disziplinierungsfunktion wurde vom hessischen Justizminister Christian Wagner dabei besonders hervorgehoben:

Mit Hilfe der Technik wird dem Verurteilten jeden Tag wieder neu klar gemacht, dass er sich an bestimmte Vorgaben zu halten hat. Bei einem Verstoß riskiert er den Bewährungswiderruf und muss die verhängte Strafe verbüßen. Die elektronische Fußfessel setzt bei den Straftätern Motivationen und Kräfte frei, die mit herkömmlichen Mitteln der Bewährungshilfe nicht erreicht werden können. Die Fußfesselträger werden zu einer für ihre Verhältnisse hohen Selbstdisziplin und zur Erfüllung des ihnen vorgegebenen Wochenplans angehalten.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch weitere Anwendungsmöglichkeiten, die vom Justizminister genannt werden. Disziplinierung war einst auch die primäre Aufgabe des "Zuchthauses", das man so zu einem Gefängnis mit einem weichen, aber permanent vorhandenen Gitter dezentralisieren kann, zumal wenn, wie in Großbritannien, Wiederholungstäter und Pädophile mit einem GPS-Fußfessel ausgestattet werden, mit der bis auf den Meter genau zu jeder Zeit ihr Aufenthaltsort festegestellt werden kann. In den USA, wo elektronische Überwachung am längsten eingesetzt wird, denkt man an weitere Anwendungsgebiete: Elektronische Fußfessel für Asylbewerber (3).

In Deutschland wurde auch schon mal überlegt, ob man nicht auch Jugendliche, die die Schule schwänzen, an die elektronische Leine hängen sollte ( Elektronische Leine zur Kompensation von Schulmisere und mangelnder Fürsorgepflicht der Eltern (4)). Wagner scheint hingegen auch eine Neuauflage dessen zu denken, was man früher "Arbeitshäuser" nannte, also die Vorläufer der Gefängnisse für Arbeitsscheue, in denen man meist Arme und Randgruppen wie Landstreicher, Bettler, Prostituierte, Alkoholiker einsperrte und sie mit Arbeit und Religion zu "behandeln" suchte. Der hessische Justizminister gibt in diesem Sinne zu bedenken, dass die elektronische Überwachung auch Langzeitarbeitslosen wieder Disziplin beibringen könne:

Die elektronische Fußfessel bietet damit auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren und in ein Arbeitsverhältnis vermittelt zu werden. Viele Probanden haben es verlernt, nach der Uhr zu leben, und gefährden damit gerade auch ihren Arbeitsplatz oder ihre Ausbildungsstelle. Durch die Überwachung mit der elektronischen Fußfessel kann eine wichtige Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden.

Freilich wird auch noch der "höchst positive Nebeneffekt" erwähnt, dass Haftkosten eingespart werden können. So koste ein Straftäter an der elektronischen Leine angeblich 56,40 Euro pro Tag, ein Haftplatz hingegen 85,18 Euro.

In Großbritannien werden auch Kinder wegen antisozialen Verhaltens elektronisch überwacht werden

Weniger euphorisch ist ein gerade veröffentlichter britischer Bericht. Nach diesem von der Gewerkschaft der Bewährungshelfer Napo (5) erstellten Bericht (6) könne elektronische Überwachung zumindest nicht die Kriminalität reduzieren und käme auch teurer als die herkömmliche Betreuung durch Betreuungshelfer. Dieses Ergebnis wird dem Innenminister nicht gefallen, der Verträge (7) mit zwei Firmen über 750 Millionen Euro abgeschlossen hat, um die Zahl der Überwachten bis 2008 zu verdoppeln und so die überfüllten Gefängnisse zu entlasten. Angeblich liege die Kostenersparnis bei 36 Prozent.

Derzeit werden 10.000 Straftäter auf Bewährung elektronisch überwacht (8), die normalerweise zwischen sieben Uhr Abend und sieben Uhr Morgen Hausarrest haben. Insgesamt waren es in den letzten 12 Monaten 25.000 Personen, darunter befinden sich zahlreiche Kinder und Jugendliche. Bekannt wurde zuletzt der Fall von Jermaine Pennant, einem Fußballer von Arsenal, der wegen Trunkenheit am Steuer zu einer Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt wurde und nach 31 Tagen Haft frei kam. Die elektronische Fußfessel trug er auch beim Spielen.

Raphael Rowe hatte erst vor kurzem in einer BBC-Sendung berichtet (9), dass er bei seinen Nachforschungen Straftäter auf Bewährung getroffen habe, die trotz elektronischer Überwachung, aber wegen lascher Überprüfung weiterhin ihren kriminellen Geschäften nachgehen oder die Auflagen umgehen. Nach dem Naop-Bericht hat beispielsweise ein Straftäter das Ausgehverbot 34 Mal verletzen können, bevor er wieder ins Gefängnis zurück musste. Die Überwachung wird an Privatfirmen vergeben, die gut daran verdienen. Insgesamt hat das britische Innenministerium für die elektronische Überwachung in den letzten vier Jahren fast 350 Millionen Euro ausgegeben. Für jeden elektronisch Überwachten zahlt der Staat 2.500 Euro (nach dem Innenministerium 2.000 Euro) , die realen Kosten der Firmen schätzt die Napo auf 900 Euro. Das wäre also ein gutes Geschäft. Seit 1999 sind bereits mehr als 200.000 Menschen elektronisch überwacht worden. 5 Prozent mussten nach einer Statistik während der Überwachung wegen der Verletzung der Auflagen wieder ins Gefängnis zurück. Harry Fletcher von der Gewerkschaft kritisiert, dass elektronische Überwachung zu einem Millionengeschäft geworden ist. Der Profit sei groß, aber die Ergebnisse würden deutlich machen, dass diese Technik das Geld nicht wert ist.

Die Kosten für die herkömmliche Betreuung schätzt die Napo gerade einmal auf die Hälfte, zudem sei hier der Erfolg größer. Selbst das Innenministerium musste einräumen (10), dass bei jugendlichen Straftätern im Alter zwischen 10 und 17 Jahren, die elektronisch überwacht wurden, innerhalb von 12 Monaten nach Ende der elektronischen Überwachung 75 Prozent rückfällig wurden. Die permanente Überwachung mit GPS-Geräten könnte hier effizienter sein. In Großbritannien laufen hier bereits in Greater Manchester, West Midlands und Hampshire erste Tests. Damit lässt sich der Aufenthalt auf zwei Meter genau feststellen. Allerdings wird die Lokalisierung in aller Regel nur gespeichert, da die Signale nicht in Echtzeit übertragen werden. Bei einem Test werden die Signale aber dann in Echtzeit gesendet, wenn der Überwachte ein bestimmtes Gebiet verlässt.

Links

(1) http://www.justiz.hessen.de/C1256BA6002C3380/vwContentByKey/6CFBE9EDA33E165CC1256FC5003E99EE/$File/CeBIT%20EFF%202005.pdf
(2) http://www.telepolis.de/r4/artikel/8/8103/1.html
(3) http://www.telepolis.de/r4/artikel/19/19597/1.html
(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/15/15913/1.html
(5) http://www.napo.org.uk/
(6) http://www.napo.org.uk/cgi-bin/dbman/db.cgi?db=default&uid=default&ID=111&view_records=1&ww=1
(7) http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/cm200304/cmhansrd/cm041115/text/41115w47.htm
(8) http://www.probation.homeoffice.gov.uk/output/Page137.asp
(9) http://news.bbc.co.uk/1/hi/uk/4365175.stm
(10) http://news.independent.co.uk/uk/crime/story.jsp?story=632765

[  telepolis.de

[  zahlreiche dateien des hessischen ministeriums zum thema fußfessel

Von 2002 bis 2004 wurde die elektronische Überwachung an sogenannten StraftäterInnen erprobt.Der Versuch wurde vom Max-Planck-Institut unternommen.Im folgenden gibt es Berichte der Untersuchungen und zwei Interviews mit einem Herrn Albrecht vom Max-Planck-Institut.

Modellprojekt Elektronische Fußfessel
Wissenschaftliche Befunde zur Modellphase des hessischen Projekts 2004

[  iuscrim.mpg.de

[  Evaluation eines Modellprojekts zum Einsatz der elektronischen Fußfessel 2002 - 2004 (Hessen)

[  Modellprojekt Elektronische Fußfessel Befunde der Begleitforschung 2002

[  "Die Fußfessel diszipliniert" Interview CHRISTIAN RATH / 19.6.2002

[  "Überwiegend eine Alternative zur Freiheitsstrafe"
   BZ(badische zeitung)-INTERVIEW mit Hans-Jörg Albrecht über den hessischen Modellversuch zur elektronischen Fußfessel für Straftäter / 
   29. Juni 2002





20. November 2005
Opposition fordert neues Konzept für Strafvollzug in Hamburg
Die neu eingerichtete Jugendhaftanstalt Hahnöfersand ist längst nicht voll belegt

Während Hamburger Gefängnisse wie die Untersuchungshaftanstalt noch unter Überbelegung ächzen, bietet die Justizvollzugsanstalt für Jugendliche in Hahnöfersand reichlich freie Zimmer. Von 211 Haftplätzen, die im geschlossenen Vollzug für die Straf- und Untersuchungshaft bereitstehen, sind gerade einmal 135 belegt. Im Jahr 2004 waren es noch 155.

Die Schere zwischen Angebot und "Nachfrage" öffnet sich damit weiter. Nicht viel besser sieht es derzeit im gerade erst neu eingerichteten Jugendarrest in Hahnöfersand aus, auch dort sind von 36 Plätzen nur 13 belegt, wie aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage der GAL hervorgeht.

Lassen die Jugendrichter die Zügel schleifen und verhängen sie weniger Haftstrafen? Dem steht entgegen, daß die Verurteilung von Jugendlichen in Hamburg tendenziell zunimmt. Die Anzahl der Heranwachsenden, die nach Jugendstrafrecht verurteilt worden, stieg etwa von 982 (2001) über 1146 (2003) auf 1232 (2004) an, wie eine Senatsantwort auf eine CDU-Anfrage zeigt. Die Zahl der nach Strafrecht verurteilten Jugendlichen blieb dagegen in den letzten Jahren um die 190 relativ konstant.

Ein möglicher Erklärungsansatz könnte laut Justiz-Experten lauten: Immer mehr Jugendliche geraten in Untersuchungshaft und sitzen dort bereits einen Teil der Strafe ab, was ihnen später angerechnet wird. "Die Belegungslücke ist im Laufe der Jahre größer geworden", meint GAL-Rechtsexperte Till Steffen. "Das deutet darauf hin, daß hier zu große Kapazitäten bereitstehen." Wie schon im Erwachsenenvollzug setzte die Justizbehörde auf riesige Kapazitäten, die keiner benötige. "Man hätte schon überlegen können, ob nicht der neu gebaute Jugendarrest hätte besser in die bestehenden Gebäude integriert werden sollen. Aufgrund der Zahlen drängt sich auf, den Arrest zu verkleinern."

Und noch einen Vorschlag hat der GAL-Experte: "Hamburg fehlt immer noch eine geschlossene Jugendpsychiatrie. Jugendliche müssen in solchen Fällen in der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht werden. In Hahnöfersand wäre aber Platz für eine sol- che Einrichtung, die Hamburg dringend benötigt." Zudem stelle sich die Frage nach den Finanzen, so Steffen. "Wir können anhand der Zahlen feststellen: Hier wird Geld im Jugendstrafvollzug nicht zielgerichtet eingesetzt." Wenn man wirklich wollte, könnte man den Jugendstrafvollzug verkleinern, und die Mittel in andere Hilfen für kriminelle Jugendliche lenken. Die CDU-Rechtsexpertin Viviane Spethmann ist von der Einrichtung überzeugt: "Auch vor fünf bis sechs Jahren war die Belegung nicht ausgeschöpft. Wir wollen den Leistungsstandard der Anstalt, auch angesichts der Sparzwänge, aufrechterhalten." Dazu gehörten die intensive Betreuung der inhaftierten Jugendlichen mit hohem psychologischer Standard und viele Ausbildungs- und Schulmöglichkeiten. Spethmann: "Diese Maßnahmen liegen uns sehr am Herzen, auch wenn die Politik keinen unmittelbaren Einfluß auf die Belegungszahlen hat."

Für die SPD wiederum zeigt sich jetzt, "daß wir auf Sicht keinen Haftplatzmangel in Hamburg haben", wie Innenexperte Andreas Dressel meint. Justizsenator Roger Kusch, der einen dritten Ausbau der JVA Billwerder ins Auge fasse, solle deshalb keinen herbeireden.

[  wams.de





19.November 2005
»Da müssen sofort Handschellen klicken«
Minister will weiter gefährliche Straftäter auch ohne erneute Tat und Urteil in Haft nehmen 

Die Justizministerkonferenz hat sich jüngst auch mit der Stärkung der Führungsaufsicht für gefährliche Straftäter nach ihrer Haftentlassung befasst. Dem Ressortchef in Schwerin schwebt bei Verstößen gegen Weisungen sogar sofortige Inhaftierung ohne Urteil vor.

Mecklenburg-Vorpommern war Berichterstatter zum Thema Führungsaufsicht für die Herbsttagung der Justizminister aus Bund und Ländern. Was Minister Erwin Sellering (SPD) seinen Kollegen konkret vorgelegt hat, war selbst in seinem Hause nicht zu erfahren. Dort verwies man auf die Wiedergabe seiner Äußerungen in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Danach will Sellering erreichen, dass aus der Haft entlassene »Gewalt-Straftäter«, die »weiter hochgefährlich sind«, bei »schwerwiegenden Verstößen« gegen ihnen im Rahmen der Führungsaufsicht erteilte Weisungen »wie etwa völligem Untertauchen« auch ohne Verdacht auf eine neue Straftat und ohne Gerichtsurteil inhaftiert werden können. »Da müssen sofort wieder die Handschellen klicken«, wird Sellering von dpa zitiert.

Wie seine Pressesprecherin gegenüber ND sagte, denkt der Minister in solchen Fällen an drei Stufen der Freiheitsentziehung:

• Vorführung durch die Polizei

• Warnarrest

• Inhaftierung.

Letztere soll dpa zufolge solange andauern, »bis der dann eingeleitete Prozess abgeschlossen sei«. Wird dem Betreffenden keine neue Straftat vorgeworfen, könnte es dabei nur um zweierlei gehen:

– eine bisher im Strafrecht nicht vorgesehene nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach statt – wie in § 66b Strafgesetzbuch fixiert – vor Ende des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder

– die Verhängung einer »Sicherungshaft«, die sich Sellerings Parteifreund Otto Schily als Bundesinnenminister für von ihm als »gefährlich« eingestufte Ausländer gewünscht hatte, die nicht abgeschoben werden können.

Letzteres ist nicht nur »verfassungsrechtlich bedenklich«, wie selbst Schily einräumte, sondern dürfte in Karlsruhe wie in Straßburg als grundgesetz- und menschenrechtswidrig beurteilt werden. Und ob die Notwendigkeit besteht, eine derart späte nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung per Gesetz zu ermöglichen, ist zumindest zweifelhaft.

Laut Sellering »gibt (es) eine ganz kleine Gruppe von Gewalt-Straftätern, bei denen es keine rechtliche Möglichkeit zur Anordnung einer Sicherungsverwahrung gibt und die deshalb nach Verbüßung ihrer Strafe aus der Haft entlassen werden müssen, obwohl sie weiter hochgefährlich sind«. Dazu gehöre auch der am Dienstag zu lebenslanger Haft und Sicherungsverwahrung verurteilte Mörder der 16-jährigen Carolin aus Graal-Müritz. Mitte Juli hatte der 29-jährige Mike S. die Schülerin vergewaltigt und dann erschlagen. Er war erst kurz zuvor nach Verbüßung einer siebenjährigen Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung und Entführung aus der Haft entlassen worden – obwohl ihm noch im März per Gutachten einer Psychologin eine unverändert große Gefährlichkeit attestiert worden war.

Aber S. wurde deshalb nur eine geringfügig vorzeitige Haftentlasssung verweigert. Ob nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung in Frage kommt oder gar unerlässlich ist, so der Anwalt der Familie des Opfers, Albrecht Lüthke, habe die zuständige Staatsanwältin in Stralsund nicht einmal geprüft. Die Eltern haben deshalb Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben, über die noch nicht endgültig entschieden ist.

Minister Sellering hat dennoch schon alle Vorwürfe an die Justiz zurückgewiesen. Und Generalstaatsanwalt Uwe Martensen behauptete laut dpa sogar, Sicherungsverwahrung für S. sei nicht möglich gewesen, weil zum Ende der Haft keine »neuen Tatsachen« über seine Gefährlichkeit bekannt wurden. Anwalt Lüthke verweist auf § 66b, Absatz 2 StGB. Danach hätte für S. zweifellos Sicherungsverwahrung angeordnet werden können. »Neuer« Tatsachen bedarf es in solchen Fällen nicht. Es genügt, dass »Tatsachen erkennbar« werden, »die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen«. Das war zweifellos der Fall. Der Prozessbeobachter von dpa wertet den den Vorstoß von Minister Sellering auch als »Flucht nach vorn«.

[  nd-online.de





17. November 2005
Achten auf Suizidgefahr

Erneut Selbstmord in U-Haft. SPD fordert Konsequenzen

In nur zwei Monaten drei Selbstmorde in Hamburger Gefängnissen - Grund für den SPD-Rechtsexperten Rolf-Dieter Klooß, erneut Alarm zu schlagen und Konsequenzen zu fordern. Nachdem sich bereits am 21. Oktober ein Insasse zwei Tage nach seiner Festnahme im Untersuchungsgefängnis Holstenglacis umgebracht hatte, wurde dort gestern der Häftling Willi R. erhängt an seinem Fenstergitter aufgefunden. Der 66-Jährige befand sich wegen des Verdachts des "schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern" in Untersuchungshaft. Bereits am 16. September hatte sich ein Gefangener in der Justizvollzugsanstalt Billwerder das Leben genommen.

Klooß fordert nun, die Justizbehörde müsse sich verstärkt mit der Problematik psychisch labiler Gefangener auseinander setzen. Dazu zähle, dass Gefangene ausreichend psychologisch auf mögliche Suizid-Gefahren begutachtet werden. "Ich denke, dass die Justizbehörde ihren Umgang mit Selbstmord-Gefährdung bei Häftlingen hinterfragen muss", erklärt der Abgeordnete. Justizsenator Roger Kusch (CDU) sei in der Pflicht, die Hintergründe zu erläutern. So wie er seine Verantwortung für die Beschäftigten der Gefängnisse wahrnehmen sollte, findet Klooß, solle der Senator "auch nicht vergessen, dass er auch für die Gefangenen Sorge trägt". MS

[  taz.de





15. November 2005
Megaknast mutiert weiter

Ausbau auf Kosten der Insassen und eines Sportplatzes: Pläne für den Ausbau der Justizvollzugsanstalt Billwerder liegen in der Schublade der Justizbehörde. Bedienstete warnen vor Pulverfass im Mammutknast und prangern Arbeitsbedingungen an von Kai von Appen

Die Pläne liegen schon in der Schublade: Allen Warnungen zum Trotz möchte Justizsenator Roger Kusch (CDU) die neue Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder nach taz-Informationen weiter zum Geschlossenen Mammutknast ausbauen. In der dritten Ausbaustufe sollen nochmals zwei Hafthäuser für weitere 250 Insassen entstehen. Dabei werden in dem einst für 390 Haftplätze geplanten Gefängnisneubau ab Januar 2006, nach Ende der zweiten Ausbaustufe, ohnehin bereits 800 Gefangene eingesperrt sein. "Ein Pulverfass", warnen Insider aus dem Strafvollzug.

Den Erweiterungsplänen zum Megaknast werden vor allem Freizeit- und Auslaufmöglichkeiten für die Insassen zum Opfer fallen. So seien die Planungen für einen Fußballplatz "bereits gestoppt worden", berichtet ein Insider. "Ein großer Sportpatz ist für jede Anstalt von großer Bedeutung, was wäre Santa Fu ohne seine Fußballmannschaft." Weil das ursprünglich nur als mittlere Einheit geplante Gefängnis nicht mehr weiter in die Breite wachsen kann, sei die Verdichtungsvariante notwendig geworden. Früher geäußerte Alternativpläne - das Gefängnis etwa in die Höhe zu vergrößern - seien ebenfalls nicht machbar. Die zweigeschossigen Häuser stehen wegen des Marsch-Untergrundes auf Pfählen, die Statik lasse keine Aufstockung zu.

Justizbehördensprecher Carsten Grote bestätigt zwar grundsätzlich die Existenz von Plänen für einen dritten Bauabschnitt. Diese seien momentan aber nicht "virulent", so Grote: "Die Entwicklungen der Gefangenenzahlen sind so, dass wir eine dritte Ausbaustufe einstweilen nicht benötigen", erläutert er gegenüber der taz, "obwohl wir sie aufgrund der Bebauungspläne jederzeit in Angriff nehmen könnten." Auch wenn sich an der Entwicklung der Häftlingszahlen kurzfristig nichts ändern dürfte, wird der geplante Sportplatz der Anstalt für eine mögliche Erweiterung freigehalten. "Wir können schlecht von Steuergeldern einen Sportplatz bauen", sagt Grote, wenn dieser in zwei, drei Jahren einer Erweiterung wieder weichen müsste. In scharfer Form rechnet indes der Personalrat der JVA Billwerder mit den Zuständen ab. "Ein Krankenstand von 15 Prozent, und das nicht erst seit gestern", klagt der Personalratschef Klaus Neuenhüsgen im aktuellen Forum, der Zeitschrift des Landesverband Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter. Immer mehr Personal werde von der Justizbehörde abgebaut, in Billwerder sei die Zahl in diesem Jahr von 102 MitarbeiterInnen auf 88 im Allgemeinen Vollzugsdienst reduziert worden. "Die Arbeitsbelastung steigt, der Frust ebenfalls", schreibt Neuenhüsgen und setzt sich kritisch mit dem Kusch-Konzept des Megaknastes auseinander.

Ende 2002 hatte der Senator die Ad-hoc-Entscheidung getroffen, den für 390 Inhaftierte konzipierten Komplex des offenen Strafvollzugs - eigentlich der Ersatz für die Anstalten auf dem ehemaligen KZ-Gelände Neuengamme - umzufunktionieren in einen Geschlossenen Knast für 800 Gefangene. Die JVA Billwerder mutierte damit zu einen der größten Geschlossenen Gefängnisse in Norddeutschland. "Eine Anstalt so groß und unüberschaubar, in der sich die KollegInnen und Kollegen mitunter wochenlang nicht zu Gesicht bekommen", beklagt Neuenhüsgen, "geschweige denn ihrem Anstaltsleiter begegnen." In einer solchen Atmosphäre sei es schwierig, "Identität und Solidarität" zu entwickeln, so Neuenhüsgen, "die so wichtig sind für unsere Arbeit."

[  taz.de





November 2005
Am Ende steht der Verwahrvollzug

Bundesweit sitzen in insgesamt 204 Strafanstalten 81.166 Gefangene ein, davon sind 4.152 Frauen und 7.021 Jugendliche. 4.051 Menschen sitzen eine sog. Ersatzfreiheitsstrafe ab,1 sind also im Gefängnis, weil sie eine verhängte Geldstrafe nicht zahlen konnten oder wollten.

Konzept des "Wegsperrens"

Diese hohen Zahlen beruhen auf dem von nahezu allen Bundesländern favorisierten konservativen Konzept des "Wegsperrens". Dieses betrifft jedoch nicht nur die Quantität der Gefangenen, sondern auch die Qualität des Vollzugs: Von den 81.166 Gefangenen befinden sich nur 10.878 im offenen Vollzug und das, obwohl ein nicht geringer Anteil der Strafgefangenen lediglich eine Freiheitsstrafe von bis einschließlich einem Jahr verbüßt.2

Diese Praxis ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich. Sie widerspricht neben dem vom Gesetzgeber in § 2 Satz 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) normierten Gedanken der Resozialisierung auch den zahlreichen kriminologischen Forschungsergebnissen, die belegen, dass ein Gefängnisaufenthalt in der Mehrzahl der Fälle gerade nicht dazu führt, dass die Betroffenen keine weiteren Straftaten begehen. Vielmehr wird durch die mit einem Gefängnisaufenthalt einhergehende Stigmatisierung der Betroffenen sowie den Verlust von Wohnung, Arbeitsplatz und sozialen Beziehungen eine "kriminelle" Entwicklung gefördert.3 Zu diesem Ergebnis kommt auch eine vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Statistik, deren Ergebnisse seit Februar 2004 vorliegen. Demnach ist die geringste Rückfallquote (30 %) bei denjenigen zu verzeichnen, die lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt wurden - während die Rückfallrate derjenigen, die zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden, mit 56 % die höchste darstellt (bei zu einer Bewährungsstrafe Verurteilten betrug die Rückfallquote 45 %). 4

Verschärfend kommt die Überbelegung der Haftanstalten hinzu. Auf die o.g. 81.166 Gefangenen kommen gerade mal 79.204 Haftplätze. Berücksichtigt man hierbei, dass die Haftanstalten grundsätzlich wegen der Dispositionsreserve ab einer Auslastung von 90 % als überbelegt gelten, heißt das in der Konsequenz, dass jede/r achte Gefangene in einer überbelegten Zelle lebt. Die gegenwärtige Praxis der Doppel- und Mehrfachbelegung von zu kleinen Zellen, in denen sich das Klo in der Regel innerhalb des Haftraums befindet, stellt jedenfalls einen Verstoß gegen die Menschenwürde dar und ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts5 rechtswidrig.

Armut als Ursache von Kriminalität

Gänzlich ausgeblendet wird, dass die (Über-)Belegung der Gefängnisse auch unmittelbarer Ausdruck gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse ist. Ein Großteil derer, die in bundesdeutschen Gefängnissen ihre Strafe absitzen, sind nicht etwa Menschen, die wegen besonders schwerer Delikte wie Mord (4.613 Gefangene), Kindesmissbrauch (4.481 Gefangene) etc. verurteilt wurden, sondern überwiegend diejenigen, die durch die vorherrschende kapitalistische Verwertungslogik vom gesamtgesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen sind. Darauf lässt jedenfalls die Tatsache schließen, dass die Anzahl derer, die aufgrund von Eigentumsdelikten (Diebstahl und Raub) einsitzen, mit insgesamt 22.223 Gefangenen die mit Abstand größte Gruppe in bundesdeutschen Haftanstalten darstellt.6 Auch die soziale Struktur in den Gefängnissen deutet auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Armut und Kriminalität hin: 73 % der Gefangenen waren vor ihrem Gefängnisaufenthalt arbeitslos, 62 % lebten von Arbeitslosengeld/-hilfe oder Sozialhilfe, rund 46 % hatten keinen Schulabschluss.7 Neben der Kritik des Verwahrvollzugs ist also zu bedenken, dass in erheblichem Maße Personen einsitzen, hinsichtlich derer schon die Notwendigkeit und Angemessenheit eines resozialisierenden Vollzugs fraglich ist, da bestimmender Faktor für das kriminelle Verhalten kein behandelbarer persönlicher "Defekt" sondern die soziale Situation ist.

Dass die gegenwärtige Entwicklung in der BRD nicht darauf hoffen lässt, dass die Anzahl derer, die zur Erreichung eines besseren Lebensstandards zu illegalen Mitteln greifen, zukünftig abnehmen wird, zeigt u.a. der von der Bundesregierung Anfang März 2005 vorgelegte Armutsbericht. Demnach ist der Anteil der unter der Armutsgrenze lebenden Menschen von 1998 bis 2003 von 12,1 auf 13,5 % gestiegen. Von den Familien sind sogar 13,9 % verarmt. Damit gelten mehr als elf Millionen BundesbürgerInnen als arm. Gleichzeitig nahm der Besitzanteil der Reichsten im Lande am Gesamtvermögen zu. Während die unteren 50 % der Haushalte weniger als 4 % des gesamten Nettovermögens besitzen, haben die reichsten 10 % der Haushalte knapp 47 %.8

Insofern ist eine effektive Bekämpfung von Kriminalität aus politischer Perspektive nur dann möglich, wenn deren Ursachen, nämlich unter anderem die ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums und die umfangreiche Kriminalisierung und Verfolgung von einfachster Eigentumskriminalität, wenn schon nicht beseitigt, so zumindest auf ein Minimum zurückgedrängt werden. Aus juristischer Sicht ist es erforderlich, die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten außerhalb des Freiheitsentzuges konsequent zu nutzen und - wenn die Schwere der Straftat dem entgegensteht - den Vollzug jedenfalls auf die Resozialisierung der/des Gefangenen auszurichten, wie es im Übrigen auch das Gesetz vorsieht. Von Lösungsansätzen dieser Art wollen die HardlinerInnen der "law and order"-Politik selbstredend nichts wissen. Vielmehr ist insgesamt eine grundlegende Abkehr vom Behandlungs- bzw. Resozialisierungsvollzug zu sehen.9

Luxusurlaub und Modernisierung

So auch in der Freien und Hansestadt Hamburg: Seit dem Amtsantritt von Justizsenator Roger Kusch (CDU) am 31.10.2001 gehört die Praxis des vergleichsweise liberalen Strafvollzugs der Vergangenheit an. Kusch hatte von Anfang an keine Zweifel über seine Vorstellungen von Strafvollzug gelassen. Mit propagandistischen Aussprüchen wie "Haft darf kein Luxusurlaub sein. Haft muss wieder als Haft spürbar sein!"10 und "Für mich ist der geschlossene Vollzug die Regel, nicht der offene"11 machte der amtierende Justizsenator klar, dass unter seiner Leitung fortan nicht mehr die verfassungsrechtlichen12 und gesetzlichen Vorgaben (§ 2 StVollzG) der Resozialisierung als erstes Vollzugsziel gelten sollen, sondern statt dessen der Verwahrvollzug im Vordergrund steht.13

Anstatt also den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung auszurichten, worauf der/die Gefangene einen aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz folgenden grundrechtlichen Anspruch hat,14 setzt der konservative Justizsenator auf US-amerikanische Verhältnisse. Im Interesse der Modernisierung des Hamburger Strafvollzugs machte sich Kusch im August 2002 gar auf den weiten Weg nach Phoenix (US-Bundesstaat Arizona), um sich dort von Sheriff Joe Arpaio ein paar Anregungen zu holen.15 Sheriff Joe Arpaio gilt als der "härteste Sheriff der USA", weil er seine Gefangenen in rosa Unterwäsche hält, diese aus Schweinetrögen essen lässt und sie zudem in unmittelbarer Nähe zu Müllhalden unterbringt, damit diese "gleich wissen wo sie hingehören".16

Dass Verhältnisse wie in Arizona - jedenfalls die Rechte der Gefangenen betreffend - durchaus Vorbildcharakter für den Hamburger Strafvollzug haben können, machte Kusch dann auch im Zuge seines Modernisierungsprojektes unmissverständlich deutlich. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurden konsequent alle Spritzenautomaten in Hamburger Haftanstalten abgebaut und die Ausgabe von sterilen Spritzen durch MitarbeiterInnen der jeweiligen Vollzugsanstalt eingestellt. Drogenabhängige Gefangene erhalten seitdem nur noch für die Dauer eines Entzuges Methadon - wer rückfällig wird, wird mit Fernseh- oder Radioentzug, Besuchsbeschränkungen und sogar Arrest bestraft.17 Folge dieser repressiven Drogenpolitik im Strafvollzug ist, "dass nun wieder vermehrt eine Suchtbefriedigung im Haus zu beobachten ist", wie der Sprecher der Insassenvertretung, Sven Born, in einem offenen Brief schreibt.18

Mit diesem offenen Brief hatten sich die Gefangenen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel, Haus II (Santa Fu) im August 2003 an die Öffentlichkeit gewandt, um auf die Verschlechterung ihrer Haftbedingungen aufmerksam zu machen. Kritisiert wurde neben der restriktiven Drogenpolitik die Streichung von Besuchstagen, die Kürzung der Hausarbeiterlöhne um 20 %, verlängerte Einschlusszeiten, die unverhältnismäßige Einschränkung der Telefonierzeiten, die von Kusch verfassungs- und rechtswidrig wieder eingeführte Doppelbelegung von Zellen und der Wegfall der Haftplätze im offenen Vollzug durch die Inbetriebnahme der JVA Billwerder. Der Justizsenator selbst hielt es, so eine weitere Kritik der Gefangenen, trotz mehrfacher Einladung nicht für nötig, sich mit den Gefangenen auseinander zu setzen.

8-qm-Zellen, Doppelbelegung und die Menschenwürde

Ähnliche Erfahrungen mit Kuschs Ignoranz hatten knapp ein Jahr zuvor bereits die Vorsitzenden der Hamburger Strafvollstreckungskammern gemacht. Mit Bezug auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts19, die in der Doppelbelegung der 8 qm kleinen Zellen mit offenen Toiletten und ohne Entlüftung in Santa Fu einen Verstoß gegen die Menschenwürde gesehen hat, verlangten die Vorsitzenden der Hamburger Strafvollstreckungskammern in einem gemeinsamen Schreiben an den Justizsenator die Einstellung der von diesem im Februar 2002 angeordneten rechtswidrigen Praxis der Doppelbelegung. Die Kammern selbst hatten dem bereits im Wege des Eilrechtsschutzes ein Ende bereitet. Trotzdem wurde die unzulässige Doppelbelegung nun auf "freiwilliger" Basis fortgesetzt und gipfelte schließlich darin, dass der Justizsenator die Haftanstalten Anfang März 2002 in einem Schreiben anwies, keine Doppelbelegung vorzunehmen, wenn erkennbar sei, dass diese im konkreten Fall durch die Strafvollstreckungskammer wieder aufgehoben würde. Kusch sah sich aber weder genötigt, zu der von ihm getätigten Anweisung Stellung zu beziehen, noch eine Zusicherung hinsichtlich einer generellen Einstellung der rechtswidrigen Doppelbelegungspraxis abzugeben.20

Ausnahmezustand als Normalität

Im Dezember 2003 schließlich machten die Gefangenen aus Haus II in Santa Fu ihrem Unmut Luft. Anlass hierfür war, neben den schon genannten Verschlechterungen, die geplante weitere Verkürzung der Aufschlusszeiten (Möglichkeit mit anderen Gefangenen gemeinsam die Freizeit zu verbringen)21 um eine Stunde.22 Anstatt am Ende der Freizeit in ihre Zellen zurückzukehren, versammelten sich zahlreiche Gefangene auf allen Etagen in der Mitte des Hafthauses und forderten eine Rücknahme der Einschränkungen. Zwar bestreitet der Senat, im Anschluss an die Protestaktionen Strafmaßnahmen verhängt zu haben - die von ihm eingeleiteten "Sicherheitsmaßnahmen" waren jedoch im Ergebnis nichts anderes: Haus II wurde ab dem 18. Dezember 2003 komplett unter Verschluss genommen und den Gefangenen vier Tage später von der Anstaltsleitung erklärt, dass dieser Zustand bis auf weiteres andauern würde. Vermeintliche "Rädelsführer" wurden ausgemacht und in andere Anstalten verlegt. Insgesamt vier Tage gab es für die Gefangenen keine Möglichkeit zu telefonieren, BesucherInnen wurden abgewiesen und den Gefangenen das über den Einkauf für die Weihnachtstage bestellte (und bezahlte) Fleisch nicht ausgehändigt. Ferner wurde angekündigt, dass "geeigneten" Gefangenen die "Chance" eingeräumt würde, ihren Vollzug freizügiger zu gestalten,23 oder um es mit anderen Worten zu sagen: Wer seinen Protest gegen die sich stetig verschlechternden Haftbedingungen aufgibt, kann auch mit Vergünstigungen rechnen.

Wie wirkungsvoll diese Versuche der Spaltung der Gefangenenproteste im Einzelnen waren, soll hier nicht beurteilt werden. Klar ist aber, dass der Senat die Proteste der Gefangenen zum Anlass genommen hat, längst geplante Verschärfungen im Strafvollzug schneller zu verwirklichen.24 Sprich: Der Ausnahmezustand ist seit Dezember 2003 Normalzustand in Haus II der JVA Fuhlsbüttel. Nach Angaben von Gefangenen wurde dort zudem ein sog. Stufenvollzug eingeführt, was bedeutet, dass sich nur die Gefangenen, die sich durch Wohlverhalten eine höhere Stufe "verdient" haben, in den Genuss bestimmter "Privilegien" kommen. Das betrifft sowohl die Dauer der Besuchszeiten (neue Gefangene, die zwangsläufig auf Stufe eins sind, haben z.B. nur alle 14 Tage Anspruch auf 60 Minuten Besuch) als auch die Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Weiterhin gilt: 22 1/4 Stunden Einschluss am Tag für alle Gefangenen (die nicht arbeiten); eine Stunde Hofgang am Tag; Aufschluss gerade mal eine Dreiviertelstunde täglich nach dem Abendessen, während der sich die Gefangenen ausschließlich auf ihrer Station bewegen können, sowie der Wegfall von Besuchen am Montag und Freitag.

