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NEWS AROUND PRISON AND LAW  /  GERMANY




2006

[  Verschärfung der Terrorgesetze





27 July 2006
Die sicherste Bank

Seit er Rentner ist und arm und einsam, ist er kriminell und dauernd im Gefängnis. Wie viele andere Alte auch

Das entscheidende Wort fällt am Schluss. Geborgenheit. Eigentlich sei es ihm gar nicht so sehr ums Geld gegangen, als er mit 65 Jahren seine erste Bank überfiel, sagt Hermann H. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin habe er eine große Leere in sich gespürt.

Geborgenheit, das Wort wirkt deplatziert in dieser Umgebung. Ein alter Mann mit schütterem Haar, zusammengesunken auf dem Stuhl in einer Zelle in der Justizvollzugsanstalt Hannover-Langenhagen. Bis Dorothea, seine Partnerin, starb, hat er ein unauffälliges Leben geführt. Erst als Fleischer, dann als Handelsvertreter. Jetzt ist Hermann H. 72. Auf seinem schweren Körper sitzt ein kugelrunder Kopf, er stottert ein bisschen, wenn er nervös wird. In Hannover hat er es zu einiger Berühmtheit gebracht. „Deutschlands dusseligsten Bankräuber“, so hat ihn eine Boulevardzeitung einmal genannt. Wenn eine Bank in der Stadt überfallen wurde und Zeugen angaben, sie hätten in der Nähe einen älteren Herrn gesehen, etwa 1 Meter 70, schütteres Haar, Brille, glaubten die Beamten schon zu wissen, wer der Täter ist – und wo sie ihn finden könnten.

Seit Dorotheas Tod war Hermann H. Stammgast im „Columbus“, einer Kneipe am Rande des Rotlichtmilieus, wo man für Geld fast alles bekommt. Die Polizisten begrüßten ihn dort schon wie einen alten Bekannten, wie aus dem Polizeiprotokoll vom 1. November 2005 hervorgeht: Gegen 16 Uhr 30 Uhr hatte Hermann H. eine Filiale der Stadtsparkasse im Stadtteil List betreten. Bewaffnet mit einer Plastiktüte und einem 20 Zentimeter langen Fleischermesser, „Geld her – aber schnell“. H. war jahrelang Kunde dieser Filiale gewesen. Und er hatte sie auch schon einmal überfallen, an einem warmen Morgen im Juli 1999, damals mit einer Farbspritzpistole bewaffnet. „Es war so ein Oschi“, sagt er.

Für einen Moment muss etwas Bedrohliches von ihm ausgegangen sein. Der Kassiererin hatte er mit seiner Pistolenattrappe jedenfalls einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Ohne zu zögern, hatte ihm die junge Frau 35 000 Mark in eine Plastiktüte gepackt.

Beim zweiten Mal ging H. jedoch leer aus. Der Mann an der Kasse hatte das Fleischermesser einfach ignoriert, die Angestellten kannten ihn ja schon. Vielleicht hatten sie auch die Geschichte über seinen Coup mit der Wasserpistole gelesen, mit der er in eine Aral-Tankstelle gestürmt war. Der Kassierer hatte ihn ausgelacht, H. war darüber so verärgert, dass er zum benachbarten Polizeirevier gegangen war, um sich selbst anzuzeigen.

Beim letzten Mal, sagt er, sei er nach dem vermurksten Überfall mit einer Frau im „Columbus“ verabredet gewesen. Die Kneipe – handtuchbreit, dunkles Holz an den Wänden, vergilbte Gardinen – ist H.s zweites Wohnzimmer. Bevor er der Frau den ersten Wodka-Lemon spendieren konnte, hatte ihm ein Polizist schon die Hände auf den Rücken gedreht.

Es war sein fünfter Überfallversuch. Das Protokoll endet mit dem Satz: „Der Täter ist mittellos und versucht augenscheinlich, bei der Polizei unterzukommen.“

Man würde gerne wissen, was in ihm vorging, als er die Stadtsparkasse betrat. Hermann H. sagt, sein Kopf sei leer gewesen, er habe weder an den Menschen hinter der Panzerglasscheibe noch an die Konsequenzen gedacht, nur an das Geld. Sein Anwalt, Matthias Fiedler, spricht von einem Hilferuf. Was man eben so sagt, wenn man sich nicht erklären kann, wie einem Mann, der sich sein Geld stets ehrlich verdient hat, im Alter das Gefühl für Recht und Unrecht entgleitet.

Kurz vor dem Überfall hatte H.s Freundin Schluss gemacht. Helga. Sie sei einfach „abgesprungen“, brummt er, wie die anderen Frauen vor ihr, denen er sich – wegen seines Sprachfehlers – stets schüchtern genähert hatte. Er sitzt breitbeinig auf dem Stuhl in seiner Zelle und krümelt Tabak auf ein Zigarettenblättchen. In seiner Zweimannzelle gibt es zwei Pritschen, zwei Schränke, zwei Tische und zwei Stühle. Eine geblümte Bordüre teilt den weiß gestrichenen Raum in der Mitte.

Hermann H. und die Frauen. Vielleicht sind es seine Bekanntschaften aus dem „Columbus“ leid gewesen, dass er sie an Dorothea gemessen hat. Eine verwitwete Mutter von fünf Kindern, die als Handelsvertreterin ackerte, nach der Arbeit tanzen ging und Bücher von Ephraim Kishon las. Sie war sein Anker. Eine wie sie, ahnte er, findet er nicht wieder. Sparsam und vernünftig, sein Geld habe sie auch verwaltet. Sogar dann noch, als sie schon im Rollstuhl saß, nach einem Oberschenkelhalsbruch und jenem folgenschweren Narkosefehler bei der Operation, und er sie Tag und Nacht gepflegt habe, sieben Jahre und sechs Monate lang, bis zu ihrem Tod.

Seine Welt ist klein geworden in dieser Zeit. Er hat kein Auto mehr, er muss mit 570 Euro Rente im Monat auskommen. Als Handelsvertreter hatte er bis zu 4000 Euro brutto. In die Rentenkasse zahlte er nichts. 20 Jahre lang waren er und Dorothea ein Paar, nach ihrem Tod musste er anfangen, selber zu haushalten, mit 65.

Zu zweit geht es leichter, hat er einmal zu Helga gesagt, die auch nicht mehr Rente bekam als er. Doch Helga wollte nicht, H. seufzt resigniert: „Den Frauen geht es nur ums Geld.“ Ute sei auch so eine gewesen. 34, geschieden, einen Haufen Schulden. Schmuck und Klamotten hat er ihr von dem Geld gekauft, das er bei seinem ersten Banküberfall 1999 erbeutet hatte. Nach acht Wochen waren von 35 000 Mark nur noch 5000 übrig. Dann schnappte ihn die Polizei.

Die Beamten glauben inzwischen, ihn zu durchschauen. Sie wissen, dass er immer zum Monatsende auf dumme Gedanken kommt. Wenn sein Geld alle gewesen sei, habe er sich eben neues „holen“ müssen, knurrt er. Von der Sparkasse.

Er hat es satt, immer von vorn anfangen zu müssen. Brüche waren die einzige Konstante in Hermann H.s Leben. Er sagt, er habe eine schöne Kindheit gehabt, doch sein gleichaltriger Cousin Dietrich erzählt eine andere Geschichte. Hermann war sieben, als in seinem Elternhaus der Blitz einschlug. Als ihr Bauernhof auf der Insel Usedom abbrannte und die Familie mal hier, mal dort Unterschlupf fand. Mit Anfang 20, kurz vor dem Mauerbau, machte Hermann rüber in den Westen.

