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8 June 2006
"Praxisferne Kuschel-Pädagogik"

Der jugendliche Amokläufer in Berlin, der Mörder von Christian aus Berlin-Zehlendorf - sie haben eines gemeinsam: Sie sind jugendliche Straftäter und sie sitzen im Knast so wie rund 7.000 Jugendliche bundesweit.Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Der Jugendstrafvollzug muss gesondert im Gesetz geregelt werden.Das soll nun geschehen, allerdings sollen im Zuge der Föderalismusreform dafür die Länder zuständig sein.Bundesjustizministerin Zypries hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sieht vor: Mehr Besuchszeiten, Häftlingswohngruppen und mehr Schul- und Ausbildungsplätze. Ziel: Weniger Rückfälle in die Kriminalität, wenn die Jugendlichen wieder aus dem Knast sind.

Dazu ein Gespräch mit der bayerischen Justizministerin Beate Merk, CSU.

Das Interview sinngemäß:

Stephan Oszváth: Was stört Sie an dem Gesetzesentwurf von Frau Zypries?

Beate Merk: Mich stört daran, dass er zu wenig differenziert ist. Es gibt einige Themen, die wir genauso sehen. Zum Beispiel, dass viele Besuchszeiten nötig sind, damit die Häftlinge Kontakt zu ihrer Familie haben. Das ist förderlich. Aber es kann nicht angehen, dass wir die Jugendlichen mit einer sehr großen Intensität in die Förderpläne mit einbeziehen. Das heißt, dass die Jugendlichen zu einem großen Teil mitbestimmen, wie denn der Vollzug laufen soll, dass unter Umständen auch ihre Eltern mit einbezogen werden. Was mich auch stört, ist, dass die Jugendlichen vorrangig in einem offenen Vollzug sind, dass sie nicht hinter geschlossenen Türen sondern Freigänger sind. Wir müssen ja sehen, dass es sich hier wirklich um Menschen handelt, die schon einiges auf dem Kerbholz haben. Jugendliche kommen um ein Vielfaches später ins Gefängnis, als das bei Erwachsenen der Fall ist. Man versucht vorher immer noch im erzieherischen Wege außerhalb der Justizvollzugsanstalt auf diese Täter einzuwirken. Und wenn es dann wirklich nicht mehr geht, kommen sie ins Gefängnis. Das heißt dann aber auch, dass wir sie kennen lernen müssen, um die richtige Therapie für sie zu finden und jeden Versuch zu unternehmen, dass sie in Zukunft ohne Straftaten leben.

Stephan Oszváth: Sie haben den Entwurf der Bundesjustizministerin bewertet. Was wollen sie konkret?

Beate Merk: Wichtig ist, dass der Erziehungsgedanke im Gesetz festgeschrieben wird. Auf der anderen Seite sollte aber auch, anders als im Entwurf von Frau Zypries, der Schutz der Allgemeinheit ein Ziel des Vollzugs sein. Diese beiden Ziele, die wir auch im allgemeinen Vollzug haben, müssen auch für Jugendliche gelten. Dann ist für mich wichtig, dass wir Sozialtherapie für Jugendliche vorschreiben, damit wir auf die Jugendlichen gezielt und differenziert einwirken können. Das ist etwas, was Frau Zypries genauso sieht. Auch ein Thema ist, dass Jugendliche in der Vollzugsanstalt möglichst immer Anstaltskleidung tragen. Das schreiben wir in unser Gesetz auch hinein. Wir reden über Schuluniformen, weil wir sagen, wir wollen die sozialen Unterschiede in den Schulen bereinigen. Wir wollen hier mehr Gleichheit haben. Jetzt hätten wir beispielsweise einen Gefangenen, der Koksverkäufer war und sich deshalb ein Armani-Jäckchen leisten kann neben einem, der aus dem Second-Hand-Shop oder vom Flohmarkt Jeans hat. Das allein sind schon Statusunterschiede, die dann in einer Anstalt auch zu Statusunterschieden führen können.

Stephan Oszváth: Die Rückfallquote bei Jugendlichen Straftätern ist besonders hoch: 78 Prozent. Woran liegt das Ihrer Meinung nach und wie wollen Sie das ändern?

Beate Merk: Wir müssen das immer in Vergleich setzen zur Rückfallquote der Erwachsenen und noch einmal darauf hinweisen, dass Jugendliche immer erst dann ins Gefängnis kommen, wenn sie schon einige Taten begangen haben. Was für mich wichtig ist, dass wir ihnen helfen, ihre Defizite abbauen. Diese Jugendlichen haben oft pädagogische und soziale Defizite. Viele von denen haben keine Familie, in der sie Rückhalt gehabt haben, zum Beispiel auch sprechen gelernt haben, sich auszudrücken. Deutsche Gefangene können oftmals nicht richtig Deutsch sprechen. Wie sollen die sich dann verbal in Konflikten bewähren. Dann müssen die eben mit der Faust zuschlagen.