Geschlossener Vollzug als Regelvollzug

Nicht anders dürfte sich die Lebensrealität der derzeit 419 Gefangenen in der JVA Billwerder gestalten. Die vom Vorgängersenat mit 382 Plätzen im offenen Vollzug konzipierte Anstalt25 wurde unter Leitung von Kusch kurzerhand umfunktioniert und soll nach der Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts im Herbst 2005 insgesamt 803 Plätze des geschlossenen Vollzugs umfassen.26 Damit würden dann für die derzeit 3.027 Strafgefangenen27 in Hamburg 2.915 Haftplätze im geschlossenen Vollzug "bereitstehen"28. Im Ergebnis bleiben dann nur noch 188 Haftplätze im offenen Vollzug - Ende 2001 waren es noch 631.29 Dabei wäre für viele Gefangene der offene Strafvollzug ausreichend und auch geeigneter. Das ergibt sich schon daraus, dass etwa die Hälfte der männlichen Gefangenen eine Freiheitsstrafe von unter einem Jahr absitzt und um die 70 % nicht wegen eines Verbrechens gegen Leib und Leben verurteilt wurden. Zudem liegen Erkenntnisse vor, dass ca. 30 % der Gefangenen auch die Voraussetzungen (keine Missbrauchs- und Fluchtgefahr, § 10 Abs. 1 StVollzG) für die Verlegung in den offenen Vollzug erfüllen.30

Für den Justizsenator bieten diese Tatsachen jedoch keinen Anlass, die Gestaltung des Vollzugs nach den gesetzlichen Vorgaben auszurichten, wonach gemäß § 3 StVollzG das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit als möglich angeglichen sein soll (§ 3 Abs. 1) und schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken ist (§ 3 Abs. 2). Der Vollzug ist deshalb darauf auszurichten, dem Gefangenen zu helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (§ 3 Abs. 3). Kusch hat vielmehr an die Stelle des gesetzlichen Auftrags die kostenintensive(re) "lebensfeindliche und lebensfremde Welt des halbmilitärischen Verwahrvollzugs"31 gesetzt, was neben der strikten Reduzierung von Haftplätzen im offenen Vollzug auch an dem massiven Abbau sonstiger Vollzugslockerungen (Ausgang, Urlaub, Freigang) sowie an der im Februar 2005 erfolgten Schließung der Übergangsanstalt Moritz-Liepmann-Haus deutlich zu sehen ist.32

Schließung sozialtherapeutischer Anstalten

Aufgegeben werden sollen auch die sozialtherapeutischen Anstalten Bergedorf und Altengamme. Trotz erheblicher Kosten für den erforderlichen Umbau und massiver Kritik33 an diesen Plänen soll der sozialtherapeutische Vollzug künftig in das Haus IV der JVA Fuhlsbüttel verlegt werden.34 Mit der Schließung der drei Anstalten will der Senat nach eigenen Angaben jährlich 0,7 Mio. Euro einsparen.35 Vor dem Hintergrund, dass sich allein die Kosten zur Gebäudeunterhaltung des Neubaus Billwerder (1,4 Mio. im Jahr)36 im Verhältnis zu den Einsparungen auf das Doppelte belaufen werden und dann zudem mit einer Unterbelegung von ca. 600 Haftplätzen im geschlossenen Vollzug zu rechnen ist, erscheint das Argument der Einsparungen geradezu lächerlich. Jedenfalls ist in den "Einsparungen" kein besonderer Grund i.S.v. § 123 Abs. 2 StVollzG zu sehen, so dass auch keine rechtsgültige Ermächtigung vorliegt, die sozialtherapeutischen Anstalten in eine Anstalt des geschlossenen Vollzugs einzugliedern.

Während in der Übergangsanstalt Moritz-Liepmann-Haus 45 behandlungs- und eingliederungsintensive Plätze zur Verfügung standen, werden bisher in der sozialtherapeutischen Anstalt Bergedorf (42 Plätze) schwerpunktmäßig Sexualstraftäter und in der Anstalt Altengamme (60 Plätze) überwiegend wegen Verbrechen gegen Leib und Leben verurteilte Menschen behandelt.37 Zahlreiche internationale und nationale Untersuchungen in Bezug auf die Effektivität der Sozialtherapie haben ergeben, dass die Rückfälligkeit nach Sozialtherapie deutlich seltener ist, als nach sozialtherapeutischen Maßnahmen im Regelvollzug.38 Die Ergebnisse der sozialtherapeutischen Anstalt Altengamme bestätigen dies insbesondere in Bezug auf die Rückkehrquote: Nach zwei Jahren waren 91 % und nach fünf Jahren 86 % nicht in den Strafvollzug zurückgekehrt. Die Rückkehrquote bei den aus dem Strafvollzug Entlassenen liegt dagegen bundesweit mit nur 71 % in Freiheit Gebliebenen nach vier Jahren ungleich höher.39

Der Erfolg der Sozialtherapie hängt jedoch unmittelbar davon ab, in welchem Rahmen sie stattfinden kann. Die organisatorischen Strukturen und Vorstellungen von Sicherheit und Ordnung einer Großanstalt des geschlossenen Vollzugs jedenfalls machen eine Straftäterbehandlung nach den Grundlinien der Sozialtherapie nahezu unmöglich.40 Schlussendlich unterläuft Kusch mit seinen "Einsparungen" nicht nur die gesetzlichen Vorgaben (§ 123 StVollzG), sondern nimmt auch wider besseren Wissens eine erhöhte Rückfallquote im Bereich der Schwerstkriminalität billigend in Kauf.

Wie weiter?

Die Tatsache, dass der Justizsenator offensichtlich ungeachtet der zahlreichen Proteste vollkommen unbeirrt seine rechts- und verfassungswidrigen Pläne in puncto Strafvollzug in Hamburg weiter verfolgt, veranlasst, die Frage nach dem "wie weiter" zu stellen. Wenn nicht Hamburger RichterInnen und JugendrichterInnen, nicht die ExpertInnen der kriminologischen Institute, nicht die (öffentliche) Amtsniederlegung des Anstaltsbeirats der JVA Fuhlsbüttel Gerhard Rehn, nicht die namhaften UnterzeichnerInnen des Hamburger Appells, nicht die Opposition und nicht die Gefangenen selbst der reaktionären Politik von Justizsenator Kusch Einhalt gebieten können, wer oder was dann?

Halten wir uns vor Augen, dass Kusch die einschneidenden Maßnahmen im Bereich des Strafvollzugs nur deshalb umsetzen konnte, weil er in seinen Vorhaben von der Regierung die notwendige Unterstützung erhielt und betrachten wir die politische Linie der Hamburger Regierung, so wird eines klar: Die Umstrukturierung des Hamburger Strafvollzugs ist Teil einer Politik, in deren Mittelpunkt jedenfalls nicht die Bedürfnisse und Interessen der Menschen stehen. Oder wie sonst sollten die massiven Kürzungen von Geldern in nahezu allen sozialen Bereichen, wie die Umstrukturierungsmaßnahmen an der Universität, die Kita-Gutscheine, die zehntausenden Ein-Euro-Jobs, die nächtlichen Abschiebungen, die rassistischen Polizeikontrollen, die Vertreibungen der "Drogenszene", das extrem verschärfte neue Hamburger Polizeigesetz - wie sonst sollte das alles zu verstehen sein, wenn nicht als Ausdruck eines konservativen, sich an kapitalistischen Wertvorstellungen orientierenden, politischen Selbstverständnisses des Hamburger Senats. Insofern kann der gegenwärtigen Politik, sowohl hinsichtlich des Strafvollzugs als auch alle anderen Bereiche des politischen und sozialen Lebens betreffend, nur dann Einhalt geboten werden, wenn sich die derzeit an vielen Punkten bestehende Kritik als Ausdruck einer allgemeinen, grundsätzlichen und von vielen Menschen getragenen Kritik an den bestehenden Verhältnissen artikuliert.

In diesem Sinne: Regierung stürzen!

Petra Dervishaj studiert Jura in Hamburg

Anmerkungen:

1 Vgl. Statistisches Bundesamt, Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten (...), Stichtagserhebung vom 31.03.2004, www.destatis.de - Publikationen - Rechtspflege.
2 Vgl. Statistisches Bundesamt, a.a.O.
3 Vgl. u.a. Dünkel, Frieder/Maelicke, Bernd, Irren ist (un-) menschlich, Neue Kriminalpolitik 2004, 131 (132).
4 Vgl. Pressemiteilung des Bundesjustizministeriums vom 04.02.2004, www.bmj.de.
5 Vgl. BverfG, Europäische Grundrechte-Zeitschrift (EuGRZ) 2002, 196 (198).
6 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachreihe 10, Reihe 4.1., 2004.
7 Vgl. Dünkel, Frieder, Empirische Beiträge zum Strafvollzug, 1992; Kaiser, Günther/Schöch, Heinz, Strafvollzug, 5. Auflage 2003, 316.
8 Vgl. Spiegel Online am 02.03.2005.
9 Vgl. Dünkel/Maelicke, a.a.O., 131.
10 Kusch, Hamburger Abendblatt (HA) v. 18.01.2001.
11 Kusch, HA v. 29.01.2001.
12 Vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) Band 35, 202 (235); 45, 187 (238), 98, 169 (200).
13 Vgl. Roth, Reinhold, Von den "Totengräbern im Hamburger Strafvollzug", Betrifft JUSTIZ 2002, 366 (366).
14 Vgl. BVerfGE 98, 169 (200).
15 Vgl. Junge Welt (jw) v. 30.06.2004.
16 Vgl. jw v. 30.06.2004; Die Zeit 3/2003.
17 Vgl. Pressemeldung der Justizbehörde, 07.02.2002, www.hamburg.de; Roth, a.a.O., 366.
18 Vgl. 2 Jahre Mitte-Rechts-Regierung in Hamburg - Strafvollzug in Santa Fu, Veränderungen aus der Sicht der betroffenen Gefangenen, Offener Brief, 14.08.2003.
19 BVerfG, Urteil vom 12.07.2000 - 2 BvQ 25/00.
20 Vgl. Roth, a.a.O.
21 Vgl. Feest, Johannes/Pécic, Denis, Alternativkommentar Strafvollzugsgesetz, 4. Auflage 2000, § 17, Rn. 2.
22 Vgl. Pressemitteilung der GAL, 14.01.2004, www.gal-fraktion.de.
23 Vgl. Bürgerschafts-Drucksache 17/3978, Drucksachen und Protokolle der Hamb. Bürgerschaft: www.buergerschaft-hh.de/parldok.
24 Justizsenator Kusch auf der Bürgerschaftssitzung am 28.01.2004, Protokoll 3124 A.
25 Vgl. Presserklärung der Justizbehörde, 26.06.03.
26 Vgl. Hamburg - Metropole des Rechts, Schlaglichter 2004, 16, www.hamburg.de.
27 Vgl. Justizbehörde Hamburg, Strafvollzugsamt, Stichtagserhebung vom 30.03.2005.
28 Vgl. Hamburg - Metropole des Rechts, a.a.O., 16.
29 Vgl. Hamburger Appell, Hinz und Kunzt, April 2005, www.hinzundkunzt.de.
30 Vgl. Rehn, Gerhard, Pressemitteilung zur Amtsaufgabe, 16.06.2004.
31 Rehn, a.a.O.
32 Vgl. Hamburger Appell, a.a.O.; Rehn, a.a.O.
33 Vgl. u.a.: Hamburger Appell, a.a.O.; Rehn, a.a.O.; Erklärung von Hamburger ProfessorInnen des Instituts für
Kriminalwissenschaften und des Instituts für kriminologische Sozialforschung, 28.06.2004, www.gpk-ev.de/profbrief.pdf;
Offener Brief von RichterInnen der Strafvollstreckungskammern des LG Hamburg, 18.06.2004, www.richterverein.de.
34 Vgl. Hamburger Appell, a.a.O.; taz hamburg v. 04.01.2005.
35 Vgl. Pressemitteilung der Justizbehörde, 26.08.2004.
36 Vgl. Offener Brief von RichterInnen (...), 18.06.2004.
37 Vgl. Rehn, a.a.O.
38 Vgl. Rehn, a.a.O.; Erklärung von Hamburger ProfessorInnen (...), 28.06.2004.
39 Vgl. Erklärung von Hamburger ProfessorInnen (...), 28.06.2004.
40 Vgl. Rehn, a.a.O.; Offener Brief von RichterInnen (...), 18.06.2004.

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13. november 2005
Ein Sprachrohr, das durch Mauern dringt

Nach fast zehn Jahren gibt es im Celler Knast wieder eine Gefangenenzeitung. Die erste Ausgabe von „Damokles“ berichtet über das Leben hinter den Gittern der Justizvollzugsanstalt (JVA) in der Trift. Doch für die Macher ist es mehr als ein internes Nachrichtenblatt. „Damokles ist auch ein Sprachrohr in die Welt da draußen“, sagt Cornelius Albers. Der 44-Jährige ist Autor und Häftling zugleich.

  CELLE. Was geht eigentlich ab im Knast, wie sieht der Alltag der Häftlinge aus? „Damokles”, die neue Gefangenenzeitung der JVA Celle, will künftig viermal im Jahr berichten über das Leben hinter Gittern. Die erste Ausgabe ist gerade erschienen. Den Bundesliga-Spielplan findet man auf den 19 Seiten ebenso, wie Berichte zur Rechtsprechung und News vom knasteigenen Sportverein. Aber „Damokles” will mehr sein als ein internes Nachrichtenblatt. „Es ist ein Sprachrohr in die Welt da draußen,” sagt Cornelius Albers. Der 44-jährige ist Initiator und bislang einziger Autor der Zeitung. Und „die Welt da draußen” hat er lange nicht mehr selbst gesehen – höchstens im Fernsehen. Albers sitzt seit 1993 im Gefängnis.

Warum eine Knastzeitung? „Mit dem aktuellen Kinoprogramm können wir hier wahrlich nichts anfangen”, sagt der gelernte Schlosser. Aber Sachen ansprechen, die den Gefangenen nicht passen, „Wind in diese alten verstaubten Gemäuer pusten”. In der Trift sitzen momentan 215 Häftlinge, davon acht in der Sicherheitsabteilung. „Damokles” will denen eine Stimme geben, deren Ruf sonst von Mauern und Stacheldraht aufgehalten wird. „Wir wollen aber nicht jammern”, so Albers. „Jeder muss mit sich und seinen Straftaten selbst zurecht kommen.” Den „Leuten draußen” soll klar werden, dass im Knast zwar Straftäter sitzen, aber eben auch Menschen, die etwas Sinnvolles tun wollen. Albers: „Wir wollen berichten, nicht bagatellisieren.” Angst vor Zensur hat er nicht. „Ich weiß, dass alles von der Anstaltleitung gegengelesen wird.”

Der Anonymität hinter Gittern ein Gesicht geben – dazu gehören auch die „Aufpasser”: Für die kommende Ausgabe, die noch vor Weihnachten erscheinen soll, ist ein Porträt über Anstaltsleiter Werner Cordes geplant. Das Grußwort schreibt Justizministerin Heister-Neumann. Noch fehlt es an vielen Dingen: Geld für Material und Druck, einen vernünftigen Arbeitsraum – und Autoren. „Einzelkämpfer” Albers tippt auf einem Laptop, den er sich vom Anstaltspastor geliehen hat. Als Herausgeber fungiert mit Wolfgang Schütz ein JVA-Mitarbeiter aus dem Bereich Finanzen.

Den Namen „Damokles” hat Albers mit Bedacht ausgewählt: Der Celler wurde damals wegen Totschlags in zwei Fällen zu 15 Jahren verurteilt. Bis heute sagt er: „Ich bin unschuldig.” Eigentlich hätte er seine Strafe in drei Jahren abgesessen – wenn nicht ein neues Gesetz wie ein Damokles-Schwert an einem seidenen Faden über seinem Haupt schweben würde. „Weil Albers die Schuldeinsicht fehlt, könnte er nachträglich in Sicherheitsverwahrung kommen”, erklärt sein Mentor Schütz. „Er kann sich nicht sicher sein, 2008 tatsächlich rauszukommen.” Dabei will Albers doch draußen endlich Kontakt mit seinen beiden Kindern aufnehmen – und ein Buch schreiben über sein Leben. „Ich hatte schon immer einen Rappel fürs Schreiben”, sagt er.

Kontakt zu „Damokles” ist möglich über Wolfgang Schütz unter s (05141) 911124.

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13. November 2005
Knastbilanz
Weniger Häftlinge im Land
 

Nachhaltige Entspannung aber nicht in Sicht - Neue Anstalt in Offenburg wird 2009 bezogen Stuttgart - Die Zahl der Strafgefangenen im Südwesten ist leicht gesunken: Am Stichtag 31. März 2005 saßen 6262 Menschen in Haft, ein Jahr zuvor waren es noch 6347. Von den 6262 Strafgefangenen befanden sich 58 in Sicherungsverwahrung und 1010 im offenen Vollzug. Zusammen mit den von der Strafvollzugsstatistik nicht erfassten Untersuchungsgefangenen wurden die 8503 zur Verfügung stehenden Haftplätze zum 31. Oktober 2005 von 8620 (2004: 8621) Gefangenen belegt. Das teilte Justizminister Ulrich Goll (FDP) mit.

Angesichts dieser Zahlen kann laut Goll von einer nachhaltigen Entspannung der Situation noch nicht gesprochen werden. "Um den Haftplatzbedarf für Baden-Württemberg auch in Zukunft hinreichend zu decken, sind wir vor allem auf die in Offenburg bis 2009 entstehende neue Justizvollzugsanstalt angewiesen", betonte Goll. Mit dem Bau soll Ende 2006 begonnen werden.

Laut Statistik sind die meisten Strafgefangenen zwischen 25 und 40 Jahre alt (2952). Ihnen folgt die Altersgruppe der über 40-Jährigen (1979) und die der 21- bis 25-Jährigen (830). 418 Gefangene gehören zur Gruppe der Heranwachsenden, das sind die 18- bis 21-Jährigen. Mit 83 Strafgefangenen ist die Anzahl der jüngsten Personengruppe, nämlich der Jugendlichen (14- bis 18-Jährige), vergleichsweise gering.

Eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßten im Land zum Stichtag insgesamt 248 Straftäter (vier Prozent). Rund 60 Prozent wurde der überwiegende Teil der Strafgefangenen zu einer Langzeitstrafe, also Strafen zwischen einem Jahr und 15 Jahren, verurteilt. Kurzstrafen bis zu einem Jahr verbüßten rund 36 Prozent der Gefangenen.

Fast jeder fünfte Strafgefangene (18,8 Prozent) saß im Gefängnis, weil er gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen hat. Fast ebenso häufig (17,3 Prozent) sind Diebstahl oder Unterschlagung die Ursache des Freiheitsentzugs gewesen. Unter den Strafgefangenen befanden sich außerdem 11,1 Prozent Räuber oder wegen Erpressung Verurteilter. 10,4 Prozent waren Betrüger oder haben sich wegen Untreue strafbar gemacht. Eine Körperverletzung haben 9,7 Prozent der Gefangenen begangen. Wegen Straftaten gegen das Leben wurden 9,1 Prozent der Inhaftierten für schuldig befunden. 8,1 Prozent der Gefangenen haben eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung begangen. Hier lag zugleich der prozentual höchste Anstieg im Vergleich zum Vorjahr (plus 8,1 Prozent).

Der Anteil der nicht vorbestraften Häftlinge ist laut Goll im Vergleich zum Vorjahr um 0,8 Prozentpunkte gestiegen und beträgt nunmehr 31,3 Prozent der Strafgefangenen. Hingegen sitzen 2088 Gefangene nicht zum ersten Mal in Strafhaft, sondern hatten zuvor bereits Bekanntschaft mit dem Strafvollzug gemacht. Dabei landeten - wie in den vorangegangenen Jahren auch - etwa ein Drittel der wieder inhaftierten Gefangenen binnen eines Jahres nach ihrer letzten Entlassung erneut im Strafvollzug.

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13. November 2005
Härterer Kurs gegen Verbrecher
Fachleute fordern Polizei-Offensiven an Brennpunkten der Kriminalität. Ausgerechnet der liberale Innenminister hilft dabei

Der junge Mann saß auf einer Parkbank und schaute sich um, als fühle er sich beobachtet. Nach vielleicht zehn Minuten traten tatsächlich zwei Polizeibeamte hinter einem Gebüsch hervor und umkreisten ihn. Plötzlich marschierten sie auf ihn zu, verlangten mit schroffer Stimme den Ausweis und notierten die Personalien, bevor sie drohten: "Denk dran: Wir haben dich im Auge." Kurz darauf kamen die Polizisten zurück und erteilten dem verdutzten Mann einen Platzverweis. Andernfalls dürfe er eine Justizvollzugsanstalt von innen kennenlernen, erläuterten die Beamten.

Der junge Mann ward nie wieder in diesem Park gesehen. Und das war auch gut so. Denn bei dem Park handelte es sich um den "Kamper Acker", bis vor kurzem eine der kriminellsten Problemzonen der Landeshauptstadt Düsseldorf. Und bei dem jungen Mann, so stellte sich heraus, handelte es sich um den Mitläufer einer multinationalen Gang, die sich dort traf und mit Drogen handelte. Der Mann stand kurz davor, sich dieser Gang fest anzuschließen. Dieser Polizei-Einsatz ist eine von vielen kleinen Maßnahmen, aus denen der Erfolg des "Einsatztrupps PRIOS" resultiert. Kriminalisten und Polizei-Experten nehmen das Projekt der Düsseldorfer Polizei derzeit zum Anlaß, eine neue Gangart im Kampf gegen Kriminalität in NRW einzufordern: einen Kurs der permanenten Offensive. Denn dafür steht der Einsatztrupp PRIOS (Kürzel für "Präsenz und Intervention an offener Szene und Brennpunkten"), der am Wochenende sein einjähriges Bestehen feierte. Aus diesem Anlaß wurde nun eine Bilanz vorgelegt.

Deren Aussage ist ebenso eindeutig wie erfreulich: PRIOS demonstriert, welche Erfolge ein Kurs der permanenten Offensive gegen sogenannte "Angsträume" und Problemviertel erzielen kann. Weshalb zahlreiche Experten nun immer lauter fordern, auch andere Städte in Nordrhein-Westfalen sollten sich daran ein Vorbild nehmen. Die 30-Mann-Truppe wird in den jeweils brisantesten Brennpunkten der ganzen Stadt eingesetzt. Das Einsatzkonzept sieht vor, daß der Trupp massiv und in Uniform auf der Straße Präsenz demonstriert, potentielle Täter unablässig anspricht, Personalien aufnimmt, Platzverweise ausspricht und durchgreift, sobald kleinste Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden. So wird die Szene unter enormen Verfolgungsdruck gesetzt - ob orientalische Drogenhändler, auf Raub spezialisierte Jugendbanden, permanent alkoholisierte Spätaussiedler oder deutsche Hooligans.

Der Einsatztrupp kann dabei etwas leisten, was jede einzelne Polizeiinspektion überfordern würde: Wochenlang und notfalls rund um die Uhr kann PRIOS den Kriminellen oder Straftätern in spe alle Freude an ihrem Treiben nehmen, weil der Trupp meist sein ganzes Personal auf einen Brennpunkt wirft. Eine normale Polizeiinspektion dagegen muß an zahllosen Ecken ihres Bereiches gleichzeitig aufkreuzen, worüber ihre Schlagkraft verpufft. Und andere Einsatztrupps sind meist deutlich kleiner und deshalb weniger wirkungsvoll.

Das stärkste Argument für PRIOS als Vorbild ist zweifellos sein Erfolg: Die Kriminalitätsraten in den betroffenen Brennpunkten sanken im Vergleich zum Vorjahrszeitraum deutlich, mal von 184 auf 138 Delikte, mal von 121 auf 48, stets um mindestens ein Viertel. Und wenn sie wieder zu steigen drohten, schaute PRIOS einfach wieder vorbei. Dadurch verschwanden die polizeilichen Problemzonen zwar nicht, aber sie wurden entschärft und beherrschbar. Sie ließen sich so weit eindämmen, daß nicht mehr die Anwohner sie als "Angsträume" erlebten, sondern die Kriminellen.

Seinen größten Erfolg erzielte PRIOS aber nicht mit gesunkenen, sondern mit konstant gebliebenen Fallzahlen - nämlich in den Vierteln, die an die Einsatzgebiete angrenzten. Dort stieg die Kriminalität kaum an. Dadurch wurde der Einwand entkräftet, die Polizei-Offensiven würden Straftaten nicht verhindern, sondern nur in andere Viertel verlagern. Um dies halbwegs verläßlich beurteilen zu können, reicht der Zeitraum von zwölf Monaten aus, weil Verdrängungseffekte schnell einsetzen - wenn es sie denn gibt. Das bestätigt auch Wilfried Albishausen, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK): "Die Düsseldorfer Polizei hat erneut bewiesen, daß der Verdrängungseffekt bei repressiv agierender Polizei recht gering ist." Der offensive Abschreckungs-Kurs senke die Netto-Kriminalität.

Und das sei bei genauerem Hinsehen wenig verwunderlich. "Viele Täter sind Mitläufer-Typen oder Gelegenheitskriminelle, ob unter Hooligans, im Umfeld von Jugendgangs oder bei Kneipenschlägern. Die lassen sich, anders als Schwerkriminelle, oft schon von einer Personalienaufnahme abschrecken", erklärt Albishausen. Auch Kriminalisten wie der Hannoveraner Experte Christian Pfeiffer bestätigen, Abschreckung funktioniere bei vielen Tätertypen durchaus und nicht nur verdrängend, sofern die potentiellen Täter ein bestimmtes Maß an Überwachung erlebten.

Das leuchtet offenbar auch Politikern in anderen Kommunen ein. Jedenfalls wird bereits in Städten wie Aachen oder Duisburg gefordert, vom Düsseldorfer Modell zu lernen. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter und die Gewerkschaft der Polizei in NRW verlangen nun, das Düsseldorfer Modell in anderen Städten zu prüfen. Schließlich gebe es in etlichen Städten des Landes nicht nur das eine Zentrum der Straftäter, sondern noch viele kleine weitere Brandherde. Dafür brauche man mobile Einheiten. Und insbesondere die offene Prävention eines großen Trupps mit ihrem Abschreckungscharakter helfe, Straftaten schon im Vorfeld zu verhindern, anstatt erst nach den Verbrechen an der Aufklärungsquote zu arbeiten. Da Innenminister Ingo Wolf seinen Polizeibehörden Weisungen erteilen könne, solle er dieses Vorbild anderen Städten empfehlen.

Der Innenminister schätzt zwar den offensiven Kurs von PRIOS, diese Forderung aber mag er sich nicht zu eigen machen. Schließlich will er seine Polizeibehörden nicht über Gebühr maßregeln, denen er ohnehin schon viel zumutet. Und weil seine Parteifreunde das natürlich wissen, trägt Horst Engel, der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, sein Anliegen etwas moderater vor: "PRIOS ist ein Vorbild. Sein Erfolg und seine kluge Strategie mahnen die großen Polizeipräsidien in NRW, mehr Personal für den operativen Dienst freizusetzen" - um es den Düsseldorfern gleichzutun. Denn das verheiße Erfolg im Kerngeschäft der Polizei: "dem Fahnden anstelle des Verwaltens", so Engel.

Immerhin: Bei der Umsetzung dieser Maxime ist unter Wolfs Ägide bereits viel in Gang gekommen. So forderte Wolf kürzlich in einem Runderlaß an alle Polizeibehörden, wo immer möglich mobile Einsatztrupps und Gruppen für zentrale Kriminalitätsbekämpfung zu stärken, die sich "wechselseitige Unterstützung" leisten müßten. Die Fahnder sollten sich zu größeren Gruppen zusammenschließen, um ihre Schlagkraft zu erhöhen. Zudem verlangt der Minister in dem Rundschreiben, Polizisten "verstärkt täter- und brennpunktorientiert einzusetzen" und aus der aufgeblähten Verwaltung abzuziehen. Deshalb durchforstet er die Polizeibürokratie, um Personal freizusetzen für das Fahnden. Bis Ende Oktober mußten alle Polizeibehörden Konzepte vorlegen, wie sie diese Vorgaben umsetzen wollten. Am PRIOS-Vorbild, so ist zu hören, wollen sich viele Behörden orientieren. Und so mutiert ausgerechnet ein liberaler Innenminister zum Schirmherrn einer verschärften Repression. Till-R. Stoldt

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November 2005
Denn sie wissen, was wir tun

Geheimdienste und Polizei erfahren mehr über die Bevölkerung, als die Verfassung erlaubt. Und kaum einer merkt, wie seine Freiheit schwindet
Von Jochen Bittner

Das Infrarot-Erfassungsgerät sieht aus wie ein hochkant gestellter Toaster auf einem Kamerastativ. Ein kurzer Blick – und schon blinkt dem Betrachter sein eigenes, dreidimensional wirkendes Porträt vom Computerbildschirm nebenan entgegen. In einem Sekundenbruchteil hat der Rechner aus 64000 Abtastpunkten ein hologrammartiges Bild gezaubert. Wie zum Gruße schwingt es um die eigene Achse. Schaurig, wie die digitale Totenmaske aus leeren Augen blickt. Unheimlich, dass das eigene Spiegelbild macht, was es will.

Nächste Station: der Fingerabdruck. Ein junger Mitarbeiter am Institut für biometrische Identifikationssysteme an der Fachhochschule Friedberg versichert, die gescannten Daten blieben natürlich unter uns. Also gut, Daumen auf das Glasplättchen. Der Computer dankt und bittet um die nächsten drei Finger – ganz höflich, so ähnlich, wie ein Arzt fragen würde: Machen Sie sich bitte mal frei?

Die beiden Techniken, das Konterfei aus dem Computer und der digitalisierte Fingerabdruck, sollen künftig dem Vergleich an Grenzkontrollen dienen: Die aufgenommenen Daten werden mit dem Speicherinhalt eines Chips im Pass verglichen. So hat es das Parlament gleich nach den Terroranschlägen in den USA am 11. September 2001 beschlossen. Im Herbst soll es nun so weit sein, dann will die Bundesregierung die ersten Reisepässe mit Biometrie-Chip ausgeben. Von 2007 an soll der biometrische Personalausweis folgen.

Und, was ist schon dabei? Das bisherige Passfoto ist schließlich auch ein »biometrisches Merkmal«. Warum also den Vergleich zwischen eingetragenem Merkmal und Mensch den bisweilen müden Augen eines Grenzbeamten überlassen, wenn dies ein Computer viel zuverlässiger kann? Schließlich gilt: Terrorist erkannt, Gefahr gebannt.

»Volkszählungsurteil«, das klingt heute wie aus einer anderen Zeit

Doch die prozessorgestützte Identifizierung könnte noch viel mehr leisten. Unter bestimmten Voraussetzungen macht sie, kurz gesagt, den Menschen maschinenlesbar: Sollten die Gesichts- und Fingerdaten irgendwo zentral gespeichert werden, wird der Körper des Bürgers zum Strichcode, mithin so leicht zu verfolgen wie ein UPS-Päckchen. Mit recht geringem Aufwand ließen sich nicht nur Bewegungen identifizieren, sondern aufgrund dieser Informationen auch Gewohnheiten, Bekanntschaften, berufliche und private Absichten. Manch ein Sicherheitspolitiker bekommt angesichts solcher Möglichkeiten leuchtende Augen.

»Wir sollten ohne Scheuklappen darüber nachdenken, wo uns die moderne Technik helfen kann«, sagt Clemens Binninger, Sicherheitsexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Warum sollte man nicht die 300 so genannten islamistischen Top-Gefährder, die der Verfassungsschutz in seiner »Mudschahedin«-Datei führt, biometrisch registrieren, fragt der ehemalige Polizist. Ein paar unauffällige Polizei-Kameras, die in Fußgängerzonen oder Bahnhöfen sämtliche Passantengesichter mit einer biometrischen Verbrecherdatenbank abgleichen – fertig wäre der al-Qaida-Detektor. »Nehmen Sie zum Beispiel die Anschläge auf die Züge in Madrid. Vielleicht hätte man die verhindern können«, sagt Binninger, »hätte man gemerkt, dass diese Täter sich häufig an Bahnhöfen herumtrieben.«

Und es stimmt ja auch: Gegen neue Bedrohungen braucht es neue Instrumente. Freiheit, das bedeutete vor einigen Jahrzehnten für die meisten Deutschen noch die Abwesenheit von staatlicher Kontrolle. Doch je mehr die Erinnerung an Diktatur und Willkürherrschaft verblassten, desto mehr freundeten sich die Deutschen mit dem neuen Vater Staat an. Spätestens seit dem 11.September gedeiht geradezu eine Romanze zwischen Bürger und Big Brother. Sicher, für diesen Flirt gibt es eine Reihe guter Gründe: den 11.März 2004 in Madrid (fast 200 Tote), den 11. April 2002 (14 Deutsche starben bei einem Anschlag auf die Synagoge von Dscherba) und immer mal wieder ein paar ausgehobene Schläfer-Zellen rund um München oder Frankfurt. Die schlimmsten Gefahren für den Bürger gehen also nicht vom Staat aus, sondern von dessen fundamentalistischen Feinden. Auch nach dem nächsten Anschlag wird die Öffentlichkeit als Erstes fragen, ob Geheimdienste und Polizei den Terroristen nicht vorher hätten auf die Schliche kommen können. Und doch: Ist diesem Staat und dieser Gesellschaft eigentlich bewusst, wie weit sich die bundesrepublikanische Demokratie im Kampf gegen den Terrorismus schon von ihrem ursprünglichen freiheitlichen Selbstverständnis entfernt hat?

Frage an Clemens Binninger: Könnten nicht eine ganze Menge Personen in die biometrische Fahndungsdatenbank geraten? »Nur solche«, sagt Binninger, »die aufgrund ihrer Persönlichkeit als latente Gefahr für die öffentliche Sicherheit gelten können.« Gefährliche Persönlichkeiten? Wo fangen die an? Beim Bombenbasteln, ja, da ganz sicher. Aber wo fängt der Bombenbastler an? Beim Moscheebesuch? Beim Lesen arabischer Web-Seiten? Mit – zufällig – falschen Bekannten? Auf der Suche nach islamistischen Schläfern haben Bundes- und Landesregierung längst den Scanner ans Land gelegt, und gescannt werden zwangsläufig auch Unschuldige.

Genau das, was das Bundesverfassungsgericht 1983 im »Volkszählungsurteil« verboten hat, nämlich die systematische, maschinell gestützte Durchleuchtung der Bevölkerung, zählt seit dem 11. September zu den höchsten Prioritäten der Sicherheitspolitik – ohne dass dies bisher grundlegend debattiert worden wäre. Ein Blick in das Volkszählungsurteil zeigt, wie fremd uns das eigene Verfassungsrecht mittlerweile geworden ist. »Eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger« sei unzulässig, schrieben die Karlsruher Richter vor gut zwanzig Jahren. Zum »Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung« gehöre deshalb, dass grundsätzlich jedermann selbst entscheiden könne, was er wem gegenüber von sich preisgeben wolle.

Doch genau dies, das unbemerkte Profiling, die vorbeugende Einsicht ins Menscheninnere, ist Ziel von immer mehr »Schutzgesetzen«. Schon seit Inkrafttreten der beiden Antiterrorpakete aus den Jahren 2001 und 2002 (im Volksmund »Otto-Katalog«) dürfen Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst von Banken Informationen über Geldbewegungen einholen, die Post überwachen, von Fluglinien Reiseinformationen abrufen sowie Telefonate und E-Mails überwachen. Dem Bundeskriminalamt wiederum ist es erlaubt, von Behörden und Firmen Auskünfte über Bürger und Angestellte einzuholen. Gemäß dem »Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit« sollen sich vom 1. April an Sachbearbeiter der Finanz- und Sozialämter, in der Arbeitsagentur und der Bafög-Stelle quasi auf Knopfdruck und ohne richterliche Anordnung Übersicht über sämtliche Konten und Gelddepots des Bürgers verschaffen können. Ebenfalls ohne richterliche Genehmigung, so will es Rot-Grün, soll künftig die Speicherung von anonymem DNA-Material möglich sein. Um das Anzapfen des E-Mail-Verkehrs zu erleichtern, sind private Provider seit Anfang dieses Jahres verpflichtet, ihre Rechnerzentralen mit Hard- und Software nachzurüsten, die es erlauben, die Kunden im Auftrag der Polizei oder des Verfassungsschutzes zu überwachen.