Am Bodensee fing er, der Fleischer, ein neues Leben an, als Ehemann und Handelsvertreter für Haushaltsgeräte. Die Ehe wurde nach drei Jahren geschieden. Seine Exfrau, Irene H., versichert heute, sie wisse nichts von den Banküberfällen, es wundere sie aber auch nicht. Während ihrer Ehe sei ihr Mann manchmal monatelang beruflich unterwegs gewesen, ohne sich zu melden. Wo er übernachtet und wofür er sein Geld ausgegeben habe, habe sie gar nicht wissen wollen. Als er einmal an Weihnachten wieder vor der Tür stand, habe sie ihn draußen stehen lassen.

Sie klingt immer noch verbittert. Sie hat sich alleine durchgeboxt, als ungelernte Arbeiterin. Irene H. sagt, weder für sie noch für den gemeinsamen Sohn habe Hermann H. je einen Pfennig Unterhalt bezahlt. Jetzt fragt sie sich, wie sie ihm beibringen soll, dass der Vater im Gefängnis sitzt.

Seit 1999 hat Hermann H. mehr Zeit in der Haftanstalt verbracht als draußen. Was macht die Justiz mit einem alten Mann, der nicht begreifen will, dass er Verbrechen begangen hat? Mag sein, dass die Geschichte des Hermann H. nicht exemplarisch ist, doch sie erinnert daran, dass sich die demografische Wende nun auch in Deutschlands Gefängnissen anbahnt. Seit Anfang der 90er Jahre ist der Anteil der über 60-jährigen Häftlinge um 28 Prozent gestiegen: Von 1,8 Millionen Tatverdächtigen war 2004 jeder 17. im Rentenalter. Immer häufiger werden Menschen erst im Alter straffällig. Warum, sei bislang nicht erforscht, sagt der Kriminologe Werner Greve. Die Erklärungen reichten von Erlebnisarmut bis zu materieller Not.

Wie die meisten anderen Häftlinge im Ruhestand gilt Hermann H. als pflegeleicht. Nach dem letzten Überfallversuch ist H. in der JVA Hannover-Langenhagen gelandet, Niedersachsens zentrale Unterbringung für Abschiebegefangene. Obwohl er dort nicht einmal Besuch bekommen hat, fühlt sich Hermann H. nicht allein. Seine Zelle teilt er sich mit Hannes, der auch schon 65 ist und alle paar Monate wieder zurück in die JVA kommt, weil zu Hause nur der Alkohol auf ihn wartet. Die Suite, so heißt ihre Zelle im Anstaltsjargon: Wenn Hermann und Hannes aus dem Fenster gucken, können sie den Mädels aus dem gegenüberliegenden Frauenknast zuwinken. Aber aus diesem Alter seien sie heraus, versichern sie. Und so sitzen sie sich schweigend gegenüber, zwei alte Männer, und lauschen dem Brummen der Motoren. Nur ein Feldweg trennt die JVA vom Flughafen Hannover-Langenhagen.

Der Tag der Entlassung rückt näher. H. rutscht auf seinem Stuhl hin und her, wenn man ihn darauf anspricht. Auf den 31. Oktober. Er weiß nicht, ob er sich freuen oder fürchten soll. Er will zurück nach Hause. Ins „Columbus“ oder wer weiß wohin. Doch diesmal soll alles anders werden. Sein Anwalt, Matthias Fiedler, ist zugleich sein Betreuer. Er hat ein psychiatrisches Gutachten über ihn erstellen lassen. Der Psychiater attestiert Hermann H. eine „Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und antisozialen Zügen“. Er schreibt, es bestehe „Verdacht auf einen beginnenden demenziellen Prozess“. Er kommt zu dem Schluss, dass Hermann H. auch nach seiner Entlassung einer Betreuung bedürfe.

Ein Altenheim in Hannover hat sich bereit erklärt, den Bankräuber aufzunehmen. Vor einiger Zeit ist dort schon ein betagter Ex-Häftling eingezogen. Betreutes Wohnen, so nennt sich dieser letzte Versuch einer Resozialisierung. Wer die Kosten trägt, ist im Fall von Hermann H. noch unklar. Das Sozialamt fühlt sich nicht zuständig. Es heißt, der Mann sei schließlich kein Pflegefall.

[  tagesspiegel.de





26 July 2006
SG Darmstadt: Justizvollzugsanstalten sind keine stationären Einrichtungen i.S.d. § 7 Abs. 4 SGB II

Justizvollzugsanstalten sind nach Auffassung des Sozialgerichts Darmstadt, 12.04.2006 - S 12 AS 143/05 keine stationären Einrichtungen im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II. Zur Begründung verweist das Gericht auf die Definition der stationären Einrichtung in § 13 Abs. 2 SGB XII, die wegen des paralellen Gesetzgebungsverfahrens auch auf das SGB II Anwendung finden soll.

Der Kläger verbüßte seit dem 20.01.2004 eine Haftstrafe in einer Justizvollzugsanstalt. Seit dem 02.03.2005 ist er in einer Freigänger-Abteilung der Justizvollzugsanstalt untergebracht. Seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende lehnte der Beklagte, der zuständige Leistungsträger nach dem SGB II, unter Hinweis auf § 7 Abs. 4 SGB II ab. Nach Auffassung der Beklagten fallen Justizvollzugsanstalten unter den Begriff der stationären Einrichtungen mit der Folge, dass Leistungsansprüche nach dem SGB II nicht bestehen.

Nach § 7 Abs. 4 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II solche Personen nicht, die länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sind oder Rente wegen Alters beziehen. Der Begriff der stationären Einrichtungen wird im SGB II selbst nicht definiert. Nach Ansicht des Sozialgerichts Darmstadt kann jedoch die Definition in § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII herangezogen werden. Danach sind stationäre Einrichtungen solche, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten. Nach § 13 Abs. 2 SGB XII sind Einrichtungen alle diejenigen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Nach Ansicht des Sozialgerichts Darmstadt dienen Justizvollzugsanstalten weder der Behandlung oder der Erziehung noch leisten sie eine erforderliche Hilfe für Hilfebedürftige. Daher gehören nach Ansicht der erkennenden Kammer Justizvollzugsanstalten auch nicht zu den stationären Einrichtungen, die Leistungsansprüche nach § 7 Abs. 4 SGB II ausschließen.

[  lexisnexis.de





4 August 2006
Thüringer Strafgefangene nach Brandenburg

Vereinbarung zwischen Ländern wurde getroffen

Die Justizministerien der Länder Thüringen und Brandenburg haben gestern eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen, die es dem Freistaat Thüringen ermöglicht, bis zu 50 Strafgefangene in die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel zu verlegen.

Thüringen wird dadurch in die Lage versetzt, den Belegungsdruck zu verringern und so die Zeit bis zur Fertigstellung der neuen Vollzugsbauten in der JVA Tonna und JVA Goldlauter zu überbrücken. In der JVA Brandenburg an der Havel stehen derzeit freie Haftplätze zur Verfügung, allerdings nur noch bis zur Modernisierung und Umgestaltung der Hafthäuser, die im Zuge langjähriger Sanierungs- und Umbaumaßnahmen in dieser Anstalt voraussichtlich im Jahr 2008 beginnen werden.

Die Vereinbarung ermöglicht die Unterbringung von erwachsenen männlichen Strafgefangenen aus Thüringen, die über keine oder eingeschränkte soziale Bindungen verfügen und nicht als besonders fluchtgefährdet gelten. Für die thüringischen Vollzugsanstalten koordiniert die JVA Hohenleuben die Verlegungen und stimmt diese unmittelbar mit der JVA Brandenburg an der Havel ab. Thüringen erstattet dem Land Brandenburg die entstehenden Haftkosten.

Im Vorgriff auf die Verwaltungsvereinbarung sind die ersten 20 Gefangenen bereits im Juli dieses Jahres nach Brandenburg verlegt worden.