Stephan Oszváth: Aber dafür sind doch zum Beispiel Wohngruppen, wie sie Frau Zypries vorschlägt, eigentlich ganz gut. Da kann man ja Werte wie Disziplin, Rücksichtsnahme, Ordnung, Mitmenschlichkeit und wenn es denn sein soll sogar Deutsch lernen.

Beate Merk: Richtig. Aber sie haben "eigentlich" gesagt. Und es geht eben darum, dass wir uns die Jugendlichen anschauen: Wer passt in eine Wohngruppe. Ich möchte in einer Wohngruppe nicht ganz undifferenziert alle drin haben und möglicherweise auch den, der eine massive Unruhe und möglicherweise auch Gewalt in diese Wohngruppe bringt. Der hat erst einmal andere Therapien zu machen.

[  inforadio.de





8 June 2006
Merk: Ein Gefängnis ist kein Landschulheim

In der Debatte um den Jugendstrafvollzug wollen Bayern und Baden-Württemberg eigenständig strengere Regeln durchsetzen

Das Problem liegt allen klar vor Augen: Vier von fünf jugendlichen Straftätern werden laut einer Studie des Bundesjustizministeriums nach ihrer Entlassung rückfällig. Einigkeit herrscht auch darüber, dass eine erfolgreiche Resozialisierung der beste Schutz vor weiteren Straftaten ist. Allein der Lösungsweg ist umstritten. In der Diskussion um eine Reform des Jugendstrafvollzugs haben gestern Bayern und Baden-Württemberg eigene, weit gehend identische Gesetzentwürfe vorgelegt. Sie stehen in Konkurrenz zum Entwurf von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Ob Bund oder Länder zuständig sein werden, hängt von der Föderalismusreform ab.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) und ihre Mitarbeiter halten wenig bis gar nichts von den Vorstellungen in Berlin. "Frau Zypries hat hier so eine Art Landschulheim im Kopf", sagt Merk, kritisiert den Entwurf des Bundes als "Kuschelpädagogik" und wirft den Verfassern vor, sie seien "reine Theoretiker" und hätten wenig Ahnung von der Praxis im Jugendstrafvollzug. "Der Bund hat kein Gefängnis, Bayern hat 36", sagt Merk. Dennoch seien bisher alle Einwände und Anregungen aus Bayern ignoriert worden.

Gleichzeitig sieht sich die Bayerische Staatsregierung aber mit der Kritik konfrontiert, nur auf kostengünstige Lösungen zu setzen. Merk räumt zwar ein, dass in Bayern rund 55 Millionen Euro investiert werden müssten, um das Zypries-Konzept umzusetzen. Den Vorwurf aber, die Länder wollten in einen Wettlauf um das "billigste Gefängnis" eintreten, weist sie zurück. Ziel sei ein "effektiver, erzieherischer und sicherer Vollzug für junge Straftäter." Auch Bayern und Baden-Württemberg, betont Merk, wollen mit ihren Konzepten die Sozialtherapie stärken. Der Erziehungsauftrag werde herausgestellt. Er stehe als gleichrangige Aufgabe neben dem Schutz der Allgemeinheit, der im Entwurf des Bundes fehle. "Bei uns geht das Hand in Hand", sagt die Ministerin. Die Idee einer "Gefangenenmitverwaltung" etwa nach dem Vorbild der "Schülermitverwaltung" am Gymnasium lehnt Merk ab.

In ihrem Ministerium herrscht die Überzeugung, dass man jugendliche Straftäter "ganz massiv an die Hand nehmen" und ihnen Ordnung und strukturierte Tagesabläufe erst beibringen müsse. Wer nicht gelernt habe, sein eigenes Leben zu organisieren, könne nicht "mitverwalten". Aus der Sicht der Vollzugspraktiker sei diese Vorstellung "haarsträubend". Ähnlich äußerte sich der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP). Viele jugendliche Straftäter hätten "von Erziehung überhaupt noch nichts gehört". Zudem enthalte der Zypries-Entwurf "unrealistische Wunschvorstellungen", die einfach nicht zu bezahlen seien.

Aus der Praxis gibt es auch andere Stimmen. Der Augsburger Strafverteidiger Stefan Pfalzgraf sagt zu der Debatte: "Das klingt alles wunderschön, ändert aber nichts daran, dass deutlich mehr investiert werden müsste - in Personal und in individuelle Förderung." Kritik an Merk kommt auch aus dem Landtag. Der SPD-Rechtspolitiker Franz Schindler forderte, Bayern solle den Gesetzentwurf des Bundes unterstützen. Christine Stahl von den Grünen warf Merk "Profilierung um jeden Preis" vor. Der Jugendstrafvollzug müsse auch nach der Föderalismusreform in der Kompetenz des Bundes bleiben.