Die Bürger von Thüringen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz müssen sich sogar darauf einstellen, dass ihre E-Mail-Konten künftig auch dann von der Polizei überwacht werden können, wenn keinerlei Verdacht gegen sie vorliegt. »Präventiv-polizeiliche Telekommunikationsüberwachung« heißt der einigermaßen revolutionäre Paragraf im Juristen-Sprech, den diese Länder ohne viel Aufhebens ins Landespolizeirecht aufgenommen haben. Er ermächtigt die Polizei nach richterlicher Anordnung, den Telefon- und E-Mail-Verkehr von völlig unschuldigen Bürgern anzuzapfen. Es reicht schon, wenn man unwissentlich in den Umkreis eines Terrorverdächtigen gerät; sei es als Nachbar, Mitbewohner, Arbeitskollege oder Sportsfreund. »Kontakt- und Begleitpersonen« nennt das Gesetz diesen Personenkreis. Für dessen Überwachung bedarf es nicht einmal einer konkreten Gefahr (wie sonst im Polizeirecht). Stattdessen sind die Paragrafen darauf zugeschnitten, langfristige Observationen zu ermöglichen. Bis zu fünf Monate E-Mail- und Telefon-Verkehr dürfen die Beamten auf Anordnung eines Richters auswerten.

Telekommunikationsanbieter müssen zu diesem Zweck zwei Monate lang alle Verbindungsdaten auf Vorrat sammeln – es entsteht ein umfassendes Gedächtnis aller Telefonate, E-Mails und SMS, aus dem Ermittler sich bedienen können. Eine solch weitgehende Ausforschung durften früher nur Nachrichtendienste betreiben. Aus gutem Grund: Den Geheimen fehlen die Möglichkeiten für weitere Grundrechtsrechtseingriffe, sie dürfen weder verhaften noch vernehmen, noch durchsuchen. Die Polizei hingegen kann das alles.

Fragen ließe sich: Was soll die Panik? Otto Normalsurfer hat doch nichts zu verbergen. Tatsächlich? Für viele Einzelinformationen mag das stimmen, aber: Fängt man an, bestimmte Informationen zu kombinieren, ergeben sich ganz schnell neue Erkenntnisse. Aus der Tatsache zum Beispiel, welche Tageszeitung jemand abonniert, ob er Öko-Milch kauft und welche Bücher er bestellt, lässt sich darauf schließen, welche Partei er höchstwahrscheinlich wählt. So lassen sich aus scheinbar belanglosen Daten alsbald Gedanken lesen. Und das könnte – irgendwann einmal – für eine Regierung schon interessant werden. Genauso funktioniert bereits die Rasterfahndung nach Terroristen. Die Datensätze zehntausender Menschen werden auf verdächtige Merkmale hin durchsiebt. Die wenigsten derer, die im Raster hängen bleiben, hegen freilich Terrorpläne. Gleichwohl, ihre Computerspuren und Telefongespräche könnte das nächstgelegene Landeskriminalamt durchaus spannend finden – man wird ja wohl mal nachsehen dürfen?

»Behörden spitzeln das Lebensumfeld von Bürgern aus«

Klick für Klick verschiebt sich so die Informationsverteilung zwischen Staat und Bürger. Und damit verschieben sich die politischen Gewichte. Auf diese Weise fängt die freiheitliche Ordnung an, sich selbst zu demontieren. Wenn die Bürger besorgt sein müssen, in jeder Lebenslage überwacht zu werden, untergräbt das auf lange Sicht den Mut zur freien Meinungsäußerung. »Polizei und viele andere Behörden erstellen schon jetzt anlassfrei Persönlichkeitsprofile und spitzeln das Lebensumfeld von Bürgern aus«, sagt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. »Das ist ganz klar ein Verstoß gegen das Volkszählungsurteil und damit verfassungswidrig.« Weichert kann nur warnen und kritisieren – aufhalten kann er nichts. Zumal die Sicherheitstechnik auch noch auf einer weiteren Welle daherrollt, die ganz besonders machtvoll ist: Gemeint ist die Globalisierung. Nichts als Abnicken bleibt den deutschen Abgeordneten bei solchen Entscheidungen, welche Europa im politischen Schwitzkasten der USA trifft. Washington verlangt vom kommenden Herbst an biometrische Pässe für die Einreise, Punkt, aus. »Die Grünen-Fraktion kann nicht etwas verhindern, auf das die Welt sich geeinigt hat«, klagt deren innenpolitische Sprecherin Silke Stokar.

Auch Teilen der SPD scheint jetzt erst aufzufallen, was sie unter dem Eindruck des 11. September 2001 mitentschieden haben. Nun erst, da die Aufnahme von biometrischen Merkmalen in Ausweispapiere beschlossene Sache ist, fordert die Parlamentarische Linke der Bundestagsfraktion das Innenministerium auf, bitte schön einmal darzulegen, ob und wie diese Innovation tatsächlich einen Beitrag zur Sicherheit der Bürger leiste. Schließlich sei über Missbrauchsmöglichkeiten noch gar nicht geredet worden. Die Abgeordneten wollen wissen: Sind die Speicher-Chips in den Ausweisen wirklich gegen unbefugtes Auslesen geschützt?

»Bürgerkarte«, was ist das? Schweigen im Innenministerium

Ist es wirklich ausgeschlossen, dass die Biometrie-Daten zentral gespeichert werden – etwa von einer EU-Behörde? Überrollt fühlen sich die Parlamentarier nicht zuletzt deshalb, weil sich Otto Schily zuerst auf europäischer Ebene für die Biometrie stark machte und der entsprechende Beschluss anschließend in Form einer EU-Richtlinie in den Bundestag flatterte. Kritische Diskussion über die Sache im nationalen Parlament? Fehlanzeige. Schriftliche Anfragen zur Biometrie, sagt die SPD-Abgeordnete Ulla Burchardt, seien vom Innenministerium »in einer dermaßen herablassenden und nicht informativen Art und Weise beantwortet worden, dass man wirklich den Eindruck bekommt, dass Transparenz an dieser Stelle nicht erwünscht ist«.

In der Tat gibt sich Schilys Haus zugeknöpft. Aber aus einer Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion an die Bundesregierung vom 4. Januar geht hervor, dass die neuen Personalausweise von 2007 an auch eine »Bürgerkartenfunktion« enthalten sollen. Mit ihrer Hilfe soll es möglich sein, sich künftig biometrisch im Internet auszuweisen. Frage ans Innenministerium: Wie wird das genau funktionieren? Antwort: »Die technischen Konzepte dazu werden zurzeit erarbeitet.«

»Wir wüssten auch gerne mehr«, sagt Thomas Petermann, der stellvertretende Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung des Bundestags. Ihn ärgere, sagt er, »mit welcher Selbstverständlichkeit solche Dinge über die Bühne gehen«. Die Regierung begründe nicht mehr, was sie tue, im Eiltempo würden Entscheidungen getroffen, ohne vorherige Debatte. »Wir wissen auch nicht, wer die Bürgerkarte auslesen kann, welche Daten wo gespeichert werden, welche Rechte der Bürger hat und wie die Datenschützer das alles kontrollieren sollen.«

Am Biometrie-Institut Friedberg, drei Fingerabdrücke später. Professor Michael Behrens, der Leiter des Labors, lächelt und hält seinen linken Zeigefinger in die Höhe. »Wissen Sie, wie ich den nenne?«, fragt er. »Meinen Wissenschaftsfinger.« Mehr, will er damit sagen, bekommt kein Gerät von ihm. Behrens kommt auf seine Studienzeit zu sprechen. Auf die späten Siebziger. Die RAF-Zeiten. Auf die Notstandsgesetze. Er wolle auf keinen Fall als Biometrie-Gegner gelten, sagt er. »Aber eine der Lehren von damals«, meint der Biometrie-Forscher, »ist doch, dass Freiheitsrechte, die einmal eingebüßt sind, sehr schwer wieder zurückzuerobern sind.«

[  zeit.de





11. November 2005
DAV gegen Verschärfung des Bayerischen Polizeigesetzes
von: schnueffelstaat

Der von der CSU im Bayerischen Landtag eingebrachte Entwurf für ein polizeiliches Aufgabengesetz wird am 9. November 2005 im Innenausschuss des Bayerischen Landtages beraten. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Bayerische Anwaltverband lehnen diesen Entwurf auf Grund seiner handwerklichen Mängel und wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ab. Der Gesetzentwurf, der die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff und zur vorbeugenden Telefonüberwachung auf Landesebene umsetzen soll sei ungeeignet und daher zurückzuziehen. Auch der nun vorgelegte Änderungsantrag wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Lauschangriffe gegen Telefon und Wohnung nicht gerecht“, sage Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Präsident des DAV. Bereits der Straftatenkatalog, nach dem das Abhören in Wohnungen oder Telefongesprächen erlaubt sein soll, sei viel zu weitreichend. Der Katalog zeige, dass es an der notwendigen Sorgfalt bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes gefehlt habe.

So seien auch Fahrlässigkeitsdelikte aufgeführt, gegen die mit den Mitteln des Polizeirechts gar nicht vorgegangen werden könne. Mit dem Polizeirecht können allenfalls vorsätzliche, geplante Straftaten verhindert werden. „Fahrlässigkeitsdelikte sind aber nicht planbar“, erinnert Kilger. Völlig unverständlich ist aus Sicht des DAV, dass der Bayerische Gesetzgeber an dem Vorschlag für eine sogenannte vorbeugende Telefonüberwachung festhalten will, obwohl eine ähnliche Regelung in Niedersachsen kürzlich vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben wurde. „In der jetzigen Form verstößt der Gesetzentwurf gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts“, sagte Rechtsanwalt Anton Mertl, Präsident des Bayerischen Anwaltverbandes. Für die Telefonüberwachung würden Regelungen fehlen, nach denen die Abhörmaßnahmen sofort abgebrochen und die Aufzeichnung gelöscht werden müssen, wenn der Kernbereich privater Lebensführung von der Lauschaktion getroffen werde. Nur so sei sichergestellt, dass solch unzulässig erhobene Daten auch nicht verwendet werden. Diese aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes notwendige Konsequenz setze der Entwurf nicht um. Der Bayerische Anwaltverband fordert daher, den Vorschlag für eine polizeirechtliche Telefonüberwachung endgültig zu stoppen und zugleich den vom Bundesverfassungsgericht verlangten Schutz der Privatsphäre im Polizeirecht umzusetzen.

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10. November 2005
Flugzeuge abschießen - oder auch nicht

Die noch amtierende rot-grüne Regierung verteidigt ihr umstrittenes Luftsicherheitsgesetz bei der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht schwach und uneinheitlich. Nun sieht alles danach aus, dass das Gesetz nicht genehmigt wird
AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Das rot-grüne Luftsicherheitsgesetz, das im Extremfall den Abschuss eines entführten Passagierflugzeuges erlaubt, wird in Karlsruhe wohl kassiert. Offen ist nach der gestrigen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts aber noch die Begründung. Monieren die Richter nur die fehlende Änderung des Grundgesetzes? Oder wird eine derartige Regelung generell für unzulässig erklärt? Gegen das Gesetz, das Anfang 2005 in Kraft trat, klagte unter anderem der FDP-Politiker Burkhard Hirsch.

"Zum ersten Mal nimmt sich der Staat außerhalb eines Krieges das Recht, Menschen zu töten, die sich völlig rechtmäßig verhalten haben." Für Burkhard Hirsch verstößt das Luftsicherheitsgesetz deshalb gegen das Grundrecht auf Leben und die Menschenwürde. Auch zur Verhütung eines Terroranschlags dürften Unschuldige nicht legal geopfert werden.

Die rot-grüne Koalition, die geschäftsführend ja immer noch die Bundesregierung stellt, gab ein desolates Bild ab und konnte sich nicht einmal darauf einigen, was sie eigentlich beschlossen hat. Innenminister Otto Schily ging davon aus, dass es faktisch gar keinen Anwendungsfall für die Abschussbefugnis gibt. Nur wenn völlig sicher sei, dass das Leben der entführten Passagiere "besiegelt" ist, könne die Luftwaffe eingreifen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei den Anschlägen vom 11. 9. 2001 irgendeine rechtzeitige Möglichkeit zur Einwirkung bestanden hätte", argumentierte Schily.

Christian Ströbele von den Grünen ging noch weiter. Nach seiner Auffassung würde das Luftsicherheitsgesetz den Abschuss eines Flugzeuges gar nicht erlauben: "Wenn noch lebende Passagiere an Bord sind, darf keine Waffengewalt angewandt werden." Darauf hätten die Grünen geachtet. Möglich sei der legale Abschuss eines Jets nur, wenn er ohne Passagiere und Personal gekapert worden sei oder diese bereits tot seien. Schily und Ströbele betonten fast unisono, dass Menschenleben nicht zur Rettung anderer Menschenleben eingesetzt werden dürften.

Ganz anders die Darstellung von Dieter Wiefelspütz, dem innenpolitischen Sprecher der SPD. "Ich will mich nicht aus der Verantwortung stehlen und hier Klartext sprechen." Natürlich ziele das Luftsicherheitsgesetz auch auf Fälle wie die Angriffe von New York. "Das ist ja kein theoretisches Konstrukt, sondern real passiert", sagte Wiefelspütz, "und es kann sich schon morgen überall in der Welt wiederholen." Deshalb brauche der Verteidigungsminister und die Bundeswehrpiloten Rechtssicherheit, wenn sie versuchen, einen Terroranschlag zu verhindern. Es sei "unwürdig", die Beteiligten auf den umstrittenen "übergesetzlichen Notstand" zu verweisen.

Klaus-Peter Stieglitz, der Inspekteur der Luftwaffe, berichtete, dass es in diesem Jahr bereits rund 350 Fälle gegeben habe, bei denen der Funkkontakt zu einem Flugzeug abgebrochen sei. In 31 Fällen hätten sich Jagdflugzeuge der Bundeswehr per Sichtkontakt am Cockpit des Jets davon überzeugt, dass keine Entführung vorliege. Vom Abschluss eines Flugzeugs sei man stets "weit entfernt gewesen". Darüber denke er auch gar nicht nach, sagte der Offizier lakonisch.

Für die unionsregierten Länder Bayern und Hessen, die in Karlsruhe ein Parallelverfahren führen, kritisierte der Münchener Rechtsprofessor Peter Badura, dass das Luftsicherheitsgesetz in der Luft hänge, weil die Bundesregierung auf eine Verfassungsänderung verzichtet hatte: "Die Amtshilfe mit Abfangjägern ist im Grundgesetz nicht vorgesehen." Während der Rechtsprofessor der Bundesregierung Gerhard Robbers das Grundgesetz gewahrt sah, gab sich Minister Schily konziliant: "Wir erwarten vom Gericht Hinweise, ob eine Klarstellung in der Verfassung erforderlich ist oder nicht." Auf diese abwartende Linie hatte sich jüngst auch die große Koalition in Berlin geeinigt. Das Urteil wird erst in einigen Monaten verkündet.

[  taz.de





1. November 2005
Einsatz der DNA-Analyse auch auf nicht erhebliche Straftaten ausgeweitet

(ngo) Die DNA-Analyse sei ein sehr effektives Instrument zur Aufklärung von Straftaten. Aus diesem Grund erleichtert die Bundesregierung sen Ermittlungsbehörden die Entnahme, Untersuchung und Speicherung von DNA-Proben und von Reihengentests ab 1. November. Ein weitgehender Richtervorbehalt solle dafür sorgen, dass die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens auch künftig gewahrt bleibe. Allerdings gelte der Vorbehalt nicht mehr bei anonymen Spuren. Damit könne die molekulargenetische Untersuchung von Tatortspuren, die noch keinem Täter zugeordnet werden können, künftig auch vom Staatsanwalt oder der Polizei angeordnet werden, teilte das Bundesinnenministerium mit.

Eine DNA-Analyse müsse im Ermittlungsverfahren immer von einem Richter angeordnet werden. Die Entnahme von Körperzellen bei Verdächtigen oder Beschuldigten, um sie mit Tatortspuren zu vergleichen, müsse auch weiterhin von einem Richter angeordnet werden. Ausnahmen davon seien nur dann zulässig, wenn die betroffene Person einwilligt oder bei Gefahr im Verzuge. Dann kann die Untersuchung auch von Staatsanwaltschaft oder Polizei angeordnet werden.

Die neue Regelung stelle nach Meinung der Bundesregierung klar, dass auch die wiederholte Begehung nicht erheblicher Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehe. Wenn eine Person wiederholt etwa wegen Sachbeschädigung verurteilt worden ist und die Prognose dafür spricht, dass von dieser Person auch zukünftig Sachbeschädigungen zu erwarten sind, ist die Speicherung ihres DNA-Identifizierungsmusters in der DNA-Analysedatei des BKA künftig zulässig.

So genannte DNA-Reihentests, die beispielsweise bei Sexualstraftaten von der Polizei innerhalb eines größeren Personenkreises durchgeführt werden, seien erstmals ausdrücklich gesetzlich geregelt. Sie dürften künftig nur bei Verbrechen gegen Leben, Leib, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung durchgeführt werden. Auch hier gelte, dass sie ein Richter anordnen muss. Reihengentests seien zudem nur auf freiwilliger Basis zulässig, die Betroffenen seien nicht zur Mitwirkung verpflichtet und müssten vorher über die Freiwilligkeit ihrer Mitwirkung belehrt werden. Die bei solchen Tests erhobenen Daten dürften nicht in der DNA-Analysedatei gespeichert werden.

[  ngo-online.de





28. Oktober 2005
Karlsruhe stärkt erneut Rechte verurteilter Straftäter

Karlsruhe (dpa) Das Bundesverfassungsgericht hat erneut die Rechte verurteilter Straftäter gestärkt. Nach einem am Freitag veröffentlichten Beschluss darf ein Häftling nicht unnötig lang im Gefängnis «geparkt» werden, wenn er laut Urteil eine Therapie in einer Entziehungsanstalt machen oder in der Psychiatrie untergebracht werden soll. Weil nach dem Strafgesetzbuch solche so genannten Maßregeln vor der eigentlichen Haftstrafe vollzogen werden müssen, seien die Justizbehörden verpflichtet, unverzüglich deren Beginn einzuleiten, entschied eine Kammer des Zweiten Senats. (Az: 2 BvR 1019/01 - Beschluss vom 26. September 2005)

Damit gaben die Karlsruher Richter einem wegen Drogendelikten zu drei Jahren Haft verurteilten Mann Recht. Nach dem Urteil sollte er in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden. Allerdings blieb er zunächst drei Monate in «Organisationshaft» - in dieser Zeit «organisierte» die Justiz die Unterbringung. Dem Verfassungsgericht zufolge dürfen die Justizbehörden aber nicht von einer festen Frist für die Vorbereitung der Maßregel ausgehen, sondern müssen sich intensiv um einen Platz kümmern. Die Überstellung des Betroffenen müsse tunlichst beschleunigt werden, um die «therapeutisch fruchtbare Zeit» nach dem Urteil zu nutzen.

Erst vor kurzem hatte Karlsruhe entschieden, dass langjährige Gefangene nicht ohne weiteres in ein anderes Gefängnis verlegt werden dürfen. In einem weiteren Fall hatten die Richter eine überlange Untersuchungshaft beanstandet. (Internet: www.bundesverfassungsgericht.de)

[  rhein-main.net





31. Oktober 2005
Mit der Polizei zur Schule
Bildungsstaatssekretär: Erscheinen zum Unterricht soll schärfer durchgesetzt werden

Herr Staatssekretär, die in Brandenburg regierende große Koalition aus SPD und CDU will einen so genannten Schulzwang ins Schulgesetz aufnehmen. Was bedeutet das praktisch?
Im Referentenentwurf der Landesregierung ist vorgesehen einen Passus aufzunehmen, wonach als letzte Konsequenz bei der Durchsetzung der Schulpflicht "unmittelbarer Zwang" angewendet werden kann. Wenn sich Eltern strikt weigern, ihr Kind einzuschulen oder zur Schule zu schicken, dann muss der Staat sicher gehen können, dass hier keine Kindswohlgefährdung vorliegt. Im übrigen ist schon bisher die Möglichkeit in Kooperation mit dem Jugendamt gegeben, mit der Polizei bei akutem Verdacht nach dem Rechten zu sehen.

Soll der Schulzwang auf die Einschulung beschränkt sein oder auch auf Schulverweigerer ausgedehnt werden?
Im Grundsatz soll er für beide gelten. Zentrales Kriterium muss sein, dass sich niemand der Schulpflicht entziehen können soll, um so etwa auch eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen auszuschließen. Priorität haben muss in jedem Fall zuerst die Ausschöpfung aller pädagogischen Maßnahmen.

Kann oder muss das Schulamt in Zukunft im Verdachtsfall die Polizei einschalten?
Wenn dieser Zusatz in das Schulgesetz aufgenommen werden sollte, dann gehe ich auch davon aus, dass er dann so formuliert sein wird, dass er eine Verpflichtung darstellt. Es wird letztlich von den verantwortlichen Pädagogen abhängig sein, wann sie zu diesem letzten Mittel greifen.

Wie häufig gab es denn in den vergangenen Jahren an brandenburgischen Schulen diese Art von Problemfällen?
Das sind zum Glück nur Einzelfälle, in denen Eltern vehement ihre Mitarbeit verweigern, wie etwa beim Fall Dennis in Cottbus. Nach dem Fall Dennis haben wir ein rigoroses Einschulungsverfahren eingeführt, so dass in den vergangenen beiden Schuljahren zum Schulbeginn alle Schüler auch eingeschult waren. Bei Schulverweigerern im pubertären Alter gibt es zahlreiche Lernprojekte, um die Schülerinnen und Schüler wieder in die Schulen zu integrieren. Das Gespräch führte Andrea Beyerlein.

[  berlinonline.de

Mit der Polizei zur Schule

BERLIN, 27. Oktober. Der Berliner Senat will Eltern, die ihre Kinder trotz Schulpflicht nicht anmelden oder zum Unterricht bringen, schneller und entschiedener nachsetzen. Denn auch in der Hauptstadt fehlen zu Beginn jedes Schuljahres mehrere hundert Erstklässler. Berlin-Neukölln spürt von allen Bezirken die fehlenden Schüler am konsequentesten nach - bis hin zum Polizeieinsatz. Seit August wurden 23 Erstklässler von der Polizei zur Schule gebracht. Neukölln soll nun Vorbild für ganz Berlin werden.

Darauf will Bildungssenator Klaus Böger (SPD) alle Berliner Bezirke festlegen. Die Bezirke sind die Schulträger und damit auch dafür verantwortlich, dass die Schulpflicht durchgesetzt wird. Es gehe um eine bessere Zusammenarbeit von Schule, Bezirk, Schulaufsicht, Jugendamt und Polizei, sagte Böger am Donnerstag. Im Extremfall müsse Eltern "das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Zeit des Unterrichts entzogen werden können", sagte er. Auslöser für die Berliner Aktivitäten sind unter anderem der Fall Jessica in Hamburg, wo das Kind in der elterlichen Wohnung verhungerte, während die Schulbehörde nur einen Mahnbescheid nach dem anderen schickte. In Neukölln ist, wie in allen Bezirken, zunächst die Grundschule, in deren Einzugsbereich der Schüler wohnt, zuständig. Melden sich die Eltern nicht, machen Schule und Jugendamt Hausbesuche. Es wird geklärt, ob die Meldeadresse des Kindes noch stimmt.

Schließlich gibt es Bußgeldbescheide und - wenn alles kein Erfolg hat - kommt die Polizei. Zwischen den ersten Kontaktversuchen der Schule und einem Polizeieinsatz vergehen nicht mehr als drei Monate schätzt Wolfgang Schimmang (SPD), Bildungsstadtrat in Neukölln. "Liegen besondere Hinweise vor, geht es auch schneller." Von den 4 400 Erstklässlern in diesem Jahr, musste man rund 800 nachspüren, weil sie nicht fristgerecht angemeldet wurden. Meistens stimmte die Adresse nicht mehr, sagt Schimmang. Aber oft ist es auch komplizierter, wenn etwa behauptet wird, das Kind wohne bei den Großeltern und gehe im Herkunftsland zur Schule. Schimmang: "Dann wollen wir von dort eine Bestätigung." Bis die vorliegt, bleibt der Fall als ungeklärt auf seinem Schreibtisch. Bei zwei Kindern - von einst 800 - ist der Verbleib derzeit noch unklar.

[  berlinonline.de





25. Oktober 2005
Rassistische Übergriffe von Berliner Polizisten

Ein FDP-Referent ist von einem Berliner Polizisten kürzlich als "Mulattensau" bezeichnet worden, ein türkischstämmiger Grünen-Abgeordneter wurde am Überqueren einer Straße gehindert - die Fälle dienten gestern im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses als Exempel.

Es ging um die Frage, ob die Berliner Polizei rassistisch motivierter Übergriffe auf Migranten schuldig sei. "Nein", antwortete Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und sprach vom Fehlverhalten einzelner Personen. Amnesty International, Reach Out und "Aktioncourage" hatten zuvor 43 Übergriffe auf Migranten aus mehreren Jahren dokumentiert. In der Folge, so Polizeipräsident Dieter Glietsch, wurden drei Polizisten in zwei Fällen rechtskräftig verurteilt. Acht Verfahren endeten mit Freisprüchen, neun sind noch offen, 17 wurden eingestellt. Volker Ratzmann (Grüne) verwies auf eine Untersuchung, wonach Staatsanwälte solche Verfahren überdurchschnittlich häufig einstellten. Strafermittlungen gegen Polizisten insgesamt sind gesunken: von mehr als 1000 im Jahr 2001 auf 800 im vergangenen Jahr.

[  morgenpost.berlin1.de

Nichtdeutsche eher Opfer von Polizeiwillkür

Menschenrechtsorganisationen legen im Innenausschuss eine Dokumentation über Polizeiübergriffe vor. Vor allem im interkulturellen Bereich häufen sich die Straftaten der Staatsdiener. Experten fordern eine unabhängige Prüfinstanz

Mitten in der Nacht stürmt ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in Lankwitz die Wohnung einer türkischen Migrantenfamilie. Der 17-jährige P. und seine Eltern werden von dem ohrenbetäubenden Lärm aus dem Schlaf gerissen. "Bevor P. sich orientieren kann, dringen bewaffnete und maskierte Männer in sein Zimmer ein und beginnen in der Dunkelheit, mit Fäusten auf ihn einzuschlagen", heißt es einem Bericht der Kampagne für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt (KOP). Der Grund für den Einsatz: P. sei der Teilnahme an einem Raubüberfall in einem Supermarkt verdächtigt worden - leider fälschlicherweise, wie sich später bei einer Gegenüberstellung mit der Kassiererin herausstellte.

Der Vorfall ist einer von 43 Fällen in Berlin, die die Organisationen amnesty international, AktionCourage und KOP in ihren Berichten über Polizeiübergriffe in Deutschland dokumentiert haben. Bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses ging es gestern um die Frage, welche Konsequenzen aus den Berichten gezogen werden können. Mit Blick darauf, dass viele Verfahren gegen Polizisten eingestellt werden und die Anzeigenden mit einer Gegenanzeige wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt rechnen müssen, lautete die zentrale Forderung der Experten: Eine unabhängige Instanz müsse geschaffen werden, um die Fälle selbstständig zu untersuchen.

Aber auch in Bezug auf interkulturelle Öffnung muss die Berliner Polizei nach Ansicht der Experten noch viel mehr tun. Die dokumentierten Fallbeispiele ergeben, dass Nichtdeutsche eher Gefahr laufen, Opfer von Polizeiwillkür zu werden, als gebürtige Deutsche. Auch für die Grünen und die PDS ist das ein Erfahrungswert, über den man nicht mehr diskutieren müsse. Es müssten andere Strukturen geschaffen werden, mit denen gewissen rassistischen Reflexen von Polizeibeamten im Alltag begegnet werden könne, forderte Özcan Mutlu von den Grünen. Mutlu weiß, wovon er spricht. Erst unlängst ist der dunkelhaarige Mann vor dem Abgeordnetenhaus an einer Polizeisperre aufgehalten worden, während andere, "nordisch" aussehende Menschen ohne Probleme passieren konnten.

Johanna Mohrfeldt vom KOP plädierte dafür, die so genannten gefährlichen Orte abzuschaffen. An jenen darf die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Laut Mohrfeldt handelt es sich dabei um ein rassistisches Instrumentarium, weil in der Regel dunkelhäutige oder anders aussehende Menschen von solchen Kontrollen betroffen seien. Der Vertreter von AktionCourage, Otto Diederichs, verwahrte sich gegen die Sichtweise von Körting, rassistisches Denken gebe es in der Polizei nur bei einzelnen schwarzen Schafen. Nach Schätzungen eines Fachbereichsleiters für Politik an der Polizeischule gebe es bei der Polizei "einen Bodensatz von 3 bis 5 Prozent", der sich einem offenen Umgang mit Ausländern verschließe. Diederichs' Forderung: "Raus mit solchen Leuten!"

Aber Diederichs hatte auch Positives über die Berliner Polizei zu vermelden. Er verwies auf eine Dokumentation der Niederländischen Polizei Akademie, in der die Arbeit der Berliner Polizeischule ausdrücklich gelobt wird: Gemessen am Bundesdurchschnitt spiele sie eine engagierte Vorreiterrolle im interkulturellen Bereich. Laut Polizeipräsident Dieter Glietsch ist die Zahl der Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt rückläufig. 2001 wurden noch über 1.000 Anzeigen erstattet, 2004 waren es noch 800. Was die 43 von den Menschenrechtsorganisationen dokumentierten Fälle angeht, sagte Glietsch, er habe in keinem Fall einen Hinweis darauf, dass ein rassistisches Motiv gegeben sei.

PLUTONIA PLARRE

[  taz.de





22. Oktober 2005
Frauengefängnis ohne Mauern und Gitter

Keine Mauern, keine Gitter, kein Stacheldraht. Von außen sieht das einstöckige Gebäude aus wie ein ganz normaler Klinkerbau in Glasmoor (Norderstedt). Und doch ziehen am Montag elf Frauen nicht ganz freiwillig ein. Das Haus ist Hamburgs erstes Frauengefängnis nur für den offenen Vollzug. 46 Einzelhaftplätze bietet die neue Einrichtung, davon 27 in der offenen Abteilung. Für die anderen 19 Plätze gibt es eine intensive sozialtherapeutische Betreuung.

Zwei Hafträume sind als sogenannte Mutter-Kind-Zellen hergerichtet. Sie sind mit Kinderbettchen, Spielzeug und Kuscheltieren ausgestattet, die Wände in hellem gelb gestrichen. Inhaftierte Mütter müssen daher nicht von ihren Kindern getrennt werden. Justizsenator Roger Kusch (CDU) stellte das Frauenhaus als einen "weiteren Baustein unseres Konzepts für einen modernen und leistungsfähigen Strafvollzug in Hamburg" vor. "Für die Renovierung des Hauses haben wir nur 150 000 Euro ausgegeben. Das liegt daran, daß die Mitarbeiter der Anstaltsbetriebe mit Hand angelegt haben", sagt Wolfgang Schuchardt, Leiter der Haftanstalt Glasmoor.

In Hamburg gibt es mit den neuen Zellen nun insgesamt 205 Gefängnisplätze für Frauen. Die überbelegte Haftanstalt Hahnöfersand wird durch das neue Frauengefängnis Glasmoor entlastet. Auch waren offener und geschlossener Vollzug in Hahnöfersand nicht getrennt, was nach Meinung von Justizsenator Kusch keine ideale Lösung gewesen sei. In Glasmoor dürfen sich die Frauen tagsüber auf dem Gelände frei bewegen und arbeiten, etwa im Garten, der Küche oder der Reinigung. Wer eine Stelle in der Stadt hat, darf hierfür das Gefängnis verlassen. Sozialarbeiter helfen den Frauen, sich auf das Leben außerhalb der Haftanstalt vorzubereiten. Nur nachts werden die Frauen eingeschlossen. Bis Mai saßen in den Einzelzellen, die nun weibliche Gefangene beziehen, Männer ihre Haftstrafen ab. Die sind nun in einem Nebenhaus in Schlafsälen mit bis zu sechs Betten untergebracht.

[  abendblatt.de





Mutter-Kind-Knast: Kusch eröffnet neue Justizvollzugsanstalt

Justizsenator Roger Kusch (CDU) hat gestern das Frauenvollzugshaus in Glasmoor eröffnet, in dem zuvor die Justizvollzugsanstalt untergebracht war. Mit den Umbaumaßnahmen in Glasmoor hat die Justizbehörde die Kapazitäten auf 46 Einzelhaftplätze ausgebaut. Bereits am kommenden Montag werden elf Frauen von Hahnöfersand nach Glasmoor umziehen. Kusch lobt den Umbau, der größtenteils in Eigenregie der JVA erfolgte: "Das neue Frauenhaus ist ein weiterer Baustein unseres Konzeptes für einen leistungsfähigen Strafvollzug in Hamburg", sagt Senator Kusch.

Durch die neuen "Mutter-Kind-Plätze" haben Inhaftierte die Möglichkeit, ihr Kind bei sich zu behalten. Der Nachwuchs schläft und lebt im eigenen Zimmer mit Durchgang zu "Mamas Zelle". "Wir freuen uns auf die Herausforderungen mit ausschließlich weiblichen Insassen", so Strafvollzugsbeamte Karin Jaap. Die Inhaftierten werden in Glasmoor zur Entlassung vorbereiten. Die Frauen arbeiten in der Hofkolonne, der Küche oder im Vertrieb. nip

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12. Oktober 2005
Die Berliner Senatverwaltung des Inneren (SenInn) kriminalisiert den Kampf gegen die rassistische Politik:

Presseerklärung

Betr.: Maulkorbbrief der Senatsverwaltung für Inneres, Androhung von strafrechtlichem Vorgehen gegen die Aussagen:...„Seit Jahrzehnten gehören…Körperverletzung und Tod durch rassistische Angriffe der Polizei und Neonazis, zum Alltag der MigrantInnen und Flüchtlingen in Deutschland.“„Wir haben es satt, ständig auf die unerträglichen Zustände, die Kontinuitäten des Kolonialismus aufweisen, hinzuweisen“.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Am 9. September hat ein Bündnis von ca. 20 Gruppen einen Aktionstag v.a. gegen die z.Z. vorgenommenen Massenabschiebungen veranstaltet. Zum Aktionstag wurde mit einem Aufruf in acht verschiedenen Sprachen> mobilisiert. Die Senatverwaltung des Inneren (SenInn) nimmt den als „radikal“ und „polemisch“ bezeichneten Aufruf zum Anlass, um den Kampf gegen die rassistische Politik zu kriminalisieren und zu verbieten.

In dem Schreiben vom 08.09.2005, unterzeichnet von Herrn Dr. Vetter (Leiter der Abteilung I, u.a. für Ausländer- und Asylrecht) werden die zwei oben genannten Sätze herausgepickt, um zu verbieten, dass man staatliche Entscheidungen als rassistisch bezeichnet. Das Schreiben der SenInn beweist beispielhaft, dass Rassismus und seine tödlichen Folgen, die auf die herrschende Politik zurückzuführen sind, nicht nur geleugnet sondern die Benennung auch strafrechtlich verfolgt werden (sollen). Laut Berliner Morgenpost vom 1.Okt. wurden 18 941 Menschen- aus ehemaligen Bürgerkriegsländern sowie Asylbewerber, deren Asylanträge abgelehnt worden sind zum Verlassen Deutschlands aufgefordert. Kaum zu überbieten ist die Frechheit des Senats einerseits mit dem Schicksal von zehntausenden von Menschen zu spielen und andererseits den Protest dagegen zu kriminalisieren.

Eine „sachlichen Auseinandersetzung“, auf die die SenInn Bezug nimmt, ist erst durch die Anerkennung der Faktenlage gegeben. Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) hat diese Fakten in der Dokumentation „Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen- 1993-(1) 2004“ festgehalten. In ihrer Presseerklärung schreibt die ARI „Die vorliegende Dokumentation „beschreibt in ca. 3800 Einzelgeschehnisse die Auswirkungen dieses institutionellen Rassismus auf die Betroffenen“ und kommt zu dem Fazit : “Durch staatliche Maßnahmen der BRD kamen 325 Flüchtlinge ums Leben- durch rassistische Übergriffe oder bei Bränden in Unterkünften starben 79 Flüchtlinge“. Nicht registriert in dieser Dokumentation sind der Tod von Oury Jalloh und Laye Conde am 7.Januar dieses Jahres unter der Verantwortung der deutschen Polizei. Das jüngste Beispiel des nicht selten tödlich endenden Einsatzes der Polizei ist der Tod eines 39jährigen Mannes aus Ghana, der sich am 29.Sept. im Märkischen Viertel/Berlin aus dem vierten Stock eines Hauses hinabstürzte, um einer Identitätsprüfung zu entkommen.

Bei diesen klaren und bitteren Daten stehen wir zu den aus dem Aufruf zitierten Sätzen und wehren uns vehement dagegen kriminalisiert zu werden. Niemand kann uns einschüchtern und uns daran hindern für Gerechtigkeit und gegen Rassismus zu kämpfen. Die Einschüchterungsversuche und Schnüffelungsarbeit des Senats gegen uns nimmt schon konkrete Gestalt an. So wurde ein internes Treffen des Bündnisses gegen Abschiebungen am 5.Oktober durch ein Dutzend Polizisten aufgesucht. Durch ein Gespräch mit dem Veranstalter wollten sie angeblich klären, ob „alles in Ordnung“ ist. Ob die Polizei ein Durchsuchungsbefehl hatte, wurde nicht verraten.