Der Thüringer Justizminister Harald Schliemann und die Brandenburger Justizministerin Beate Blechinger begrüßten das Zustandekommen der Vereinbarung als weiteres Beispiel für gelungene Kooperation der Länder im Strafvollzug. Sie betonten übereinstimmend, dass gerade auch nach der Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit für den Bereich des Strafvollzugs auf die Länder darauf geachtet werden müsse, dass ein möglichst einheitlicher Rechtszustand im gesamten Bundesgebiet erhalten bleibe, um insbesondere auch die Verlegung von Strafgefangenen und die Bildung von Vollzugsgemeinschaften über Ländergrenzen hinweg nicht unnötig zu erschweren.

[  jusline.de





28 July 2006
Gefangene reinigen Elbwiesen

Gefangene der Justizvollzugsanstalt Dresden sind auch wieder im Sommer 2006 unterwegs und reinigen die Grünanlagen der Stadt Dresden, wie beispielsweise die Elbwiesen, den Alaun- und den Olbrichtplatz. Grundlage hierfür ist ein Vertrag zwischen der Stadt Dresden, die Reinigungswerkzeuge und Müllcontainer zur Verfügung stellt, und der Dresdner Justizvollzugsanstalt auf dem Hammerweg. Die Kooperation läuft bereits seit März 2004 problemlos und mit gutem Erfolg. Durchschnittlich vier Gefangene arbeiten bis zu 2 x wöchentlich sechs Stunden täglich. Für die notwendige Sicherheit ist gesorgt: Nur Freigänger, Straftäter mit geringen Haftstrafen oder Täter, die ihre Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen, kommen zum Einsatz; Justizvollzugsbedienstete führen Aufsicht.

[  dresden-fernsehen.de





22 July 2006
Neun von zehn Häftlinge haben psychische Störungen

Bielefeld/Heidelberg (dpa) - Neun von zehn Strafgefangenen haben einer Studie zufolge psychische Störungen. Wissenschaftler aus Bielefeld und Aachen stellten bei rund 88 Prozent der von ihnen untersuchten Häftlinge mindestens eine Störung fest, etwa 83 Prozent der Gefangenen sind behandlungsbedürftig.

Die Gruppe um Carl-Ernst von Schönfeld von der Bielefelder Tagesklinik Bethel hatte 139 Häftlinge der Justizvollzugsanstalt in Bielefeld-Brackwede untersucht und stellt ihre Ergebnisse im Fachblatt «Der Nervenarzt» aus dem Springer-Wissenschaftsverlag vor. Bisher existierten in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen keinerlei Untersuchungen im geschlossenen Vollzug, berichtete der Verlag am Freitag in Heidelberg.

In der Studie dominierten so genannte substanzbezogene Störungen wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch (70 Prozent) vor Persönlichkeits- (50 Prozent), Angst- (27 Prozent) und so genannten Affektstörungen (17 Prozent), unter denen deutlich von der Norm abweichende Gefühls- und Stimmungsschwankungen zusammengefasst werden. Bei den 63 untersuchten Frauen war Betäubungsmittelabhängigkeit mit 60 Prozent besonders häufig, bei Männern dominierte Alkoholmissbrauch mit ebenfalls 60 Prozent.

Von Affektstörungen (23 Prozent), Angststörungen (39,7) und den durch Realitätsverlust geprägten Psychosen (12,7) waren Frauen stärker betroffen als Männer, bei denen der Anteil jeweils weniger als die Hälfte betrug. Auch Persönlichkeitsstörungen seien bei Frauen häufiger, berichten die Forscher.

Hochgerechnet ergebe sich ein Therapiebedarf für rund 8000 Gefangene in Nordrhein-Westfalen, heißt es in der Studie weiter, vermutlich bestehe «auch für viele andere Bundesländer» ein dringender Handlungsbedarf. Schon in der allgemeinen Bevölkerung sei die Versorgung bei psychischen Störungen unzureichend, die Versorgung psychisch kranker Menschen in Haft liege noch darunter. Die Forscher empfehlen Kooperationen mit dem Maßregelvollzug.

[  news.yahoo.com

Aus der Zeitung Nervenarzt:

Prävalenz psychischer Störungen, Psychopathologie und Behandlungsbedarf bei weiblichen und männlichen Gefangenen

Zusammenfassung

Hintergrund Während die internationale Literatur eine hohe Prävalenz psychischer Störungen bei Inhaftierten zeigt, liegen bisher kaum deutsche Studien vor. Besonders gering ist das Wissen um die Situation im geschlossenen Justizvollzug und bei weiblichen Gefangenen. Ziel der vorliegenden Studie war daher die Untersuchung psychischer Störungen der DSM-IV-Achsen I und II, der aktuellen Psychopathologie und die Abschätzung des Behandlungsbedarfs bei Frauen und Männern im geschlossenen Vollzug.[...]

Prevalence of psychiatric disorders, psychopathology, and the need for treatment in female and male prisoners

Summary

Background While the international literature documents a high prevalence of psychiatric disorders in prisoners, German studies in this field are rare. The base of knowledge is even worse with regard to female prisoners. The purpose of this study was to investigate DSM-IV axis I and II psychiatric disorders and current psychopathology and to estimate treatment needs in prisoners.[...]

[  Fulla Article / springerlink.com





20 July 2006
Abschiebehaft komplett verlegt

Es soll nur eine Übergangslösung sein, versichern die Verantwortlichen, bis April 2007: Am Montag ließ die Rottenburger Justizvollzugsanstalt alle ihre 35 Abschiebegefangenen nach Mannheim bringen. Dies bestätigte JVA-Chef Rolf Malik gestern auf Anfrage.

Der Grund: Ab Ende August soll das Ravensburger Gefängnis teilweise renoviert werden, deswegen müssen etwa 70 Männer von dort in andere baden-württembergische Haftanstalten verlegt werden. Rottenburg soll dabei 40 bis 50 zusätzliche Strafgefangene übernehmen.

Um für sie Platz zu schaffen, wurden die Abschiebegefangenen aus den Rottenburger Container-Zellen nach Mannheim gebracht. Die dortige Justizvollzugsanstalt ist – neben Rottenburg – die einzige in Baden-Württemberg, die über einen separaten Abschiebe-Trakt verfügt.

Die meisten Ravensburger Gefangenen sollen ab Ende August in den Rottenburger Containern untergebracht werden. Ihre Haftbedingungen sollen lockerer sein als die der Abschiebegefangenen, sagt Malik: Sie dürfen arbeiten, und die Zellentüren sollen tagsüber offen bleiben.

Pikant ist der Einsatz des privaten Sicherheitsdienstes Securitas. Denn weil die Abschiebehaft nicht als Teil des Justizvollzugs gilt (die Abschiebegefangenen sitzen ja keine Strafe ab), werden sie nicht von Beamten, sondern von privaten Sicherheitsleuten beaufsichtigt. Diese Männer werden nun für die neunmonatige Übergangszeit auch in der normalen Strafhaft eingesetzt.

Das sei zwar „im Grunde genommen“ das erste Mal in Baden-Württemberg, „aber nicht als Probelauf zu sehen“, bekräftigt Manuela Göbbel, die Pressesprecherin des Justizministeriums in Stuttgart. Schon wegen der Größenverhältnisse: Auf rund 200 JVA-Bedienstete kommen „zehn bis zwölf“ Private, die allesamt „nur für Hilfstätigkeiten“ eingesetzt werden sollen (Essensausgabe, Wäscheverteilen, etc.). Nach hessischem Vorbild will Baden-Württemberg im Jahr 2009 in Offenburg das erste „teilprivatisierte“ Gefängnis in Betrieb nehmen.

