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Einleitung

Ein Tag in der Untersuchungshaft

6.30. Ein kurzes Hupsignal erlernt. Du hast 30 Minuten Zeit wach zu werden, aufzustehen, dieh zu waschen, anzuziehen. Dann wird die Zelle aufgeschlossen. Ein Beamter und ein Kalfaktor bringen das Frühstück. Kaffee, Brot, Margarine, Wurst oder Käse.

Wer einfach weiterschläft bekommt nichts. Die nächsten drei Stunden allein in der Zelle.
Um 10.00 Uhr Hofgang. Eine Stunde im Kreis laufen.

Oft nur eine knappe halbe Stunde. Aber du bist mit anderen zusammen. Wieder in die Zelle.
Um 12.00 Uhr "passiert" wieder was: Mittagessen wird ausgegeben. Irgendwas Verkochtes.

Dann fünf Stunden nichts. Nur scheppernde Geräusche aus dem Zellenflur.

Um 17.00 Uhr Abendessen und dann Nachteinschluß.
Um 22.00 Uhr geht das Licht aus.
So sieht ein durchschnittlicher Tag in der U-Haft aus. Zumindest in der ersten Zeit, wenn man noch keinen Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen hat.

Die Zeiten sind natürlich je nach Knast verschieden.
Was noch wöchentlich dazukommen kann: Einkauf, eine oder mehrere Gemeinschaftsveranstaltungen, die sogenannte Freizeit, d.h. Aufenthalt in Gemeinschaftsräumen oder Aufschluß der Zellen, sonntags der Gottesdienst.

Die Stunden dazwischen bist du dir selbst überlassen. Zellenarbeit ist auf Antrag möglich. Gemeinschaftsarbeit dagegen so gut wie nie.

Ein Tag in der Strafhaft

6.30. Ein kurzer Hupton.
30 Minuten Zeit aufzuwachen, aufzustehen, waschen, anziehen. Dann die Frühstücksausgabe.

Wer einfach weiterschläft bekommt unter Umständen Ärger.
Denn um 8.00 Uhr geht's zur Arbeit. Eine Stunde an der Drehbank in der Werkhalle oder am Schraubenzieher in der Zelle. Die Zelle ist hier meist eine Gemeinschaftszelle. Dann eine Stunde Hofgang.
Und wieder an die Arbeit, die man höchstens mal durch einen Arztbesuch unterbrechen kann.

Um 11.30 Uhr Mittagessen für die Zellenarbeiter und um 12.00 Uhr Mittagessen in der Kantine für die in den Arbeitsbetrieben.
Um l7.00 Uhr ist die Arbeit zu Ende. Halbe Stunde später Abendessen in der Zelle.

Danach: Sporthof. Deutschkurse für Ausländer,"Bewährungshilfe-kurse" und ähnliches. Am Abend Aufschluß oder Skat und Fernsehen im Gemeinschaftsraum.
Um 22.00 Uhr gehen die Fichter in den Zellen aus. Ein typischer Tag in der Strafhaft ist vorbei.

Es kommen noch wöchentlich dazu: Einkauf. Kurse und ahnliches. Vielleicht auch mal ein Besuch von draußen.

Warum U-Haft und Strafhaft so verschieden sind

Die Tagesabläufe von U-Haft und Strafhaft erscheinen, wenn man sie so aufgelistet gegenüberstellt, ziemlich ähnlich. Ein wesentlicher Unterschied ist allerdings die Arbeit, die in der Strafhaft den Tag bestimmt. In der U-Haft ist es das Alleinsein.

Es gibt auch noch einen rechtlichen Unterschied: In der U-Haft bist du noch als unschuldig anzusehen. Du sollst nicht bestraft werden, sondern nur zur Bestrafung zur Verfügung stehen, wenn es soweit ist. In der Zeit dazwischen sollst du möglichst die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft fördern, damit du nicht umsonst in der Untersuchungshaft warst.

Was für dich den Hauptunterschied ausmacht, liegt jedoch jenseits von organisatorischen und rechtlichen Dingen. Es sind in erster Linie die eigenen Erwartungen, Hoffnungen, Ängste und die der Mitgefangenen.

In der U-Haft beschäftigt man sich mit dem anstehenden Strafprozeß, wird vielleicht von einem Anwalt besucht, kann hoffen bald oder nach dem Prozeß wieder rauszukommen. Die Anstalt ist eine Durchgangsstation in die Freiheit oder in die Strafanstalt. Man riskiert mehr Widerstand, weil man noch ungebrochen und aggressiv ist. Weil man langfristig nicht auf den guten Willen von Beamten und Anstaltsleitung dieses Knasts angewiesen ist.

Oder man traut sich weniger, weil man noch unter dem Schock der Festnahme und der Trennung leidet, Angst vor dem Prozeß hat, nicht weiß, was mit einem geschieht und was mit einem wird, was draußen mit Familie, Kindern, Freunden wird.

Die Mitgefangenen wechseln laufend. Man kommt nur wenig mit ihnen zusammen und kennt sie daher kaum.

In der Strafhaft weiß man. woran man ist. Man weiß, wie die nächsten Monate oder Jahre aussehen werden. Man weiß, wann man wieder rauskommt und kann sich darauf einrichten. Man lernt die Mitgefangenen besser kennen, kann mehr miteinander machen. Man lernt auch, die Beamten zu durchschauen.

Aber man lernt auch, sich gerade mit diesen Beamten /u arrangieren. weil man weiß, daß man mit ihnen noch lange auskommen muß. Man lernt den Mitgefangenen auch als Rivalen kennen, wenn es z.B. darum geht einen guten Posten in der Bibliothek oder einen Platz in der Sportgruppe zu erheischen. Man weiß, daß man früher rauskommen kann, denn es gibt ja die Bewährung nach der Strafe und man richtet sich darauf ein. Man kann sich nicht vorstellen, daß das Monate und Jahre so weitergehen soll und man weiß nicht, woran man ist.

Das ist alles, was dir der Knast zu bieten hat. Dabei fehlt jedoch das Wichtigste: Das, was du tun kannst, um in diesen mechanischen, von der Anstalt beherrschten Tagesablauf einzugreifen. Wie du mit dem Eingesperrtsein fertig werden kannst. Was du mit den Mitgefangenen gemeinsam tun kannst, um das alles durchzustehen. Vor allem damit beschäftigt sich dieses Buch.



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