Am Do., 10.November, 17:00 Uhr, ab Roten Rathaus, werden wir eine Demonstration gegen die Kriminalisierung des antirassistischen Kampfes der MigrantInnen und Flüchtlingen und gegen die Massenabschiebungen durchführen. Wir würden uns freuen, wenn Sie den oben beschriebenen Sachverhalt in Ihren Medien veröffentlichen. Berlin, 07.10.2005 Hinweis:Der Senatsbrief, der Aufruf zum Aktionstag gegen Abschiebungen und die Presseerklärung der ARI zu der Dokumentation sind auf der Seite www.plataforma-berlin.de zu finden.

stopabschiebung@web.de
www.plataforma-berlin.de
0176 – 25 43 37 50

[  xpedient.org





20. Oktober 2005
Verfassungsgericht stärkt Rechte von Strafgefangenen

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Strafgefangenen erheblich gestärkt. Bei einer geplanten Verlegung in eine andere Haftanstalt muß Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte des Gefangenen genommen werden, wie es in einem aktuellen Beschluß heißt. Der Verlust sozialer Bindungen oder einer Arbeitsmöglichkeit durch eine Verlegung bedeute enorme Beeinträchtigungen.

Beschwerdeführer war ein Strafgefangener aus Hessen, der 2003 in eine andere Justizvollzugsanstalt verlegt worden war und dadurch seinen Arbeitsplatz verloren hatte. Die Verlegung war laut Gericht damit begründet worden, daß Justiz-Bedienstete nicht gegen den Mann eingeschritten waren, als er unrechtmäßig die Schreibmaschine eines Mitgefangenen in Besitz nahm. Ihm selbst war die Erlaubnis zum Besitz einer Schreibmaschine zuvor entzogen worden. Dies habe Zweifel an der notwendigen Distanz der Bediensteten zu dem Gefangenen aufkommen lassen. In der Begründung des Verfassungsgerichtes hieß es, Paragraph 85 des Strafvollzugsgesetzes ermögliche die Verlegung eines Gefangenen in eine andere Anstalt nur dann, wenn dessen Verhalten eine Gefahr für die Anstaltssicherheit oder -ordnung bedeute. Wenn die Gefahren aber durch ein Fehlverhalten des Gefängnispersonals begründet seien, sei die Verlegung von dem Gesetz nicht gedeckt.

Der Gefangene hatte zunächst erfolglos Rechtsmittel gegen seine Verlegung eingelegt. Seine Verfassungsbeschwerde hatte hingegen Erfolg. AP

[  welt.de





12. Oktober 2005
Prozess gegen Brandenburger Gefängnisarzt

Ein früherer Gefängnisarzt und ein Krankenpfleger stehen seit Mittwoch wegen unterlassener Hilfeleistung vor dem Amtsgericht Brandenburg/Havel. Laut Anklage haben sie im Januar 2004 einen herzkranken Häftling nicht rechtzeitig behandelt, so dass dieser schwere gesundheitliche Schäden davontrug. Der Fall machte seinerzeit im Zusammenhang mit angeblichen Übergriffen des Wachpersonals auf Gefangene Schlagzeilen. Daraufhin geriet die damalige Justizministerin Barbara Richstein (CDU) erheblich unter Druck und veranlasste eine eingehende Untersuchung der im Fernsehen geschilderten Fälle. Der Rechtsausschuss des Landtages kam schließlich zu dem Schluss, dass es in brandenburgischen Gefängnissen keine Misshandlungen von Häftlingen gegeben habe.

Allerdings stand frühzeitig fest, dass einem Insassen der Justizvollzugsanstalt Brandenburg trotz eines Herzinfarkts medizinische Hilfe verweigert worden war. Der Infarkt blieb nach Angaben der Staatsanwaltschaft mehr als acht Stunden lang unbehandelt. Der Mann habe obendrein Todesängste ausstehen müssen, heißt es in der am Mittwoch verlesenen Anklageschrift. Der Prozess wird am 24. Oktober fortgesetzt.

Stand: 12.10.2005 18:41

[  rbb-online.de





11. Oktober 2005
Haftplatztausch
Luftveränderung hinter Gittern

Gefangene dürfen laut Gesetz ihren Haftplatz untereinander tauschen und schalten dafür Anzeigen in einschlägigen Blättern. Ein Tausch ist allerdings nur unter einer Voraussetzung möglich.

Keine verlockende Aussicht für Gefangene: mehrere Jahre in der selben Zelle sitzen und auf seltenen Besuch von weit her warten. Doch das Gesetz macht Luftveränderung auch hinter Gittern möglich. "Tausche Haftplatz in Bayern gegen Zelle in Berlin" oder "Ich, G., sechseinhalb Jahre, suche Kollegen gleichen Strafrahmens, welcher Bundesland und Knast gerne wechseln möchte", heißt es in Anzeigen.

Meist wollen Häftlinge einen Tapetenwechsel wegen der Familie oder einer neuen Briefbekanntschaft, weiß der Chefredakteur der Berliner Gefangenenzeitung "der lichtblick", Michael Mill. In jeder Ausgabe, die bundesweit gelesen werde, annoncierten deshalb Strafgefangene unter Chiffre-Nummer. Die Zeitung wird von Gefangenen für Gefangene gemacht. Der 50-jährige Mill sitzt wegen Mordes seit neun Jahren.

"Verlegung kann Resozialisierung voranbringen"

Viele hätten Angst, dass ihr Wechselantrag abgelehnt wird und versuchen es deshalb erst gar nicht, sagt Mill. "Dabei ist das eine gute Sache, so eine Verlegung kann die Resozialisierung voranbringen." Ihm selbst gebe die Zeitung, die direkt in der größten deutschen Strafanstalt in Berlin-Tegel erstellt wird, Halt. Annoncen in der Gefangenenzeitung, die sechs Mal im Jahr erscheint, müssen nicht bezahlt werden. "Wir finanzieren uns aus Spenden und einem Landeszuschuss."

In einer Anzeige schrieb ein Strafgefangener aus der Justizvollzugsanstalt Landsberg, er wolle in die Tegeler Anstalt in der Hauptstadt. "Die JVA Landsberg liegt bei München und hat das Freigängerhaus gleich nebenan. Fußballfeld und -halle sowie ein Open-Air-Swimmingpool gibt es hier auch!", versuchte er Interessenten den Wechsel schmackhaft zu machen. Ein Berliner Gefangener suchte dagegen einen Platz in Pforzheim und 50 Kilometer Umkreis. "Mein Mädchen wohnt dort unten und ich möchte dort in Zukunft leben", hieß es in seiner Suchanzeige.

Doch eine Verlegung ist komplizierter als ein privater Wohnungswechsel. Die Justizbehörden müssen einem entsprechenden Antrag erst zustimmen. Wegen der bereits überbelegten Gefängnisse in der Hauptstadt müssten viele Anträge negativ beschieden werden, heißt es in der Berliner Justizverwaltung. Auch in den anderen Bundesländern seien die Anstalten voll. "Es gibt keinen Anspruch auf Verlegung, aber die Chancen steigen, wenn man einen Tauschpartner hat", sagt Berlins Justizsprecherin Juliane Baer-Henney. Grundlage sei Paragraf 8 des Strafvollzugsgesetzes.

Tausch nur bei gleich langen Strafen

"Wenn jemand tauschen will, der beispielsweise drei Jahre länger sitzen muss als sein Wechselpartner, wird dem Antrag eher nicht zugestimmt", verweist die Sprecherin auf eine weitere Einschränkung. Denn damit würde sich Berlin Zusatzkosten aufhalsen. "Tausch geht nur bei gleich langen Strafen."

Im Vorjahr gingen in der Berliner Justizverwaltung insgesamt 67 Anträge von Häftlingen ein, die entweder nach Berlin oder von hier weg wollten. Und wenn einfach nur der Wunsch besteht, in der Hauptstadt einzusitzen? "Wenn jemand meint, er fühlt sich hier wohler, wird auch das geprüft", sagt Baer-Henney. Kommt ein Tausch zu Stande, so müsse auch das möglichst kostengünstig organisiert werden, sagen Berliner Justizbeamte. "Einen Extratransport gibt es nicht. Der Gefangene wird bei passender Gelegenheit mitgenommen", sagt Baer-Henney.

[  stern.de





11. Oktober 2005
Neue Lauschverordnung steht kurz vor Verabschiedung

Am kommenden Freitag soll der Bundesrat die Novelle der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) verabschieden, doch von der Wirtschaft hagelt es weiter Proteste. "In wichtigen Fragen wurde die Diskussion leider nicht zu Ende geführt, sondern vom Entwurf nach später verlagert", beklagt Volker Kitz, Rechtsexperte beim Branchenverband Bitkom. Vor allem die vorgesehenen neuen Regelungen zur Überwachung von Nutzern im Ausland an Netzverbindungsknoten hält er "grundsätzlich für verfassungsrechtlich und auch völkerrechtlich sehr problematisch". Scharfe Kritik kommt auch vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco: "Die Provider werden weiter belastet und der Datenschutz leidet", beklagt der Chef der Lobby-Vereinigung, Michael Rotert. Anscheinend solle die Verordnung rasch noch als "Abschiedsgeschenk" von Bundesinnenminister Otto Schily der Wirtschaft präsentiert werden.

Obwohl sich auch zahlreiche Bundestagsabgeordnete gegen den Referentenentwurf aussprachen, verabschiedete das Kabinett das inzwischen 43 Seiten starke und heise online vorliegende Papier im Sommer ohne weitere Debatte mit nur geringfügigen Änderungen. So hält die Regierung etwa weiter an der so genannten Auslandskopf-Überwachung fest. Dabei wäre von dem Beschuldigten oder dem Nachrichtenversender, dessen Telekommunikation überwacht werden soll, lediglich ein bestimmter ausländischer Telekommunikationsanschluss bekannt. Die eigentliche Überwachung könne aber an den Übermittlungsstellen zu Netzen in fremden Ländern und daher noch im eigenen Territorium erfolgen. Entgegen der Schätzungen der Wirtschaft sieht die Regierung nur etwa "zehn bis fünfzehn Betreiber betroffen".

Der Verordnungsgeber entschuldigt sich in der Begründung aber doch selber über die "prinzipbedingte Abweichung" von den eigentlichen Abhörnormen der TKÜV bei der Auslandskopf-Überwachung. Für die technische Umsetzung derartiger, etwa im Rahmen der Terrorismusbekämpfung erforderlichen Lauschmaßnahmen sind zudem keine Festlegungen in der Technischen Richtlinie vorgesehen, welche die Einzelheiten fürs verordnungsgerechte Abhören festlegt. Die Gestaltung der Überwachungseinrichtungen soll vielmehr in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur erfolgen. "Die Geheimdienste und Ermittler wollen ständig ein neues Spielzeug", lehnt Rotert die Pläne ab. Dabei hätten die Sicherheitsbehörden oft nicht einmal die nötige Ausrüstung, um die bislang schon gelieferten Abhördaten zu verarbeiten und auszuwerten.

Der eco-Chef scheint einen wunden Punkt zu treffen, denn in der Kabinettsversion der Verordnung wird erstmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den Sicherheitsbehörden die gewünschten Kommunikationsinhalte nur exakt in dem Umfang übergeben werden dürfen, die in der Überwachungsverordnung genannt sind. Das "Aussortieren" von überflüssigen Daten dürfe nicht der "berechtigten Stelle" überlassen bleiben. Generell bestimmt die TKÜV die grundlegenden Anforderungen an technische Einrichtungen zur Überwachung der gesamten Telekommunikation einschließlich E-Mail und SMS. Sie leitet sich aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG) ab. Wer in welchem Fall abhören darf, wird etwa in der Strafprozessordnung oder neuerdings den Überwachungsgesetzen der Länder bestimmt. Die TKÜV entscheidet aber mit, wie die starken Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis konkret gehandhabt werden sollen.

Streit gibt es nach wie vor auch um die "Kennungen", die fürs Abhören herangezogen werden dürfen. Die Frage, inwieweit die Handy-Gerätenummer IMEI ein gültiger Anknüpfungspunkt für eine Überwachungsanordnung sein kann, hat die Regierung bis zum Erlass der Technischen Richtlinie verschoben. Dafür stellt sie in der Begründung fest, dass beim Überwachen von E-Mails nicht die eigentliche, leicht vom Nutzer veränderbare Adresse entscheidend sein soll, sondern die einer E-Mail-Adresse zugeordnete Benutzerkennung. Unverändert blieb die Passage aus dem Referentenentwurf, wonach bei einer zu überwachenden Kennung aus Mobilfunknetzen Angaben zum Standort des Handys "mit der größtmöglichen Genauigkeit, die in dem das Mobilfunkgerät versorgenden Netz für diesen Standort üblicherweise zur Verfügung steht", zu machen seien. Die Betreiber fürchten, dass sie bald genauere Informationen als die zur verwendeten Funkzelle geben und die Auswertungsfunktionen ihrer Netze drastisch aufrüsten müssen.

Zumindest ein kleines Bonbon für die mittelständischen Provider sieht eine Empfehlung des federführenden Wirtschaftsausschusses im Bundesrat vor, die auf Antrag von Rheinland-Pfalz den Kreis der Firmen einschränken soll, die zur permanenten Vorhaltung der teuren Abhörboxen verpflichtet sind. So sollen gemäß den Landespolitikern Betreiber von Telekommunikationsanlagen, an die nicht mehr als 20.000 Teilnehmer oder sonstige "Nutzungsberechtigte" angeschlossen sind, nicht die aufwendigen Überwachungsvorkehrungen nebst permanentem Bereitschaftsdienst treffen müssen. Zuvor lag die "Bagatellgrenze" bei 1000 Teilnehmern. Davon unberührt bleibt die generelle Verpflichtung, Anordnungen zeitnah umzusetzen. Die prinzipiellen Probleme mit der TKÜV würden mit dieser Entschärfung nicht gelöst, erklärt Rotert.

Ganz aus der Seele spricht den betroffenen Unternehmen die vom Wirtschaftsausschuss angeregte Empfehlung an die Bundesregierung zur Vorlage einer Entschädigungsverordnung. Einen entsprechenden Entwurf hatte Rot-Grün in der vergangenen Legislaturperiode bereits vorgelegt, angesichts der befürchteten Blockadehaltung des unionsdominierten Bundesrats aber wieder zurückgezogen. "Die neue Bundesregierung muss die Entschädigungsfrage nun mit Schwung angehen", fordert auch Kitz. Der Staat müsse von Verfassung wegen die Kosten zur Erfüllung seiner eigenen Aufgaben tragen. Generell sei die Entwicklung hin zum standardmäßigen Einsatz der Abhörkeule "alarmierend". (Stefan Krempl) / (anw/c't)

[  heise.de





10. Oktober 2005
Nicht der Mensch mordet, sondern sein Gehirn

Fabian Kröger

Die Hirnforschung provoziert den Rechtsstaat

Nicht der Mensch mordet, sondern sein Gehirn. Das behaupten seit einiger Zeit führende deutsche Neurowissenschaftler. Unser freier Wille sei in Wirklichkeit nur eine Illusion, die uns unser Gehirn vorspielt, sagt Gerhard Roth, Direktor des Instituts für Hirnforschung (1) an der Universität Bremen. Schon vor unserem subjektiven Entschluss, etwas zu tun, habe das Hirn sich bereits dafür entschieden. Deshalb könne bei Verbrechen nicht mehr einfach von Schuld gesprochen werden.

Ein Mörder habe sich zum Mord entschieden, "weil er mit einem Gehirn ausgestattet ist, das in diesem Moment so entscheiden konnte und nicht anders", meint auch sein Forscherkollege Wolf Singer, Direktor am Max Planck-Institut für Hirnforschung (2) in Frankfurt am Main. Die Hirnforscher fordern deshalb eine Änderung des Strafrechts: Da unser Verhalten nicht von selbstbestimmten Entscheidungen, sondern vom limbischen System abhänge, "muss im Strafrecht das Prinzip der moralischen Schuld aufgegeben werden", fordert Roth in einem Beitrag (3) für die Zeitschrift Information Philosophie. Wer von Genen und Neuronen gesteuert werde, sei nicht schuldfähig.

Zwischen den drastischen Thesen der Neurowissenschaftler und ihren Forschungsergebnissen besteht allerdings ein auffälliges Missverhältnis: Wie das Gehirn arbeitet, "verstehen wir nach wie vor nicht einmal in Ansätzen", schrieben elf führende Hirnforscher 2004 in einem Manifest (4). Dennoch behaupteten sie, in Zukunft werde man "widerspruchsfrei Geist, Bewusstsein, Gefühle, Willensakte und Handlungsfreiheit als natürliche Vorgänge ansehen", da sie auf biologischen Prozessen beruhten. Deshalb müsse es darum gehen, "ein neues Menschenbild zu entwerfen".

Die Neurowissenschaften beanspruchen damit die Deutungsmacht auf einem traditionell geisteswissenschaftlichen Gebiet. "Wenn wir Aussagen zur Willensfreiheit machen, wenden wir das konzeptuelle Werkzeug aus unseren Labors auf ursprünglich philosophische Fragestellungen an - und kommen dabei erstmals zu naturwissenschaftlich untermauerten Antworten", unterstreicht (5) Singer seine Thesen. Psychologen kritisieren den Bilder-Glauben der Hirnforschung Dagegen regt sich jetzt jedoch Widerstand: Führende Psychologen gaben im Juni diesen Jahres ein Manifest (6) heraus, das als Standortbestimmung gegenüber der Hirnforschung gedacht ist. Sie korrigieren darin den Eindruck, die Neurowissenschaften "könnten einen besser fundierten Zugang zum Verständnis psychischer Prozesse anbieten".

Zentraler Kritikpunkt sind dabei neue bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), der die Hirnforschung wesentlich ihren Erfolg verdankt. Damit kann zum Beispiel gezeigt werden, dass es an einer bestimmten Stelle im Frontalhirn funkt, wenn man an ein mathematisches Problem denkt. "Wir dürfen die Messung von Gehirnaktivität nicht mit kausalen Erklärungen psychischer Leistungen verwechseln", geben die sechs Psychologen zu bedenken. Es reiche nicht aus zu wissen, in welchen konkreten Hirnregionen sich etwas abspielt, um zu erklären, wie das geschieht. Liebe lasse sich nicht aus biochemischen Prozessen erklären.

Die Provokation des Rechtsstaats durch die Hirnforschung

Insgesamt handelt es sich aber nicht um eine akademische Diskussion: Hirnforscher wie Singer und Roth leiten aus ihren Forschungen handfeste Konsequenzen für Rechtsprechung und Erziehungssystem ab. Im Manifest der Hirnforschung sprechen sie Klartext: In Zukunft würden sie in der Lage sein, "psychische Auffälligkeiten und Fehlentwicklungen, aber auch Verhaltensdispositionen zumindest in ihrer Tendenz vorauszusehen - und "Gegenmaßnahmen" zu ergreifen."

Was das konkret bedeutet, wurde auf einer Tagung der Bielefelder Fakultät für Rechtswissenschaft (7) diskutiert: Sollen neurobiologische Diagnosen darüber entscheiden, ob verurteilte Gewalttäter erfolgreich therapiert wurden und entlassen werden können? Die Verkündungen der Hirnforscher führen also auch im kriminologischen Denken zu einer Verschiebung: Hirnforscher Gerhard Roth fordert sogar, Menschen mit "krankem Hirn" aufgrund neuropsychologischer Tests präventiv in Gefängnissen oder Psychiatrien wegzuschließen, obwohl sie keine Straftat begangen haben. So war es jedenfalls im Mitte September in der ARD ausgestrahlten Dokumentarfilm "Der Sitz des Bösen" von Tilman Achtnich zu vernehmen.

Mit solchen Forderungen stellen die Neurowissenschaften das bundesrepublikanische Rechtssystem auf den Kopf. Wenn Menschen aufgrund neurobiologischer Diagnosen hinter Schloss und Riegel gebracht werden können, widerspricht dies grundlegenden straf- und verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantien. Dazu gehören etwa die Unschuldsvermutung und das Verbot der Doppelbestrafung. Außerdem muss der Freiheitsentzug in einem Gerichtsurteil beschlossen werden.

Eine Abkehr vom strafrechtlichen Schuldprinzip gibt es aber bereits heute mit der so genannten "Sicherheitsverwahrung". Sie betrifft vor allem Wiederholungstäter, die auch nach Verbüßen ihrer regulären Haft weiterhin in Gewahrsam bleiben, wenn ein psychiatrisches Gutachten eine weitere schwere

Straftat in Freiheit voraussagt. Dieser "Risikogruppe" wird der Bürgerstatus aberkannt.

Die Forderungen der Neurowissenschaftler treiben diese Psychiatrisierung des Rechtssystems voran. Brisant sind an dieser Quarantäne-Politik vor allem zwei Dinge: Bisher war es nur innerhalb der psychiatrischen Systems möglich, den "Wahnsinnigen" zu internieren, um ihn von seinem Handeln abzuhalten. Wenn diese Entmündigungsmacht der Medizin auf das allgemeine Strafrecht ausgedehnt wird, wird der Ausnahmezustand zur Regel. Zweitens werden der Medizin prophetische Fähigkeiten zugesprochen: Sie nimmt eine Tat vorweg, die noch gar nicht begangen wurde. Ein uraltes Weltbild lebt wieder auf, das den Menschen auf das Gehirn reduziert und die Ursache "abweichenden Verhaltens" in der Biologie sucht.

Renaissance einer biologisierten Kriminologie

Der Frankfurter Strafrechtler und Rechtsphilosoph Klaus Lüderssen warnt daher auch, mit der neurowissenschaftlichen Intervention in die Gesellschaft drohe ein Rückfall ins 19. Jahrhundert, als die Hirnforschung ihren Anfang nahm. Damals gingen Mediziner und Strafrechtsreformer eine unheilige Allianz ein. Schon 1876 meinte der italienische Gerichtsarzt Cesare Lombroso, den "geborenen Verbrecher" am Körperbau erkennen zu können: Ohrenform, Fingerlänge, fliehende Stirn und Schädelvolumen ließen Rückschlüsse auf die Anfälligkeit eines Menschen für kriminelles Verhalten zu. Sein Leitgedanke: Verbrechen sind biologisch bedingt. Nicht die Erziehung, Bildung und persönliche Lage des Verbrechers müssen untersucht werden, um seine Taten zu begreifen, sondern seine Biologie und Anatomie. Damit begründete Lombroso die einflussreiche Kriminalanthropologie. Gegen resozialisierende Konzepte schrieb er 1895: "Die theoretische Ethik läuft von diesen kranken Gehirnen ab wie Öl von Marmor, ohne einzudringen."

Nach Ansicht des vor drei Jahren verstorbenen Wissenschaftshistorikers Stephen Jay Gould hatten die Kriminalanthropologen um Lombroso das Ziel, "mit der modernen Wissenschaft wie mit einem Besen die Rechtsprechung von dem veralteten philosophischen Ballast des freien Willens und der uneingeschränkten sittlichen Verantwortung zu befreien." Anstelle des Verbrechens sollte die Persönlichkeit des Delinquenten zum Hauptgegenstand der Strafjustiz gemacht werden.

Nach 1945 wurden biologische Argumente zunächst aus der Kriminologie verbannt. Diese Windstille hielt aber nur zwanzig Jahre an. Schon in den sechziger Jahren brachten Humangenetiker die Legende in Umlauf, ein zusätzliches Y-Geschlechtschromosom verdamme Männer zu kriminellem Verhalten. Vor allem statistische Tricks ermöglichten die Verknüpfung der als XYY-Syndrom bekannt gewordenen Chromosomenanomalie mit Kriminalität. Heute kehrt der biologische Determinismus in den Thesen der Hirnforschung mit voller Kraft wieder: Neu ist dabei nur, dass die Zeichen der angeborenen Kriminalität nicht mehr in der Anatomie, sondern im Inneren gesucht werden: den Genen und Neuronen.

Links

(1) http://www.ifh.uni-bremen.de/
(2) http://www.mpih-frankfurt.mpg.de/
(3) http://www.sprache-werner.info/index.php?Rpage=gehirn/roth-problem-der-willensfreiheit.html
(4) http://www.gehirnundgeist.de/blatt/det_gg_manifest
(5) http://zeus.zeit.de/text/2005/29/N-Singer_2fPrinz
(6) http://www.wissenschaft-online.de/artikel/781468
(7) http://www.jura.uni-bielefeld.de/Institute_Projekte/Verfahrenstage/DritteVerfahrenstage/index.html

[  telepolis.de





6. Oktober 2005
Vier Jahre zu Unrecht in Haft

Mannheim - In einem Wiederaufnahmeverfahren vor dem Mannheimer Landgericht ist ein wegen versuchten Totschlags an seiner Ex-Frau verurteilter Mann am Donnerstag freigesprochen worden. Der 39-jährige aus Birkenfeld (Baden-Württemberg) hatte vier Jahre und sieben Monate zu Unrecht im Gefängnis gesessen. Er soll eine Haftentschädigung erhalten. Das Gericht hielt es für nicht bewiesen, dass der Angeklagte Harry Wörz die Tat begangen hat. Wörz war 1998 vom Landgericht Karlsruhe zu elf Jahren Haft verurteilt worden, weil er versucht haben soll, seine damalige Frau umzubringen. Die damals 26 Jahre alte Polizistin war in der Nacht zum 29. April 1997 in ihrer Birkenfelder Wohnung mit einem Wollschal beinahe erdrosselt worden. Sie ist seit der Tat schwerst hirngeschädigt.

Der jetzige Freispruch wird voraussichtlich noch vom Bundesgerichtshof überprüft. Die Staatsanwaltschaft und auch der Anwalt des Opfers wollen Revision einlegen. Wörz, der seit November 2001 vorerst auf freiem Fuß war, kämpfte seit Jahren um seine Rehabilitierung. Das Landgericht Karlsruhe hatte den gelernten Installateur und Bauzeichner 1998 in einem Indizienprozess verurteilt.

Nachdem eine Zivilkammer des Karlsruher Landgerichts vor mehr als vier Jahren überraschend eine Schmerzensgeldklage des Opfers gegen den angeblichen Täter abgewiesen hatte, tauchten Zweifel an seiner Schuld auf. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe ließ ihn frei. Vergangenes Jahr ordnete das OLG die - zunächst vom Mannheimer Landgericht verweigerte - Wiederaufnahme des Prozesses an. Der seit dem 30. Mai laufende Prozess brachte keine abschließende Klarheit darüber, ob ein anderer Täter in Betracht kommt. Das Gericht hatte den damaligen Geliebten des Opfers, einen Pforzheimer Polizeikollegen, als Zeugen vernommen. Der anfangs ebenfalls unter Verdacht stehende 46-Jährige war unmittelbar vor der Tat in einem Gefühlszwiespalt, weil ihn seine Ehefrau ultimativ dazu aufgefordert hatte, die Beziehung zur Geliebten zu beenden. Allerdings versichert seine Frau, er sei in der Tatnacht zum 29. April 1997 zu Hause gewesen. (dpa)

[  rundschau-online.de





06. Oktober 2005
Kein behördliches Berufungsverfahren
Bundesverwaltungsgericht rügt Ausweisungspraxis in Baden-Württemberg

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Ausweisungspraxis des Landes Baden-Württemberg beanstandet. Das dort abgeschaffte behördliche Berufungsverfahren gegen Ausweisungsverfügungen widerspreche dem deutschen wie auch dem europäischen Recht, erklärten die Leipziger Richter in einem am Donnerstag ergangenen Urteil. In dem vorliegenden Fall hatte das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung eines in Berlin geborenen türkischstämmigen Mannes angeordnet, weil dieser sich wegen Haschischhandels strafbar gemacht hatte. Der Mann klagte dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht, das ihm Recht gab und die Entscheidung der Stuttgarter Behörde aufhob.

Mit der Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht erneut die Ausweisungspraxis in Baden-Württemberg beanstandet. In diesem Bundesland sind dem Gericht zufolge seit 1999 für Ausweisungen von Straftätern – auch von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern und assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen – nur noch die Regierungspräsidien als einzige Verwaltungsinstanz zuständig. Das Widerspruchsverfahren sei abgeschafft worden.

Diese Verfahrensweise ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts mit der maßgebenen EG-Richtlinie nicht vereinbar, es sei denn, es hätte ausnahmsweise ein "dringender Fall" vorgelegen. Für einen solchen Ausnahmefall hätten hier keine Anhaltspunkte vorgelegen, zumal bereits das Verwaltungsgericht die sofortige Vollziehung der Ausweisung gestoppt habe und der Kläger daher auch nicht aus der Haft heraus in die Türkei hätte abgeschoben werden können.

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch den Einwand des Regierungspräsidiums zurückgewiesen, der Kläger könne sich auf die europarechtlichen Verfahrensgarantien nicht berufen, weil sein aus Assoziationsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht auf jeden Fall durch die Verbüßung der Jugendstrafe wieder erloschen sei. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auf "die inzwischen eindeutige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Luxemburg (EuGH)".

Danach bestünden die Aufenthaltsrechte freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger und assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger grundsätzlich auch bei längerer Strafhaft fort. Das Bundesverwaltungsgericht vertrat außerdem die Auffassung, dass die Erwägung des Regierungspräsidiums in dem angefochtenen Bescheid, die Ausweisung habe "ergänzend" auch aus generalpräventiven Gründen verfügt werden dürfen, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei. Die Ausweisung eines Straftäters sei nur erlaubt, wenn von diesem eine exakt einzugrenzende Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe. Eine allgemeine Abschreckung anderer Ausländer reiche als Ausweisungsgrund nicht aus. (AZ: BVerwG 1 C 5.04)

[  ngo-online.de





6. Oktober 2005
Richter greifen bei Jugendlichen härter durch

Zahl der Verurteilungen von Heranwachsenden gestiegen - Freiheitsstrafen seltener zur Bewährung ausgesetzt von Insa Gall

Hamburgs Jugendrichter greifen offenbar immer härter durch: So stieg die Zahl der Verurteilungen von Jugendlichen und Heranwachsenden in der Hansestadt seit 2001 von 1954 auf 2375 - immerhin ein Plus von gut 20 Prozent. Zugleich wenden die Jugendrichter immer häufiger sogenannte Zuchtmittel an, also Jugendarrest oder die Verurteilung zu gemeinnützigen Arbeiten. Kamen diese Mittel 2001 noch in 880 Fällen zum Einsatz, machten die Jugendrichter 2004 schon bei 1322 unter 21jährigen von diesen Maßnahmen Gebrauch. "Viele Jugendrichter haben erkannt, daß sie bei einigen Jugendlichen härter durchgreifen müssen", kommentiert der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Hesse die Zahlen, die der Senat auf seine Kleine Anfrage hin veröffentlicht hat.

Seltener kommen Jugendliche und heranwachsende Straftäter in Hamburg zudem mit einer Bewährungsstrafe davon. Wurden 2001 noch fast zwei Drittel (62,2 Prozent) aller Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt, waren dies 2004 nur noch knapp ein Drittel (32 Prozent). Insgesamt ist die Jugendkriminalität in der Hansestadt rückläufig: So sank die Zahl der Fälle seit 1998, als der Spitzenwert von 37 093 Delikten gezählt wurde, auf 26 318 Fälle im vergangenen Jahr. Noch immer wird allerdings jede dritte Gewalttat (35,7 Prozent) von unter 21jährigen verübt.

Getrübt wird diese Bilanz aus Hesses Sicht nur dadurch, daß die Jugendrichter auch auf Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren in den allermeisten Fällen noch immer das mildere Jugendrecht und nicht das allgemeine Strafrecht anwenden - und damit den vom Gesetz vorgesehenen Ausnahme- zum Regelfall machen. Zwar stieg der Anteil der Heranwachsenden, die nach allgemeinem Strafrecht verurteilt wurden, 2002 zunächst von 16,78 auf 17,74 Prozent an, sank aber mittlerweile wieder auf 13,36 Prozent - deutlich unter den Wert bei Regierungsübernahme der CDU 2001. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt wird jeder dritte Heranwachsende (35,53 Prozent) nach dem allgemeinen Strafrecht verurteilt. "Diese Zahlen sind nicht zufriedenstellend", so Hesse. Der CDU-Politiker will mit einer Bundesratsinitiative darauf hinwirken, die gesetzlichen Regelungen im Strafgesetzbuch und im Jugendgerichtsgesetz so zu verschärfen, daß der Ermessensspielraum der Jugendrichter eingeschränkt wird. "Wir brauchen klarere Regeln", fordert der Bürgerschaftsabgeordnete. Er sei optimistisch, mit einer solchen Initiative bei einer CDU-geführten neuen Bundesregierung künftig auf Zustimmung zu stoßen.

[  welt.de





04.Oktober 2005
SMS-Fahndung: Polizei stellt letztes Pilotprojekt ein

Als letzte von anfangs zwölf Dienststellen verzichtet das Bochumer Polizeipräsidium auf den weiteren Einsatz der SMS-Fahndung. Das mit zahlreichen Vorschusslorbeeren versehene Pilotprojekt war vom Bundeskriminalamt Ende 2002 ins Leben gerufen worden. Die Grundidee des Projekts bestand darin, das Instrumentarium der so genannten Öffentlichkeitsfahndung wie beispielsweise das Verteilen von Flugblättern bei Entführungsfällen um das populäre Medium SMS zu ergänzen. Diese wurden von der Polizei an ausgewählte Berufsgruppen wie Taxi- und Busfahrer oder Mitarbeiter des Ordnungsamts versandt -- in der Hoffnung, dass diese während ihrer normalen Arbeit Beobachtungen über vermisste Personen oder gesuchte Autos sammeln können. Am Bochumer Projekt wirkten über 700 Bürger mit, doch verhalfen deren Hinweise nicht ein einziges Mal dazu, einen Fall aufzuklären. Daher stand das Projekt nach gut zehn Monaten bereits Ende 2004 vor dem Aus.

Gegenüber heise online erklärte der Bochumer Projektleiter Frank Nows, dass das Ende des Versuchs keineswegs eine generelle Abkehr der Polizei vom Kommunikationsmedium SMS darstelle. So werde die für das Pilotprojekt geschaffene SMS-Applikation polizeiintern weitergenutzt, um während "Großlagen" Informationen per SMS auf die Handys ausgewählter Beamter zu senden. Dies habe sich zum Beispiel bei der Sicherung des Bundesparteitags der SPD bewährt, der im November 2003 in Bochum stattgefunden hatte.

Dass die öffentliche Fahndung per SMS in keinem der Pilotprojekte einen greifbaren Erfolg gebracht habe, führt Nows auch auf die geringe Anzahl der teilnehmenden Behörden zurück. Bei einem Preis von 7 Cent je Fahndungs-SMS seien die Kosten für dieses Fahndungsinstrument als günstig einzustufen -- demgegenüber koste der Einsatz eines Polizeihubschraubers je Flugstunde rund 1000 Euro. "Wenn eine Suche per Hubschrauber einmal erfolglos verläuft, wäre dies ein Grund, die Hubschrauberstaffeln der Polizei abzuschaffen?", gibt Nows zu bedenken. Mehr Erfolg als bei dem isolierten SMS-Projekt verspricht sich Nows von integrierten Fahndungsportalen, die die Büger sowohl per Internet-Zugang (stationär oder mobil) als auch über Mobilfunk-Dienste wie SMS oder MMS erreichen. (ssu/c't)

[  heise.de





2. Oktober 2005
Schilys (vorerst) letzter Kreuzzug

Harald Neuber 02.10.2005

Die andauernden Ermittlungen gegen das Politmagazin Cicero sind offenbar nur ein erster Schritt bei der Einschränkung der Pressefreiheit

Die Tage der alten Bundesregierung sind gezählt. Doch während sich seine Kabinettskollegen auf die Zeit nach Rot-Grün vorbereiten, hat sich Otto Schily eine letzte Mission auferlegt. Er müsse "die Diskretion im Staat da, wo sie notwendig ist, auch durchsetzen", kündigte der Minister am Montag vergangener Woche in Berlin an. Fassungslos, so hieß es in Berichten später, hätten sich die über 500 Gäste des Zeitungskongresses (1) im Maritim-Hotel der Hauptstadt eine "bizarre Rede" anhören müssen, in der Schily eine Hasstirade nach der anderen gegen die Medien losließ: Journalisten stellen sich "außerhalb der Gesetze", schimpfte (2) der Gastredner. Und ginge das so weiter, kenne er bald "kein Pardon" mehr.