[  cityinfonetz.de





21 July 2006
Kampf gegen Flüchtlinge verschärft
Bundesregierung nahm in aller Stille Migrantenabwehrzentrum in Betrieb

Nicht den Kampf gegen Armut, sondern den Kampf gegen Flüchtlinge stellt die Bundesregierung in den Mittelpunkt ihrer Politik. Vor wenigen Tagen hat der Staatssekretär im Innenministerium, August Hanning, das »Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM)« der Öffentlichkeit vorgestellt. Seinen Betrieb hat es in aller Stille schon vor zwei Monaten aufgenommen. Die umständliche Bezeichnung könnte durch den einfacheren Begriff »Flüchtlingsabwehrzentrum« ersetzt werden. Denn Aufgabe der Einrichtung soll es sein, die »Kompetenzen aller beteiligten Behörden und Stellen bei der Bekämpfung der illegalen Migration« zu bündeln. Die Wortwahl des Staatssekretärs scheint der Kriegführung entlehnt zu sein: Es gelte, illegale Einwanderung »umfassend und wirkungsvoll« zu verhindern, die Rede ist von einem »ganzheitlichen Bekämpfungsansatz«, von bedrohlichen Entwicklungen, denen »operativ« entgegengetreten werden müsse.

Flüchtlinge als Feinde, Flüchtlingsabwehr als kriegerische Aufgabe – das ist das Bild, das gezeichnet wird. Entsprechend breit ist der Ansatz: Das Zentrum wird 36 Vertreter von Bundeskriminalamt, Bundespolizei, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Auswärtigem Amt sowie Bundesnachrichtendienst und Bundesverfassungsschutz vereinen. Bislang haben die einzelnen Behörden jeweils einen Aspekt der illegalen Einwanderung bearbeitet, die Erkenntnisse aber nicht regelmäßig untereinander ausgetauscht. Genau das soll künftig passieren. Das bringt fragwürdige Paradoxien mit sich: So ist das Bundesamt für Migration zuständig dafür, Asylanträge zu prüfen. Mit seiner Mitwirkung im GASIM, dessen Aufgabe es gerade ist, Einwanderung zu verhindern, ist das nicht vereinbar. Künftig werden die Angaben, die Asylbewerber über ihren Fluchtweg und eventuelle Helfer machen, umgehend auf den Schreibtischen von einem halben Dutzend anderer Behörden landen. Asylbewerber werden so ohne ihr Wissen als Kronzeugen mißbraucht, um Fluchtwege auszukundschaften, Flüchtlinge abzuhalten und Fluchthelfer zu kriminalisieren.

Genauso fragwürdig ist die institutionalisierte Zusammenarbeit von Polizeibehörden und Geheimdiensten. Das verfassungsrechtliche Trennungsgebot wird einmal mehr umgangen. Es geht darum, die Außengrenzen der Festung Europa so dicht abzuschotten wie irgend möglich, da meint die Regierung offenbar, sich nicht so genau an das Grundgesetz halten zu müssen. In dieses Bild paßt, daß das GASIM in unmittelbarer Nähe des Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrums in Berlin-Treptow residiert. So werden Flüchtlinge, denen oft nur mit knapper Not die Flucht vor Hunger und Verfolgung gelingt, in die Nähe von Terroristen gerückt.

Die Einrichtung des Zentrums ist umso perfider, als erst vor wenigen Wochen eine Anhörung des Innenausschusses im Bundestag zum Thema Illegalisierte stattfand. Die Experten kamen zum Ergebnis, daß nicht die Illegalisierten bekämpft werden sollten, sondern ihre Illegalität aufzuheben sei. Die Bundesregierung schert es offenbar nicht, was im Parlament besprochen wird. Auch der vor einigen Tagen abgehaltene »Integrationsgipfel« bot kaum eine Grundlage für die nun öffentlich gemachte Verschärfung des Kampfes gegen Flüchtlinge. Die Bundesregierung beweist damit freilich, wie es tatsächlich um ihren Integrationswillen bestellt ist. Positive Angebote sind Mangelware. Nicht die Förderung von Integration und die Linderung existentzieller Not bestimmten ihre Politik, sondern Repression, Abschreckung, Bekämpfung und Verfassungsbruch.

[  jungewelt.de





20 July 2006
Brechmittel-Einsatz verstößt gegen Folterverbot
Deutschland wegen Brechmitteleinsatzes verurteilt

Brechmittel dürfen künftig in Deutschland bei der Drogenfahndung nicht mehr eingesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die Bundesrepublik, weil sie das Eintrichtern von Brechmitteln bislang erlaubt. Diese Methode verstoße gegen das Folterverbot, so das Gericht.

Das Zeug dreht einem den Magen um und geht nur schwer über die Zunge: Ipecacuanha heisst das Medikament, das sofortiges Erbrechen verursacht. In Polizeikreisen gilt es als eine Art Wundermittel im Kampf gegen Drogenhändler. Wenn die ihre in Plastikbeutel verschweißten Rauschgifte noch kurz vor der Verhaftung verschlucken, wird ihnen in einigen Bundesländern Ipepacuanha eingeflösst, um doch noch an die Beweismittel zu kommen.

"Ein Urteil mit Signalwirkung?"

Großansicht des Bildes Grafik: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg] Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg hat diese zwangsweise Verabreichung des Medikaments nun verboten. Gleichzeitig verurteilte er die Bundesrepublik Deutschland, weil sie das polizeiliche Eintrichtern des Brech-Medikamentes bislang erlaubte. Andrej Busch ist der Anwalt eines Drogenkuriers, der mit dem Brechmittel traktiert worden ist. Genau diesen Richterspruch hat er sich in Straßburg erhofft: "Das ist ein Urteil, das Signalwirkung über die Grenzen von Deutschland hinaus hat. Man darf allerdings nicht vergessen, dass zwei Menschen in Bremen und in Hamburg ihr Leben lassen mussten und selbst das Bundesverfassungsgericht dieser Praxis keinen Riegel vorschieben wollte. Wir hoffen daher umso mehr, dass jetzt die Bundesregierung und vor allen Dingen die Bundesländer und Polizeibehörden alles Erforderliche tun, um dieses Urteil schnellstmöglich umzusetzen."

Zwei Tote bei Brechmitteleinsatz

Sein Mandant wird nun von Deutschland 10.000 Euro Schadensersatz erhalten. Für zwei afrikanische Drogenkuriere kommt das Urteil aber zu spät. Sie starben, als ihnen Ärzte in Bremen und in Hamburg Magensonden in den Leib schoben, um ihnen unter Zwang das mit Wasser verdünnte Medikament einzutrichtern. Was da bislang möglich war und auch vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert worden ist, verstößt nach Meinung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Artikel drei der Menschenrechtskonvention. Dieser Artikel verbietet die erniedrigende Behandlung von Menschen und die Anwendung der Folter.

Deutschland hat gegen Menschenrechte verstoßen

Im Umkehrschluss bedeutet das Urteil von Straßburg, dass Deutschland im Kampf gegen Rauschgiftkriminalität gegen Menschenrechte verstoßen hat. Genau diese Auffassung wird auch seit Jahren von der Ärztekammer vertreten und vom Generalsekretär des Weltärztebundes Dr. Ottmar Kläuber. Magensonden zwangsweise einführen, Brechmittel einflössen, um an Beweismittel ranzukommen - das alles verletze die Menschenwürde und erinnere ihn an Foltermethoden.

In den vergangenen Jahren wurde das Brechmittel vor allem in Bremen und Hamburg aber auch in Berlin Nordrhein-Westfalen und Hessen eingesetzt. Die Drogenfahnder in Bayern oder in Baden-Württemberg haben darauf verzichtet und auf konservative Methoden gesetzt. Denn die gibt es auch, sagt Dr. Kläuber. Dafür braucht es keine Gewalt sondern nur ein wenig Geduld: "Man lässt den mutmaßlichen Drogendealer einfach so lange sitzen, bis er seinen Darm auf natürliche Weise entleert hat. Dann kann man in einem so genannten Drogenklo die Drogenpakete herausfischen. Das Ganze lässt sich also auf natürliche Weise regeln."