[  augsburger-allgemeine.de





8 June 2006
Kuscheln im Gefängnis
Bund und Länder streiten über den Jugendstrafvollzug

BERLIN. Zwischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, SPD, und den Unionsländern ist ein Streit über die Gestaltung der Haftbedingungen für jugendliche Straftäter entbrannt. Zypries legte gestern in Berlin einen Gesetzentwurf vor, der von Bayern als Kuschelpädagogik abgelehnt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangene Woche ein Gesetz für den Jugendstrafvollzug bis Ende 2007 angemahnt und dabei Vorgaben gemacht, etwa die Unterbringung der Jugendlichen in Wohngruppen.

Der Vorschlag des Bundesjustizministeriums stellt die Resozialisierung der Jugendlichen in den Vordergrund. Der Jugendstrafvollzug müsse auf die spezifischen Bedürfnisse junger Strafgefangener zugeschnitten sein, sagte Zypries. Nach ihren Vorstellungen sollen in den Jugendgefängnissen künftig zwei Drittel der rund 7 000 Häftlingen eine Schul- oder Berufsausbildung absolvieren. Zudem soll den jungen Straftätern die Möglichkeit zu einer Therapie gegeben werden. Die Wohngruppen sollen bis zu acht Häftlinge umfassen, die 14- bis 15-Jährigen sollen in eigenen Wohngruppen untergebracht werden. Zudem schlägt Zypries vor, die monatliche Besuchszeit von einer Stunde auf vier zu erhöhen. Zypries sagte: "Wir wollen klarstellen, dass wir hier keinen Kuschelstrafvollzug machen, sondern auch fordern."

Kritik aus München und Stuttgart

Die unionsregierten Länder Bayern und Baden-Württemberg wiederum präsentierten gestern eigene Vorschläge. Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) bezeichnete den Schutz der Allgemeinheit als wichtigste Aufgabe des Jugendstrafvollzugs. Die Jugendlichen müssten Werte wie Rücksicht und Disziplin lernen. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) wiederum kritisierte, dass der Bundesvorschlag nicht ausreichend differenziere. Nicht jeder Häftling sei für eine Wohngruppe geeignet. Zuständig für die Gesetzgebung ist bisher der Bund, der seit den 70er-Jahren mehrfach versuchte, ein Gesetz zu beschließen. Dabei war er jedoch aus finanziellen Gründen im Bundesrat an den Ländern gescheitert. Mit der geplanten Föderalismusreform soll die Kompetenz nun an die Länder fallen.

[  berlinonline.de





8 June 2006
Der Ruf zur Reform schallt seit Jahren aus dem Knast
Im Jugendgefängnis Adelsheim herrscht Mangel an vielem

Seit das Bundesverfassungsgericht ein Machtwort gesprochen hat, wird wieder über Jugendliche hinter Gittern diskutiert. Aber manche Kritiker des bisher üblichen Jugendstrafvollzugs befürchten, dass die Politiker mit einem neuen Gesetz alles nur noch schlimmer machen.

Sein Vertrauen in die Lernfähigkeit der Jugend hat sich Fritz Sperle (66) auch im Ruhestand bewahrt. Vor einem Jahr hat sich der damals dienstälteste Gefängnispfarrer Baden-Württembergs nach 31 Jahren von seinem Arbeitsplatz hinter den fast sechs Meter hohen Mauern der Jugendstrafanstalt Adelsheim im Neckar-Odenwald-Kreis verabschiedet, aber an seinen Ansichten hat sich nichts geändert. "Seit Jahrzehnten höre ich, es werde immer schlimmer mit den Jugendlichen", sagt der Pensionär. "Aber die sind nicht schlimmer, schlechter oder dümmer geworden, das glaube ich einfach nicht." Für den einstigen Dekan aller 35 evangelischen Anstaltsgeistlichen im Land steht dagegen fest, dass die Erwachsenen bisher versagt haben, wenn es um die Resozialisierung junger Krimineller geht. Und das, so fürchtet er jetzt, wird sich auch in Zukunft nicht so schnell ändern, wenn der Jugendstrafvollzug endlich einen gesetzlichen Rahmen erhält.

Wie berichtet, fordert das Bundesverfassungsgericht bis spätestens Ende 2007 gesetzlich verankerte Mindeststandards für jugendliche Straftäter, wie es sie seit dreißig Jahren für Erwachsene gibt. Wie nötig das ist, wissen die Verantwortlichen für die beiden baden-württembergischen Jugendgefängnisse in Pforzheim mit 120 Gefangenen und in Adelsheim mit derzeit 465 männlichen Häftlingen in einem Alter von 14 bis über 20 Jahren. Vor allem die zweitgrößte europäische Jugendvollzugsanstalt in Adelsheim gilt zwar offiziell als Vorzeigeanstalt, aber hinter den Kulissen schütteln die Fachleute schon lange die Köpfe über die schlechten Bedingungen, unter denen sie die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen wegsperren müssen.