Der Minister knüpfte damit direkt an die Medienschelte des Bundeskanzlers vom Wahlabend ab. Doch Gerhard Schröder hatte sich bei seinem Auftritt (3) in der "Berliner Runde" offensichtlich nicht unter Kontrolle und entschuldigte sich später für die undifferenzierte Presserüge. Schily aber wusste, was er sagte. Auch er beschwerte (4) sich vor den anwesenden Medienunternehmern und Journalisten zunächst, dass einige Medien seine Regierung "kaputtgeschrieben" hätten. Dann wurde er aggressiver – und konkreter. Journalisten, die bei ihren Recherchen auf geheime Papiere zurückgriffen, und diese "wie eine Trophäe" präsentierten, müssten strafrechtlich belangt werden.

"Stichwort Cicero", sagte Schily und schlagartig war den Beteiligten die Tragweite des Gesagten klar: Die Potsdamer Redaktion des Cicero (5), eines politischen Monatsmagazins, war am 12. September in einer konzertierten Aktion ( Pressefreiheit: Die Hemmschwelle sinkt (6)) verschiedener Polizeibehörden durchsucht worden. Zeitgleich (7) drangen Ermittler in die Wohnung des Mitarbeiters Bruno Schirra nahe Berlin ein. Auslöser einer der größten staatlichen Angriffe der letzten Jahre gegen den freien Journalismus in Deutschland war ein Artikel Schirras über den aus Jordanien stammenden Terroristen Abu Mussab Al Zarqawi. Darin war unter anderem aus einer Analyse des Bundeskriminalamtes zitiert worden.

Ermittlung auch in der Schweiz

Der Rückgriff auf vertrauliche Quellen ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit im investigativen Journalismus. Für Schily ist es ein unverzeihliches Verbrechen. "Wir lassen uns das Recht des Staates nicht nehmen, seine Gesetze durchzusetzen", drohte er auf dem Berliner Kongress. Gesagt, getan: Nur einen Tag später ging bei der Schweizer Polizei ein Rechtshilfegesuch ein. Die dortige Bundesanwaltschaft solle den Auslandschef der Zeitschrift Sonntagsblick Johannes von Dohnanyi in der Ermittlungssache gegen Schirra verhören. Für dieses Blatt arbeitet auch Schirra, denn das Schweizer Verlagshaus Ringier (8) gibt sowohl den Sonntagsblick wie das Magazin Cicero heraus.

Am Donnerstag schon standen zwei Schweizer Polizeibeamte vor Dohnanyis Wohnungstür, um ihn im Auftrag der deutschen Kollegen zu befragen. Gegen diesen liegt wegen der Zitate aus dem BKA-Papier im Nachbarland immerhin eine Anzeige wegen "Beihilfe zum Geheimnisverrat" vor. Doch der Vorstoß blieb ohne Erfolg: Der Schweizer Journalist verweigerte seine Aussage.

Kritik aus den eigenen Reihen

Hätte der Innenminister doch nur auf seine Genossen gehört. Monika Griefahn, SPD-Politikerin und Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, etwa hatte ihren Parteikollegen zuvor gerügt. Die Durchsuchung der Cicero-Redaktion und die Konfiszierung von Materialien sei "empörend", sagte Griefahn. Es häufen sich Durchsuchungen von Redaktionen, die ich als Einschüchterungskampagne empfinde. Die letzten Razzien, bei denen vor einigen Wochen Material aus dem privaten Haus des Journalisten Bruno Schirra und den Redaktionsräumen des Cicero beschlagnahmt wurde, waren ein Fehler. Wir müssen die Pressefreiheit und den investigativen Journalismus hochhalten, gerade weil wir im Ausland auch dafür kämpfen. Wenn illoyale Beamte im Ministerium als Informanten tätig sind, muss das streng verfolgt werden, darf aber nicht auf Kosten von Journalisten und Quellenschutz geschehen.

Monika Griefahn in einer Presseerklärung (9) zum Vorgehen gegen die Cicero-Redaktion Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sieht Schilys Kreuzzug gegen die Presse mit Befremden. Dieser solle "nicht die große Keule schwingen, sondern lieber dafür sorgen, dass es in seinem Zuständigkeitsbereich keine Lecks gibt", so Wiefelspütz. Den Auftritt des Innenministers bezeichnet der SPD-Mann als "unverhältnismäßig".

Otto Schily ficht diese Kritik nicht an. Die zunehmend aggressive Linie seines Ministeriums gegen die freie Presse verteidigt er auch weiterhin – und bleibt damit seiner Politik der letzten Jahre treu. So hat der ehemalige RAF-Verteidiger nicht nur die Initiative für einen "großen Lauschangriff" zu verantworten. Auch in den Folgejahren hatte er immer wieder versucht, die Kontrollgewalt des Staates über das Prinzip der Pressefreiheit zu stellen.

Verstoß gegen die Verfassung

Sein Vorgehen sei berechtigt, weil "für Journalisten nichts im Grundgesetz" stehe, ihr Widerstand gegen Überwachung und Gängelung also unberechtigt sei. Mit dieser vorsätzlichen Fehlinterpretation versucht der Jurist Otto Schily aber lediglich, von dem eigentlichen Skandal im Fall Cicero abzulenken: der schleichenden Beseitigung des für die journalistische Arbeit elementaren Informantenschutzes. Der findet im Grundgesetz zwar keine direkte Erwähnung. Auf seiner Internetseite whistleblowerinfo.de (10) weist der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Johannes Ludwig aber darauf hin, dass der Informantenschutz dennoch "eines der wichtigsten und höchsten Rechtsgüter" sei und in Deutschland quasi Verfassungsrang habe, seit er vom Bundesverfassungsgericht 1959 bestätigt wurde. Den Schutz von Informanten "leiten die Verfassungsrichter direkt aus dem Artikel 5 (11) des Grundgesetzes ab, in dem auch die

Pressefreiheit ganz allgemein kodifiziert ist.", schreibt Ludwig.

Heribert Prantl, Leiter des Ressorts Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, zeigte sich nach Schilys Ausfällen daher beunruhigt darüber, dass es keinen Aufschrei gegeben habe – wie 1962 etwa, als die Spiegel-Redaktion unter ähnlichen Vorwänden wie im aktuellen Fall Cicero durchsucht (12) wurde. Offenbar sei seither "der Rang der Pressefreiheit massiv geschwunden", so Prantl. Die Pressefreiheit heute und hierzulande ist ein einbalsamiertes Grundrecht, prächtig präpariert von den Verfassungsrichtern in Karlsruhe, so dass sie beinahe ausschaut wie lebendig. Aber nur beinahe: Es ist wie bei einem ausgestopften Tier: Von Zeit zu Zeit wird es aus der Vitrine geholt und abgestaubt. Der Biologielehrer stellt es vor der Klasse auf und erzählt, was das Tier gemacht hat, als es noch lebte, jagte und fraß. Ein prächtiges Tier, sicher; noch im ausgestopften Zustand kann man sich gut vorstellen, wie es wohl war, als es noch lebte.

Heribert Prantl, Süddeutsche Zeitung, beim BDZV Zeitungskongress in Berlin, 26. September 2005 ( Quelle (13)). Wo aber die öffentliche Meinung als Korrektiv nicht mehr wirkt, müssen Gesetze die Demokratie sichern. Sowohl in Österreich wie in der Schweiz ist die Autonomie der Presse gegenüber dem Staatsapparat geschützt: In Österreich durch den Schutz des Redaktionsgeheimnisses (14) (§ 31 Mediengesetz) und in der Schweiz durch den Quellenschutz (15) in § 27 des Strafgesetzbuches. Angesichts der zunehmenden Missachtung demokratischer Grundrechte durch die Regierenden wäre eine solche Regelung wohl auch für Deutschland notwendig.

Links

(1) http://www.bdzv.de/pressemitteilungen+M5332c19bd5d.html
(2) http://www.welt.de/data/2005/09/28/781597.html
(3) http://www.tagesschau.de/video/0,1315,OID4766940_RES_NAV_BAB,00.html
(4) http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,377456,00.html
(5) http://www.cicero.de/
(6) http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20946/1.html
(7) http://www.cicero.de/97.php?ress_id=4&item=837
(8) http://www.ringier.ch
(9) http://www.monika-griefahn.de/inhalt/presse/pm2005/pm2005_70b.htm
(10) http://whistleblowerinfo.de
(11) http://www.artikel5.de
(12) http://www.goethe.de/in/d/frames/gaz/didak1962.html
(13) http://www.vorbote.de/1062.html
(14) http://www.internet4jurists.at/gesetze/bg_medien01.htm
(15) http://www.admin.ch/ch/d/sr/311_0/a27bis.html

[  .telepolis.de





1. Oktober 2005
Zeitungsabos bringen Realität in Gefängniszellen
 

Von Peter Nowak

„Geht mal in den Zoo, ihr da draußen, ihr Freien! Geht vor den Tigerkäfig und stellt euch vor, ihr wärt das Tier dort... “ So beschrieb der langjährige Gefängnisinsasse Bruno Heizer in einer Erzählung unter dem Titel „Gestohlener Himmel“ seine Gefühle in einer Haftanstalt. „Der Autor konnte seine Erfahrungen in Worte fassen. Das ist nicht vielen Gefangenen möglich“, sagt Sybill Knobloch vom gemeinnützigen Verein  „Freiabonnements für Gefangene e.V.“ in Berlin. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, Gefängnisinsassen mit Zeitungen und Zeitschriften ihrer Wahl zu versorgen. Der Verein feiert jetzt sein 20-jähriges Jubiläum.

Den Anfang machte  die Berliner Tageszeitung (Taz), die unterstützt von vielen Spendern schon in den Anfangsjahren  Abos in  den Knast vermittelte. Die Taz gehört immer noch zu den Spitzenreitern bei den Knastabos. Doch mittlerweile  ist das Sortiment der von den Gefangenen gewünschten Medien viel breiter.  Es reicht auf dem Sektor der Tageszeitungen von der konservativen FAZ bis zur linken Jungen Welt. Unter den Wochenzeitungen sind Spiegel und Zeit Favoriten. Aber auch Fachzeitschriften wie „Dr. med Mabuse“ und die Kulturzeitung "Lettre International" finden hinter Gefängnismauern ihre Leser. Unter den fremdsprachigen Medien stehen die türkische Tageszeitung Milliyet und die arabische Wochenzeitung Al Hawadess an erster Stelle.

Mit einer Studie über das „Medienangebot in Haftanstalten“ hat Knobloch die Arbeit ihres Vereins dargestellt. An 434 Haftanstalten in ganz Deutschland  wurde der Fragebogen zur Untersuchung geschickt. 165 schickten den Fragebogen ausgefüllt zurück. Das ist eine Rücklaufquote von 48,4 Prozent und so zeigen die Ergebnisse, wie wenig Wert die Gefängnisse darauf legen, dass Häftlinge lesen.

Knapp ein Viertel der kooperierenden  Haftanstalten hat keinen eigenen Medienetat. Verfügen die Gefängnisse über Gelder zur Anschaffung von Medien, werden die  überwiegend für die Anschaffung von Büchern und nur zum geringen Teil für Zeitungen und Zeitschriften verwendet. Häftlinge mit geringen Geldmitteln sind dann auf kostenlose Publikationen angewiesen.  Dort stehen allerdings kirchliche Publikationen an erster Stelle. Doch die Gefangenen sind vor allem an umfassenden Informationen über politische Themen interessiert, wie die Studie belegt. 

 

 Die befragten Vertreter der Haftanstalten geben an, dass 39 Prozent der Insassen großes, 13,9 Prozent sogar sehr großes Interesse am Zeitungslesen haben. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, vor dem Gefängnisaufenthalt weniger gelesen zu haben. Für die Initiatorin der Befragung Sybill Knobloch ist dieses Medieninteresse sehr plausibel. „Die Zeitung bringt ein Mehr an Außenrealität in den Gefängnisalltag mit seiner sinnentleerten Zeit“.

Noch weniger erreichbar als Zeitungen ist ein PC für die Häftlinge. In der Justizvollzugsanstalt Tegel in Berlin treffen sich sogar regelmäßig Häftlinge zum Internetkurs. Doch das ist nur eine Trockenübung. Denn Internetzugänge sind hinter Gefängnismauern noch immer tabu. Homepage des Vereins "Freiabonnments für Gefangene"[  freiabos.de

[  linkszeitung.de





November 2005
Freedom for Cornelius Yufanyi - Call for a Demonstration in Goettingen for Freedom of Movement!

Submitted by voice on Wed, 09/11/2005 - 15:20. English

Freedom for Cornelius Yufanyi - Call for a Demonstration for Freedom of Movement!

Cornelius Yufanyi, a refugee from Kamerun and a member of the human rights organisation „The VOICE Refugee Forum“ in Germany is theratened by prison for violating the so-called “Residenzpflicht”, the residential restriction for asylumseekers in Germany, 5 ½ year after his participation in the refugee congress in Jena, the starting point of his case. In the meantime Cornelius Yufanyi has become father of a small daughter of German nationality and has almost finished his studies in forestral sciences. He is still politically active against the inhuman refugee politics of Germany.

In September 2003 Cornelius Yufanyi had been sentenced to pay a fine of 323,20 Euro for violating the 'Residenzpflicht'-law. He then had announced that he would not accept the judgement and that he would not pay any amount of money for violating that discriminatory law that contradicts international law. Now he is threatened by imprisonment. On Thursday, 27th October 2005 he was supposed to appear at court. Cornelius Yufanyi did not follow this request to extradite himself to the authorities voluntarily, expressing thereby his resistance against this law.

The VOICE Refugee Forum supports Mr Yufanyi in his courageous and determined struggle against this discriminatory segregated (?)/special law and is calling therefore for a demonstration against the impending imprisonment of Cornelius Yufanyi and against the residential obligation law.

The „Residenzpflicht“-law does not only violate the right of free movement but also the right of political and cultural activity, the right of free speach and of the development of one’s personality. This law is racist because it concerns only non-German people and it criminalizes people that have done nothing else than what every German considers very natural to do – to move freely.

Cornelius Yufanyi has claimed his rights for freedom of speech and political engagement and his right for free movement. It cannot be accepted that a person has to pay the penalty of simply exercising his human rights.

Therefore we demand the immediate withdrawal of the warrant against Cornelius Yufanyi.

With Mr Yufanyi we demand the immediate abolition of the residential obligation law and unconditioned free movement for all asylum seekers!

To express our support for Cornelius Yufanyi we call for a Demonstration for Free Movement
on Saturday, 12th November 2005
Time: 12.oo noon
Place: Göttingen, Gänseliesel

Freiheit für Cornelius Yufanyi - Aufruf zur Demonstration für das Recht auf Bewegungsfreiheit

Wegen Verstoßes gegen die Residenzpflicht droht Cornelius Yufanyi, Flüchtling aus Kamerun, Mitglied der Menschenrechtsorganisation “The Voice Refugee Forum” in Deutschland, die Inhaftierung – fünfeinhalb Jahre nach seiner Teilnahme am Flüchtlingskongress in Jena, dem Ausgangspunkt des Verfahrens. Cornelius Yufanyi hat mittlerweile eine kleine Tochter mit deutscher Staatsangehörigkeit. Sein Studium der Forstwirtschaft wird er bald erfolgreich beendet haben. Noch immer ist er politisch gegen die inhumane Flüchtlingspolitik der BRD aktiv.

Im September 2003 wurde Cornelius Yufanyi per Gerichtsurteil zu einer Strafe von 323,20 Euro verurteilt wegen eines Verstoßes gegen die Residenzpflicht (die Aufenthaltsbeschränkung für Asylbewerber auf einen Landkreis.) Cornelius Yufanyi hatte bereits damals angekündigt, dass er dieses Urteil nicht akzeptieren und das Geld nicht bezahlen würde, da das diskriminierende Gesetz der "Residenzpflicht für Asylsuchende" gegen internationales Recht verstößt. Nun droht ihm eine entsprechende Haftstrafe. Am Donnerstag, den 27.10.05 sollte er beim Gerichtsvollzieher erscheinen. Cornelius Yufanyi kam der Aufforderung, sich den Behörden freiwillig auszuliefern, nicht nach um dadurch seinem Widerstand gegen dieses Gesetz Ausdruck zu verleihen.

The VOICE Refugee Forum unterstützt Herrn Yufanyi in seinem mutigen und entschlossenen Kampf gegen dieses diskriminierende Sondergesetz und ruft deshalb zu einer Demonstration gegen die drohende Inhaftierung von Herrn Yufanyi und gegen die Residenzpflicht auf.

Das Residenzpflichtgesetz verletzt nicht nur das Recht auf Bewegungsfreiheit, sondern auch das Recht auf politische und kulturelle Betätigung, auf freie Meinungsäußerung und auf freie Persönlichkeitsentfaltung. Es ist rassistisch, weil es nur nicht-deutsche Menschen betrifft und weil es Menschen kriminalisiert, die nichts anderes getan haben, als was jeder Deutsche selbstverständlich für sich in Anspruch nimmt.

Cornelius Yufanyi hat sein Recht auf Bewegungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und politische Betätigung in Anspruch genommen. Es ist nicht zu akzeptieren, dass ein Mensch für die Ausübung eines grundlegenden Menschenrechts einer Strafe unterworfen wird.

Deshalb fordern wir die sofortige Aussetzung des Haftbefehls gegen Cornelius Yufanyi !Gemeinsam mit Herrn Yufanyi fordern wir die Abschaffung der Residenzpflicht und verlangen die uneingeschränkte Reise- und Bewegungsfreiheit für alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber!

Um unsere Unterstützung für Cornelius Yufanyi zum Ausdruck zu bringen, rufen wir auf zur: Demonstration für das Recht auf Bewegungsfreiheit

am Samstag, 12.11.2005
um 12.00 Uhr
Ort: Gänseliesel, Göttingen.

[  thevoiceforum.org

[  more infos and news thecaravan.org





27.September 2005
Keine Chance für Schulschwänzer

Delmenhorster Modellprojekt greift / Zeitnahes Vorgehen

Aus dem seit viereinhalb Jahren laufenden Projekt ist mittlerweile ein gut funktionierendes Netzwerk verschiedenster Institutionen hervorgegangen. Delmenhorst (szy). Das zeitnahe Vorgehen gegen Schulschwänzer sowie die beschleunigte Umwandlung des angedrohten Bußgeldes in Arbeitsleistungen zeigen Wirkung. Wie Angelika van Ohlen, Geschäftsführerin des Kriminalpräventiven Rates (KPR), berichtet, trägt das im März 2001 in Delmenhorst als seinerzeit landesweit einzigartiges Modellprojekt gegen Schulschwänzen Früchte. „Die Tendenz ist eindeutig positiv“, so ihre Bilanz nach viereinhalb Jahren.

Dank der engen Zusammenarbeit zwischen den Delmenhorster Schulen, dem zuständigen Fachdienst in der Stadtverwaltung, dem KPR sowie Jugendrichtern und der Polizei haben Schulschwänzer keine Chancen. Fehlt ein Kind oder Jugendlicher länger als drei Tage unentschuldigt im Unterricht, informiert die Schule den zuständigen Fachdienst über die Verletzung der Schulpflicht. Dieser setzt sich dann mit den Eltern beziehungsweise mit dem volljährigen Schüler direkt in Verbindung. Der anschließenden Anhörung folgt zeitnah, oftmals innerhalb einer Woche, die Verhängung von Bußgeldern, die auf Antrag und mit Zustimmung eines Jugendrichters auch in Form von Arbeitsleistungen abgegolten werden können. „Diese Umwandlung ist landesweit einzigartig“, berichtet die KPR-Geschäftsführerin mit Blick auf die Praxis in anderen Städten.
Erfolgt nach der Benachrichtung jedoch weder die Zahlung des Bußgeldes noch der Antrag auf Umwandlung in Arbeitsleistung, so kann der Jugendrichter quasi als letzte Konsequenz auch eine so genannte Erzwingungshaft anordnen. „Das ganze Verfahren dauert maximal sechs Wochen und ist daher auch unter dem präventiven Aspekt effektiv“, ist sich Angelika van Ohlen sicher. Hinzu komme die abschreckende Wirkung der möglicherweise anzutretenden Erzwingungshaft.

Einen derartigen Arrest in Form eines Wochenendaufenthaltes in der Justizvollzugsanstalt mussten im vergangenen Jahr 33 von insgesamt 247 Schulschwänzern antreten. In den meisten Fällen wurden jedoch Bußgelder gezahlt oder beaufsichtigte Arbeitsleistungen in Form von kurzfristig angesetzten gemeinnützigen Einsätzen auf Schulhöfen oder in Sporthallen erbracht. Einer der Arbeitseinsätze, die in diesem Zusammenhang von Schulschwänzern verrichtet wurden, war die Renovierung der Stadionhalle im Sommer vergangenen Jahres.

Probleme mit Schulschwänzern unter den insgesamt fast 13000 Schülerinnen und Schülern gibt es nach Angaben der KPR-Geschäftsführerin erfahrungsgemäß insbesondere an Hauptschulen sowie in berufsvorbereitenden Klassen der berufsbildenden Schulen. Als einen der Hauptgründe nennt van Ohlen soziale Probleme und hier vorrangig die für Jugendliche fehlenden Perspektiven. Der daraus resultierenden Forderung nach dem Einsatz von Sozialarbeitern ist laut van Ohlen inzwischen Rechnung getragen worden. Insgesamt sind zurzeit neun Sozialarbeiter an unterschiedlichen Schulen tätig.

Das Delmenhorster Projekt, dem ähnliche Modelle in anderen Städten und Landkreisen folgten, wurde seit 2003 wissenschaftlich durch Dr. Peter Wetzels von der Universität Hamburg begleitet. Die in diesem Zusammenhang erstellte Studie, die vergleichend auch Erfahrungen aus den Modellversuchen in Hannover sowie den Landkreisen Osnabrück und Friesland enthält, wird derzeit in den beteiligten Ministerien in Hannover ausgewertet und anschließend der Stadt vorgestellt.

[  dk-online.de





27. September 2005
Bald Handy-Störsender im Gefängnis

Baden-Württemberg will Handy-Telefonate in Gefängnissen künftig unterbinden. Zwar ist dies bislang schon verboten, oftmals gelingt es Häftlingen aber trotzdem, Handys in ihre Zellen zu schmuggeln. Aus diesem Grund muss nun auf Antrag Baden-Württembergs der Bundesrat entscheiden, ob technische Störsender in Gefängnissen künftig erlaubt sein sollen. Bislang ist dies als Eingriff in die Kommunikationsfreiheit untersagt.

Justizminister Ulrich Goll (FDP) sagte am Dienstag: "Leider lässt sich nicht zuverlässig verhindern, dass Handys immer wieder auf abenteuerlichen Wegen an den Kontrollen vorbei geschmuggelt werden. Die Mobiltelefone werden immer kleiner und passen zum Beispiel auch in Körperöffnungen." Laut Goll versuchen viele Häftlinge, kriminelle Geschäfte aus der Zelle heraus weiterzuführen. Manch einer dirigiere Helfer, wo und wann sie Geld oder Drogen über die Anstaltsmauer werfen können. Goll sagte, es bestehe zudem Verdunklungsgefahr, wenn Untersuchungsgefangene unüberwacht telefonieren. Er sei deshalb zuversichtlich, dass die Initiative im Bundesrat eine breite Unterstützung finden werde.

[  n24.de





26.September 2005
Erneut besorgniserregender Anstieg der Telefonüberwachung
Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen führend

Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Essen, hat heute in Berlin einen erneut besorgniserregenden Anstieg der Telefonüberwachung beklagt. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums sind im Jahr 2004 in 4.712 Verfahren Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr (4.276 Verfahren) wieder einen beschleunigten Anstieg und erneut eine Zunahme um 10,1 Prozent. Die größte Zunahme verzeichnet das Land Bayern mit einem Plus von 25,3 Prozent auf 831 Verfahren, gefolgt von Sachsen mit einer Zunahme um 22,6 Prozent auf 233 Verfahren und Nordrhein-Westfalen mit einer Zunahme von 17,5 Prozent auf 495 Verfahren.

Van Essen: "Die Entwicklung in Bayern ist in besonderer Weise erklärungsbedürftig, da hier bereits im letzten Jahr die Zunahme der Verfahren 17,9 Prozent von 562 in 2002 auf 663 in 2003 betrug. Erfreulich ist dagegen die Abnahme der Verfahren in den Ländern Berlin, Bremen und Thüringen. Der erneute Anstieg der Telefonüberwachungen ist besorgniserregend." Insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Bundesländern seien erklärungsbedürftig. (as)

[  internet.com


FDP fordert von den Ländern Telefonüberwachungen einzuschränken
Bayern lauscht am häufigsten

25.September2005

Die FDP hat an die Bundesländer appelliert, die Telefonüberwachungen einzuschränken. "Der erneute Anstieg der Telefonüberwachungen ist Besorgnis erregend", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, der 'Berliner Zeitung' (Samstagausgabe). Vor allem die unterschiedlichen Entwicklungen in den Bundesländern seien erklärungsbedürftig. Van Essen forderte die Landtage von Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen auf, sich dem Lauschanstieg zu beschäftigen. "Sie müssen Konsequenzen aus dieser Entwicklung ziehen", forderte van Essen.

Nach einem von van Essen angeforderten detaillierten Bericht der Bundesregierung geht hervor, dass unter allen 16 Bundesländern Bayern 2004 am häufigsten Telefone überwacht hat. Danach haben die bayerischen Ermittlungsbehörden im Jahr 2004 in 831 Strafverfahren Telefone angezapft, 25,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. An zweiter Stelle liegt Sachsen, das mit Telefonüberwachungen in 233 Verfahren einen Anstieg um 22,6 Prozent verzeichnet. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr knapp 34.400 Telefonüberwachungen vorgenommen, von denen fast 12.000 Menschen betroffen waren. Das ist ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit rund 10.500 abgehörten Personen um 13,5 Prozent.

Am häufigsten ordnen die Ermittler Telefonüberwachungen bei Drogendelikten an. In fast 3000 Verfahren in diesem Bereich wurden 2004 bundesweit Verdächtige abgehört. An zweiter Stelle liegen Raub und Erpressung, bei denen 2004 in 323 Verfahren Telefone angezapft wurden, gefolgt von Mord und Totschlag mit 290 Verfahren.

Van Essen forderte erneut eine Neuregelung. Nicht nur der Katalog der Straftaten, bei denen gelauscht werden kann, müsse überprüft werden. "Auch die parlamentarische Kontrolle muss verbessert werden. Das ist unumgänglich", unterstrich der FDP-Politiker. (as)

[  de.internet.com


Presseerklärung van essen

26.04.2005, BERLIN - Zu den heute von der Bundesregierung mitgeteilten Zahlen der Telefonüberwachungen für das Jahr 2004 erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion; Jörg VAN ESSEN:

Das Bundesministerium der Justiz hat mir auf meine Anfrage die aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2004 zur Telefonüberwachung in Deutschland mitgeteilt.

Danach sind in den Bundesländern und im Geschäftsbereich des Generalbundesanwalts im vergangenen Jahr in 4712 Verfahren Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden. Dies bedeutet gegenüber dem Vorjahr (4276 Verfahren) wieder einen beschleunigten Anstieg und erneut eine Zunahme um 10,1 Prozent. Die größte Verfahrenszunahme verzeichnet das Land Bayern mit einem Plus von 25,3 Prozent (663 Verfahren in 2003 auf 831 Verfahren in 2004), gefolgt von Sachsen mit einer Zunahme um 22,6 Prozent (190 Verfahren in 2003 auf 233 Verfahren in 2004) und Nordrhein-Westfalen mit einer Zunahme von 17,5 Prozent (421 Verfahren in 2003 auf 495 Verfahren in 2004). Die Entwicklung in Bayern ist in besonderer Weise erklärungsbedürftig, da hier bereits im letzten Jahr die Zunahme der Verfahren 17,9 Prozent von 562 in 2002 auf 663 in 2003 betrug. Erfreulich ist dagegen die Abnahme der Verfahren in den Ländern Berlin, Bremen und Thüringen. In Berlin hatte die FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus den hohen Anstieg im Jahr 2003 scharf kritisiert und entsprechende Initiativen eingebracht.

Der erneute Anstieg der Telefonüberwachungen ist besorgniserregend. Insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungen in den verschiedenen Bundesländern sind erklärungsbedürftig. Ich fordere daher im besonderen die Landtage von Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen auf, sich mit dieser speziellen Entwicklung in ihren Ländern zu befassen und Folgerungen aus der Entwicklung zu ziehen. Aufgrund der weiter steigenden Telefonüberwachungen hält die FDP eine Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle und der Berichterstattung an den Deutschen Bundestag und an die Landtage für unumgänglich. Einen entsprechenden Antrag hat die FDP bereits in der letzten Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht.

In den mir übermittelten Statistiken wird auch die Anzahl der Betroffenen im Sinne des § 100 a Satz 2 StPO (Beschuldigte, Nachrichtenermittler, Inhaber der vom Beschuldigten genutzten Anschlüsse) erfasst, gegen die sich Überwachungsanordnungen richteten. Dies waren insgesamt 11857 im Jahr 2004 gegenüber 10439 Betroffenen im Vorjahr und damit eine Zunahme von 13,5 Prozent.

Das Bundesministerium der Justiz hat mir des weiteren übermittelt, aufgrund welcher einzelnen Katalogtat des § 100 a StPO die Überwachungen angeordnet wurden. Den Spitzenplatz nehmen mit weitem Abstand erneut Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz mit insgesamt 2963 Verfahren ein (2664 Verfahren im Vorjahr). Die zeitstärkste Straftatengruppe ist die des Raubes oder der räuberischen Erpressung mit 323 Verfahren in 2004 gegenüber 343 Verfahren in 2003. Gefolgt von Straftaten, die Mord, Totschlag und Völkermord betreffen (290 in 2004 im Vergleich zu 262 in 2003). Die Deliktgruppe nach dem Ausländer- sowie Asylverfahrensgesetz (277 in 2004 im Vergleich zu 260 in 2004) liegt mit einer Steigerung um 5 Prozent auf dem vierten Platz.

Bettina Lauer
Telefon: (030) 227-52378
pressestelle@fdp-bundestag.de





23. September 2005
Mit Datenbanken gegen den Terror

Die gestern in Berlin zu Ende gegangene, nicht öffentliche 74. Generalversammlung der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (IKPO) hat eine Reihe von Beschlüssen gefasst, die zum Ziel haben, den Terror mit besseren Datenbanken zu bekämpfen. Die 600 Delegierten der Interpol, wie die Organisation auch genannt wird, stimmten für einen Antrag, die UNO im Kampf gegen den Terror zu unterstützen. Technisch bedeutet dies, dass das Fahndungssystem von Interpol mit der Liste der Terrorverdächtigen verknüpft wird, die vom UNO-Sicherheitsrat geführt wird. Auf diese Weise können Polizisten bei Kontrollen überprüfen, ob eine Person von der UNO als Terrorverdächtiger eingestuft ist. Laut Presseauskunft von Interpol umfasst die Liste 328 Personen und 119 Gruppen.

Ausgebaut werden soll außerdem die Verfügbarkeit der Datenbank für verlorene und gefälschte Pässe und Personalausweise, die es zusammen mit der Einführung von biometrisch abgesicherten Ausweisen Terroristen und Kriminellen erschweren sollen, mit gefälschten Papieren zu reisen. So sollen die bisher nur den Polizeibehörden wie dem Bundeskriminalamt (BKA) zugänglichen Datenbestände auch allen Grenzbehörden und Polizisten zur Abfrage offen stehen. Die Datenbank der gefälschten und verlorenen Papiere enthält derzeit 8 Millionen Einträge. Das deutsche BKA ruft dabei mit Abstand die meisten Informationen aus dieser Datenbank ab und soll mit 150.000 neuen Datensätzen pro Jahr auch der größte Datenlieferant sein.

In seiner Eröffnungsrede der Generalversammlung stellte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) eine Resolution zum Aufbau einer neuen Datenbank für unbekannte Tote und Vermisste vor. Die neue Datenbank soll die Identifizierung von Menschen nach Großkatastrophen wie dem Tsunami in Südasien oder nach Terroranschlägen beschleunigen. Die Polizeibehörden der 182 Interpol-Mitgliedsländer sollen die Daten von Vermissten eingeben, die wiederum von jeder beteiligten Polizeibehörde abgerufen und abgeglichen werden können. Der deutsche Vorschlag wurde von der Generalversammlung akzeptiert. "Das Bundeskriminalamt wird den technischen Aufbau der Datenbank maßgeblich begleiten und seine Datensätze umfassend in die neue Datenbank einbringen", erklärte Schily. (Detlef Borchers) / (anw/c't)

[  heise.de

Crime File At Touch of a Button

September 28, 2005

Nairobi

This will make it more difficult for Kenyan fugitives to hide abroad.The crime database for Kenya Police and those of the other 183 Interpol member states have been connected and data on the world's most wanted criminals can now be obtained at the touch of a button.All the member states will be able to keep track of international criminals on the run and work out joint strategies of arresting them.

CID chief Joseph Kamau yesterday said Kenya was connected to Interpol's new sophisticated satellite network on September 1. Canada was the first to be connected on January 20, 2003.The new global police communications system, called the I-24/7, enables the world's police to exchange information on criminals and criminal activities securely and rapidly.

Kenya's authority to join the new satellite network was given last week to Mr Kamau and police commissioner Mohamed Hussein Ali by Interpol secretary general, Mr Ronald Kenneth Noble, during the 74th Interpol general assembly, which took place in Berlin, Germany, between September 19 and 22. In addition to focusing on national central bureaus and their role in combating international crime, including terrorism, drugs, human trafficking and financial crime, member countries were updated on the expansion and successes of Interpol's databases, such as those on DNA, stolen travel documents and Internet child abuse.

Member countries will have direct access to each others' databases containing information on suspected terrorists, wanted persons, fingerprints, DNA profiles, lost, stolen or fraudulent travel and identification documents.The deputy head of the Interpol in Kenya, Mr James Karanja, said the delay in being connected to the new satellite network was caused by the moving of CID headquarters from Milimani to Kiambu Road."The mast and transmission equipment have been installed at the new CID headquarters," he said. When a criminal commits a crime in one country, the data and his or her photograph will be posted on the Interpol database and circulated among member states.

"It will be difficult for criminals to hide in any of the member countries because of the exposure. Moving from one country to another will not help because they will be under international scrutiny," Mr Karanja said.

[  allafrica.com

[  List of Resolutions on interpol.int





September 2005
Europa rüstet auf

Vier Jahre nach dem 11. September:
Im Vergleich zu Frankreich, England und Italien fallen die Anti-Terrorgesetze in Deutschland noch milde aus

Wohl fast jeder Deutsche, Brite und Spanier, der an jenem Dienstag im Fernsehen die New Yorker Zwillingstürme kollabieren sah, hat sich gefragt: Kann so etwas auch bei uns passieren? Heute, vier Jahre nach dem 11. September 2001, weiß Europa aus bitterer Erfahrung, es ist nicht sicher vor islamistischen Terroranschlägen – und kann sich dagegen auch nicht völlig schützen. Die Anschläge von Madrid und London haben gezeigt, Terroristen bleibt in offenen, demokratischen Staaten fast zwangsläufig die taktische Gunst des Hinterhalts. Aber lässt sich gleichwohl die islamistische Szene nicht besser ausleuchten und eindämmen? Mit jedem neuen Anschlag kalibriert Europa das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit neu. Wie viel Freiheit und Rechtsstaat werden im Kampf gegen den Fanatismus geopfert? Eine Rundschau.

[  zeit.de

[  Europa rüstet auf.pdf





10. September 2005
Nicht nur im Zweifel gegen die Freiheitsrechte

Ulla Jelpkes

 

Rückblick und Ausblick: Egal, ob der Innenminister Schily oder Beckstein heißt – der Ausbau des staatlichen Repressionsapparates schreitet mit großen Schritten voran   Zu Beginn der sozialliberalen Koalition 1969 verkündete Willy Brandt das Leitmotto »Mehr Demokratie wagen«. Der verheißene Aufbruch mündete jedoch schon bald im Bespitzelungssystem des unsäglichen Radikalenerlasses und in rechtsstaatswidrigen Bestimmungen wie dem »Kontaktsperregesetz« oder unbestimmten und damit breit anwendbaren Straftatbeständen wie »Bildung einer kriminellen Vereinigung« – ursprünglich gerichtet gegen die RAF, aber auch heute noch in Anwendung. Als SPD und Grüne 1998 ihr »rot-grünes Projekt« starteten, glaubten ebenfalls viele Bürgerinnen und Bürger an den Beginn einer neuen Reformperiode, wurden allerdings erneut enttäuscht. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat die Innenpolitik offen repressive Züge angenommen. Aber auch bis dahin gab in der Koalition bereits Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) den Ton an, gegen dessen Credo »Im Zweifel für die Sicherheit« sich bürgerrechtsorientierte Abgeordnete der Koalitionsfraktionen nie durchsetzen konnten. Daher behauptet heute niemand, die letzten Jahre seien gute Jahre im Sinne der Bürgerrechte gewesen.