[  tagesschau.de

GRAND CHAMBER JUDGMENT
JALLOH v. GERMANY

Press release issued by the Registrar

The European Court of Human Rights has today delivered at a public hearing its Grand Chamber judgment1 in the case of Jalloh v. Germany (application no. 54810/00).

The Court held by:

· ten votes to seven, that there had been a violation of Article 3 (prohibition of inhuman and degrading treatment) of the European Convention on Human Rights as a result of the administration of an emetic to make the applicant regurgitate a tiny plastic bag of cocaine he had swallowed; · eleven votes to six, that there had been a violation of Article 6 § 1 (right to a fair trial) of the Convention as a result of the applicant’s conviction on the basis of evidence that had been obtained in violation of the Convention. Under Article 41 (just satisfaction) of the Convention, the Court awarded the applicant 10,000 euros (EUR) in respect of non-pecuniary damage and EUR 5,868.88 for costs and expenses. (The judgment is available in English and French.)

1. Principal facts

The case concerns an application brought by Abu Bakah Jalloh, a national of Sierra Leone, who was born in 1965 and lives in Cologne (Germany). On 29 October 1993, plain-clothes policemen spotted the applicant taking two tiny plastic bags out of his mouth and handing them over for money. Considering that the bags contained drugs, the police officers went over to arrest the applicant. While they were doing so he swallowed another tiny bag he still had in his mouth. As no drugs were found on him, the competent public prosecutor ordered that he be given an emetic (Brechmittel) to force him to regurgitate the bag.

The applicant was taken to a hospital in Wuppertal-Elberfeld, where he saw a doctor. As he refused to take medication to induce vomiting, four police officers held him down while a doctor inserted a tube through his nose and administered a salt solution and Ipecacuanha syrup by force. The doctor also injected him with apomorphine, a morphine derivative. As a result the applicant regurgitated a small bag containing 0.2182 g of cocaine. A short while later he was examined by a doctor who declared him fit for detention. About two hours after being given the emetics, the applicant, who was found not to speak German, said in broken English that he was too tired to make a statement about the alleged offence. [...]

[  full article

[  CASE OF JALLOH v. GERMANY JUDGMENT





17 July 2006
Strafvollzug: Im Knast hat Tarnung nichts verloren

Der Leiter einer Vollzugsanstalt darf es einem Inhaftierten untersagen, Kleidung mit Tarnmuster ("combat"-Kleidung) zu tragen. Zwar ist der Modestil in der Bevölkerung unter modischen Aspekten weit verbreitet und es lassen sich daraus keine Schlüsse mehr auf eine politische Gesinnung oder eine besondere Gewaltbereitschaft ziehen. Dennoch ist der Tarnkleidung nicht "die symbolisch aggressiv aufgeladene Anmutung ihrer ursprünglichen Herkunft" genommen worden (in der Natur kämpfen Soldaten in derartigen Uniformen, um vom Feind nicht erkannt zu werden). Insbesondere wenn mehrere Personen gleichzeitig Tarnklamotten tragen, "strahlen sie eine Kampfbereitschaft aus, die dem - auf Abbau von Aggressionen ausgerichteten - Vollzugsziel nicht förderlich ist". (Kammergericht Berlin, 5 Ws 196/05)

[  valuenet.de





17 July 2006
Prozesskostenhilfe
Warnung vor neuem Armenrecht

Der Sozialverband VdK warnt vor der geplanten Änderung der Prozesskostenhilfe. VdK-Präsident Hirrlinger hat Bundesministerin Brigitte Zypries in einem Schreiben aufgefordert, "alles zu tun, damit der vom Bundesrat beschlossene Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Begrenzung der Aufwendungen für die Prozesskostenhilfe nicht Bundesgesetz wird". Vor 26 Jahren sei das Armenrecht auf diesem Gebiet durch das Recht auf Prozesskostenhilfe abgelöst worden, weil das Prinzip des sozialen Rechtsstaates es verlange, das auch unbemittelte Personen in einer dem Gleichheitsgebot entsprechenden Weise Zugang zum Recht erhalten sollten. Dagegen solle das neue Gesetz nach Meinung des Bundesrates dazu führen, dass der Zugang zum Recht erschwert werde. Dies solle zu einem Zeitpunkt geschehen, zu dem die Armut in Deutschland stetig wachse. "Im Grundgesetz ist geregelt, dass allen Menschen der Rechtsweg offen steht", so Hirrlinger. "Zukünftig soll gelten, wenn es nach dem Gesetzentwurf geht, dass der Rechtsweg nur denen offen steht, die sich ihn leisten können. Ein solches neues Armenrecht würde die von der Kassenlage abhängige Rechtsgewährung bedeuten."

Nach Darstellung des Sozialverbands liegen die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe in Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld. Nun sollten nach dem Gesetzentwurf 100 Millionen von den 360 Millionen Euro Ausgaben eingespart werden, also rund ein Drittel. Prozesskostenhilfe solle nur noch derjenige erhalten, der auch Anspruch auf Sozialhilfe habe.

Alle anderen müssten sehen, wie sie zu ihrem Recht kommen. Notfalls müsse dafür sogar die private Altersvorsorge verbraucht werden. Nach Meinung Hirrlingers kann dies nicht im Interesse eines sozialen Rechtsstaates liegen.

[  ngo-online.de





13 July 2006
„Mehrheit weiß Hünfeld zu schätzen“
JVA-Leiter Werner Päckert nimmt Stellung zu Klagen von Häftlingen über das Anstaltsleben

Einige Häftlinge, die in Hünfeld einsitzen, haben sich über das Essen in der Justizvollzugsanstalt beklagt.

HÜNFELD Das Essen sei schlecht, ja bisweilen sogar „zum Kotzen“, das Angebot im Knastlädchen karg und teuer, die Zahl der Fernsehprogramme mickrig und nicht alle Gefangenen, die es wollten, hätten die Möglichkeit, zu arbeiten, um Geld zu verdienen. Auch würden in Hünfeld entgegen früherer Zusagen Sexualstraftäter einsitzen. So lauten einige Vorwürfe, die Häftlinge der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hünfeld in mehreren Briefen an unsere Zeitung erhoben haben. Der Leiter des Gefängnisses, Dr. Werner Päckert, nimmt dazu im Interview Stellung.

Frage: Wie oft erhalten Sie Beschwerden, und wie gehen Sie damit um?

Werner Päckert: Ich nehme jede Beschwerde ernst und gehe ihr nach. Wenn sie begründet ist, suchen wir nach einer Lösung. Allerdings ist es so, dass etwa zehn der zurzeit 432 Gefangenen für 70 Prozent der Beschwerden verantwortlich sind. Daran sieht man, dass die meisten Häftlinge sehr wohl zu schätzen wissen, was sie an Hünfeld haben. Die JVA ist nicht das Paradies, deshalb bitte ich die Beschwerden als das zu nehmen, was sie auch sind: ein Ausdruck von Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenssituation, die sich dann als Kritik an den Umständen im Knast niederschlägt.

Frage: Wenn draußen jemand hört, dass sich die Gefangenen über das Essen beschweren, dann ist die Reaktion oft: Das Gefängnis ist ja schließlich kein Hotel. Was sagen Sie dazu?

Päckert: Für mich ist die Arbeit eine ständige Gratwanderung. Auf der einen Seite bestehen die Anforderungen des Strafvollzuges, der sich gerade dadurch auszeichnet, dass der Staat den Gefangenen vorschreibt, was sie wann zu tun und zu lassen haben. Auf der anderen Seite besteht bei den Gefangenen der Wunsch nach lebenswerten Umständen. Das ist durchaus nachvollziehbar. Die Situation könnte für die Gefangenen natürlich immer noch ein Stück angenehmer sein, aber schließlich handelt es sich hierbei um eine Justizvollzugsanstalt. Aber je besser sich die Gefangenen mit der Situation hier drin arrangieren können, desto weniger Probleme bereiten sie im täglichen Umgang. Deshalb ist es auch für uns wichtig, dass die Gefangenen einigermaßen zufrieden sind.