"Adelsheim war eigentlich vom Konzept her eine Reformanstalt", erinnert sich der Theologe und promovierte Kriminologe Fritz Sperle an die Anfänge der 1974 gebauten Anstalt. "Es sollte ein Erziehungsvollzug sein, eine pädagogische Einrichtung zur Chancenverbesserung junger Leute, denen neben Schule, Ausbildung und Sport auch eine Wertevermittlung angeboten werden sollte." Aber nicht nur Sperle ist inzwischen ausgesprochen zornig darüber, dass "die politischen Absichten und die Praxis vor Ort nicht übereinstimmen".

Schon 1993 hat der heute noch amtierende Adelsheimer Anstaltsleiter Joachim Walter auf einen dringenden "Gesetzgebungsbedarf" hingewiesen. "Wer die jungen Leute durch Freiheitsentzug zur Freiheit erziehen will, darf nicht allzu viel erwarten", sagte Walter damals öffentlich. Vor eineinhalb Jahren wies er auf die hohe Rückfallquote von achtzig Prozent hin. Immer wieder machten Adelsheimer Gefangene durch Gewaltexzesse von sich reden. Die Lebensbedingungen in der überbelegten Anstalt seien "menschenverachtend und lebensgefährlich", kritisierte ein Mosbacher Staatsanwalt vor sechs Jahren die Zustände. Massenschlägereien, Vergewaltigungen und Quälereien waren unter den Häftlingen aus 28 Nationen keine Seltenheit. "Wegen Überbelegung und mangelnder Kontrolle kann menschliche Würde und körperliche Unversehrtheit nicht in wünschenswertem Maß sichergestellt werden", sagte damals der Mosbacher Jugendrichter Martin Zöllner empört.

Mittlerweile gibt es nach einigen Neubauten wenigstens keine Dreimannzellen mehr, und nur noch wenige Insassen müssen sich zu zweit eine Einzelhaftzelle teilen. "In Bildung und Ausbildung sind wir sogar Spitze", beteuert die stellvertretende Anstaltsleiterin Maida Dietlein. Allerdings klagt auch die Oberregierungsrätin über zu wenig Beamte und Ausbilder und wünscht sich bessere Möglichkeiten für Sport, Besuche, Therapien und offenen Vollzug.

Deshalb sei ein pädagogisch orientiertes Jugendstrafgesetz "überfällig", meint Fritz Sperle. Nach seiner Ansicht wurde es bisher nur deswegen nicht verabschiedet, weil viele Politiker "überall nach mehr Strafe und Vergeltung rufen". Sollten sogar die einzelnen Länder für die Gesetzgebung zuständig werden, befürchtet der Pensionär "noch mehr Drill und Reglementierung". Im schlimmsten Fall, so Sperle, "wird der Jugendvollzug wohl eher wie ein Straflager".

[  stuttgarter-zeitung.de





1 June 2006
Goll legt Gesetzentwurf für Jugend-Strafvollzug vor

Baden-Württemberg will mit jugendlichen Straftätern künftig anders umgehen. Justizminister Ulrich Goll (FDP) legte einen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz vor. Dabei soll neben dem Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern vor allem für eine konsequente Erziehung junger Straftäter gesorgt werden. Vor einer Woche hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass für den Jugendstrafvollzug eine eigene Gesetzesgrundlage nötig ist. Bisher bildet das allgemeine Strafrecht den gesetzlichen Rahmen für den Jugendstrafvollzug. Goll betonte, den Jugendlichen müssten während der Haftzeit auch Werte wie Rücksicht, Disziplin, Ordnung und Mitmenschlichkeit vermittelt werden. Viele jugendliche Straftäter hätten von Erziehung überhaupt noch nichts gehört.

Baden-Württemberg und das Nachbarland Bayern präsentierten zeitgleich ihre Gesetzentwürfe. Goll sagte: "Wir setzen in Stuttgart und München ein gemeinsames Signal: Es gibt keinen Wettlauf um das billigste Gefängnis." Ziel sei es, für einen effektiven und sicheren Jugendstrafvollzug zu sorgen. Nach Angaben des Justizministerium sind diese beiden Gesetzentwürfe "in wesentlichen Grundzügen" identisch. Zypries legt ebenfall Gesetzentwurf vor

Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) legte einen eigenen Gesetzentwurf vor. Darin ist vorgesehen, vor allem mehr Schul- und Ausbildungsplätze für die rund 6.600 jugendlichen Straftäter in deutschen Gefängnissen zu schaffen, um die Wiedereingliederung der Häftlinge zu erleichtern. Da mit der geplanten Föderalismusreform die Zuständigkeit für die Gesetzgebung in diesem Bereich allerdings vom Bund auf die Länder übergehen soll, will Zypries kein förmliches Gesetzgebungsverfahren einleiten. Sie sehe ihr Papier als "Diskussionsentwurf für die öffentliche Debatte".