Schily verstand sich – teils um die SPD gegen Angriffe der Konservativen zu immunisieren, gewiß aber auch aus innerer Überzeugung – von vornherein als »Sicherheitsminister« und nie als Garant innerer Liberalität.

Abschottung statt Zuwanderung

So blieb in der ersten Amtsperiode des Kabinetts Schröder die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts das einzige Thema, auf das man verweisen konnte. Aber selbst diese Minireform war inhaltlich von der CDU geprägt, die mit Roland Kochs unappetitlicher Kampagne gegen den »Doppelpaß« bei der hessischen Landtagswahl einen Sieg errungen hatte. Ab diesem Moment fehlte in der SPD/Grünen-Koalition der Mut, die doppelte Staatsangehörigkeit als eine für heutige Lebensverhältnisse normale Option einzuführen. Im Gegenteil, der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit geht seither nur noch unter erschwerten Bedingungen (Sicherheitsüberprüfungen, Nachweis von Sprachkenntnissen, hohe Kosten). Die alte Staatsangehörigkeit muß aufgegeben werden. Wer aus verständlicher Bindung an sein Herkunftsland oder auch aus berechtigten juristischen Interessen (Erbrecht!) die alte Staatsangehörigkeit wieder erwirbt, verliert durch eine »Fallbeilregelung« automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft und sitzt praktisch zwischen allen Stühlen. Die schmerzlichen Folgen dieser mißglückten »Reform« verspüren derzeit rund 50 000 türkischstämmige deutsche Staatsangehörige am eigenen Leibe.

Die zweite große »Reform« von SPD und Grünen war 2002 das Zuwanderungsgesetz, wiederum ein hauptsächlich von den Hardlinern bei der CDU und CSU gemeinsam mit Schily ausgehandelter Kompromiß, dem aber Grüne und FDP zugestimmt haben. Von dem Versprechen, das Land für Zuwanderer zu öffnen, ist in diesem Gesetz nichts übriggeblieben. Vielmehr brachten die neuen Bestimmungen eine Verschlechterung des humanitären Schutzes für Flüchtlinge und ihres sozialen Status, neue Ausweisungstatbestände und die Möglichkeit von Abschiebungen auf Verdacht. Insgesamt wurde aus »mehr Zuwanderung« am Ende eines quälenden Verhandlungsprozesses »mehr Abschottung«.

Damit reihte sich dieses Gesetz nahtlos ein in die auf Abwehr ausgerichtete Migrationspolitik Schilys, die er besonders auch in der Europäischen Union mit Erfolg betrieben hat. Die deutsche Drittstaatenregelung – Abschiebung in »sichere« EU-Nachbarländer – wurde in der EU übernommen, EU-Richtlinien brachten eine Minderung der Verfahrensrechte von Asylsuchenden, im Inland blieb es bei Flughafenverfahren und Abschiebeknästen. Gerade in den letzten Monaten wurden Abschiebungen auch in Krisengebiete rigoros durchgezogen. Noch hat Schily keine Mehrheit für seine absurde Idee gefunden, in Nordafrika Auffanglager einzurichten, aber er arbeitet mit dem ihm eigenen Starrsinn weiter daran.

Katalog der Repressionen

Sicher gab es in sieben Jahren sozialdemokratisch-grüner Innenpolitik auch Fortschritte. Dazu zählt die verbesserte Rechtsstellung von Schwulen und Lesben, obwohl eine rechtliche Gleichstellung nicht erreicht wurde. Am Ende der Legislaturperiode setzten einige engagierte Parlamentarier mit dem noch völlig unzureichenden Informationsfreiheitsgesetz erste zaghafte Schritte zu mehr Transparenz von Bundesbehörden durch. Fehlanzeige dagegen beim Thema Volksentscheide auf Bundesebene. SPD-Chef Franz Müntefering und der grüne Außenminister Joseph Fischer (letzterer aus Angst vor einer Volksabstimmung über den EU-Verfassungsvertrag) verhinderten, daß hierzu ein Gesetzentwurf von SPD und Grünen wenigstens ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde.

Ist also die Bilanz bis dahin schon kümmerlich genug, so steht auf der anderen Seite eine unbestreitbar lange Liste von repressiven Maßnahmen, wie etwa

– die Terrorismusbekämpfungsgesetze (»Otto-Kataloge«);
– die faktische Abschaffung des Bankgeheimnisses;
– das Abkommen über die Weitergabe von 34 personenbezogenen Passagierdaten an die US-Behörden;
– die Lizenz zum Abschuß von Passagierflugzeugen;
– die Verschärfung des Versammlungsrechts;
– eine Neuauflage des großen Lauschangriffs;
– die drastische Zunahme der Telefonüberwachungen;
– eine Ausweitung der Speicherung von DNA-Analysen;
– die Fortführung verdachtsunabhängiger Kontrollen durch die Bundespolizei (vormals Bundesgrenzschutz);
– die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung.

Hinter tatsächlichen wie vorgeblichen Sicherheitserwägungen tritt der Schutz der Privatsphäre immer mehr zurück. Auf der EU-Justizministerkonferenz wird ernsthaft diskutiert, die Telekommunikations-Verbindungsdaten aller (!) Bürger bis zu vier Jahre zu speichern. Das wäre ein massiver ein Eingriff in die Privatsphäre von Millionen unverdächtiger Menschen, läge aber ganz auf der Linie der von Schily schon bisher verfolgten Politik. Staatliche Eingriffe orientieren sich immer weniger an konkreten Verdachtsmomenten, sondern werden zunehmend auch als »verdachtsunabhängige« Kontrollen erlaubt. Das ist der Weg vom Präventionsstaat in den Überwachungsstaat.

Datenschutz ausgehebelt

Einige Beispiele hierfür und für weitere rechtsstaatliche Mängel in der Gesetzgebung von SPD und Grünen:

Im Gesetz zur Neureglung von Beschränkungen des Brief,- Post- und Fernmeldegeheimnisses, dem G-10-Gesetz (2001), wurde neu geregelt: Auch mutmaßliche Einzeltäter und lose Gruppierungen, die weder einer »terroristischen Vereinigung« angehören noch in deren Namen eine Straftat begehen, unterliegen den Maßnahmen nach dem G-10-Gesetz. Damit wird das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten verletzt. Im Terrorismusbekämpfungsgesetz, (»Schily II«, Dezember 2001) wurde dem Verfassungsschutz ein weitgehender Zugriff auf Kundendaten von Banken und Telekommunikations-, Post- und Luftfahrtunternehmen erlaubt, und zwar ohne vorherige richterliche oder richterähnliche Überprüfung. Dieser Zugriff ist nicht auf Verdächtige begrenzt. Das Gesetz enthält ferner hinsichtlich der Einführung von biometrischen Merkmalen den Hinweis, daß die Art ihrer Speicherung, ihrer sonstigen Verarbeitung und ihrer Nutzung durch ein (späteres) Bundesgesetz geregelt werden. Dies läßt die Einführung einer zentralen Referenzdatei zu, die neben der Verifizierung auch die Identifizierung einer bestimmten Person möglich macht.

Seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz (September 2003) werden für das neue Vergütungssystem auch die Abrechungen der ambulanten Behandlungen mit versichertenbezogener Diagnose an die Krankenkassen übermittelt. Mit der Neuregelung können die Krankenkassen umfassende und intime Kenntnisse über 60 Millionen Versicherte erhalten.

Das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit (Oktober 2003) erlaubt Finanzämtern, online Konteninformationen bei den Banken abzurufen, ohne daß die Bank oder der Kontoinhaber davon erfahren. Auch andere Behörden, wie Familienkassen, Arbeits-, Sozial-, BAföG- und Wohnungsämter sowie Gerichte können sich an die Finanzämter wenden, die dann wiederum über das Bundesamt für Finanzen die Konten bei den Banken abfragen. Dies betrifft Kindergeld, BAföG, Wohnungsgeld, Leistungen nach »Hartz IV«. Hierfür ist kein strafrechtlicher Verdacht oder Vorwurf mehr nötig.

Das Gesetz zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes (November 2003) sah die Verlängerung der bislang befristeten Durchführung sogenannter lagebildabhängiger Kontrollen in Zügen, auf Bahnhöfen und Verkehrsflughäfen vor (Schleierfahndung). Im Telekommunikationsgesetz (Mai 2004) wurde neu die Verpflichtung der TK-Unternehmen eingeführt, auch bei Prepaid-Produkten Kundendaten zu erheben und für Behörden bereitzustellen.

Bundesaußenminister Fischer hat 2004 im EU-Ministerrat dem Passagierdatenabkommen mit den USA zugestimmt, das die Weitergabe von Fluggastdaten bei Transatlantikflügen erlaubt. Das Europäische Parlament hat das Abkommen wegen grundsätzlicher Datenschutzbedenken abgelehnt. Bis zu 34 personenbezogene Daten werden von den Fluglinien an die US-Behörden weitergegeben, dazu zählen Kreditkartennummern, Speisewünsche und gewählte Flugrouten. Die Angaben über USA-Reisende dürfen die US-Zollbehörden auch an Drittstaaten weitergeben.

Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (Juni 2004) sieht entsprechende Maßnahmen für Straftäter auch dann vor, wenn die Anordnung nicht im Urteil vorbehalten wurde. In keinem anderen europäischen Land findet sich eine derartige gesetzliche Regelung.

Beim Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben (Juni 2004) richtet sich eine Verfassungsklage in erster Linie gegen die Ermächtigung des Bundesverteidigungsministers zur Anordnung eines Flugzeugabschusses. Dabei wird das Grundrecht der Besatzungsmitglieder und der Passagiere auf Leben zugunsten Dritter mißachtet.

Versammlungsrecht eingeschränkt

Das Gesetz zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches (März 2005) wurde von SPD und Grünen mit den Stimmen von CDU/CSU beschlossen, um das Versammlungsrecht einzuschränken. Zur Verhinderung von rechtsextremistischen Versammlungen sollen die Bundesländer künftig per Gesetz Orte bestimmen können, wo sie Versammlungen oder Aufzüge verbieten oder von Auflagen abhängig machen können, wenn sie an einem Ort stattfinden, »der in eindeutiger Weise an die Opfer einer organisierten menschenunwürdigen Behandlung erinnert und als nationales Symbol für diese Behandlung anzusehen ist«, und wenn »nach konkret feststellbaren Umständen« zu befürchten ist, daß durch die Versammlung die Würde der Opfer beeinträchtigt wird. Im Strafgesetzbuch wird der Tatbestand der Volksverhetzung ergänzt. Künftig soll bestraft werden, wer »in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise« den öffentlichen Frieden stört, indem er die nationalsozialistische Gewaltherrschaft »billigt, verherrlicht oder rechtfertigt«. Trotz der »politisch korrekten Absicht« stellt sich die Frage, ob dies nicht die Vorstufe zu weiteren Eingriffen in das Versammlungsrecht sein könnte. Gegen Neonazis hätte man eine wirksame Handhabe, wenn endlich ins Grundgesetz eine Antifaschismus-Klausel eingefügt würde.

Im Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung (Mai 2005) ist kein absolutes Überwachungsverbot für Gespräche enthalten, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren. Damit wird eine der zentralen Aussagen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt. Das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse (Juni 2005) erleichtert die Voraussetzungen für eine DNA-Analyse zu Zwecken künftiger Strafverfolgung. Es kommt nicht mehr darauf an, daß es sich um Straftaten von erheblicher Bedeutung handeln muß, obwohl das Bundesverfassungsgericht genau diese hohe Hürde vorgeschrieben hat.

Becksteins harte Linie

Nach der Bundestagswahl vom 18. September 2005 wird entweder Schily in einer großen Koalition diese grundrechtsfeindliche Politik fortsetzen, oder er wird vom »schwarzen Sheriff« Günther Beckstein (CSU) abgelöst werden. Beckstein ist derzeit bayerischer Innenminister, strebt aber mit aller Macht nach Berlin. Das Amt des Bundesinnenministers ist für die Union deswegen wichtig, weil sie dann mit einer harten Law-and-order-Linie die kleinbürgerlichen Ängste ihrer auf »Sicherheit« bedachten Wählerklientel bedienen und Stimmen am rechten Rand sichern kann. Im trüben zu fischen und neofaschistisches Denken dadurch zu »bekämpfen«, daß man diesem durch eine strikt konservative Innenpolitik zuvorkommt, gehört seit jeher zum Rezept der CSU, um hohe Stimmanteile bei Wahlen zu erringen. Dabei dienen Migranten als willkommene Sündenböcke für eigenes politisches Versagen. Zudem bietet die angebliche terroristische Bedrohung den Vorwand für immer weitere Eingriffe in Bürgerrechte.

Dies wird die Grundlinie einer CDU/CSU-dominierten künftigen Innenpolitik sein. Ob die seit ihrem Kölner Parteitag vom Mai 2005 wieder auf Grundrechtswahrung bedachte FDP dem wirksam entgegentreten wird, muß sich erst zeigen. In Niedersachsen jedenfalls hat die FDP in einer Koalition mit der CDU sofort ein Gesetz zur vorbeugenden Telefonkontrolle beschlossen, das bald darauf wegen Verfassungswidrigkeit vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden ist.

Becksteins größte Sorge ist daher nur, ob er die Erwartungen seiner Anhänger erfüllen kann, daß er als Innenminister noch reaktionärer agiert als Schily. Eine Steigerung ist ja kaum möglich, aber Beckstein will unter keinen Umständen als politisches »Weichei« erscheinen. Deswegen bemüht er sich, in seinen Ankündigungen gegenüber Schilys Politik immer noch eins draufzusetzen.

»Null Toleranz«

Der »islamistische Terrorismus« wird im CDU/CSU-Wahlprogramm als »eine der größten Herausforderungen für die westliche Wertegemeinschaft« beschrieben. Auch mit den Stichworten »Organisierte Kriminalität, Drogen- und Waffenhandel, Menschenhandel, Zwangsprostitution« wird Stimmung gemacht. Klar: »Die bisherigen gesetzgeberischen und organisatorischen Maßnahmen reichen dazu noch nicht aus«. Es gilt »Null Toleranz für Kriminalität und Vandalismus!«

Im Unterschied zu Schily fordert die CDU/CSU den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sowie eine gemeinsame Antiterrordatei von Polizei und Nachrichtendiensten. Die Sympathiewerbung – was fällt eigentlich darunter? – für kriminelle und terroristische Vereinigungen soll unter Strafe gestellt werden. Der alte Ladenhüter »Kronzeugenregelung« wird aus der Schublade geholt. Die Erhebung und Speicherung von Telekommunikations- und Verbindungsdaten soll »verbessert« werden. Man will eine Visa-Warndatei einführen und die Fachaufsicht für Visa-Erteilungen in die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums überführen. Damit soll die Einreise von Ausländern in die BRD zusätzlich erschwert werden.

Die DNA-Analyse soll laut CDU/CSU zum »Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden«, das bedeutet, die Daten sollen standardmäßig auch bei Bagatelldelikten gespeichert werden, Schwarzfahrer, Cannabis-Konsumenten und strafunmündige Kinder eingeschlossen.

Entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen setzt die CDU/CSU auf eine rigide Verschärfung des Jugendstrafrechts. »Wir werden dafür sorgen, daß das allgemeine Strafrecht in der Regel auch bei Heranwachsenden angewendet wird. Wir werden das Höchstmaß der Jugendstrafe auf 15 Jahre erhöhen, die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden ausweiten und im Jugendstrafrecht die nachträgliche Sicherungsverwahrung einführen«, tönt die CDU/CSU in ihrem Wahlprogramm.

Guantánamo auf deutsch

Die mit der EU-Osterweiterung verbundene Freizügigkeit ist der Union suspekt. Die Innenminister der CDU und CSU fordern daher, daß die Grenzkontrollen erst dann wegfallen, wenn die EU-weit definierten Sicherheitsstandards für die Aufnahme in den Schengen-Raum von allen Staaten umfassend erreicht und dauerhaft gewährleistet sind. Dazu gehöre vor allem auch der zuverlässige Schutz der EU-Außengrenzen etwa gegenüber der Ukraine oder Belorußland sowie der Anschluß an die EU-weite Fahndungsdatenbank des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II). Hierbei dürfe es im Interesse der inneren Sicherheit keine Zugeständnisse geben. Ein Wegfall der Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen bis zum Herbst 2007 sei völlig unrealistisch.

Im Programm der CDU und CSU fehlt auch der geringste Hinweis auf eine Spur innerer Liberalität. Vergleicht man dies mit der bisherigen Politik der SPD, kommt man unschwer zu dem Schluß, daß für den Bereich der Innen- und Rechtspolitik eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD der Super-GAU wäre. Dann könnten Schily und Beckstein gemeinsam ihr Lieblingsprojekt verwirklichen, das bisher noch am Widerstand von Grünen, FDP und PDS gescheitert ist. Beide Hardliner wollen nach britischem Vorbild die Vorbeugehaft auf Verdacht für »Gefährder« einführen, also für Menschen, denen man weder eine Straftat noch die Planung einer Straftat nachweisen kann. Sie nennen dies beschönigend »Sicherungshaft« gegen Personen mit Terrorismusbezug. Die richtige Bezeichnung wäre: »Guantánamo auf deutschem Boden«. Das also ist es, was der BRD durch die künftige Innenpolitik droht.

[  jungewelt.de





07. September 2005
Das gute Ende einer Bau-Posse

Farbe, Fenster und Frischluft: Hausgemachte Missstände im Abschiebeknast werden beseitigt

bremen taz "So gut wie keine Mängel" seien bekannt. Das formulierte im Herbst 1999 ein Polizeisprecher gegenüber der taz über die Lage von Abschiebehäftlingen. Dabei gab es schon eine Menge vereinter Kritik an dem damals neu gebauten, fensterlosen und fast völlig gefliesten Abschiebeknast im insgesamt 70 Millionen Mark teuren Um- und Anbau des Polizeipräsidiums in der Vahr. Morgen wird in der Deputation für Inneres der CDU-Innensenator öffentlich eingestehen, dass die anhaltende Kritik der Gefangenenhilfsorganisation "grenzenlos" sowie die von Gesundheitsbehörde, Sozialressort, Ausländerbeauftragter, Politikern, Kirchenvertretern und nicht zuletzt Generationen von Insassen berechtigt war. Es werden Fenster eingebaut, die Gefangenen den Blick in den Himmel und Frischluft garantieren. Auch die weißen Kacheln werden bemalt, die Lüftung verbessert. Kostenpunkt: rund 28.000 Euro.

"Sechs Jahre hat es gedauert, bis die berechtigte Kritik der Häftlinge ernst genommen wurde, das spricht für sich. Bleibt nur zu hoffen, dass die Umsetzung der Baumaßnahmen nicht ein 6-Jahresplan wird", heißt es dazu in der Stellungnahme von "grenzenlos". In der Vorlage für die Deputation wird der Bericht des Beirats im Abschiebegewahrsam als Anlass für die erleichterten Haftbedingungen erwähnt. Tatsächlich hatte das Gremium - das erst auf massiven Druck hin zugelassen wurde - die alten Klagen in seinem Bericht 2003 erneut aufgeworfen. Darunter auch mangelnde Belüftung.

Deren Verbesserung wird mit 3.500 Euro kostengünstig. Das mag an einem simplen Problem liegen: Auf taz-Nachfrage bestätigte die Polizei gestern, dass ein Fehler bisher statt für Belüftung für Luftstau sorgte. Wie in einer Justizvollzugsanstalt sollte die Kommunikation der Abschiebehäftlinge untereinander gestoppt werden. Deshalb waren die Lüftungsrohre zwischen den Zellen verstopft worden. Mit der Folge, dass die Gefangenen, die den Tag meist im Gemeinschaftsraum verbringen, in ihren Zellen dicke Augen und Atemnot bekamen. Erschwerend kam hinzu, dass die Glasbausteine keine Belüftung zuließen.

Aus Feuerschutzgründen müsse leichter Unterdruck herrschen, hieß es bislang. Nun hat die Feuerwehr das Hindernis beseitigt: Weil wegen "regelmäßig geöffneter Zellentüren die Funktion der ursprünglich vorgesehenen Unterdruckanlage ohnehin nicht mehr gegeben" sei, sei es "unter Brandschutz-Aspekten gleichgültig, ob Glasbausteine oder Fenster mit Lüftungsmöglichkeit eingebaut werden."

Hintergrund: Der Senat vergab den Bauauftrag fürs Polizeipräsidium trotz Protesten ohne Ausschreibung an Zechbau - "aus Sicherheitsgründen". Die Begründung hielten Berliner Polizeiobere und Meckenheimer BKA-Leute für erfunden. Auch die Bremer Erklärung, die unmenschliche Ausgestaltung des Knastes gehe auf Standards aus Nordrhein-Westfalen zurück, flog auf. Dort gebe es Fenster, hieß es. Heraus kam: Die Bremer Polizei hatte allein geplant.

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07. September 2005
Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen rassistischen Richter ein

Am 28. 06. 2004 erschien in der Berliner Zeitung der Artikel "Gefängnis der Gescheiterten", ein Bericht über den Berufsalltag eines Berliner Richters im Abschiebegewahrsam. Dem Richter am Amtsgericht Schöneberg Dietrich Lexer wird darin ein Forum gegeben, seine rassistische Attitüde der Öffentlichkeit kundzutun. So strotzt der Artikel von rassistischen Zuschreibungen und Menschenverachtung:

"Die Mongolen, hat er gehört, lügen aus Spaß, selbst wenn es ihnen weder schadet noch nutzt. [...] Zentralafrikaner treten eher anmaßend auf. Bei einem Araber kommt man nie zu einem Ergebnis, weil unendlich palavert wird. Zigeunerinnen können auf Knopfdruck hyperventilieren." Über eine Nigerianerin, die bei Abschiebungen Widerstand leistete, sagte er: "Ich finde, man könnte dieser Frau im Linienflugzeug nur mal das Klebeband zeigen", eine Anspielung auf eine bei Abschiebungen verbotene Knebelungsmethode, durch die bereits Menschen zu Tode kamen.

Die Antirassistische Initiative Berlin stellte daraufhin Strafanzeige wegen Volksverhetzung und Aufforderung zu Straftaten gegen den Richter. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen am 17.05.2005 ein, auch eine Beschwerde gegen die Einstellung wurde am 26.07.2005 abgelehnt. Eine eingeleitete Dienstaufsichtsbeschwerde hatte ebenfalls keine Konsequenzen. Nach einer Stellungnahme des Richters sah die Dienstaufsicht keine Notwendigkeit zum Handeln.

Anhand eines solchen Verhaltens wird deutlich, dass die Justiz kein Interesse daran hat, gegen Rassismus in staatlichen Institutionen vorzugehen. Es stellt sich außerdem die Frage, ob ein Verbot von Knebelung bei Abschiebungen ernst gemeint ist, wenn ein Richter öffentlich dazu aufrufen darf. Die Dokumentation "Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen" belegt für die Jahre 1993-2004 fünf Fälle von Menschen, die während ihrer Abschiebung starben, 262 wurden durch Zwangsmaßnahmen oder Misshandlungen während der Abschiebung verletzt, 48 Menschen begingen in Abschiebehaft Suizid. http://www.anti-rar.de/doku/titel.htm

In diesem Kontext stellt das Verhalten der Staatsanwaltschaft keine bloße Tolerierung oder Ignoranz dar, vielmehr zeigt es, dass Tote bei Abschiebungen und in Abschiebehaft einkalkuliert sind. Auch die rassistische Einstellung der einzelnen Beamten und Beamtinnen trägt zum Funktionieren dieses Abschiebesystems bei.

Die Presse hat nun das Wort.

ANTIRASSISTISCHE INITIATIVE E.V.


Kontakt:
Antirassistische Initiative Berlin: Tel. 030 785 72 81

Für Nachfragen und Unmutsbekundungen:

Staatsanwaltschaft Berlin: Staatsanwältin Frau Eickelmann Tel: 030 9014-2799

Generalstaatsanwaltschaft Berlin: Staatsanwalt Herr Gaedtke Tel: 030 9015-2764

Amtsgericht Berlin: Präsident Herr Wosnitzka Tel: 030 9014 - 0

Amtsgericht Schöneberg: Tel: 030 90 159-0

Berliner Zeitung Tel: 030 2327-9

[  anti-rar.de





September 2005
Meditation im Gefängnis
Häftlinge sollen durch Naikan einsichtig werden

PEINE. Das niedersächsische Justizministerium testet fernöstliche Wege zur Resozialisierung von Häftlingen. Mit Naikan, einer japanischen Methode der Selbsterkenntnis, sollen Straftäter die Einsicht in ihr Fehlverhalten vertiefen und in weitgehender Abgeschiedenheit die Grundlage für einen Neubeginn legen. Gestartet wird das Modellprojekt in der kleinen Peiner Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Braunschweig. Bislang sitzen dort Menschen ein, die Geldstrafen nicht bezahlen wollen oder können. In einem Gruppenraum sollen sechs Häftlinge hinter Wandschirmen von frühmorgens bis abends schweigend über grundsätzliche Fragen nachdenken sollen, wie JVA-Sprecherin Ines Leitner erläutert: "Was hat meine Familie für mich getan? Welche Probleme habe ich ihr bereitet?"Alle niedersächsischen Vollzugsanstalten können Häftlinge für die Seminare anmelden. Die Teilnahme ist freiwillig und nur für Straftäter, die als ungefährlich gelten.  

[  newsclick.de





01. September 2005
Abhöraffäre: FDP warnt vor leichtfertigem Umgang mit der Pressefreiheit
Journalist nach Enthüllung umfassend abgehört

Die FDP hat nach einem Abhörskandal in Sachsen vor leichtfertigem Umgang mit der Pressefreiheit gewarnt. "Die FDP ist empört über die Abfrage von Telefonverbindungsdaten eines Journalisten in Sachsen", sagte der FDP-Innenexperte Rainer Funke heute in Berlin. "Die Pressefreiheit ist einer der wichtigsten Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften und elementares Grundrecht. Der Schutz journalistischer Quellen gehört zu den Ecksteinen der Pressefreiheit." Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hatte die Telefon-Kontaktdaten von Festnetz und Handy, dienstlich und privat, eines Dresdner Boulevard-Journalisten überwachen lassen. Hintergrund war eine Hausdurchsuchung der Antikorruptions-Einheit Ines bei Ex-Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue. Von der hatte der Journalist Ronny Klein erfahren und stand zusammen mit den Ermittlern vor der Haustür des Ex-Ressortchesf.

Dies rechtfertige kein solches Vorgehen, erklärte Funke weiter. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass ein Eingriff in die Pressefreiheit und das Fernmeldegeheimnis durch das Abhören von Telefonverbindungen nur zur Aufklärung schwerwiegender Straftaten und nur nach Abwägung aller schutzwürdigen Interessen zulässig sein könne. Der Vorfall aus Sachsen werde den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise gerecht. Funke: "Die Maßnahme war grob unverhältnismäßig." Die Qualität einer Demokratie und eines Rechtsstaates zeige sich an der vorbehaltlosen Garantie der Meinungs- und Pressefreiheit. (as)

[  internet.com





August 2005
Neuregelung der DNA-Analyse im Bundesgesetzblatt

Heute ist im Bundesgesetzblatt das Gesetz zur Neuregelung der DNA-Analyse verkündet worden. Die DNA-Analyse ist ein unverzichtbares und sehr effektives Instrument zur Aufklärung von Straftaten. Deshalb sieht das neue Recht nach einer gründlichen Überprüfung Änderungen vor, die die Einsatzmöglichkeiten dieses Instruments praxisorientiert erweitern. Das neue Recht tritt zum 1. November 2005 in Kraft. Die DNA-Analyse im Strafprozess dient in einem laufenden Ermittlungsverfahren dazu festzustellen, ob aufgefundenes Spurenmaterial von dem Verletzten oder dem Beschuldigten stammt (siehe unten B.1.a). Sie kann aber auch zur Identitätsfeststellung in Fällen künftiger Strafverfolgung eingesetzt werden (siehe unten B.2.).

Künftig entfällt der Richtervorbehalt für anonyme Spuren. Gleiches gilt, wenn der Betroffene einwilligt. Weiterhin sieht das Gesetz vor, eine DNA-Analyse für Zwecke künftiger Strafverfolgung nicht nur bei erheblichen Straftaten und allen Sexualdelikten, sondern auch bei wiederholter Begehung nicht erheblicher Straftaten zuzulassen. Eine völlige Gleichstellung des genetischen Fingerabdrucks mit dem herkömmlichen und damit den generellen Verzicht auf qualifizierte Anforderungen an Anlasstat und Negativprognose und eine gänzliche Streichung des Richtervorbehalts ist aus Verfassungsgründen unzulässig.

A. Die Änderungen im Überblick

1. Richtervorbehalt für die molekulargenetische Untersuchung von („anonymen“) Spuren wird gestrichen
Untersuchung kann künftig von StA und Polizei angeordnet werden = Erleichterung und Entlastung für die Praxis.

2. Richtervorbehalt für Entnahme und molekulargenetische Untersuchung beim Beschuldigten bleibt, aber:
- bei Einwilligung des Beschuldigten keine gerichtliche Entscheidung, aber Belehrung durch Staatsanwalt oder Polizei über den Zweck der Untersuchung
- ohne Einwilligung kann bei Gefahr in Verzug die Staatsanwaltschaft oder die Polizei entscheiden

3. Erforderliche Anlasstaten, wenn die Speicherung in der DNA-Datei erfolgen soll:
- erhebliche Straftaten
- alle Sexualstraftaten
- neu: sonstige, wiederholt begangene Straftaten, die insgesamt genommen im Unrechtsgehalt von erheblicher Bedeutung sind
Herabsetzung der Anforderungen = Ausweitung der DNA-Analyse im Wege der Erstreckung der Anlasstaten auf Wiederholungsfälle

4. Qualifizierte Negativprognose: Erwartung erforderlich, dass der Betroffene künftig
- Straftaten von erheblicher Bedeutung oder
- neu: wiederholt sonstige Straftaten begeht, die insgesamt genommen im Unrechtsgehalt von erheblicher Bedeutung sind
Herabsetzung der Anforderungen = Ausweitung der DNA-Analyse im Wege der Erstreckung der Prognose auf Wiederholungsfälle

5. Reihengentest: Erstmals gesetzliche Regelung des Reihengentests auf freiwilliger Basis.


B. Die Neuregelungen im Einzelnen

Bei der forensischen DNA-Analyse sind zwei Ausgangssituationen zu unterscheiden:

1. DNA-Analyse im laufenden Ermittlungsverfahren Die DNA-Analyse wird in einem laufenden Ermittlungsverfahren genutzt um abzuklären, ob eine aufgefundene Spur von einer bestimmten Person stammt. Hierzu sind also immer zwei DNA-Untersuchungen erforderlich: Zum einen die Untersuchung der Spur und zum anderen die Untersuchung von Körperzellen, die einer bestimmten Person (z.B. dem Beschuldigten) entnommen werden. Das jeweilige Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung dieser Spuren ist das sog. DNA-Identifizierungsmuster (= Code aus Zahlen und Buchstaben). Der Vergleich der beiden ermittelten DNA-Identifizierungsmuster ergibt, ob die aufgefundene Spur von der betreffenden Person stammt.

a) Geltendes Recht (§§ 81e, 81f StPO): Die DNA-Analyse kann in allen Ermittlungsverfahren angewandt werden, soweit sie erforderlich ist für die Feststellung der Abstammung oder der Tatsache, von wem das aufgefundene Spurenmaterial stammt. Eine Beschränkung der DNA-Analyse auf bestimmte Straftaten sieht das geltende Recht nicht vor, das heißt, die DNA-Anlayse ist zur Aufklärung jeder Straftat zulässig. Beispiel: Ein Brief enthält Drohungen oder Beleidigungen. Mittels DNA-Analyse kann der Speichel untersucht werden, mit dem der Brief verschlossen wurde. Formelle Voraussetzung für diese DNA-Analysen im laufenden Ermittlungsverfahren ist, dass ein Richter diese anordnet (sog. Richtervorbehalt).

b) Änderungen durch den Gesetzentwurf Der Richtervorbehalt für die molekulargenetische Untersuchung von Spuren in § 81f Abs. 1 Satz 2 StPO wird gestrichen. Die Untersuchung von Spuren, die noch keiner Person zuzuordnen sind, kann damit künftig auch vom Staatsanwalt oder der Polizei angeordnet werden.
Der Richtervorbehalt für die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen bei Personen bleibt bestehen, wird aber wie folgt modifiziert (§ 81f Abs. 1 StPO-E):
- Bei Einwilligung der betroffenen Person bedarf es keiner gerichtlichen Anordnung. Die einwilligende Person ist jedoch über den Zweck der Untersuchung zu belehren.
- Bei Gefahr im Verzug bedarf es ebenfalls keiner gerichtlichen Anordnung; in diesem Fall kann die Untersuchung auch durch den Staatsanwalt oder dessen Ermittlungspersonen (Polizei) angeordnet werden. DNA-Reihenuntersuchung (§ 81h StPO-E)
Reihengentests werden in der Praxis bei besonders schweren Straftaten (z.B. Mord, Totschlag, Vergewaltigung) durchgeführt, wenn andere Ermittlungen nicht weiterführen, es aber wahrscheinlich ist, dass der Täter einer abgrenzbaren Gruppe von Personen angehört. Da es bislang keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu Reihengentests gibt, sind in der Praxis Unsicherheiten aufgetreten, unter welchen Voraussetzungen ein Reihengentest durchgeführt werden darf (z.B. ob eine gerichtliche Anordnung erforderlich ist). Diese Unsicherheit wird mit dem § 81h StPO-E beseitigt. Wesentliche Regelungspunkte sind:
- Reihengentest ist nur zulässig bei Verbrechen gegen Leben, Leib, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung.
- Richtervorbehalt: Nur ein Richter darf den Reihengentests anordnen.
- Der betroffene Personenkreis ist anhand von Prüfungsmerkmalen zu umschreiben (z.B. alle Männer einer bestimmten Altersklasse, die in einer bestimmten Umgebung wohnen).
- Die betroffene Personen sind nicht zur Mitwirkung verpflichtet (Reihengentest nur auf freiwilliger Basis).
- Die betroffenen Personen sind über die Freiwilligkeit ihrer Mitwirkung zu belehren.
- Die erhobenen Daten dürfen nicht in der DNA-Analysedatei gespeichert werden.
- Datenschutzrechtliche Regelungen (z.B. zur baldigen Vernichtung der gewonnenen Körperzellen, zur Löschung der erhobenen Daten, zur anonymisierten Durchführung der Untersuchung durch Sachverständige). Weigert sich eine Person, freiwillig an dem Reihengentest teilzunehmen, so ist dies grundsätzlich hinzunehmen. Soweit jedoch zureichende Gründe den Verdacht begründen, dass diese Person die Straftat begangen hat, kann sie als Beschuldigter behandelt und auf der Grundlage des § 81e StPO eine DNA-Analyse auch gegen deren Willen angeordnet werden. Allerdings kann allein die Weigerung, freiwillig an dem Reihengentest teilzunehmen, keinen Tatverdacht begründen.

2. Speicherung für Zwecke künftiger Strafverfahren (§ 81g StPO i.V.m. dem DNA-IFG)

Die DNA-Analyse wird zur Verwendung bei etwaigen künftigen Ermittlungsverfahren durchgeführt und das Ergebnis (DNA-Identifizierungsmuster) in der DNA-Analysedatei beim BKA gespeichert. Geregelt ist dies in § 81g StPO sowie im DNA-Identitätsfeststellungsgesetz (DNA-IFG).

a) Geltendes Recht

§ 81g Abs. 1 StPO und § 2 DNA-IFG erlauben die Maßnahme bislang nur, wenn - eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder jedwede Sexualstraftat begangen wurde (Anlasstat),
- zudem zu erwarten ist, dass gegen den Beschuldigten / Verurteilten künftig Strafverfahren wegen
Straftaten von erheblicher Bedeutung oder jedweder Sexualstraftat zu führen sein werden (qualifizierte Negativprognose), und
- der Richter die DNA-Analyse anordnet.

b) Änderungen durch die DNA-Novelle

Anlasstaten und qualifizierte Negativprognose An § 81g Abs. 1 StPO wird ein neuer Satz 2 angefügt, der klarstellt, dass auch die wiederholte Begehung nicht erheblicher Straftaten im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen kann. Dies gilt sowohl für die Anlasstaten als auch für die zu prognostizierenden (künftigen) Straftaten. Ferner werden in § 81g Abs. 1 StPO bisher enthaltene Regelbeispiele für eine Straftat von erheblicher Bedeutung gestrichen; es handelte sich um bislang beispielhaft genannte besonders schwere Straftaten (Verbrechen, gefährliche Körperverletzung etc.), die zu dem Missverständnis Anlass gaben, dass „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ stets besonders schwer sein müssten.

Beispiele:

(1) A ist verurteilt worden, weil er wiederholt den Lack von Kraftfahrzeugen mit einem Schraubenzieher zerkratzt hat. Die Prognose ergibt, dass auch künftig entsprechende Straftaten von ihm zu erwarten sind.