Frage: Viel Kritik üben die Gefangenen am Essen. Ein Häftling ließ sogar schon mitteilen, dass er vom Dach der JVA mit beschriebenen Betttüchern dagegen protestieren wolle. Ist das Essen wirklich so schlimm?

Päckert: In der Tat haben sich Häftlinge beschwert, die Portionen seien zu klein und sie müssten deshalb quasi hungern. Bei uns wird das Essen nicht an der Zelle ausgeteilt, sondern schon in der Küche auf Wärmetabletts vorportioniert. Einen Nachschlag gibt es hier nicht. Dadurch entsteht bei einigen der Eindruck, das Essen sei zu knapp bemessen. Also haben wir reagiert und mehr Beilagen ausgeteilt. Das Ergebnis war, dass genau die Menge zurückgegeben wurde, die wir zusätzlich draufgepackt hatten.

Frage: Dann ist also alles in Ordnung?

Päckert: Moment, das Thema geht noch weiter. Als die Häftlinge an der Menge nichts mehr mäkeln konnten, kam der Vorwurf, das Essen sei schlecht. Bei 2,46 Euro für Lebensmittel pro Tag schreit man natürlich nicht immer Hurra, aber das Essen ist in Ordnung. Alle Mitarbeiter essen täglich das gleiche wie die Gefangenen. Auch Mitglieder des Anstaltsbeirats waren schon zum Probeessen da und fanden alles okay.

Frage: Da war noch die Sache mit dem Kondom...

Päckert: Ja, ein Gefangener hat ein Kondom in seinem Essen entdeckt. Eine ekelhafte Sache. Wie sich nachher herausstellte, war das Kondom aber nicht in der Küche, sondern auf dem Weg in die Stationen in die Suppe gesteckt worden – offenbar von jemandem, der Krawall machen wollte, um der Anstaltsleitung etwas anzuhängen.

Frage: Die Gefangenen klagen darüber, das Angebot an Waren im Anstaltsladen sei zu gering, die Preise aber zu hoch. Was sagen Sie dazu?

Päckert: Das Sortiment wird ständig erweitert. Viele Lebensmittel dürfen jedoch in das Angebot nicht aufgenommen werden, bei Eiern etwa wegen der Salmonellengefahr. Die Preise, die gefordert werden, liegen im Schnitt. Das hat ein Preisvergleich mit anderen hessischen Gefängnissen ergeben. Trotzdem kann es vorkommen, dass für eine Gurke mehr bezahlt werden muss als in einem Discounter außerhalb des Gefängnisses. Lagerhaltung, Transport und Personal schlagen zu Buche.

Frage: Damit sich die Gefangenen etwas kaufen können, sind sie auf Arbeit angewiesen. Etwa 60 Euro kann ein Häftling im Monat verdienen, wenn er Arbeit hat. Doch es mangelt offenbar an Jobs für die Gefangenen.

Päckert: Ja, ich würde mir wünschen, dass mehr Aufträge reinkommen, die die Häftlinge in unseren Werkstätten abarbeiten können. Das geht in der Tat nicht so schnell wie ich mir das vorgestellt habe. Aber der private Betreiber Serco, der dafür verantwortlich ist, hat fest zugesagt, für mehr Jobs zu sorgen.

Frage: Auch am Fernsehprogramm wurde rumgemäkelt. Es gebe zu wenig Sender, heißt es.

Päckert: Sieben Euro im Monat haben die Gefangenen bislang für zwölf Programme gezahlt, die sie in ihrem Haftraum ansehen konnten. Mittlerweile sind es 24 Sender, darunter auch einige ausländische. Wenn die Gefangenen das wollen, dann wird die Auswahl auch geändert, aber natürlich nicht jeden Tag und auch nicht auf Wunsch eines einzelnen. Andererseits ist in der Anstalt mehr möglich als das Gesetz vorschreibt. So gibt es keinen Anspruch auf regelmäßige Telefongespräche. Trotzdem werden die Gefangenen in Hünfeld demnächst gegen Bezahlung in begrenztem Umfang Telefonate führen können. Auch die Zeiten für Besuche bemessen wir großzügig. Das Gesetz sieht einmal im Monat 60 Minuten vor; in Hünfeld gibt es zweimal 90 Minuten Besuchszeit.

Frage: Ein Häftling behauptet in einem Brief, dass es in der JVA Hünfeld im Gegensatz zu den Beteuerungen vor der Eröffnung sehr wohl Sexualstraftäter unter den Gefangenen gebe.

Päckert: Ich schaue mir die Akte jedes Gefangenen genau an, bevor er zu uns verlegt wird. Und wenn ich jemanden als Sexualstraftäter einschätze, dann nehme ich den nicht. Das war so zugesagt und dabei bleibt es.

Frage: Wann wird die Gefangenenvertretung gewählt?

Päckert: Das Gremium sollte ursprünglich neun Mitglieder haben, die voraussichtlich noch mehr als ein Jahr in Hünfeld einsitzen müssen. Da die Restvollzugszeit vieler Gefangener hier in Hünfeld aber unter einem Jahr liegt, gibt es nicht genügend Bewerber für die Interessenvertretung. Wir werden die Zahl der Mitglieder deshalb auf sieben reduzieren müssen. Die Wahl soll am 14. und 15. Juli stattfinden. Mir liegt sehr viel an dieser Vertretung, weil es dann in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse feste Ansprechpartner für die Gefangenen gibt. Es ist ungemein wichtig, dass Gefangene Verantwortung für andere übernehmen.

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12 July 006
Kiffen wird erschwert
Schleswig-Holsteins CDU-SPD-Regierung will die Eigenbedarfsgrenze für den Besitz von Cannabis von 30 auf sechs Gramm senken

Als »beispielllose Radikalisierung« hat der Deutsche Hanf-Verband (DHV) am Dienstag die Absicht der schleswig-holsteinischen Landesregierung bezeichnet, den Besitz von Cannabis künftig schon ab sechs Gramm und nicht wie bisher ab 30 Gramm zu bestrafen. Zuvor war bekannt geworden, daß Justizminister Uwe Döring (SPD) schon in der nächsten Woche diese neue Eigenbedarfsgrenze festlegen will. Die drogenpolitische Sprecherin der schleswig-holsteinischen Grünen, die Landtagsabgeordnete Angelika Birk, warf der Koalitionsregierung aus CDU und SPD »zunehmende Repression« und »hilflosen Populismus« vor.

Mit der neuen Eigenbedarfsgrenze von sechs Gramm liegt Schleswig-Holstein weit unter dem Bundesdurchschnitt von neun Gramm. Die Festlegung dieser Mengen scheint allerdings eine rein politische Frage zu sein. So halbierte Hessen nach dem Wechsel von der SPD zur CDU die Höchstmenge von 30 Gramm – in Berlin hingegen hob der SPD/PDS-Senat die Grenze von 15 auf 30 Gramm an. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte vor zwölf Jahren festgelegt, daß der »gelegentliche Eigenkonsum« von Cannabis straflos bleiben müsse. Wenige Jahre später verpflichtete das BVerfG die Bundesländer, die Strafverfolgung von Cannabis-Sündern anzugleichen. Das allerdings führte fast überall dazu, daß die Eigenbedarfsgrenze gesenkt wurde. Man könne nicht Schüler wegen Zigarettenrauchens von der Schule verweisen, während man beim Cannabis untätig bleibe, begründete ein Sprecher von Dörings Ministerium den bevorstehenden Erlaß. Die Absenkung der Eigenbedarfsgrenze sei auch deshalb nötig, weil Joints heute wesentlich mehr von dem Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten als früher.