[  swr.de





1 June 2006
Gerichtsurteil: Jugendhaft muß neu geregelt werden
Karlsruhe - Der Jugendstrafvollzug steht vor der umfassendsten Reform seit Jahrzehnten. In einem gestern verkündeten Grundsatzurteil erklärte das Bundesverfassungsgericht die aktuelle Praxis für grundgesetzwidrig. Es wies Bund und Länder an, die Regelungen zur Jugendhaft bis Ende 2007 auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen. Bei Jugendlichen wirkten sich Freiheitsstrafen "besonders einschneidend" aus, betonten die Richter des Zweiten Senats in Karlsruhe. Daher müsse ein Gesetz auf die besonderen Anforderungen der Haft für Jugendliche zugeschnitten sein. Dazu gehörten spezielle Regeln für die körperliche Bewegung, zur Zahl der Familienbesuche und zu den Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten.

Bisher ist der Strafvollzug von Jugendlichen nur mit wenigen Paragraphen im allgemeinen Strafvollzugsgesetz geregelt. Ansonsten greifen die Haftanstalten auf Verwaltungsvorschriften zurück. Dies reichte den Richtern in Karlsruhe nicht aus. Das Bundesverfassungsgericht ließ offen, ob die gesetzliche Regelung Sache von Bund oder Ländern ist.

[  morgenpost.berlin1.de





30 May 2006
Parteien streiten um Jugendhaft: Zwölfjährige in den Knast?

Berlin (ddp) Nach den jüngsten Zwischenfällen mit gewaltbereiten Jugendlichen ist in Berlin neuer Streit über den Umgang mit straffällig gewordenen Heranwachsenden entbrannt. Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) lehnte Forderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts ab. Die FDP hatte zuvor die Herabsetzung der Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre gefordert. Auslöser für die Debatte war die Attacke eines zwölfjährigen Grundschülers auf eine 62 Jahre alte Lehrerin im Stadtteil Kreuzberg. Für Entsetzen hatte auch der Amoklauf eines betrunkenen 16-Jährigen im Regierungsviertel gesorgt.

Schubert betonte am Dienstag, eine Verschärfung des Strafrechts halte Jugendliche nicht von Straftaten ab. Sie plädierte aber dafür, überforderten und uneinsichtigen Eltern das Sorgerecht zu entziehen und die Jugendlichen notfalls in Heimen unterzubringen. Entsprechende Beschlüsse könnten etwa durch Familien- oder Vormundschaftsrichter erfolgen. Der Berliner CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer führte an, brutale Übergriffe wie der des zwölfjährigen Schülers am Montag zeigten, dass die Vorstellung des Gesetzgebers bei der Festlegung der Strafmündigkeit nicht mehr der "Realität in unserer Gesellschaft" entspricht. Zimmer forderte auch, dass die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf über 18-jährige Straftäter der "Regelfall" wird.

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann unterstrich, beim Jugendstrafrecht stehe der Erziehungsgedanke und nicht die Sanktion im Vordergrund. Die Justiz müsse aber in der Lage sein, die vorhandenen strafrechtlichen Mittel schnell anzuwenden. Auch müsse das Personal in Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen durch entsprechende Ausstattung und Qualifikation in die Lage versetzt werden, frühzeitig familiäre Fehlentwicklungen zu erkennen und auch einzugreifen.

Nach den Worten der Bildungsexpertin der FDP-Fraktion, Mieke Senftleben, müssen Eltern "negative Konsequenzen" zu spüren bekommen, wenn sie trotz Aufforderung Beratungsleistungen und Erziehungskurse nicht in Anspruch nehmen. Senftleben forderte Bildungssenator Klaus Böger (SPD) zudem auf, eine Bundesratsinitiative vorzulegen, um den Familiengerichten mehr Kompetenzen einzuräumen.

Die Berliner Bildungspartei warf dem rot-roten Senat vor, mit seiner Sparpolitik eine Mitverantwortung für die Probleme zu tragen. Durch Kürzungen im Bildungsbereich seien die Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit gewaltbereiten Kindern und Jugendlichen "deutlich eingeschränkt" worden, kritisierte Parteichef Andre Schindler. An Stelle von konkreter Hilfe würden auffällige Schüler in andere Schulen strafversetzt oder vom Unterricht ausgeschlossen. Der Zwölfjährige wurde nach dem Angriff auf die Lehrerin für zehn Tage von seiner Schule freigestellt. Die Schulverwaltung hatte das polizeibekannte Kind erst wenige Wochen zuvor der Lemgo-Grundschule zugewiesen, nachdem es wegen Gewaltdelikten von anderen Schulen geflogen war.