(2) Stalker B ist wiederholt in die Wohnung seines Opfers O eingedrungen. Die Prognose ergibt, dass auch künftig entsprechende Taten von ihm zu erwarten sind.

In den Fallbeispielen sind Sachbeschädigungen bzw. Hausfriedensbrüche begangen worden. Nach geltendem Recht lässt sich bei solchen Delikten eine Straftat von erheblicher Bedeutung nicht ohne weiteres bejahen. Nach der Neuregelung hat eine Gesamtbetrachtung zu erfolgen, die im Einzelfall zu dem Ergebnis führen kann, dass die wiederholte Begehung auch solcher für sich genommen nicht erheblicher Straftaten einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichsteht, mithin eine DNA-Analyse durchgeführt und das Ergebnis abgespeichert werden kann.

Der Richtervorbehalt für die DNA-Analyse zu Zwecken künftiger Strafverfolgung bleibt, wird aber wie folgt modifiziert (§ 81g Abs. 3 StPO-E):

- Bei Einwilligung der betroffenen Person bedarf es keiner gerichtlichen Anordnung. Die einwilligende Person ist über den Zweck der DNA-Analyse zu belehren.

- Bei Gefahr im Verzug bedarf es – soweit es allein um die Entnahme der Körperzellen geht

- ebenfalls keiner gerichtlichen Anordnung; in diesem Fall kann die Entnahme auch durch den Staatsanwalt oder dessen Ermittlungspersonen (Polizei) angeordnet werden. Hinsichtlich der molekulargenetischen Untersuchung der entnommenen Körperzellen verbleibt es hingegen beim Richtervorbehalt mit der vorstehenden Ausnahme (Einwilligung der betroffenen Person).

- Für sog. Umwidmungsfälle wird geregelt, dass der Betroffene über die Speicherung in der DNA-Analysedatei zu benachrichtigen und auf die Möglichkeit der Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung hinzuweisen ist. Mit Umwidmungsfällen sind die Fälle gemeint, in denen bereits für den Zweck des laufenden Ermittlungsverfahrens eine DNA-Analyse durchgeführt wurde und später Veranlassung gesehen wird, die Daten auch in der DNA-Analysedatei abzuspeichern.

[  bmj.bund.de

[  Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse.pdf





31. August 2005
"Jeden Bahnhof erfassen"

Anfang letzter Woche eröffneten Bahnchef Mehdorn und Bundesinnenminister Schily in Berlin das neue Sicherheitszentrum der Deutschen Bahn AG. Das gemeinsam von Bahn und Bundespolizei genutzte Zentrum bietet Zugriff auf sämtliche Überwachungskameras auf deutschen Bahnhöfen. Über die Zahl der überwachten Bahnhöfe schweigen sich die Verantwortlichen allerdings aus "Sicherheitsgründen" aus....

[  "Jeden Bahnhof erfassen" / telepolis


Sicherheitszentrum Bahn am Konzernsitz der DB AG in der Köthner Straße in Berlin eröffnet.

Verbrechensbekämpfung auf Bahnhöfen
Bahn und Bundespolizei gründen gemeinsames "Sicherheitszentrum"

Die neue "Bundespolizei2, der ehemalige Bundesgrenzschutz, und die Deutsche Bahn AG wollen bei der Verbrechensbekämpfung auf Bahnhöfen stärker zusammenarbeiten. Dazu haben Innenminister Otto Schily und Bahn-Chef Hartmut Mehdorn am Montag ein gemeinsames "Sicherheitszentrum" in Berlin eröffnet, von dem aus Einsätze in allen deutschen Bahnhöfen koordiniert werden sollen.

Auftrag des Zentrums sei es, Informationen aus den verschiedenen Bahnhöfen zu sammeln, auszuwerten und entsprechende Anweisungen an die Sicherheitskräfte vor Ort zu übermitteln, erläuterte Mehdorn das Konzept. So könne beispielsweise besser gegen Randalierer vorgegangen werden, indem die Mitarbeiter die Informationen vom Ausgangsbahnhof an die Sicherheitskräfte im Zielbahnhof weitergäben. Für Schily ist das Zentrum auch mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit im Schienenverkehr. Durch die Informationen aus dem Sicherheitszentrum könnten Polizisten und Bahn-Mitarbeiter die großen Menschenmassen leichter lenken.

[  ngo-online.de


Sicherheit auf Bahnhöfen
Mehr Kameras, mehr Polizei

Montag, 22. August 2005

Die Bahnhöfe in Deutschland sollen stärker mit Videokameras überwacht werden. Das sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bei der Eröffnung des neuen Sicherheitszentrums der Bahn in Berlin. Zudem werde die Präsenz der Bundespolizei auf den Bahnhöfen weiter ausgebaut.

In dem neuen Zentrum, von dem aus rund um die Uhr die Sicherheit des gesamten Bahnverkehrs kontrolliert werden kann, arbeiten die Bundespolizei (früher Bundesgrenzschutz) und der Sicherheitsdienst der Bahn erstmals Hand in Hand. Mit der engen Partnerschaft sollten Straftaten vermieden, das Sicherheitsgefühl der Reisenden gestärkt und die Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte optimiert werden, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn.

Schily misst der Videoüberwachung große Bedeutung bei. Diese habe auch einen vorbeugenden Effekt. 2004 wurden laut Schily dank der Videoüberwachung 703 Straftaten festgestellt, 546 Tatverdächtige ermittelt und 411 Straftaten aufgeklärt. Bei 772 Einsätzen seien Gefahren abgewehrt worden. Auf welchen Bahnhöfen inzwischen Videokameras eingesetzt sind, wollte Schily aus Sicherheitsgründen nicht sagen. Es sei aber eine beachtliche Zahl. Die Bundespolizei soll zudem in die Servicezentren der Bahn integriert werden. "Wir werden die Sichtbarkeit der Bundespolizei auf den Bahnhöfen verbessern." Auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft habe die Sicherheit aller Bahnreisenden eine hohe Priorität.

Das neue Sicherheitskonzept ist nach Worten Schilys schon lange geplant und keine Reaktion auf die Terroranschläge von Madrid und London. Aber man habe dabei immer auch die Terrorabwehr im Blick. Von dem neuen Zentrum aus könne auf alles, was im Bahnverkehr passiere, reagiert werden. Die neue Berliner Kommunikationszentrale dient der Lageeinschätzung und strategischen Vorbereitung von Entscheidungen. Einsätze sollen weiterhin dezentral gesteuert werden. Mehdorn kündigte an, das Sicherheitspersonal der Bahn aufzustocken. Derzeit arbeiten in diesem Bereich 2000 Personen. Die Bahn will auch verstärkt gegen Graffiti-Schmierereien vorgehen.

Streit gibt es zwischen Bund und Bahn um die Aufteilung der Kosten. Schily sprach von einem "heiklen Thema". Die Bahn habe die vom Innenministerium in Rechnung gestellten Kosten angefochten. "Wir tragen das freundschaftlich aus." Um welchen Betrag es geht, sagten weder Schily noch Mehdorn.

[  n-tv.de





24. August 2005
Bundesregierung unterrichtet über akustische Wohnraumüberwachung

Die Bundesregierung hat heute dem Deutschen Bundestag den Bericht über Maßnahmen zur akustischen Wohnraumüberwachung für das Jahr 2004 zugeleitet. Nach Art. 13 Abs. 6 des Grundgesetzes wird dieser Bericht jährlich erstattet.

Im letzten Jahr ist in der Bundesrepublik Deutschland in 11 (von insgesamt etwa 4,6 Millionen) Ermittlungsverfahren die akustische Überwachung von Wohnräumen angeordnet worden. Betroffen waren insgesamt 12 Überwachungsobjekte, darunter 8 Privatwohnungen. Zum Vergleich: Im Jahre 2003 wurde die Wohnraumüberwachung noch in insgesamt 37 Verfahren durchgeführt, 2002 in 31 Verfahren. In 6 der 11 Verfahren wurden Ergebnisse erzielt, die für das weitere Verfahren von Relevanz waren. In 4 Verfahren bestand ein Bezug der verfolgten Straftaten zur organisierten Kriminalität.

„Die Zahlen für 2004 belegen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 die Praxis veranlasst hat, die akustische Wohnraumüberwachung noch zurückhaltender als bisher einzusetzen“, erläuterte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. In dieser Entscheidung hatte das Gericht Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gefordert. Sie wurden mit einem am 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Gesetz umgesetzt. „Die Bundesregierung hat den Strafverfolgungsbehörden damit klare Vorgaben an die Hand gegeben, die auch in Zukunft den zielgerichteten Einsatz dieses wichtigen Ermittlungsinstruments gewährleisten. Bemerkenswert ist, dass - anders als in den Vorjahren - nicht überwiegend Tötungs- und schwere Betäubungsmitteldelikte Gegenstand der Verfahren waren, sondern auch in mehreren Fällen Bestechungs- und Schleusungsdelikte. Das zeigt, dass es richtig war, den Anwendungsbereich der Maßnahme nicht zu stark zu beschränken“, so Zypries weiter.

[  bmj.bund.de

[  bericht download





August 2005
BRD / SPAIN
Four Anarchist arrested since June 2004. Trial is goin on since March 2005.

Vier Ananrchisten wurden aus Spanien am 28. Juni 2004 in Aachen verhaftet.Ihnen wird nun der Prozess unter anderem wegen Raub und Mord gemacht. " Plädoyers der Anklage wurden gehalten. Am 21. September folgt geschlossen die Verteidigung. Urteil eher nicht am selber Tag, wahrscheinlicher am 28. September.

Es gibt eine gute Seite zu den vieren und den Verlauf des Prozesses.Erklärungen der Gefangenen sind dort zu finden wie auch Presseartikel und Prozesstagberichte. Auch Infos zu den spanischen Knästen sind zu finden.In verschiedenen Sprachen: check it out

[  Anklage schrift

[  escapeintorebellion.info / german

[  Erklärung der Unterstützer vom 2. August 2005



"On June, 28 2004, four anarchists were arrested in Aachen, Germany, after a shooting with the police and hostage-taking, while attempting to escape a police control. These four persons are Bart De Geeter, José Fernandez Delgado, Gabriel Pombo da Silva and Begoña Pombo da Silva [......]
Now they The summing up speeches of the accusations have been held. On the 21th of september the summing up speeches of the defence will follow. Its not likely the judment will be the same day, more likely to be pronounced the 28th of september. report of the 5th of september soon here"

Some people made a very good website with a lot of informationen about this four people and their trial.You will find some more information about the prisons in Spain too.

[  escapeintorebellion.info / english

[  Declaration by the supporters from 2nd August 2005



August 2005

Erklärung der Unterstützer

Der Prozess wird enden - unsere Solidarität wird es nie

Letzter Akt in Aachen wahrscheinlich früher als erwartet - internationaler Aufruf zu Solidaritätsaktionen und zur Präsenz in Aachen zur Urteilsverkündung

Seit dem 23. Mai 05 stehen unsere Companeros Jose, Bart, Gabriel und Begonia in Aachen/Deutschland vor Gericht. Vom dem ersten Tag ihrer Verhaftung, dem 28. Juni 04, an, ist klar, dass sie mit spezieller Härte behandelt werden und das auch so weiter gehen wird: für Monate wurden Jose, Bart und Gabriel in fast totaler Isolation gefangengehalten, für Monate wurden sie als gefährliche Kriminelle dargestellt, für Monate haben Teile der sogenannten linksradikalen Bewegung in Schweigen verharrt. All dies ist Standard für die Verteidiger der bestehenden Ordnung, Normalität, Moralität.

Am Freitag, dem 05. August 05 wird nun vorraussichtlich das Urteil gesprochen, nachdem schon monatelang das Spektakel des Gerichtes und der Gerechtigkeit aufgeführt wurde. Wir glauben nicht an den Schwindel dieses Theaterstücks, das einzig und allein mit dem Ziel inszeniert wurde, den Status Quo zu bewahren und gleichzeitig eine sehr reelle Repression zu verstecken.

Die Realität der Isolation: Jose zeigte am zweiten Tag des Prozesses auf den Staatsanwalt und schrie: "No más tortura. Libertad para tod@s!" Später erklärte er, dass er genug gelitten habe und es nicht mehr aushalten könne. JedeR von uns konnte klar sehen, dass er sich sehr schlecht fühlte, er war blass und komplett abwesend.

Die Realität der Sicherheit um jeden menschlichen Preis: Am 31. März zerreisst Gabriel seine Klamotten und betritt das Gericht nur in Unterhose. Aus Protest gegen die Bedingungen, die er (genau wie Jose) zu den Monaten Isolation im Gefängnis noch zusätzlich ertragen muss: an Prozesstagen 2 mal nackt zur Leibesvisitation vor einem Dutzend Bullen stehen, Transport mit verschlossenen Augen und Ohren von maskierter Spezialpolizei, Hand- und Fussketten etc.

Die Ausblendung der Realität: Knast und Folter ist nichts, worüber das Gericht reden will, wo es nur um die Verurteilung der "kriminellen Taten" geht. Die Angeklagten werden von der Presse laut als Terroristen deklariert, doch ihre Geschichte will sich niemand anhören. Zeugen zu Isolation in FIES-Knästen, zu Folter in stillen Zimmern, zu Toten hinter unüberwindbaren Mauern werden als nicht "verfahrensrelevant" abgehakt. Unverständige Sachverständige kauen psychologische Wissenschaft wieder und sprechen Menschen, die 20 Jahre lang eingesperrt und gefoltert wurden, Panikreaktionen gegenüber Polizei und Verhaftung ab, weil sie nicht mit gebrochenem Willen auf Knien kriechen.

Die Vorfälle können allerdings nicht ohne die Situation der Flucht beurteilt werden, und die Gründe der Flucht nicht ohne die Knastvergangenheit und die Sicht auf Armut und Unterdrückung.... Aber wer hat eine andere Realität von einem demokratischen Gericht erwartet? Recht und Gericht haben mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Würden sie ihren eigenen Gesetzen und Regeln folgen, sässe jetzt der spanische Folterstaat vor Gericht. Von einem System, das unterdrückt und ausbeutet, ist keine Gerechtigkeit zu erwarten.

Jose, Bart und Gabriel haben direkt die Säulen dieser Gesellschaft attackiert: Besitz und Gefängnis, Geld und Gesetz. Ihr Kampf geht vor Gericht und im Knast weiter. Indem sie das Knastsystem, im besonderen FIES in Spanien, anprangern, indem sie all jene anprangern, die noch immer glauben, eine Bank auszurauben wäre schlimmer als eine zu besitzen.

Deshalb müssen sie bestraft werden. Und deshalb stehen wir in Solidarität an ihrer Seite.

Wir sind nicht hier, um die Werkzeuge des Systems um Gnade anzubetteln. Unsere Waffe ist unsere Solidarität und unserer ungebrochener Wille zu kämpfen.

Handle jetzt, wo immer du bist!

STOP ALLER FOLTER!! WEG MIT DEN KNASTMAUERN, HER MIT DER FREIHEIT!! SOLIDARITÄT UND KAMPF!!

FreundInnen und UnterstützerInnen, 02. August 2005



The trial will end - our solidarity continues

Last act in Aachen probably this friday - International call for solidarity actions and presence in Aachen court for the final judgement

Since the 23rd of March 2005, our comrades Gabriel, Jose, Bart and Begoña are on trial in Aachen, Germany. Since the day of their arrest, on the 28th of June 2004, it is clear that they are and will be treated with a special vengeance - for months Jose, Gabriel and Bart have been imprisoned in almost complete isolation, for months they have been pictured as dangerous criminals, for months part of the so called radical left movement have kept silent. All this is standard procedure for the defenders of the existing order, normality, morality.

The final judgement will probably be announced on friday, the 5th of August, after months of theater play starring the court with its pseudo justice. We don´t believe in the hypocrisy of this play which has been produced with the sole and only aim to reproduce the status quo and to hide a very real repression.

A reality of isolation: On the second day of the trial, Jose pointed to the prosecutor and screamed "No más tortura. Libertad para tod@s". Later, he declared that he had suffered enough and could not take it anymore. All of us could clearly see that Jose felt very bad, he was pale and completely absent.

The reality of security at all price: On the 31st of March, Gabriel ripped of his clothes and entered the court half naked in protest against the treatment he (just as Jose) had to endure, on top of the months of isolation in prison: on trial days standing twice naked before a dozen cops to be strip searched, transported with blind and ear folds by masked special cops, shackled on hands and feet, etc.

Dismissing reality: Prison and torture is nothing the court wants to talk about. It´s all about judgement of "crimes". The press describes the accused as terrorists, but nobody wants to hear their story. Witnesses who could talk about the isolation in the FIES- prisons, about tortures in silent rooms, about deaths behind invincible walls, are considered to be of "no relevance" for the trial. So- called experts reproduce scientifical psychological findings from their handbooks and deny people who have been imprisoned and tortured for 20 years, panik reactions in confrontation with police and arrest, because their will has still not been broken.

What happened in Aachen can´t be judged without looking at the fact that they had just escaped from prison. And the reason for their escape can´t be judged without their experiences inside and without looking at poverty and oppression... But who expected anything different from a democratic court? Law and courts have nothing in common with justice. If they followed their own rules and laws, it would be the torturing Spanish state, who was in court now. There is no justice to expect from a system that oppresses and exploits.

Gabriel, Jose and Bart have directly attacked the pillars of this society: property and prison, money and law. Their struggle continues before court and inside prison. By denouncing the prison system (particularly the FIES in Spain) and the society that produces it. By denouncing all those who still think that robbing a bank is worse than owning one.

Therefore they have to be punished. And therefore we are in solidarity with them.

We are not here to beg for mercy in front of the puppets of the system. Our solidarity is our weapon, along with our strong will to fight.

Act now wherever you are !

STOP ALL TORTURE! FREEDOM INSTEAD OF PRISON WALLS! SOLIDARITY AND STRUGGLE!

Friends and Supporters, 2nd of August 2005

[  escapeintorebellion.info / english





August 2005

Wie schreibe ich Gefangenen / Flyer herausgegeben von Annarchist Black Cross Berlin

[  Wie schreibe ich Gefangenen?


[  Anarchist Black Cross Berlin





31. August 2005
Überwachungskameras dürfen Anwohner nicht belästigen

Bonn (dpa/lnw) - Überwachungskameras müssen abgebaut werden, wenn sie die Ruhe der Anwohner stören. Das geht aus einem jetzt in der Neuen Juristischen Wochenschrift veröffentlichen Urteil des Landgerichts Bonn hervor. Dabei ist es sogar unerheblich, ob die Kameras nur Attrappen zur Abwehr von Straftaten sind oder tatsächlich Aufnahmen von der Umgebung machen (Az.: 8 S 139/04). Im vorliegenden Fall hatte ein Grundstückseigentümer einen Garagenhof überwachen lassen, nachdem dieser mehrfach mutwillig beschädigt worden war.

Das Eigentum dürfe nicht auf Kosten hochrangiger Rechte anderer geschützt werden, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Auch bei Attrappen stünden die Anwohner unter einem Überwachungsdruck, der als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte nicht hingenommen werden muss.

Lediglich die Polizei darf mit Hilfe von Kameras öffentliche Plätze überwachen, aber auch nur unter bestimmten Voraussetzungen. «Erlaubt ist dies nach dem Polizeigesetz nur als Verhütung von Straftaten an Orten an denen wiederholt kriminellen Handlungen begangen werden», sagte Wolfgang Beus vom NRW-Innenministerium.

[  jm.nrw.de





26. August 2005
Kritik an Gesetzentwurf zur Anti-Terror-Datei

Eine Arbeitsgruppe aus sechs Unions- und SPD-regierten Bundesländern hat sich nun auf ein "Gesetz zur Errichtung einer gemeinsamen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten" geeinigt. Das berichtet heute die Süddeutsche Zeitung[1]. Damit könne die umstrittene http://www.heise.de/newsticker/meldung/47973[2] Anti-Terror-Datei bereits zum 1. Januar 2006 eingerichtet werden. Doch Verfassungsschützer scheinen mit dem Plan nicht zufrieden: Er sei praxisfern und "so umfangreich, dass es jeden erschlägt, der damit umgehen soll", sagte ein Verfassungsschützer laut des Berichts. Andere Kritiker befürchten demnach einen "unüberschaubaren Datenfriedhof". Die Politik könne nicht wollen, dass die Polizei nicht mehr arbeitsfähig ist.

Der Gesetzentwurf sehe eine Volltextdatei vor und keine Indexdatei, wie sie Bundesinnenminister Otto Schily und das Bundeskriminalamt favorisieren, heißt es in dem Zeitungsbericht. Die nun von den Ländern vorgeschlagene Datei solle alle Informationen zu einem Verdächtigen liefern und sich nicht auf kurze Hinweise darauf beschränken, welche Behörde etwas über ihn weiß. Es sollen demnach nicht nur Namen und Alias-Namen von Verdächtigen, ihr Alter und ihre Anschrift gespeichert werden, sondern auch Bankverbindungen, Telekommunikation und Unternehmen, mit denen sie in Verbindung stehen. So würden in der Datei die Erkenntnisse von Bundeskriminalamt und Landeskriminalämtern, der Verfassungsschutzbehörden, des Militärischen Abschirmdienstes, des Bundesnachrichtendienstes und der Zollkriminalämter zusammenkommen. Das würde eine noch nie da gewesene Informationskonzentration bedeuten. Auch würde das für die Datei zuständige Bundeskriminalamt viel Arbeit bekommen. Die Daten müssten eingegeben, gepflegt und aktualisiert werden. Es müsse entschieden werden, nach welchen Kriterien die Erkenntnisse in der Datei gespeichert werden. Es sei möglich, so der Bericht, dass nach einer Suche zu einem Namen 150 Seiten Ermittlungsakten ausgegeben würden. Hilfreicher sei es, sich auf das Terrorabwehrzentrum in Berlin zu stützen, zitiert die Zeitung einen nicht genannten Polizisten.

Siehe zum Thema auch:

Schily: Terrorabwehr funktioniert in Deutschland gut

Polizeigewerkschaft fordert wirksamere Anti-Terrormaßnahmen

Britischer Innenminister kündigt weltweite Datenbank gegen Terror an

Bayern jagt mit "polizeilichem Google" Verbrecher

Berlins Datenschützer kritisiert Schilys Pläne zur Datenspeicherung

Bundesdatenschützer hält bundesweite Islamistendatei für unnötig

Die Stunde der Populisten

[  heise.de





25. August 2005
Zahl verurteilter Jugendlicher stark gestiegen

In Baden-Württemberg hat es im vergangenen Jahr so viele Schuldsprüche gegeben wie nie zuvor. Am stärksten nahm der Prozentsatz verurteilter Jugendlicher (14 bis 18 Jahre) um sechs Prozentpunkte auf fast 9.300 Verurteilte zu. 

  

Ungebrochen hoch sei auch der Anteil der Verurteilungen wegen Gewaltdelikten bei Jugendlichen und Heranwachsenden, sagte Justizminister Ulrich Goll (FDP). Etwa jeder zehnte Heranwachsende und jeder sechste Jugendliche habe sich deswegen strafbar gemacht, Straßenverkehrsdelikte ausgenommen. Nach der Strafverfolgungsbilanz für 2004, die der Minister in Stuttgart vorstellte, wurden landesweit insgesamt 125.296 Menschen verurteilt. Das waren vier Prozent mehr als 2003. Goll hofft auf Bundesratsinitiative

Justizminister Goll zeigte sich zuversichtlich, dass nach einem möglichen Regierungswechsel in Berlin bei der geplanten Wahl am 18. September die baden-württembergische Bundesratsinitiative zur besseren Bekämpfung der Jugendkriminalität auch im Bundestag eine Mehrheit findet. Danach soll unter anderem für Heranwachsende in der Regel das allgemeine Strafrecht angewandt werden. Die Höchststrafe für nach Jugendstrafrecht verurteilte Heranwachsende soll sich von 10 auf 15 Jahre erhöhen. Für ein schärferes Jugendstrafrecht hatte sich auch Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) in seiner ersten Regierungserklärung Ende April dieses Jahres ausgesprochen. Auch Sozialminister Andreas Renner (CDU) forderte eine konsequente Strafverfolgung. "Gleichzeitig müssen wir aber auch an den Ursachen von Gewalt ansetzen und durch gezielte Prävention wirksamer gegensteuern, so dass sich auffälliges Verhalten bei Jugendlichen nicht verfestigt", sagte Renner.

[  swr.de





17. August 2005
So viele Strafgefangene wie noch nie hinter Gittern
Zahl der inhaftierten Frauen leicht gesunken

Kamenz (ddp-lsc). Die Zahl der Strafgefangenen hinter sächsischen Gittern ist auf einen Rekordwert gestiegen. Am 31. März saßen in den zehn Justizvollzugsanstalten des Freistaats insgesamt 3573 verurteilte Straftäter ein, wie das Landesamt für Statistik am Mittwoch in Kamenz mitteilte. Dies seien 36 mehr als ein Jahr zuvor, womit es einen neuen Höchststand seit Beginn der Zählung 1992 gebe. Während mit 187 Frauen 10 weniger als 2004 ihre Strafe absaßen, wurden mit 3386 Männern 46 mehr registriert.

2953 Straftäter verbüßten den Angaben zufolge eine Freiheitsstrafe nach allgemeinem Strafrecht und 620 eine Jugendstrafe, das sind jeweils 18 Personen mehr als ein Jahr zuvor. Damit saßen in Sachsen nach wie vor überdurchschnittlich viele Gefangene im Jugendstrafvollzug. Mit 1903 Personen waren 53,3 Prozent und damit mehr als die Hälfte aller Strafgefangenen zum Stichtag noch keine 30 Jahre alt. 114 Strafgefangene - darunter 9 Frauen - wurden den Angaben zufolge wegen Mordes inhaftiert, 272 - davon 5 Frauen - wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. 76 Personen seien zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden, 1604 hatten dagegen eine Haftstrafe mit einer Vollzugsdauer von voraussichtlich höchstens einem Jahr angetreten.

Jeder neunte registrierte Strafgefangene war ausländischer Staatsbürger, das ist den Angaben zufolge gering im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, der 2004 bei 22 Prozent lag. Zu den Strafgefangenen kamen am Stichtag laut Landesamt 627 Personen in Untersuchungshaft sowie 170 Menschen im sonstigen Freiheitsentzug. Dazu gehörten 64 Abschiebehäftlinge. Damit sei die Zahl aller Gefangenen im Freistaat gegenüber 2004 um ein Prozent gesunken. (ddp)

[  freiepresse.de





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11. August 2005 "Flucht in die Verjährung" ab dem 11. August 2005 ausgeschlossen Ab dem 11. August ist die "Flucht in die Verjährung" für Straftäter ausgeschlossen. Das am 10. August 2005 verkündete Gesetz zur Änderung der strafrechtlichen Verjährungsvorschriften sieht vor, dass die Verjährung einer Straftat ruht, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Strafverfolgungsbehörden seine Auslieferung betreiben. Bislang lief während eines Auslieferungsverfahrens die Verjährungsfrist grundsätzlich weiter. Das kann insbesondere bei länger andauernden Verfahren dazu führen, dass die Ahndung der Tat nicht mehr möglich ist, auch wenn der Beschuldigte nach Deutschland zurückkehrt. Diesen "Fluchtweg in die Verjährung" gibt es nun nicht mehr. Die Neuregelung sieht ein Ruhen der Verjährung vor, sobald die deutschen Behörden ein Auslieferungsersuchen an einen ausländischen Staat stellen. Die Verjährungsfrist beginnt erst wieder zu laufen, wenn der Täter den deutschen Behörden übergeben, das Auslieferungsersuchen abgelehnt oder zurückgenommen wird. Die Regelung ist auf alle Verfahren anwendbar, die zur Zeit ihres Inkrafttretens anhängig sind. http://www.bmj.bund.de/enid/38f939210a20d7cad9986c827858cc4c,0/Nationales_Strafrecht/Keine_Flucht_in_die_Verjaehrung_va.html Achtunddreißigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches http://www.bmj.bund.de/media/archive/992.pdf
06. August 2005
Polizei in der Kritik wegen Handy-Großfahndung

Kripo-Beamte orteten bei Großfeuer Handybesitzer in der Nähe

Die Polizei in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) ist wegen einer Handy-Großfahndung in die Kritik geraten. Die Polizei hatte nach Genehmigung durch das Amtsgericht 700 mögliche Zeugen zu einem Fall von Brandstiftung über das Handys geortet und nun schriftlich aufgefordert, sich zu melden. Die Angeschriebenen hatten sich im Juni mit eingeschaltetem Mobiltelefon in der Nähe eines abgebrannten Restepostenmarkts aufgehalten. Das berichten heute die Kieler Nachrichten. Der stellvertretende schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Johann Bizer kritisierte gegenüber der Zeitung die Maßnahme als unverhältnismäßig: "Das Amtsgericht hat das Vorgehen als verhältnismäßig empfunden, doch bei dem Umfang von 700 angeschriebenen Zeugen habe ich erhebliche Bauchschmerzen, da auch noch weitere Bürger angeschrieben werden sollen."

Der Datenschutzbeauftragte wies darauf hin, dass die betroffenen Handybesitzer die Möglichkeit hätten, sich beim Landgericht über das Vorgehen der Polizei zu beschweren. "Es werden Datenbanken angelegt, in denen die betroffenen Personen gespeichert sind", erklärte Bizer in den Kieler Nachrichten. Solange der Fall nicht aufgeklärt sei, würden die betroffenen Personen auch gespeichert bleiben. "Jeder, der in dem Umkreis des Brandherdes mit seinem Handy telefoniert hat, wird zwar nur formal als Zeuge vernommen, aber ist quasi Verdächtiger, sonst wäre er nicht in den Kreis der betroffenen Personen einbezogen worden", sagte der Datenschutzbeauftragte weiter.

Die Segeberger Polizei sieht die angeschriebenen Personen dagegen nach eigener Aussage als wichtige Zeugen für die Behörden. Nicht jeder, der sich mit einem Handy in der Nähe des Restepostenmarktes aufgehalten habe, sei geortet worden, sondern nur wer mit dem Handy telefoniert habe oder angerufen wurde, sei registriert. Die erhaltenen Daten würden nun ausgewertet. Angeschriebene Handybesitzer, die das Schreiben nicht zurücksenden, müssten keine rechtlichen Folgen fürchten, betonte ein Kripo-Beamter.

[  teltarif.de





30. July 2005
Justizminister Goll fordert Störsender gegen Handys im Gefängnis

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) schlägt Störsender gegen die unerlaubte Nutzung von Handys in den Gefängnissen vor. „Letztendlich kann die unerlaubte Handynutzung nur wirksam durch die Störung der Mobilfunkfrequenzen betrieben werden“, sagte Goll dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ (Montagsausgabe). Doch bislang ist der Einsatz von so genannten Handyblockern nach dem Telekommunikationsgesetz untersagt. Deshalb will Baden-Württemberg eine Bundesratsinitiative im Bundesrat einbringen, die die Verwendung der Geräte zulässt.

Der Betrieb von Mobiltelefonen in Haftanstalten ist aus Sicherheitsgründen verboten. Doch trotz sorgfältiger Kontrollen werden immer wieder Mobiltelefone zu den Inhaftierten geschmuggelt. Damit versuchten Gefangene zunehmend, kriminelle Geschäfte wie etwa Drogenhandel oder Ausbrüche zu organisieren, heißt es. Bislang setzen die Behörden gegen den Handymissbrauch so genannte Mobi-Finder ein. Diese funktionieren aber nur, wenn die Telefone in Betrieb sind. (dpa/ssp)

[  tecchannel.de





July 2005
Terrorabwehr vs. Grundgesetz

Stefan Krempl c't 17/2005, S. 62

Wie viel Überwachung verträgt der freiheitliche Rechtsstaat?

Auf die Anschläge in London und Ägypten reagierten die Innenpolitiker in Europa reflexartig: Die Palette der Vorschläge reicht von der stärkeren Vernetzung zwischen Polizei und Geheimdiensten über den Aufbau weltweiter "Terrordatenbanken" bis zur jahrelangen Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten. Doch das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtlichen Grenzen für Einschnitte in die Bürgerrechte erneut aufgezeigt.

Wir müssen die Menschen überzeugen, dass wir unser Bestes getan haben.“ Mit diesen Worten warb der britische Innenminister Charles Clarke eine Woche nach den ersten Anschlägen auf den öffentlichen Nahverkehr Londons, denen über 50 Menschen zum Opfer fielen, im Europäischen Parlament für seinen EU-Antiterrorplan. Alle Bürgerrechte müssten jetzt auf den Prüfstand, erklärte der Labour-Politiker, da „Aufklärungsinformationen die beste Waffe“ im Kampf gegen den Terrorismus seien. Einschnitte in die Freiheitsrechte seien nötig, um den Bürgern nach weiteren schrecklichen Attentaten nicht erklären zu müssen, wieso diese oder jene Abwehrmaßnahme nicht ergriffen worden sei.

Clarke steht unter Erfolgsdruck, denn Großbritannien spielt seit dem Kampf gegen die inzwischen nicht mehr terroristisch aktive IRA eine Pionierrolle beim Ausbau des Überwachungsstaates. Trotzdem konnten die islamistisch motivierten Attentäter nicht an der Durchführung ihres blutigen Plans gehindert werden. Allein im Zentrum Londons soll es bereits über eine halbe Million Überwachungskameras geben. Terroristen, die als lebende Bombe mit selbst gebasteltem Sprengstoff unterwegs sind, lassen sich davon jedoch nicht beeindrucken. Ein Rätsel ist auch noch, wie einer der gescheiterten Attentäter bei dem geplanten Londoner Folgeattentat am 21. Juli von der Insel über Frankreich nach Rom reisen konnte, obwohl sein von Videokameras gefilmtes Konterfei durch alle Medien ging.

Trotzdem gibt sich der britische Innenminister seit Wochen aktionistisch. So überraschte er mit der Ankündigung, dass seine Regierung mit einer weltweiten Extremistenliste gegen die Terrorgefahr im eigenen Land angehen wolle. Gesammelt werden sollen in der Datenbank Informationen über Personen, die in Predigten, im Internet oder in Artikeln Hass verbreiten. Wer darin landet, soll an der Einreise nach Großbritannien gehindert werden. Immigranten, die zum Terror aufrufen, könnten ausgewiesen werden. Die britische Polizei hat sich unter Clarkes Regie zudem dafür stark gemacht, Websites mit aufstachelnden Inhalten hacken und lahm legen zu dürfen. Die Benutzung des Internet zur Vorbereitung von Terrortaten soll genauso zur Straftat werden wie die Verweigerung der Herausgabe von Zugangsinformationen zu verschlüsselten Daten.

Auf Vorrat

Da Großbritannien gerade die Präsidentschaft im EU-Rat innehat, setzte Clarke in Brüssel weitere Antiterrormaßnahmen auf die Agenda. Auf einem Sondertreffen Mitte Juli einigten sich die Innenminister auf einen verbesserten Informationsaustausch zwischen Europol, der Staatsanwaltschaftsbehörde Eurojust sowie Geheimdiensten, eine beschleunigte Einführung des neuen Schengen- und Visa-Informationssystems, auf einen verbesserten Schutz kritischer Infrastrukturen, die vereinfachte Weitergabe von Flugpassagierdaten und die Ausarbeitung eines Beschlusses zur EU-weiten Einführung biometrischer Personalausweise.

Entschlossenheit zeigten die Minister auch bei einer besonders umstrittenen Präventionsmaßnahme: Im Herbst wollen sie den bereits nach den Anschlägen von Madrid im Frühjahr 2004 unter anderem von Großbritannien und Frankreich eingebrachten Rahmenbeschluss über die Speicherung von Telefon- und Internet-Daten besiegeln. Bei dem seit langem köchelnden Vorhaben geht es um die Verpflichtung von Telekommunikationsanbietern zur Aufbewahrung sämtlicher Verbindungs- und Standortdaten, die bei der Abwicklung von Diensten wie Telefonieren, E-Mailen, SMS-Versand, Surfen, Chatten oder Filesharing anfallen (siehe c't 4/05, S. 56). Die vom Rat vorgegebenen Zeiträume liegen zwischen sechs und 48 Monaten.

Wirtschaft und Datenschützer laufen seit Monaten Sturm gegen die pauschale Überwachungsmaßnahme. Sie erfordere bei größeren Anbietern allein Anfangsinvestitionen in Höhe von 200 Millionen Euro, sei angesichts zahlreicher Umgehungsmöglichkeiten ineffektiv, erfasse aber gleichzeitig in zunehmendem Maße die komplette elektronische Lebensführung der 450 Millionen EU-Bürger, lauten die Argumente. Auch das EU-Parlament hat sich im Juni gegen die Vorratsdatenspeicherung positioniert und den Rahmenbeschluss abgelehnt.