Doch für Birk sind gerade diese erhöhten THC-Konzentrationen eher ein Grund dafür, »staatliche Qualitätskontrollen« zu ermöglichen, ähnlich wie bei Nikotin oder Alkohol. Das aber werde erschwert, wenn diese Droge illegalisiert werde. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) habe zudem ergeben, daß zwischen dem Cannabiskonsum in einem Bundesland und dessen Höhe bei den Eigenbedarfsgrenzen kein Zusammenhang existiere. Das würde beweisen, daß durch staatliche Repression kein einziger Joint weniger geraucht werde.

Sollen Bürger, die mehr als sechs Gramm Cannabis besitzen, künftig als Dealer bezeichnet werden? Diese Frage stellt der DHV, der es zudem für unsinnig hält, nun 100000 – größtenteils erwachsene – schleswig-holsteinische Cannabiskonsumenten künftig härter zu bestrafen als in anderen Ländern. Bundesweit gibt es nach offiziellen Schätzungen etwa vier Millionen Cannabiskonsumenten, von denen rund 90 Prozent die Droge lediglich als angenehmes Genußmittel benutzen.

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11. July 2006
Gewaltenteilung in der Praxis
Gesetz zum EU-Haftbefehl soll Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ignorieren

Der Deutsche Anwaltverein und die Bundesrechtsanwaltskammer kritisieren das nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts veränderte Gesetz zum EU-Haftbefehl. Der neue Entwurf sei so dilettantisch, dass es in Karlsruhe ein zweites Mal scheitern dürfte, sagte Michael Rosenthal vom Strafrechtsausschuss des Anwaltvereins der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Ich habe das überarbeitete Gesetz mit Erstaunen zur Kenntnis genommen. Hier und da ist zwar etwas repariert worden, insgesamt bleibt das Gesetz für mich aber verfassungswidrig", sagte er. Nach Ansicht der Anwaltschaft sind zentrale Rügen der Verfassungsrichter nicht umgesetzt worden. "Die überarbeitete Version stärkt die Rechte Betroffener kaum. Wann ein Verdächtiger ausgeliefert werden darf und wann nicht, bleibt vage und verschwommen", kritisierte Rosenthal.

Anne Wehnert vom Strafrechtsausschuss der Rechtsanwaltskammer sagte dem Blatt, sie gehe davon aus, dass das Regelwerk ein zweites Mal beim Verfassungsgericht durchfallen werde. Offenbar habe die Bundesregierung in Europa nicht als Buhmann dastehen wollen und deshalb übereilt ein neues Gesetz auf den Weg gebracht.

Wehnert rügte, dass auch der vom Verfassungsgericht verlangte Rechtsweg gegen bewilligte Auslieferungen nicht geöffnet werde. Ferner sei weiterhin nicht gesichert, dass ein im Ausland verurteilter Deutscher seine Strafe wie von Karlsruhe gefordert hierzulande absitzen dürfe.

Die Vorschriften regeln, unter welchen Umständen international gesuchte Beschuldigte von Deutschland an andere EU-Staaten ausgeliefert werden dürfen. Die erste Fassung hatte Karlsruhe 2005 gekippt, weil nicht hinreichend geregelt worden war, inwieweit Grundrechte der Auslieferung entgegenstehen können.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Alfred Hartenbach, wies die Kritik zurück. "Wir haben das Gesetz verbessert und alle verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt", sagte er der Zeitung.

[  ngo-online.de

[  Bundesrechtsanwaltskammer warnt vor unklaren Regelungen im neuen EU-Haftbefehlsgesetz Nachbesserungen des für verfassungswidrig erklärten Gesetzes nicht gelungen

Intervention des Bundesverfassungsgerichts Bundesrat billigt Gesetz zu europäischem Haftbefehl

10. Jul. 2006

Der Bundesrat hat den Weg für das Gesetz zum europäischen Haftbefehl freigemacht. Die Länderkammer billigte am Freitag in Berlin das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz, das insbesondere die Auslieferung deutscher Staatsbürger zur Strafverfolgung an andere EU-Staaten regelt. Der europäische Haftbefehl soll Auslieferungsverfahren zwischen den EU-Mitgliedsländern vereinfachen und verkürzen. Ein früheres Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen war vor einem Jahr vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig aufgehoben worden. Die Karlsruher Richter hatten ein gesetzliches Prüfprogramm bei der Auslieferung Deutscher zur Strafverfolgung verlangt und kritisiert, dass eine richterliche Überprüfung von Auslieferungsbewilligungen nicht vorgesehen war.

Das neue Gesetz enthält nun Änderungen. Demnach ist die Auslieferung eines Deutschen unter anderem nur zulässig, wenn grundsätzlich die spätere Rücküberstellung in die Bundesrepublik zur Vollstreckung einer verhängten Freiheitsstrafe sichergestellt ist.

[  ngo-online.de

[  Europäischer Haftbefehl





7 July 2006
Polizeigesetz unter heftigem Beschuß

Schleswig-Holsteins SPD-Innenminister will seine »ideologischen Ordnungsphantasien« durchsetzen. Selbst Polizeigewerkschaft geht auf Distanz

In Schleswig-Holstein trifft ein neues Polizeigesetz der CDU-SPD-Landesregierung, wie es Innenminister Ralf Stegner (SPD) seit Monaten plant, erneut auf heftigen Widerstand. In einer Anhörung des Landtags am Mittwoch nachmittag bemängelten nicht nur Juristen und Datenschützer, sondern auch Richter- und Anwaltsverbände Stegners Gesetzentwurf, der ihrer Meinung nach einer Klage beim Bundesverfassungsgericht nicht standhalten würde. Die vorgesehene Totalüberwachung stehe in vielen Punkten im Widerspruch zu den Freiheitsrechten der Bürger, sagten auch Vertreter des ADAC.

Das sehen, wie berichtet, auch die Oppositionsparteien FDP, Grüne und SSW (Südschleswigscher Wählerverband, die Partei der dänischen Minderheit) so, die sich schon im März gegen die geplante Überwachung aller öffentlichen Verkehrsräume durch Videokameras und mit Hilfe einer automatischen Kennzeichenerfassung ausgesprochen hatten. Doch Stegner will das neue Gesetz, das er vor allem mit einer wachsenden Gefahr vor dem »internationalen Terrorismus« begründete. Deshalb soll es künftig auch »vorbeugende« Handy-, Telefon- und Wohnraumüberwachungen von Bürgern geben, die ins Visier polizeilicher Ermittler geraten sind.

Protest ruft auch hervor, daß diese Ermittler dann solche Maßnahmen künftig auch nach »eigenem Ermessen« selbst festlegen sollen. Das aber bezeichnete selbst die Polizeigewerkschaft GdP als »völlig überzogen«. Sie verwies darauf, daß es eine »akute Terrorgefahr« im Land zwischen Nord- und Ostsee überhaupt nicht gebe. Außerdem, so die Polizeigewerkschafter, reichten vorhandene Rechtsvorschriften völlig aus, um konkrete Gefahren abzuwehren.

So sieht es auch Karl-Martin Hentschel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kieler Landtag, der die Landesregierung dazu aufforderte, Bürgerrechte nicht länger zum Experimentierfeld »ideologischer Ordnungsphantasien« zu machen. Nach der Anhörung sei nun das gesamte Parlament aufgefordert, dem neuen Polizeigesetz eine Absage zu erteilen. Das hatte auch FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki betont, der vor allem das unkontrollierte Anzapfen von Telefonen und Handys für »unzulässig« und »verfassungswidrig« hält.

[  jungewelt.de





7 July 2006
»Antiterrorgesetze« ausgeweitet
Von wegen »Terror«

Das Bundeskabinett will am kommenden Mittwoch die nach dem 11. September 2001 beschlossenen »Antiterrorgesetze« nicht nur verlängern, sondern sogar noch ausweiten. Der entsprechende Referentenentwurf, über den die Regierung abstimmen will, sieht u. a. vor, daß künftig alle Geheimdienste des Bundes bei Fluggesellschaften, Banken, Post- und Telekommunikationsunternehmen Auskünfte einholen dürfen. Das, was bisher nur dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erlaubt war, dürfen demnächst auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND).