[  moz.de





30 May 2006
Bosbach: Sanktionsmöglichkeiten gegen gewalttätige Schüler ausreichend.

Von BZ bis Berliner Kurier. Die Boulevard-Presse kennt heute morgen nur ein Thema: den Faustschlag eines 12 Jahre alten Jungen ins Gesicht einer 63 Jahre alten Lehrerin. So geschehen gestern an einer Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Die Lehrerin muss sich im Krankenhaus behandeln lassen. Sie wollte einen Streit zwischen Schülern schlichten. Kinder-Amok nennen es die Zeitungen mit den großen Buchstaben. Der 12jährige, der zugeschlagen hat, ist polizeibekannt. Er ist vorher schon wegen Diebstahls, Hehlerei und Körperverletzung aufgefallen.Ein Kind oder ein Krimineller?

Wolfgang Bosbach, stellvertretender Fraktionschef der Union im Bundestag.

Das Interview im Wortlaut:

Alexander Krahe: Die Strafmündigkeit beginnt erst mit dem 14ten Lebensjahr. Unterstützen sie diejenigen, die sagen, die Strafmündigkeit sollte schon ab 12 beginnen?

Wolfgang Bosbach: Ich habe Verständnis, für diese Forderung, frage mich allerdings, was passiert, wenn morgen ein 11-Jähriger zuschlägt oder ein 10-Jähriger. Sollen wir dann die Grenze, wo das Strafrecht anfängt, immer weiter absenken? Seit Jahrzehnten wird über die Frage diskutiert, mit welchem Alter soll die Strafmündigkeit einsetzen, wir haben im Strafrecht 14 Jahre, dann beginnt das Jugendstrafrecht. Und ich meine, dass es gute Gründe dafür gibt, nicht schon vorher mit dem Strafrecht zu drohen. Das heißt selbstverständlich nicht, dass Staat und Gesellschaft wehrlos sind gegenüber rabiaten Kindern, gegen Kinder, die Gewalt anwenden und dann auch noch gegenüber ihren eigenen Lehrern. Die Sanktionen sind vielfältig, die können gehen bis zur Entziehung der elterlichen Sorge, sogar bis zur Einweisung in ein geschlossenes Heim. das heißt also nicht, wenn wir mit der Strafbarkeit erst mit 14 Jahren beginnen, dass der Staat derartiges Verhalten hinnehmen muss.

Krahe: Versprechen sie sich eine abschreckende Wirkung vom früheren Strafrecht, oder haben Sie da Ihre Zweifel?

Wolfgang Bosbach: Ja, Entschuldigung, aber was hätte denn mehr abschreckende Wirkung als Entziehung der elterlichen Sorge? Und das Einweisen in ein geschlossenes Heim? Wollen wir wirklich 12- und 13-jährige Kinder in ein Gefängnis stecken? So habe ich auch nicht diejenigen verstanden, die dies gefordert haben. Und ich frage noch einmal, was machen wir dann mit den 10- oder 11-Jährigen, die Gewalt anwenden?

Krahe: Sollte wir mehr an die Eltern denken?

Bosbach: Wir haben seit zwölf Jahren eine gemeinsame polizeiliche Kriminalstatistik. In den ersten sechs Jahren ist die Zahl der tatverdächtigen Kinder enorm angestiegen. Um 60 Prozent. Sie ist danach um 30 Prozent gesunken. Wir haben heute 100.000 tatverdächtige Kinder, das sind selbstverständlich 100.000 zu viel. Die Masse der Delikte sind allerdings nicht Gewalttaten, sondern Diebstahl, wie beispielsweise Ladendiebstahl. Dann kommen wir zu den Jugendlichen, da haben wir allerdings einen ganz starken Anstieg, 40 Prozent in den letzten 12 Jahren, und da müssen wir uns fragen, wie kommt das? Mut zur Erziehung, den Kindern auch Grenzen aufzeigen und "Nein"-Sagen. Zeit haben für die Kinder, Interesse haben für die Kinder, und wir müssen auch mal über das Medienverhalten nachdenken. Denn wenn die Kinder die Schule verlassen haben, sie zwischen 12.000 und 15.000 Schulstunden gehabt haben und in der gleichen Zeit zwischen 18.000 und 20.000 Stunden vor dem Fernseher gesessen haben oder vor Videospielen. Und sie werden dort in einem erheblichen Maße mit Gewaltdarstellungen konfrontiert.

Krahe: Der Berliner Bildungssenator Böger wünscht sich von der Bundesregierung Möglichkeiten, Eltern durch das Familiengericht zur Mithilfe zu zwingen, in diesem Fall aus Kreuzberg hätten sich die Eltern den Hilfsmaßnahmen verschlossen, das Jugendamt allein sei nicht weiter gekommen. Können sie dem Wunsch nachkommen?

Bosbach: IFür dieses Anliegen habe ich Verständnis, in der Tat müssen wir uns fragen, wie wir mit denjenigen Eltern umgehen, die nicht bereit sind, mit dem Jugendamt zu kooperieren, also durch Mittel der Erziehung auf das Kind einzuwirken.