Die Abgeordneten haben in der Sicherheitspolitik auf Ratsebene freilich kein Mitentscheidungsrecht. Sie sehen die Minister aber nicht allein als entscheidungsbefugt an und fordern ein Gesetzgebungsverfahren der Kommission, das vom Parlament auch abgelehnt werden könnte. Ein erster Entwurf für eine entsprechende Richtlinie, der sich in der internen Abstimmung befindet und nach der Sommerpause offiziell vorgelegt werden soll, dürfte die Parlamentarier enttäuschen: Die Kommission hat die lange Wunschliste der zu speichernden Datentypen aus den jüngsten Ratspapieren übernommen und noch um die Aufzeichnung von Standortdaten im Mobilnetz bei laufenden Gesprächen erweitert.

Sämtliche Internet-Dienste müssten erfasst werden. Generell sollen die Ermittler in begründeten Fällen sämtliche Daten an die Hand bekommen, welche die Quelle, das Ziel, die Art und im Mobilfunk den Ort einer Kommunikation bestimmen. Dies können dynamische oder feste IP-Adressen sein, aber auch Angaben zu verschickten SMS. Bei den zu identifizierenden Kommunikationsgeräten liegen die Interessen nicht nur bei IMSI- und IMEI-Nummern von Handys, sondern auch bei den MAC-Adressen von Netzwerkkarten in PCs.

Enge Grenzen

Anders als der Rat setzt die Kommission auf eine sechsmonatige Speicherung von Internet-Daten. Die Verkehrs- und Standortdaten bei der Festnetz- und Mobiltelefonie sollen ein Jahr lang von den Telcos gelagert werden. Bei Datenschützern, Juristen und in der Wirtschaft stoßen die Pläne weiter auf Ablehnung. Prinzipielle Einwände erhebt zudem der Frankfurter Rechtswissenschaftler Patrick Breyer: "Man setzt hier sehr sensible Daten staatlichen, aber auch missbräuchlichen Zugriffen Privater aus. Wenn wir den Strafverfolgern alles geben, was sie für ihre Arbeit für nützlich halten, haben wir am Ende den totalen Polizeistaat und doch keine Sicherheit."

Unterstützung haben die Kritiker der Sicherheitspolitiker Ende Juli in Karlsruhe gefunden. Das Bundesverfassungsgericht kassierte einen Großteil der Regelungen zur vorbeugenden Telekommunikationsüberwachung im niedersächsischen Polizeigesetz. Laut dem Sicherheitsgesetz sollten die Ermittler die Telefone und die Internet-Kommunikation nebst Verbindungs- und Standortdaten von Personen überwachen dürfen, "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen". Mit einer richterlichen Anordnung in der Tasche konnte die Polizei auch "Kontakt- und Begleitpersonen" in die Ermittlungen mit einbeziehen. In diesem Freibrief sah das Bundesverfassungsgericht einen gravierenden Verstoß gegen das Telekommunikationsgeheimnis. Es hielt das Gesetz für nicht normenklar genug und unverhältnismäßig.

Zugleich übertrugen die Richter den Grundsatz aus dem Urteil zum großen Lauschangriff, wonach der „Kernbereich“ der Privatsphäre gemäß der Verfassung absolut geschützt ist (siehe c't 8/04, S. 82), zum Teil von der Wohnung auf die Telekommunikationsmedien. Eine "Überwachung intimer Inhalte" sei auch hier zu vermeiden, konstatiert daraufhin der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Er sieht nun die Notwendigkeit, nicht nur die Polizei- und Verfassungsschutzgesetze anderer Bundesländer, sondern auch die Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung gemäß der Strafprozessordnung "einer kritischen Überprüfung im Lichte der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu unterziehen". Von Karlsruhe zu überprüfen sei zudem der mögliche EU-Beschluss zur Vorratsdatenspeicherung.

Im Wahlkampf ist die Karlsruher Entscheidung ebenfalls angekommen. Argumentierten Unionsvertreter nach den Londoner Anschlägen vehement für die Vorratdatenspeicherung, eine nahezu flächendeckende Videoüberwachung und eine umfangreiche, nicht nur auf Indexeinträge beschränkte "Antiterrordatei", proklamiert nun die Gegenseite das Feld für sich. „Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland nicht Abhörweltmeister bleibt", plädieren die Grünen in Berlin für Einschränkungen. Es gelte, "Wildwuchs zu beschneiden", befindet der FDP-Innenpolitiker Max Stadler. Seine Parteikollegin und Ex-Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger fordert ein "Umdenken" von Politik und Polizei. Die Telefonüberwachung habe mit über 34 000 Maßnahmen hierzulande im Jahr 2004 „wahnsinnige Ausmaße angenommen".

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), der auch als Kandidat für das entsprechende Bundesamt nach einem potenziellen Wahlsieg der Union im September gehandelt wird, kritisiert, dass "das Bundesverfassungsgericht den Individualrechten zu hohen Stellenwert einräumt." Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes habe man Gefahren durch schmutzige Bomben oder biochemische Waffen noch nicht wirklich vorhersehen können. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält dagegen: "Sicherheitsgesetze, die staatliche Eingriffe erlauben, beschränken zugleich die Freiheit und können die Bürger im Extremfall eher verunsichern." (jk)


Bundeskriminalamt: Große Ermittlungsdefizite und freizügige Praxis
Das Bundeskriminalamt sieht Nachbesserungsbedarf bei den Rechtsgrundlagen zur Telekommunikationsüberwachung. Das geht aus der aktuellen "Problemdarstellung" der Ermittlungsbehörde zu diesem Bereich hervor, die c't vorliegt. "Ein ganz erhebliches Ermittlungsdefizit" sieht das BKA in der "regelmäßig" nicht erfolgenden Aufzeichnung von Verbindungsdaten bei Flatrates durch die Internet-Provider. Zudem beklagen die Fahnder, dass viele Betreiber für eine Auskunft über die personenbezogenen Daten zu dynamischen IP-Adressen eine richterliche Anordnung wie bei einer Telefonüberwachung verlangen und die Informationen nicht im Rahmen einer Bestandsdatenabfrage herausrücken.

Beim BKA stöhnt man zudem über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff und der von Datenschützern eingeforderten Ausweitung des Kernbereichsschutzes auf die Telekommunikationsüberwachung. Diese Auffassung "verkennt den strukturellen Unterschied" der jeweils betroffenen Grundrechte, glauben die Behördenexperten. Als ein "noch längst nicht abschließend geklärtes Problem" sehen sie "die Frage der Kryptographie". Die Verschlüsselungstechnik werde von Straftäterseite sowohl im Telefonie- als auch im Internet-Bereich genutzt. Da könnten auch die von der Bundesregierung vorgeschlagenen "Ausgleichsmaßnahmen" wie die Überwachung vor oder nach dem Einsatz von Kryptosoftware nicht weiterhelfen.

Andererseits macht das 32-seitige Papier deutlich, dass die Ermittler die Gesetzesgrundlagen teilweise freizügig ausschöpfen. So empfehlen die Autoren etwa, durch eine so genannte „stille SMS“ Verbindungsdaten bei einem Handy künstlich zu produzieren, um diese dann in einer rechtlichen Grauzone abrufen zu können.

Auch bei der Beschlagnahme von E-Mails, die noch in der Mailbox bei Providern lagern, macht das BKA kurzen Prozess: Einem Eingriff in das Fernmeldegeheimnis kommt diese Schnüffelei nach Ansicht der Behördenfachleute nicht gleich. Es handele sich um "verkörperte Informationen", vergleichbar den Aufzeichnungen auf einem Anrufbeantworter, die beschlagnahmt werden könnten. Das "Weiterruhen" einer Mail auf den Servern der Betreiber diene nicht mehr der Nachrichtenkommunikation, sondern nur noch der weniger geschützten Konservierung.

Das WLAN-Scannen und -Abhören sollten sich die Beamten zudem etwa "im Vorfeld von Hausdurchsuchungen nutzbar machen". Ein Beschluss gemäß der Strafprozessordnung sei dabei nur erforderlich, wenn im "Moment der Messung" zur Ortung eines Funknetzes ein aktueller Kommunikationsvorgang technisch festzustellen sei

[  heise.de





28 July 2005
Land muss wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen zahlen

Karlsruhe (dpa) - Das Land Baden-Württemberg muss an einen ehemaligen Häftling 2000 Euro Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen zahlen. Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe gab einem Kläger Recht, der vor zwei Jahren gut fünf Monate mit einem weiteren Gefangenen in einer knapp neun Quadratmeter großen Zelle der überbelegten Karlsruher Justizvollzugsanstalt in Untersuchungshaft gesessen hatte; die Toilette war nur durch einen Vorhang abgetrennt.

Damit korrigierte das OLG eine Entscheidung des Karlsruher Landgerichts, das dem damals 47-Jährigen nur 650 Euro zugesprochen hatte. Der Kläger hatte mehr als 17 000 Euro gefordert. (Aktenzeichen: 12 U 300/04 vom 19. Juli 2005)

Nach den Worten des Gerichts war die Situation für den Gefangenen «sehr stark belastend»: Die Intimsphäre sei nicht genügend gewahrt gewesen, die Mitgefangenen hätten häufig gewechselt, außerdem sei die Zelle nicht ausreichend entlüftet worden. Dies verletze die Menschenwürde des Betroffenen. Allerdings führe nicht jede Menschenrechtsverletzung zu einem Entschädigungsanspruch.

Dies hänge von den Umständen des Einzelfalls ab, etwa von der Haftdauer, den Folgen für den Betroffenen und dem Verschulden der Vollzugsbehörden.Das OLG warf dem Land ein «Organisationsverschulden» vor, weil es nicht rechtzeitig auf den absehbaren Mangel an Haftplätzen reagiert habe, der durch einen Umbau der benachbarten Vollzugsanstalt Bruchsal entstanden war. Während das Landgericht nur drei Wochen der Haftzeit ausgeglichen hatte, legte das OLG seiner Berechnung eine gut dreimonatige Haftdauer zu Grunde. Maßgeblich war danach der Termin, an dem der Verteidiger des Mannes einen Antrag auf Verlegung in eine Einzelzelle gestellt hatte.

[  freenet.de





27. Jul. 2005
Constitutional Court stops preventive telephone bugging

Karlsruhe. The Federal Constitutional Court has again set limits on telephone surveillance by police agencies. Germany's highest judges ruled parts of a security law in Lower Saxony to be null and void and unconstitutional, as it allowed telephone bugging without any concrete suspicion. Privacy advocates have long criticized the practice in the state as totalitarian surveillance, saying that every citizen had to fear that his contacts with anyone else could be noted by police. The President of the Constitutional Court, Hans-Juergen Papier, said, with regards to the decision, that there was no such thing as freedom if there was not also security - but security laws allowing state intrusion limited freedom and could, in the extreme case, make citizens feel insecure.

Federal Privacy Commissioner Peter Schaar has welcomed the ruling and encouraged the examination of other state police laws. Besides Lower Saxony, which must now amend its law, the ruling in Karlsruhe also affects states that wanted to pass similar laws, such as Bavaria and Hamburg. Both of these state governments had, however, awaited today's ruling before proceeding. Schleswig-Holstein and Rhineland-Palatinate have announced that they, too, will re-examine their policing laws.

[  germnews.de


[  Urteil des Bverfg

[  27. July 2005
   Vorbeugende Telefon-Überwachung ist verfassungswidrig

[  27. July 2005
   Urteil: Vorbeugende Telefonüberwachung nichtig

[  04. August 2005    Schaun mer mal.pdf

[   13. July 2005    Stellungnahme der HUMANISTISCHEN UNION
   zum Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004

[  16.06. 2005
   Justizministerin Zypries rechnet künftig mit weniger Abhöraktionen

[  26.04.2005
  Abhörgeräte auf Empfang

Links

[  stop1984.com

[  dataretentionisnosolution.com





20. July 2005
Warnschuss für Kleinkriminelle

CDU-Justizministerin will Schwarzfahren und Ladendiebstahl stärker verfolgen und Jugendliche in Warnschuss-Arrest bringen. Rechtsexperten zweifeln am Erfolg der neuen Law-and-Order-Politik

VON NATALIE WIESMANN

Unter der neuen Landesregierung sollen Bagatellen an Bedeutung gewinnen: Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) will Schwarzfahrer, Randalierer und Ladendiebe öfter vor Gericht sehen und fordert dafür mehr Personal bei den Staatsanwaltschaften. Wegen der zu hohen Belastung seien diese allzu oft "den schnellen Weg der Einstellung des Verfahrens" gegangen. Kriminologen bezweifeln aber, dass eine stärkere Verfolgung von Massendelikten die Zahl der Straftaten senkt.

Alle empirischen Befunde zeigten, dass für die meisten jungen Straftäter die Anklage abschreckend genug sei, sagt Michael Walter, Professor für Kriminologie und Strafrecht an der Uni Köln. "Die Eltern erfahren davon, die Schule erfährt davon, das ist schon sehr unangenehm für die Betroffenen." Wenn es sich um einmalige, vorübergehende Straftaten handle, würden Verfahren zu Recht eingestellt. Verfahrenseinstellungen gebe es im Übrigen nicht erst seitdem Staatsanwälte überlastet seien, sondern schon seit den 20er-Jahren, stellt Walter klar. "Ein Staat kann nicht alles verfolgen, er muss eine Auswahl treffen". Zurzeit werden etwa 60 Prozent der Verfahren eingestellt.

Im NRW-Landesverband des deutschen Richterbundes gebe es keine einheitliche Meinung über Sinn oder Unsinn einer konsequenteren Verfolgung von Bagatelldelikten, sagt der stellvertretende Vorsitzende, Johannes Schüler. "Wenn die neue Regierung das will, muss sie uns mehr Personal zur Verfügung stellen." Rund 1.000 Staatsanwälte gibt es in Nordrhein-Westfalen, auf jeden von ihnen fallen mindestens tausend Ermittlungen pro Jahr. Unter der alten Regierung wurden zwar die Arbeitszeiten für Justizbeamten von 38,5 auf 41 Wochenstunden aufgestockt, doch dafür sollen fast 200 Stellen nicht wiederbesetzt werden.

Müller-Piepenkötter will den Finanzminister Helmut Linssen (CDU) bitten, von den Stellenstreichungen abzulassen - oder sie zu verschieben. Sein Ministerium will sich dazu nicht äußern: "Das wird alles in den Haushaltsverhandlungen im Kabinett beraten werden", sagt ein Sprecher.

Unter Prävention von Jugendkriminalität versteht die neue Justizministerin vor allem den so genannten Warnschuss-Arrest. Für die Abschreckungshaft, die bis zu vier Wochen andauern kann, bedarf es aber einer bundesweiten Gesetzesänderung - die CDU-geführten Länder fordern schon lange eine solche Regelung. Müller-Piepenkötter baut anscheinend schon auf eine Regierungsübernahme ihrer Partei im Bund. Der Warnschuss-Arrest sei aber nur dann sinnvoll, so die Ministerin, wenn die Wartezeiten darauf verkürzt würden - dafür will sie für dieses Klientel mehr Plätze in den Jugendhaftanstalten einrichten lassen. "Die Strafe muss der Tat auf den Fuß folgen".

Für Klaus Boers, Direktor des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Münster, ist diese Denkweise "martialisch". Er ist sehr skeptisch, glaubt nicht an einen Erfolg des Warnschuss-Arrests. "Das ist nur ein Verwahrungsarrest, die Jugendlichen bekommen dort keine sozialpädagogische Begleitung". Gerade Wiederholungstäter hätten diese aber dringend nötig. Allgemein verstehe er als Kriminologe nicht den ständigen Ruf der CDU und FDP nach der Verschärfung des Jugendstrafrechts. "Die Zahlen bei der Jugendkriminalität sind rückläufig", sagt Boers.

[  taz NRW





18. July 2005
"Wegsperren ist keine Lösung"
FDP lehnt Unions-Pläne zu schärferem Jugendstrafrecht ab

BERLIN, 17. Juli. Die FDP hat massive Bedenken gegen das Vorhaben der Union, im Falle eines Wahlsiegs das Jugendstrafrecht zu verschärfen. Die FDP lehne es ab, Volljährige unter 21 Jahren grundsätzlich wie Erwachsene zu bestrafen, sagte die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Berliner Zeitung. Auch die geplante Ausweitung der Sicherungsverwahrung von jungen Straftätern "geht mit uns nicht", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Vorstellbar sei allenfalls, in Ausnahmefällen einem Heraufsetzen der Höchststrafe zuzustimmen. Dies könne bei Schwerstverbrechen aus niederen Beweggründen erwogen werden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Sie fügte hinzu: "Wegsperren ist keine Lösung, man muss einen anderen Weg finden, mit sehr gestörten Jugendlichen umzugehen. Es sind immerhin Jugendliche und keine hartgesottenen Verbrecher." Auch Christian Pfeiffer, der Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, bewertete die Unions-Pläne kritisch. Untersuchungen zur Jugendgewalt zeigten, dass es sich lohne, in Prävention zu investieren und nicht in Repression. "Die Strafe zu erhöhen bringt gar nichts. Wenn die Täter Angst haben, erwischt zu werden, das bringt was", sagte der frühere niedersächsische Justizminister. Es sei ein Erfolg, dass Jugendliche, die geschlagen oder beraubt wurden, viel öfter als früher jugendliche Täter anzeigten. Dies sei Ergebnis von Vertrauenswerbung der Polizei an Schulen.

In ihrem Wahlprogramm kündigt die Union an, das Höchstmaß der Jugendstrafe für 18- bis 21-Jährige von zehn auf fünfzehn Jahre zu erhöhen. Zudem soll die Möglichkeit der Sicherungsverwahrung bei dieser Altersgruppe ausgeweitet werden. Auch Jugendliche unter 18 Jahren sollen künftig nach Verbüßung ihrer Haftstrafe in nachträgliche Sicherungsverwahrung kommen können. Dies ist derzeit nur bei 18- bis 21-Jährigen möglich, die nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden.

Der rechtspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jürgen Gehb, sagte dieser Zeitung, es sei geplant, junge Menschen ab 18 Jahren im Strafrecht "grundsätzlich wie Erwachsene zu behandeln". Dies sei auch bereits in anderen Lebensbereichen der Fall. "Sie dürfen wählen, sie dürfen Autos kaufen. Nur wenn es vor Gericht heißt, dass einer etwas zurückgeblieben ist, ist er plötzlich privilegiert." In der geltenden Rechtsprechung können die Richter 18- bis 21-jährige Straftäter entweder nach dem Jugend- oder nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilen- je nach dem, wie sie den Reifegrad der Angeklagten einschätzen.

[  berlinonline.de





18. July 2005
Neues Gefängnis für Schwerkriminelle

Senatorin Schubert über Berlins 20 gefährlichste Verbrecher, beschleunigte Prozesse und wie sie Sarrazin in den Knast brachte

Berlins Justiz soll bürgerfreundlicher werden. Zudem gibt es Überlegungen, sich an einem Gefängnisneubau für hochgefährliche Verbrecher zu beteiligen. Mit Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) sprach Gilbert Schomaker.

Berliner Morgenpost: Frau Schubert, ertrinkt Berlins Justiz in einer Prozeßflut?

Karin Schubert: Also die Aktenberge werden zur Zeit nicht kleiner. Aber die Justiz geht nicht unter. Helfen soll insbesondere die Justizreform, deren ersten Schritte nunmehr in Berlin greifen. Die von mir veranlaßten Modernisierungen in den Bereichen Technik und Organisation sind Garant dafür, daß wir die Arbeit trotzt gesunkener Mitarbeiterzahl noch bewältigen können. Da soll auch die Justizreform, die seit 1. Juli in Kraft getreten ist, helfen. Wir haben zu Beginn des Reformprozesses festgestellt, daß die Gerichte in Berlin zu hierarchisch organisiert waren und insgesamt zu umständlich gearbeitet wurde. Es gab ein zu geringes Miteinander.

Können Sie das erklären?

Ich will ein Beispiel geben: Wenn ein Richter ein Urteil gesprochen hat, dann ist seine Zuständigkeit eigentlich beendet. Tatsächlich ist jedoch noch eine Reihe von Arbeitsschritten zu tun, bevor der Kläger aus dem Urteil seine Forderungen auch realisieren kann. Es ist wichtig, daß jeder beteiligte Mitarbeiter das Ganze sieht, so daß gemeinsam für eine schnelle Erledigung Sorge getragen wird. Nach dem Urteilsspruch mußte noch die Aufnahme des Diktates, die Weiterleitung, dann die formgerechte Abfassung und die notwendige Ausfertigung mit den Stempeln geschehen. Und das dauerte alles, weil keiner auf den anderen Einfluß nehmen konnte. Wenn jemand krank war, gab es niemanden, der einsprang. Die Akte blieb einfach liegen. Früher war es so, daß in einem durchschnittlichen Zivilverfahren die Akte allein 28 Tage im Gericht unterwegs war, bis ein Vorgang komplett abgeschlossen war. Dies hatte auch den Nachteil, daß dem Bürger Auskünfte zu seiner Akte häufig nicht erteilt werden konnten. Das haben wir jetzt geändert.

Wie?

Alle Mitarbeiter werden mit PC ausgestattet. Zu Beginn meiner Amtszeit im Jahr 2002 waren nur 53 Prozent der Arbeitsplätze mit Computern ausgestattet. Es bestand keine Vernetzung untereinander. Im April dieses Jahres hatten wir bereits eine Ausstattung von 83 Prozent. Ende 2005 wollen wir über 90 Prozent erreichen. Bis dahin sollen alle Computer miteinander vernetzt sein. So kann schnell Zugriff auf die Akten genommen und den Bürgern und Rechtsanwälten Auskunft über den Stand des Verfahrens erteilen werden. Auch bei der Organisation haben wir Veränderungen vorgenommen. In diesen Service-Einheiten arbeiten Richter, Rechtspfleger, Geschäftsstellenbeamte und Schreibkräfte nun enger zusammen.

Die Kompetenzen wurden erweitert. Fällt eine Schreibkraft aus, kann eine Protokollführerin, die ja eigentlich eine andere Tätigkeit hat, einspringen. Hinzu kommt, daß die Gerichte ab dem 1. Januar 2006 ihren eigenen Haushalt erhalten. Sie sollen eigenverantwortlich wirtschaften, nicht mehr nur Geld zugewiesen bekommen. Den Richtern können wir konkrete Arbeitsschritte nicht vorschreiben, aber wir können an ihr Kostenbewußtsein appellieren. Ein Beispiel: Ich kann einen Prozeß so organisieren, daß über Tage jeden Morgen eine halbe Stunde lang Zeugen angehört werden. dann aber Schluß ist. Oder ich lasse die Zeugen alle an einem Tag kommen und spare so Zeit und Geld - auch, wenn ich bei den Schreibkräften dann vielleicht Überstunden in Kauf nehmen muß. Insgesamt wollen wir dadurch die Verfahrensdauer verkürzen.

Wie lange dauern die Verfahren zur Zeit?

Nach den Durchschnittswerten aus dem Jahre 2004 dauern die Verfahren in den Amtgerichten bei Zivilsachen 4,4 Monate, bei Strafverfahren 4,9 Monate. Beim Landgericht dauern die Zivilverfahren 6,4 Monate, die Strafverfahren 6 Monate. Die Reform greift ja gerade erst. Regelmäßig zum Jahresende überprüfen wir die Verfahrensdauer. Wir haben leider aber noch eine große Zahl unerledigter Altfälle. Wir müssen verhindern, daß zu viele Reste entstehen. Zur Zeit gibt es allein 23 000 beim Landgericht. Ich sage immer, hinter jedem Rest verbirgt sich ein Lebensschicksal, das nicht gelöst ist, weil es kein Urteil gibt. Hier müssen die Richter auch mitwirken.

Wie können Sie auf Richter trotz ihrer Unabhängigkeit einwirken?

Ich lasse mir über die Anzahl der Verfahren, die länger als ein Jahr dauern, Bericht erstatten. Das hat es vorher auch nicht gegeben. Das sind die sogenannten Controlling-Mechanismen, die wir eingeführt haben. Es gibt aber keine Konsequenzen. Zwar müssen die Gerichte nur berichten, aber - das weiß ich aus eigener Erfahrung als Richterin in Nordrhein-Westfalen - diese Berichte schreiben zu müssen, das ist unangenehm. Zudem sind wir dabei, das Leitungspersonal in den Gerichten weiter zu qualifizieren, teilweise wird es neu ausgewählt.

Bürgern und Rechtsanwälten haben immer wieder die schwierige Erreichbarkeit von Richtern und Mitarbeitern der Justiz kritisiert. Wie wollen Sie das ändern?

Wir prüfen den Vorschlag, in den einzelnen Gerichten so etwas wie ein Callcenter einzurichten, von denen aus jeder Richter, jeder Rechtspfleger des jeweiligen Gerichts erreichbar sein muß. Es sei denn, er ist gerade in einer Verhandlung oder sonst unabkömmlich. Aber auch ein Richter sollte dann in einer kurzen Zeit - und das darf nicht einen ganzen Tag dauern - zurückrufen. Den Stand der Bürgerfreundlichkeit werden wir überprüfen. Wie schon bei unserer großen Umfrage im letzten Jahr werden wir sehen, welches Amtsgericht am besten und welches am schlechtesten erreichbar ist. Mängel sollen dann erkannt und abgestellt werden. Das gilt auch für die Verfahrenszeiten.

Ein ganz anderes Thema. Sie planen eine neue Haftanstalt in Großbeeren. Wie weit sind die Vorbereitungen?

Bevor wir ein solches Projekt ausschreiben, müssen wir eine Wirtschaftlichkeitsstudie erstellen, in der die unterschiedlichen Formen des Baus und des Betriebs gegeneinanderstellt werden. Die Ergebnisse werden frühestens Ende des Jahres vorliegen. Wann der Bau beginnt, ist dementsprechend auch noch nicht zu sagen.

Wie haben Sie den Finanzsenator dazugebracht, Geld zu bewilligen?

Alle Bundesländer außer Schleswig-Holstein bauen neue Haftanstalten, weil die alten überfüllt sind. So ist das auch in Berlin. Um den Finanzsenator zu überzeugen, habe ich ihn nach Tegel mitgenommen und ihm dort die Zellen gezeigt.

Und nach einer Beugehaft hat er zugestimmt?

Nach einiger Bedenkzeit in Freiheit.

Thema Sicherungsverwahrung. Seit Anfang des Jahres ist eine nachträgliche Sicherungsverwahrung möglich, wenn es Bedenken gegen die Freilassung des Verbrechers gibt. Wie sieht die Lage in Berlin aus?

Wir haben zur Zeit 20 Menschen in Sicherungsverwahrung, alles Männer, alle in Tegel. Sie wurden aber nicht nachträglich, sondern schon im Urteil als so gefährlich eingestuft, daß sie nie wieder in die Freiheit dürfen. Für solche Menschen gelten in einer Haftanstalt andere Regeln. Sie dürfen nie mehr nach draußen, können sich in der Haftanstalt aber frei bewegen. Sie dürfen ihre eigene Kleidung, eigene Bettwäsche haben. Es gibt erste Planungen für eine neue Haftanstalt nur für Menschen in Sicherungsverwahrung. Den Vorschlag hat Thüringen gemacht. Mehrere Bundesländer könnten sich zusammenschließen und eine solche Sonderanstalt bauen. Hier läuft im Moment die Abstimmung zwischen den Justizministern der Länder. Der Berliner Vollzug hat viel Erfahrung im Umgang mit der Vollzugssituation der Sicherungsverwahrten. Diese stellen wir anderen Ländern gern zur Verfügung.

[  morgenpost.berlin1.de





17. July 2005
Gefängnis für ["]Gemeingefährliche["] geplant

Das Land Berlin plant gemeinsam mit anderen Bundesländern ein neues Gefängnis für Straftäter in Sicherungsverwahrung. Berlins Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) sagte der "Berliner Morgenpost": "Es gibt erste Planungen für eine neue Haftanstalt nur für Menschen in Sicherungsverwahrung." Den Vorschlag habe Thüringen gemacht.

"Mehrere Bundesländer könnten sich zusammenschließen und eine solche Sonderanstalt bauen", sagte Schubert. In Berlin gibt es 20 Verbrecher, die nie wieder in Freiheit kommen dürfen und deswegen in Sicherungsverwahrung verbleiben müssen. Sie sitzen zur Zeit alle in der Justizvollzugsanstalt Tegel ein.

[  n24.de





14. July 2005
1.300 Personen mehr verurteilt als 2003

Nach ersten Ergebnissen der Strafverfolgungsstatistik 2004 wurden an den Gerichten des Freistaates [ Thüringen ] 35.067 Personen abgeurteilt, darunter 26 .794 rechtskräftig verurteilt. In weiteren 1.107 Fällen entschieden die Gerichte auf Freispruch, in 7.151 Fällen wurde das Verfahren eingestellt und von einer Strafe abgesehen und in 15 Fällen wurde eine Maßregel ausgesprochen.

Nach Mitteilung des Landesamtes für Statistik erhöhte sich innerhalb eines Jahres die Zahl der Abgeurteilten um 795 Personen, wobei die Zahl der Verurteilten um 1.297 Personen und die der Personen, gegen die eine Maßregel ausgesprochen wurde, um 8 stieg. Demgegenüber sank die Zahl der Personen, gegen die das Verfahren eingestellt wurde, um 460 und die freigesprochen wurden um 50 Personen. Der Anteil der Verurteilten an den Abgeurteilten (Verurteilungsquote) erhöhte sich von 74,2 Prozent im Jahr 2003 auf 76,4 Prozent im vergangenen Jahr.

Obwohl die Zahl der zuvor bereits zumindest einmal Verurteilten um 285 auf 11.817 Vorbestrafte angestiegen ist, ist ihr Anteil der Vorbestraften an den Verurteilten auf 44 Prozent gesunken (2003: 45 Prozent). Insbesondere ist ein Anstieg der Zahl der bereits 5- und mehr Mal Vorbestraften festzustellen.

Die meisten Verurteilten (22 262 Personen) hatten gegen das Strafgesetzbuch und 4.532 Personen gegen andere Gesetze verstoßen. An der Spitze der Verurteilten standen - mit einem jedoch von 25,2 Prozent auf 24,3 Prozent weiter gesunkenem Anteil - die 6 504 wegen Straftaten im Straßenverkehr verurteilten Personen. Unter ihnen waren 3 758 Personen (58 Prozent), die unter Einfluss von Alkohol oder einem anderen berauschenden Mittel standen.

Bei den übrigen Straftaten dominierten die Eigentumsdelikte. Während die Zahl der Verurteilten wegen Diebstahl und Unterschlagungen um 150 auf 5 229 Personen sank, stieg die Zahl der wegen anderer Vermögens- und Eigentumsdelikte (vor allem wegen Betrug und Erschleichen von Leistungen) Verurteilten innerhalb eines Jahres um 862 auf 6 321 Personen.

Weitere deutliche Anstiege bei der Zahl der Verurteilten waren im vergangenen Jahr vor allem bei den Betäubungsmitteldelikten um 318 auf 1 521 Verurteilte, Körperverletzungen um 158 auf 1 428 Verurteilte, Verstößen gegen das Waffengesetz um 106 auf 197 Verurteilte und der Verletzung der Unterhaltspflicht um 60 auf 246 Verurteilte zu verzeichnen.

Die Zahl der jungen Verurteilten ist weiter gesunken. Unter den Verurteilten waren im vergangenen Jahr 1 567 Jugendliche im Alter von 14 bis unter 18 Jahren (189 weniger als im Jahr 2003) und 3 623 Heranwachsende im Alter von 18 bis unter 21 Jahren (145 mehr als im Jahr 2003). Jeder fünfte Verurteilte war im Jahr 2004 noch keine 21 Jahre alt.

Unter den Verurteilten überwogen auch im Jahr 2004 die Männer und männlichen Jugendlichen, wobei deren Zahl gegenüber 2003 um 1 007 auf 22 498 Personen und die Zahl der weiblichen Verurteilten um 290 auf 4 296 Personen gestiegen ist.

Der Anteil der weiblichen Verurteilten erhöhte sich um 0,3 Prozentpunkte auf 16 Prozent. Er ist beim 'Anordnen oder Zulassen des Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis oder trotz Fahrverbot' (45 Prozent), Untreue und dem Erschleichen von Leistungen (jeweils 30 Prozent), falscher uneidlicher Aussage und Meineid (26 Prozent) sowie Diebstahl (25 Prozent) am höchsten.

Unter den Verurteilten waren im vergangenen Jahr 1 992 Ausländer und Staatenlose, womit ihr Anteil auf 7,4 Prozent sank (2003: 7,6 Prozent). Ein Vergleich mit dem Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung wäre irreführend, da auch straffällig gewordene ausländische Touristen und illegal in Deutschland lebende Personen bei einer Verurteilung in der Statistik enthalten sind.

Die verurteilten Ausländer standen vor allem wegen Diebstahlsdelikten (32 Prozent der verurteilten Ausländer), wegen Verstößen gegen das Asylverfahrensgesetz bzw. das Ausländergesetz (21 Prozent) und wegen anderer Vermögens- und Eigentumsdelikte (13 Prozent) vor Gericht.

Abgeurteilte: Erfasst werden Angeklagte, gegen die Strafbefehle erlassen wurden oder bei denen das Strafverfahren nach Eröffnung der Hauptverhandlung durch Urteil oder Einstellungsbeschluss rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Ihre Zahl setzt sich zusammen aus den Verurteilten und aus Personen, bei denen andere Entscheidungen (u.a. Freispruch) getroffen wurden. Verurteilte: Erfasst werden Straffällige, gegen die ein rechtskräftiges Urteil nach allgemeinem Strafrecht (Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Geldstrafe (auch durch einen rechtskräftigen Strafbefehl) oder Jugendstrafrecht (Jugendstrafe, Zuchtmittel oder Erziehungsmaßregeln) ergangen ist. Verurteilt werden kann nur eine Person, die zum Zeitpunkt der Tat strafmündig, d.h. 14 Jahre oder älter, war.

[  regioweb.de





08. July 2005
Justizbeamter wurde offenbar mit Feinkost bestochen

Nürnberg - Ein leitender Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Nürnberg ist unter dringenden Korruptionsverdacht geraten. Es gebe mehrere Hinweise, daß der 64 Jahre alte Chef der JVA-Wirtschaftsverwaltung über Jahre hinweg von einem Lebensmittel-Lieferanten mit Feinkost bestochen wurde, teilte ein Justizsprecher am Donnerstag mit. Als Gegenleistung für Meeresfrüchte, Edelfisch und Rinderfilets soll er bei Lebensmittel-Lieferungen an die Haftanstalt auf den günstigeren Großkundenrabatt verzichtet haben. Der Amtsrat sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.

[  morgenpost.berlin1.de





08. Juli 2005
Seit April 2004 abgelaufenes Fleisch in Gefangnisküche entdeckt

In der Küche der Männerhaftanstalt im südhessischen Dieburg sind große Mengen abgelaufener Lebensmittel entdeckt worden. Nach Angaben des stellvertretenden Leiters der Justizvollzugsanstalt, Siegfried Britze, vom Freitag handelt es sich um Fleisch, Fisch, Gewürze und Suppen.

Er bestätigte einen Bericht des Senders Hitradio FFH, dem zufolge der Küchenleiter nach eindeutigen Befunden der Lebensmittelkontrolleure vom Veterinäramt Darmstadt-Dieburg mit anderen Aufgaben betraut worden ist. Der Mann versieht seinen Dienst nun an der Außenpforte.

Kurz vor dem Verfallsdatum billig eingekauft

Hinweise auf betrügerische Machenschaften des Küchenleiters gebe es bislang nicht, sagte Britze. Möglicherweise sei er mit dem Wareneinkauf überfordert gewesen. Dafür sprächen die großen Mengen an Lebensmitteln, die sichergestellt worden seien. Gegen den Koch sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

FFH hatte berichtet, daß Küchenangestellte unter dem Verdacht stehen, gezielt Ware kurz vor dem Verfallsdatum billig eingekauft zu haben, um sie dann zu regulären Preisen abzurechnen. In der Küche seien unter anderem Kammsteaks mit dem Ablaufdatum April 2004 gefunden worden. Fischfilets hätten bis zum September vergangenen Jahres verbraucht sein müssen.

Besondere Verantwortung gegenüber Gefangenen

Die Haftanstalt habe eine besondere Verantwortung gegenüber den rund 280 Gefangenen, sagte der stellvertretende Direktor Britze. „Die sind schließlich auf das Essen aus der Anstaltsküche angewiesen.” Klagen über die Qualität des Essens oder gar gesundheitliche Probleme habe es nach seiner Kenntnis zuvor nicht gegeben. Regelmäßig hätten auch viele Bedienstete mitgegessen, ohne sich zu beschweren. Im hessischen Landtag verlangte die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser Aufklärung von Justizminister Christean Wagner (CDU). Es werde immer deutlicher, zu welch „unerträglichen Zuständen” die Vollzugspolitik der Landesregierung geführt habe.

[  faz.net









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