Die Regierung stört es da nicht weiter, daß der Bundestag zur Zeit versucht, per Untersuchungsaus­schuß die Verwicklung des BND in Folteraktionen der CIA zu prüfen. Sie stört es ebensowenig, daß eben dieser BND erst unlängst bei der Bespitzelung von Journalisten ertappt wurde. Und ihr scheint es auch kein Problem zu bereiten, daß dem BND jede Art von Inlands­aufklärung untersagt ist. Ganz im Gegenteil: Er bekommt jetzt so viele Befugnisse, wie er sie noch nie hatte.

Es gibt möglicherweise kein Land, das so von Geheimdiensten durchzogen ist wie die BRD. Außer den drei Diensten des Bundes gibt es noch 16 Landesämter für Verfassungsschutz sowie die Staats­schutzabteilungen der Polizei. Außerdem tummeln sich völlig ungeniert diverse US-Geheimdienste mit der CIA an der Spitze, der britische MI 6 und Israels Mossad.

Neu ist, daß mit diesem Gesetzes­paket die Trennung von Polizei und Geheimdiensten praktisch aufgehoben ist. Neu ist auch, daß BND, BfV und MAD zu »verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Inland, die die Bereitschaft zur Gewalt fördern«, Informationen sammeln dürfen. Dieser Passus ist so gummihaltig, daß er sich mühelos auf Demonstranten gegen Sozialabbau, protestierende Studenten und Gegner von Castortransporten ausdehnen läßt.

Das 2002 vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) durchgesetzte Gesetzespaket war auf fünf Jahre befristet und soll jetzt um weitere fünf Jahre verlängert und erweitert werden. In Sachen Terrorismusbekämpfung hat es überhaupt nichts gebracht. Nicht ein einziger Fall wurde bekannt, daß mit Hilfe dieser Gesetze ein Terroranschlag aufgedeckt oder verhindert wurde. Es geht letztlich um etwas ganz anderes: Der angebliche Kampf gegen den »Terror« ist nichts als ein Vorwand dafür, die bundesdeutschen Sicherheitsdienste so aufzurüsten, daß sie alle Bestrebungen schon im Ansatz ersticken können, sich gegen Kriegspolitik und Verarmungsstrategien zur Wehr zu setzen.

»Wir sind wirklich auf dem Weg in den Überwachungsstaat«, sagte der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) unlängst in einem Interview. »Wir werden unser blaues Wunder erleben. Wir sind weit über Orwell hinaus.«

[  jungewelt.de





6 July 2006
Online-Strafanzeigen bei der Polizei im Kommen
Hemmschwelle Polizeiwache fällt weg

Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen muss mit immer mehr Online-Anzeigen zurechtkommen. Über den Dienst, den es seit zwei Jahren gibt, gingen in der Zeit rund 46.000 Strafanzeigen ein, teilte Innenminister Dr. Ingo Wolf mit. Außerdem gingen über den polizeilichen Internetauftritt mehr als 10.200 Bewerbungen für den Polizeidienst und über 1.400 Beschwerde- und Lobschreiben ein. Die Tendenz sei weiter steigend. "Die Menschen sind über das Internet spontaner bereit, Anzeige zu erstatten. Die Hemmschwelle, zu einer Polizeiwache zu gehen, fällt weg", sagte Wolf.

Hauptsächlich ging es bei den Anzeigen um Diebstähle, Körperverletzungen, Verkehrsdelikte und Straftaten rund ums Internet. Der Anzeigenerstatter erhält nach dem Absenden des Formulars einen Hinweis auf die zuständige Polizeidienststelle. Dort wird per E-Mail der Eingang bestätigt und auf die bearbeitende Dienststelle hingewiesen. So kann der Anzeigende auch mit dem zuständigen Sachbearbeiter Kontakt aufnehmen. (ad)

[  golem.de





04 July 2006
Nichteinhaltung von Auflagen>br>
Aufsicht über entlassene Straftäter soll verschärft werden

Die Bundesregierung will die Aufsicht über entlassene Straftäter reformieren und damit der Rückfallkriminalität entgegenwirken. Das sieht ein dem Bundestag zugeleiteter Gesetzentwurf vor, wie die Bundestagpressestelle am Dienstag in Berlin mitteilte. Unter anderem ist geplant, die Nichteinhaltung von Auflagen mit bis zu drei Jahren Haft statt bisher einem Jahr zu sanktionieren. Der Gesetzentwurf bezieht sich auch auf die Führungsaufsicht von psychisch Kranken und Suchtkranken. Alkoholkranke beispielsweise sollen überwacht werden.

Ziel sei es, "kritische Entwicklungen" ehemaliger Straftäter schneller zu erkennen und dem rechtzeitig zu begegnen, heißt es. Bei Alkoholkranken etwa soll das Gericht jeglichen Alkoholkonsum untersagen können. Dieses Verbot soll gegebenenfalls durch Kontrollen überwacht werden können. Bei Rückfall soll der Betroffene stationär zur Suchttherapie eingewiesen werden können.

Bei aus der Haft Entlassenen soll ferner ein regelmäßiger Besuch eines Arztes oder Psychotherapeuten angeordnet werden können. Auf diese Weise sollen Betreuer die Möglichkeit erhalten, sich ständig einen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen.

[  ngo-online.de





04 July 2006
Kriterienkatalog für Abschiebepraxis
Ärzte kritisieren baden-württembergische Abschiebepraxis

Die Ärzteschaft in Baden-Württemberg klagt über Menschenrechtsverletzungen bei der Abschiebung von Flüchtlingen mit Psychotrauma. Der Menschenrechtsexperte der Landesärztekammer in Stuttgart, Matthias Odenwald, warf den Landesbehörden am Dienstag vor, die Traumatisierung vieler Flüchtlinge nicht ernst zu nehmen. Odenwald nannte mehrere Beispiele, wonach Ausreisepflichtige direkt aus psychiatrischen Kliniken heraus abgeschoben wurden. In einem Fall habe sich ein Mann selbst abgezündet, um seine Abschiebung zu verhindern.

Odenwald forderte, die Begutachtung künftig von speziell fortgebildeten Ärzten vornehmen zu lassen, nicht durch Behörden. Er warf den Behörden Voreingenommenheit bei der bisherigen Gutachtenpraxis vor. Meist stehe das Ergebnis bereits im Vorfeld fest. Auch die Präsidentin der Landesärztekammer, Ulrike Wahl, forderte Verbesserungen bei der Begutachtung. Die aktuelle Situation sei "nicht zufrieden stellend".

"Psychische Traumafolgen werden in vielen Fällen erst spät im Abschiebeverfahren bekannt", meint die Menschenrechtsbeauftragte der Landesärztekammer, Gisela Dahl. Sie beschreibt "die Ausnahmesituation von Flüchtlingen" so: In größter Not, mit dem Trauma der Rückführung vor Augen, würden die Bilder der Vergangenheit wieder wahrgenommen und erinnert, "mit allen Schrecken und oft so, als wenn sie gegenwärtig seien". Dies könne zu folgenschweren akuten körperlichen und seelischen Zusammenbrüchen führen.

Ihr Kollege Matthias Odenwald ergänzt: "Die Begutachtung von traumatisierten Flüchtlingen darf nach unserer Überzeugung nicht durch die Behörden erfolgen, sondern muss von Ärzten und Therapeuten mit entsprechender Qualifikation vorgenommen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Menschenrechte auf Gesundheit, Wohlbefinden und Rechtsstaatlichkeit auch für Ausreisepflichtige nicht aufgehoben sind." Die Landesärztekammer fordert die Landesregierung dazu auf, "die Abschiebepraxis künftig auf einen gemeinsamen Informations- und Kriterienkatalog zu stützen".

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