Krahe: Muss es da Gesetzesänderungen geben?

Bosbach: Darüber werden wir mal nachdenken müssen. Das kann im Jugendhilferecht der Fall sein, das kann auch im bürgerlichen Gesetzbuch / Abteilung Familienrecht der Fall sein. Entscheidend ist, wo wir ansetzen. Nun halte ich einen familien- oder jugendhilfepolitischen Ansatz für wesentlich wirkungsvoller als die alleinige abstrakte Drohung mit dem Strafrecht. Ich persönlich glaube nämlich nicht, dass ein deutsches Gericht einen 12- oder 13-Jährigen ins Gefängnis schicken wird und ich glaube übrigens auch nicht, dass Geldstrafe irgendeinen Sinn macht. Jedenfalls nicht bei Kindern.

[  inforadio.de





28 May 2006
FDP-Politiker fordert drastische Verschärfung des Jugendstrafrechts

Hamburg - Nach dem Amoklauf eines 16-jährigen Berliners hat der FDP-Politiker Martin Lindner eine drastische Verschärfung des Jugendstrafrechts gefordert. Dazu sollten die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabgesetzt, der so genannte Warnschussarrest eingeführt und das Jugendstrafrecht nur noch in Ausnahmen bei Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren angewendet werden, schrieb das Lindner, der Mitglied im Bundesvorstand seiner Partei und FDP-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus ist, in einem Gastbeitrag der «Bild am Sonntag».

«Die Strafmündigkeitsgrenze auf zwölf Jahre abzusenken, darf kein Tabu mehr sein», erklärte Lindner. Bundesweit seien 71.000 Kinder zwischen zwölf und 14 Jahren polizeilich registriert. «Sanktionen des Jugendstrafrechts - Weisungen, Verwarnungen, Auflagen und Jugendarrest - können sie vor dem Abgleiten in eine Täterkarriere bewahren.»

Der Erfolg würde nach Auffassung des Liberalen noch größer sein, «wenn der so genannte Warnschussarrest, eine Kurz-Haft zur Abschreckung, in das Jugendstrafrecht aufgenommen wird». Darüber hinaus verlangte der FDP-Politiker, heranwachsende Straftäter nicht mehr nach Jugendstrafrecht zu bestrafen: «Das Jugendstrafrecht sollte künftig nur bei Jugendlichen und nicht bei fast jedem Heranwachsenden angewandt werden. Für die bundesweit 250.000 Tatverdächtigen von 18 bis 21 Jahren brauchen wir schnellstmöglich eine Regelumkehr. Die Bestrafung nach Erwachsenenrecht muss zum Normalfall, das mildere Jugendstrafrecht zum Ausnahmefall werden.»

Im Bundestagswahlkampf vor einem Jahr hatte sich unter anderen der damalige rechtspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Funke, gegen Pläne der Union zur Verschärfung des Jugendstrafrechts gewandt. CDU und CSU hatten in ihrem Wahlprogramm gefordert, dass für Heranwachsende in der Regel das Erwachsenen-Strafrecht gelten und die Jugendhöchststrafe von zehn auf 15 Jahre erhöht werden sollte.

[  dieneueepoche.com





13 May 2006
„Die Ausweisung fürchten viele mehr als Gefängnis“

Ehrhart Körting (SPD) will die jugendlichen Serientäter stärker mit der drohenden Abschiebung abschrecken Der Innensenator fordert bei Straftaten eine noch schnellere Reaktion des Staates. Von schärferen Gesetzen hält er aber nichts

Herr Körting, als München den Serientäter Mehmet in die Türkei abgeschoben hat, ist die Kriminalität unter den ausländischen Jugendlichen gesunken. Kann sich Berlin diese Erfahrung nicht zunutze machen?

Ich warne davor zu glauben, dass wir mit einer Massenausweisung das Problem der Intensivtäter lösen können. Tatsache ist aber, dass wir in der jüngeren Vergangenheit rund zehn jugendliche Serientäter ausgewiesen haben. Viele von ihnen sind wegen Raubes oder räuberischer Erpressung verurteilt worden.

Was sich auf die Statistik nicht ausgewirkt hat.

Das muss sich offenbar erst in der Szene herumsprechen. Aber Mitarbeiter von Ausländerbehörde und Polizei berichten tatsächlich immer wieder, dass die Ausweisung eine Maßnahme ist, die die Betroffenen besonders fürchten, vielleicht sogar mehr als eine Gefängnisstrafe.

Über Mehmets Ausweisung wurde bundesweit berichtet, um die Berliner Serientäter gab es dieses Aufsehen nicht.

Deshalb stellen wir auch immer wieder fest, dass die Jugendlichen und ihre Eltern völlig überrascht und geradezu erschrocken sind, dass nach Straftaten auch eine Ausweisung folgen kann. Offenbar birgt die Drohung großes Abschreckungspotenzial, und deshalb werden wir das künftig unter den Jugendlichen offensiv propagieren.

Wie das?

In der Ausländerbehörde führen wir jetzt verstärkt Präventivgespräche mit den Jugendlichen, damit sie wissen: So etwas kann mir auch passieren. Davon verspreche ich mir einiges.

Manche Ermittler sind trotzdem frustriert und fordern jetzt schärfere Gesetze, da man den typischen jugendlichen Serientäter nur mit Gefängnis oder Ausweisung beeindrucken könne. Was halten Sie davon?

Ich sehe im Moment keinen richtigen Anlass zu Frust. Natürlich haben wir ein Problem mit den jugendlichen Serientätern. Das hängt auch damit zusammen, dass wir in der Vergangenheit nicht schnell genug reagiert haben. Weil man zu oft Milde hat walten lassen, ist bei einigen Straftätern der Eindruck entstanden, dass der Staat ein Papiertiger ist. Aber das haben wir verändert durch die gemeinsame Ermittlungsgruppe von Staatsanwaltschaft und Polizei. Jetzt wird schneller reagiert, und das zeigt auch schon Wirkung.

Die Prognose der Staatsanwälte klingt düster: Demnach gibt es mehrere tausend Jugendliche, die jederzeit serienweise Straftaten begehen könnten …

Es ist auch ein Zukunftsproblem, auf das wir reagieren. Wir haben noch keine Wunder vollbracht, aber es ist uns gelungen, stärker in diesen Bereich der Intensivtäter hineinzukommen und einen nicht unerheblichen Teil von ihnen aus dem Verkehr zu ziehen. Das neue Konzept greift. Aber es muss weiterhin daran gearbeitet werden.

Wie kann es verbessert werden?

Wir müssen noch schneller werden. Es geht nicht an, dass ein 14-jähriger Jugendlicher etwas anstellt und als Reaktion dann erst nach Monaten eine Vorladung erhält. Jugendliche Straftäter sind jung und männlich …

… und meist arabischer oder türkischer Herkunft.

Richtig ist, dass rund 80 Prozent der Intensivtäter einen Migrationshintergrund haben. Bei diesem Phänomen spielen soziale Probleme sicherlich eine Rolle, aber man muss auch berücksichtigen, dass die Familien der Jugendlichen oft aus einem Bürgerkriegsland kommen, wo gewissermaßen das Faustrecht herrscht. Wo die Familie sehr patriarchalisch geprägt und die Prügelstrafe an der Tagesordnung ist. Jugendliche, die so aufwachsen, sehen auch eher in der körperlichen Auseinandersetzung eine Konfliktlösung. Dies festzustellen, heißt nicht zu stigmatisieren. An diesem Problem müssen wir mit den Migrantenverbänden arbeiten. Ich erwarte von den Eltern, dass sie sich bei der Erziehung unseren Werten öffnen.

Von Strafverschärfungen halten Sie also gar nichts?

Wir haben unsere gesetzlichen Möglichkeiten bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Das Jugendstrafrecht ist relativ flexibel, das heißt: Der Richter kann auch bei einem Ersttäter eine Freiheitsstrafe verhängen, wenn er bei dem Jugendlichen eine hohe Sozialgefährlichkeit sieht und sich von der Unterbringung eine pädagogische Wirkung verspricht.

Aber wird das auch getan?

Wenn ich mir die in der letzten Zeit verhängten Strafen ansehe, habe ich den Eindruck: Die Generation der Richter, die alles verstehen und alles verzeihen, hat abgedankt. Mit dem flexiblen Jugendstrafrecht können wir alle erreichen: Den eher harmlosen Jugendlichen, der ein oder zwei Mal auffällig wird - und dann nie wieder. Aber eben auch die wirklich schweren Fälle. Die Debatte um schärfere Strafen halte ich deshalb für eine Scheindiskussion.

Das Gespräch führte Katja Füchsel.

[  tagesspiegel.de


JUNGE SERIENTÄTER

Die Täter. Jung, männlich, ausländischer Herkunft - so beschreiben die Berliner Ermittler den typischen Serientäter. Von ihnen stammen rund 80 Prozent aus nicht-deutschen Familien. Araber stellen die größte Gruppe, gefolgt von Türken. Ein Drittel der Täter dürfte sich aber von Körtings neuer Strategie kaum abschrecken lassen: Sie haben einen deutschen Pass.

Die Liste. Rund 430 jugendliche Serientäter stehen derzeit auf der Liste der Ermittler. Seit drei Jahren existiert für sie bei der Berliner Staatsanwaltschaft eine spezielle Abteilung, die eng mit der Polizei kooperiert. Rund drei Viertel aller Serientäter sind zwischenzeitlich in einem Gefängnis oder einem geschlossenen Heim untergebracht worden. Zehn jugendliche Serientäter hat die Innenbehörde in jüngster Zeit abschieben lassen. kf

[  tagesspiegel.de





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